Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. Kapitallebensversicherung. zusätzlicher Freibetrag durch entsprechende Anwendung des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB 2. Härtefallprüfung. Versorgungslücken. verfassungskonforme Auslegung. offensichtliche Unwirtschaftlichkeit. Vereinbarung der Unverwertbarkeit der Lebensversicherung
Leitsatz (amtlich)
Zur allgemeinen Härtefallprüfung bei der Berücksichtigung von Vermögen nach der AlhiV 2002.
Normenkette
SGB III § 193 Abs. 2, § 206 Nr. 1; AlhiV § 1 Abs. 2 S. 1 J: 2002 Fassung: 2002-12-23, Abs. 3 Nr. 6 J: 2002 Fassung: 2002-12-23; SGB II § 12 Abs. 2 Nr. 3; VVG § 165 Abs. 1-2; SGB VI § 231; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2004 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 1. Juli 2003.
Der am 3. Juni 1952 geborene, verheiratete Kläger bezog ab 1. Juli 1993 Arbeitslosengeld. Ab 1. Juli 1994 wurde dem Kläger auf Grund des Urteils des Senats vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 21/96 – Alhi gewährt. Der Kläger war Inhaber einer am 1. Januar 2006 fällig werdenden Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme vom 40.000 DM. Zum Stichtag 1. Juli 2003 hatte der Kläger Beiträge in Höhe von 19.805,14 € eingezahlt. Der Rückkaufswert der Versicherung betrug 43.928,42 €. Außerdem verfügte der Kläger über ein Sparguthaben in Höhe von 2.268,19 €.
Die Gewährung von Alhi ab 1. Juli 2003 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über Vermögen in Höhe von 46.196,60 €. Es seien für den Kläger und seine Ehefrau jeweils 10.200,– € an Freibeträgen abzusetzen, so dass ein Vermögen von 25.796,60 € verbleibe (Bescheid vom 17. Juli 2003; Widerspruchsbescheid vom 2. September 2003).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Juli 2003 Alhi zu zahlen (Urteil vom 12. Dezember 2003). Das SG hat zur Begründung ausgeführt, es sei zweifelhaft, ob die Anrechnung der Kapitallebensversicherung nicht im Hinblick auf den relativ zeitnah liegenden Fälligkeitstermin an einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung scheitere. Da der Freibetrag von 200 € je vollendeten Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sei, müsse sich die Beklagte weiter an dem bisher geltenden Freibetrag von 520,– € orientieren.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. September 2004) und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger sei nicht bedürftig gewesen. Die Beklagte habe für den Kläger und seine Ehefrau zutreffend einen Freibetrag von 20.400,– € ermittelt. Das Vermögen habe den Freibetrag um 25.796,60 € erheblich überschritten. Da der Rückkaufswert der Lebensversicherung erheblich über der Summe der eingezahlten Beiträge liege, liege keine Unwirtschaftlichkeit der Verwertung vor. Das Verschleuderungsverbot schütze nur die Substanz des Vermögens, nicht jedoch die Erwartung zukünftiger Vermögenszuwächse. Deshalb könne die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit nicht mit den in der Zukunft zu erwartenden Erträgen aus der Lebensversicherung begründet werden. Die seit inzwischen 10 Jahren bestehende Arbeitslosigkeit des Klägers und die durch die Kindererziehung bedingten Lücken im Versicherungsverlauf der Ehefrau des Klägers sowie deren Teilzeittätigkeit seien keine Umstände, die zu einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung führten. Eine Vorberücksichtung zukünftigen Rechts in Form einer Berücksichtigung der Freibeträge des § 12 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II) könne frühestens mit der Bekanntmachung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt am 24. Dezember 2003 beginnen. Die Absenkung der Freibeträge unterliege keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Verwertung der Kapital-Lebensversicherung sei offensichtlich unwirtschaftlich. Dabei komme es nicht alleine darauf an, dass durch den Rückkaufswert das Beitragsvolumen erstattet werde, sondern es sei naturgemäß zu beachten, dass auf Grund des nur 2,5 Jahre später feststehenden Ablauftermins eine Einbuße von ca 20 % der Versicherungssumme zu verzeichnen sei. Nach den Urteilen des 7. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 2004 sei eine Härteklausel insbesondere für die Gruppe von Arbeitslosen von Bedeutung, deren Altersvorsorgebiografie auf Grund eines atypischen Verlaufs des Erwerbslebens erhebliche Lücken aufweise. Nach der Renteninformation 2003 belaufe sich die monatliche Altersrente auf Grund der bis dahin erworbenen Rentenanwartschaften auf 800,03 €. Für die Ehefrau belaufe sich die Altersrente zum Stand 2003 auf monatlich 328,97 €.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2004 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12. Dezember 2003 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das LSG habe zu Recht entschieden, dass die Kapitallebensversicherung als Vermögen zu berücksichtigen sei.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).
1. Entgegen der Rechtsansicht des LSG standen die Vorschriften der ab 1. Januar 2002 in Kraft getretenen AlhiV 2002 (idF vom 13. Dezember 2001, BGBl I 3734) nicht mit der Ermächtigungsgrundlage des § 206 Nr 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – (SGB III) idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, (BGBl I 594) iVm § 193 Abs 2 SGB III (hier idF des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16. Februar 2001, BGBl I 266) in Einklang, weil in der AlhiV 2002 keine allgemeine Härteklausel (mehr) enthalten war (vgl hierzu die Urteile des Senats vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 73/04 R – und – B 11a/11 AL 51/04 R – = SozR 4-4220 § 6 Nr 2). Dies gilt auch für die – hier maßgebliche – zum 1. Januar 2003 durch den Gesetzgeber geänderte Fassung der AlhiV 2002 (vgl Art 11 Nr 1 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I 4607, 4619), wie der 7. Senat des BSG bereits in mehreren Entscheidungen (vor allem Urteile vom 9. Dezember 2004 – B 7 AL 44/04 R –, BSGE 94, 121 = SozR 4-4300 § 193 Nr 3 und B 7 AL 56/04 R) ausgeführt hat. Der erkennende Senat lässt – ebenso wie der 7. Senat – hierbei offen, ob der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Änderung bzw Herabsetzung der Vermögensfreibeträge in § 1 Abs 2 AlhiV 2002 auf 200,00 € pro Lebensjahr Gesetzes- oder Verordnungsrang zukommt. Denn der Mangel einer fehlenden Härtefallklausel haftet jedenfalls der AlhiV seit 1. Januar 2002 als Verordnung an und konnte auch dadurch nicht geheilt werden, dass der Gesetzgeber selbst später eine einzelne Vorschrift der Verordnung gezielt geändert hat (vgl hierzu insbesondere BSGE 94, 121, 122 = SozR 4-4300 § 193 Nr 3 RdNr 4).
2. Die Notwendigkeit einer allgemeinen Härtefallregelung und deren Prüfung im Einzelfall hat zur Folge, dass auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden kann, ob dem Kläger für den streitigen Zeitraum Alhi zusteht. Dies wäre dann der Fall, wenn der Kläger die Voraussetzungen des § 190 Abs 1 SGB III (Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung, fehlende Anwartschaftszeit auf Arbeitslosengeld, Vorfrist, Bedürftigkeit) erfüllt hat. Vorliegend kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger bedürftig iS des § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III war.
Gemäß § 193 Abs 1 SGB III ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht; § 193 Abs 2 SGB III bestimmt darüber hinaus, dass nicht bedürftig ein Arbeitsloser ist, so lange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Ob und inwieweit Vermögen zu berücksichtigen ist, konkretisiert § 1 der AlhiV 2002 in der hier maßgebenden, ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung (dazu sogleich unter 3.). Die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 4 Abs 2 AlhiV 2002 liegen – wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat – beim Kläger nicht vor. Denn er erfüllt nicht die dort genannten zwei Alternativen, nämlich Entstehen eines Anspruchs auf Alhi im Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2002 oder Zugehörigkeit zum Personenkreis, der bis zum 1. Januar 1948 geboren ist.
3. Allerdings hat das LSG Bedürftigkeit unter alleiniger Anwendung der AlhiV 2002 zu Recht verneint. Nach § 1 Abs 2 AlhiV 2002 in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung beträgt der Freibetrag 200,00 € je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und darf 13.000,00 € nicht übersteigen. Mit dem vom LSG festgestellten Rückkaufswert der Lebensversicherung (43.928,42 €) und dem Sparguthaben (2.268,19 €) lag der Kläger über dem ihm und seiner Ehefrau zustehenden Freibeträgen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bei einem Abwarten der Restlaufzeit der Lebensversicherung eine deutlich höhere Rendite erzielt hätte. Denn von einer “offensichtlich unwirtschaftlichen” Verwertung iS des § 1 Abs 3 Nr 6 AlhiV 2002 kann nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann gesprochen werden, wenn der dadurch erlangte bzw zu erzielende Gegenwert in einem (deutlichen) Missverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde (vgl dazu BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7; Urteil des Senats vom 25. April 2002 – B 11 AL 69/01 R – veröffentlicht in juris und BSG Urteile vom 9. Dezember 2004 – B 7 AL 44/04 R –, BSGE 94, 121 = SozR 4-4300 § 193 Nr 3 und B 7 AL 30/04 R = SozR 4-4300 § 193 Nr 2 sowie Urteile des Senats vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 73/04 R – und – B 11a/11 AL 51/04 R –). Die bloße Erwartung, es werde bei weiterem Zeitablauf ein höherer Zahlbetrag fällig, ist im Rahmen der Alhi-Vorschriften nicht geschützt. Das mit der Sparform der Kapitallebensversicherung verbundene Risiko, bei vorzeitiger Lösung des Vertrages größere Einbußen hinnehmen zu müssen, trägt in Fällen der vorliegenden Art der Arbeitslose. Er kann zudem – worauf bereits das LSG zu Recht hingewiesen hat – ggf den Zeitraum bis zur Fälligkeit der Lebensversicherung durch eine Beleihung überbrücken.
4. Obwohl beim Kläger Bedürftigkeit iS des § 193 Abs 2 SGB III iVm § 1 AlhiV 2002 somit nicht vorlag, kann er mit seinem Klagebegehren Erfolg haben, wenn bei ihm ein Härtefall zu bejahen ist.
Die von der Beklagten gegen die Rechtsprechung des 7. Senats und die Notwendigkeit einer Härtefallklausel erhobenen Einwendungen greifen – wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 73/04 R – und – B 11a/11 AL 51/04 R – im Einzelnen ausgeführt hat – nicht durch. Um zu gewährleisten, dass auch für die Zeit bis zum Inkrafttreten des SGB II Arbeitslose im Rahmen einer gesetzlichen Härtefallregelung (§ 193 Abs 2 SGB III) zumindest in den Genuss der in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II enthaltenen Privilegierungsregelung kommen können, hat der 7. Senat seine bisherige Rechtsprechung in der Entscheidung vom 17. März 2005 (B 7a/7 AL 68/04 R – SozR 4-4300 § 193 Nr 5) dahingehend präzisiert, dass die in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II bezeichnete Unverwertbarkeit auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht uneingeschränkt gelten kann. Denn vor dem 1. Januar 2005 konnten bei Lebensversicherungen die Versicherungsnehmer die Voraussetzungen des erst am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II bei der damaligen Vertragsgestaltung, die eine Einschränkung der Verwertbarkeit üblicherweise nicht vorsah, von vornherein nicht erfüllen (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 12 RdNr 151a). Dies zwingt bei der entsprechenden Anwendung des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 für die Härtefallprüfung des § 193 Abs 2 SGB III dazu, auf die Voraussetzungen einer vertraglichen Vereinbarung über die Nichtverwertbarkeit jedenfalls für die von § 165 Abs 1 und 2 Versicherungsvertragsgesetz betroffenen Lebensversicherungen zu verzichten. Auch insoweit schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des 7. Senats an.
5. Im Rahmen der Härtefallprüfung wird das LSG zunächst zu prüfen haben, ob der Lebensversicherungsvertrag nach der subjektiven Zweckbestimmung (vgl Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 13 RdNr 216 mwN) der Altersvorsorge diente. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist mithin in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 bei dem fraglichen Lebensversicherungsvertrag typisierend im Rahmen der Härtefallprüfung die Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II zu unterstellen. Hiervon dürfte nach dem Urteil des Senats in gleicher Sache vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 21/96 – (= SozR 3-4220 § 6 Nr 4) allerdings auszugehen sein.
Das LSG wird ggf unter Heranziehung der in § 12 Abs 2 SGB II genannten Grundfreibeträge und Altersvorsorgefreibeträge zu prüfen haben, ob der Rückkaufswert der Lebensversicherung überschritten wird. Hierbei muss sich die Prüfung auf den (noch festzustellenden) gesamten streitigen Zeitraum bis maximal zum 31. Dezember 2004 erstrecken (vgl BSG 27. Januar 2005 – B 7a/7 AL 34/04 R –, veröffentlicht in juris).
Ferner wird das LSG ggf bei Überschreiten der Freibeträge im Rahmen der Härtefallprüfung zu klären haben, ob mit Rücksicht auf die Berufsbiografie des Klägers und daraus resultierender Versorgungslücken ein Härtefall vorliegt. Hierbei wird zu beachten sein, dass Versorgungslücken nicht unabhängig von ihrer Ursache zur Annahme einer Härte führen. Vielmehr sind als Gründe für im Rahmen der Härtefallregelung zu berücksichtigende Lücken beim Aufbau einer Versorgungsanwartschaft nur Umstände zu berücksichtigen, die auf bestimmten, von der Rechtsordnung gebilligten Dispositionen beruhen, die zumindest mit denjenigen Gründen vergleichbar sind, die den Tatbeständen der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – (SGB VI) zugrunde liegen. Kein derartiger Sachverhalt liegt vor, wenn die Altersversorgung durch Zeiten der Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers geschmälert wird. Die Arbeitslosigkeit beruht in der Regel nicht auf einer Willensentscheidung des Betroffenen und kann jedenfalls nicht als schützenswerte (berufliche) Disposition anerkannt werden. Der Arbeitslose wird hinsichtlich derartiger Lücken folglich auf den durch die Rentenversicherungspflicht während des Leistungsbezuges sowie durch die gesetzlich geregelten Freibeträge gewährleisteten Mindestschutz verwiesen.
Beachtlich für die Beurteilung einer Härte kann hingegen der Vortrag des Klägers sein, durch die Kindererziehung der Ehefrau bestünden Lücken in deren Versicherungsverlauf. Wie der 7. Senat des BSG bereits in seiner Rechtsprechung (ua BSG SozR 4-4300 § 193 Nr 2; BSGE 94, 121 = SozR 4-4300 § 193 Nr 3) ausgeführt hat, kann eine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber den nach § 231 SGB VI in der Rentenversicherung Befreiten, deren Altersvorsorgebeträge ohne jegliche Begrenzung privilegiert sind, nur bei einer besonderen Berufsbiografie und daraus resultierenden Versorgungslücken in Betracht kommen. Dem muss dann – im Anschluss an die zitierte Rechtsprechung des 7. Senats – ggf im Rahmen der aus § 193 Abs 2 SGB III abzuleitenden Härtefallregelung Rechnung getragen werden. Auch wenn § 1 Abs 3 Nr 4 AlhiV 2002 die vorliegende Fallgestaltung nicht erfasst, lassen sich Gleichheitsprobleme (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) über die Härtefallklausel lösen. Dementsprechend hat der Senat die Anerkennung einer Härte bei einer auf einer zusätzlichen weiterbildenden Schulausbildung und einem Studium beruhenden Minderung der Versorgungsanwartschaft bejaht (BSG SozR 4-4220 § 6 Nr 2).
In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung ist zu entscheiden, dass auch die Aufgabe einer Beschäftigung zum Zwecke der Kindererziehung die Grundlage für die Bejahung einer allgemeinen Härte bilden kann. Der betroffene Personenkreis wird durch seine Entscheidung, sich innerhalb der Familie der Kindererziehung zu widmen, gegenüber Personen, die durchgängig einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, hinsichtlich seiner Altersvorsorge benachteiligt. Dem Bedürfnis, die durch Kindererziehung bedingten Lücken im Versicherungsverlauf zu schließen, trägt der Gesetzgeber durch den rentenversicherungsrechtlichen Nachteilsausgleich der Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI), der zudem für Geburten vor dem 1. Januar 1992 nach § 249 Abs 1 SGB VI auf zwölf Monate begrenzt ist, nur unvollkommen Rechnung. Auch wenn sich Art 6 Abs 1 GG eine Verpflichtung des Gesetzgebers nicht entnehmen lässt, eine optimale Altersversorgung von Erziehenden sicherzustellen (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1), muss er jedenfalls eine Benachteiligung gegenüber durchgehend Erwerbstätigen vermeiden, soweit die Nachteile durch private Anstrengungen ausgeglichen werden sollen. Denn eine Anrechnung des Altersvorsorgevermögens von Eltern, die Erziehungsleistungen erbracht haben, auf die Alhi enthielte sowohl im Verhältnis zu den nach § 231 SGB VI in der Rentenversicherung Befreiten, als auch im Verhältnis zu den durchgängig Beschäftigten eine Benachteiligung, die sich in Widerspruch zu den Wertungen des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG setzen würde (zu dem verfassungsgebotenen Ausgleich s BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2). Diesem Umstand muss deshalb im Rahmen der allgemeinen Härteklausel Rechnung getragen werden.
Ob mit Rücksicht auf eine Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit eine besondere Härte anzuerkennen ist, wird das LSG noch festzustellen haben. Die Anwendung der allgemeinen Härteklausel kommt nur für mit Rücksicht auf Zeiten der Kindererziehung eines Elternteils gebildetes Altersvorsorgevermögen in einem Umfang in Betracht, der durch die rentenversicherungsrechtlichen Nachteile geboten ist. Ein über die gesetzlichen Freibeträge hinausgehendes Altersvorsorgevermögen ist in dem Umfang zu schützen, der geeignet ist, den durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit konkret entstehenden Nachteil auszugleichen. Hierbei sind Vorteile – zB in der gesetzlichen Rentenversicherung gutgeschriebene Kindererziehungszeiten – in Ansatz zu bringen. Da im vorliegenden Fall die gesetzlichen Freibeträge jedenfalls nur unerheblich überschritten werden, sieht der Senat keine Veranlassung, eine Deckelung des von der Anrechnung freizustellenden Vermögens iS einer Begrenzung der Dauer der Zeiten der Kindererziehung vorzunehmen. Er entnimmt jedoch den vom Gesetzgeber in § 26 Abs 2a SGB III (eingefügt durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ≪Job-AQTIV-Gesetz≫ vom 10. Dezember 2001, BGBl I 3443) vorgenommenen Wertungen, dass jedenfalls die rentenversicherungsrechtlichen Nachteile von Erziehenden bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes Berücksichtigung finden müssen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen