Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.02.1988) |
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 1988 aufgehoben, soweit darin der Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1982 und der Vereinbarung vom 3. Dezember 1985 aufgehoben worden ist.
Im übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin oder die Beklagte die gesetzliche Sozialversicherung der Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1. durchzuführen hat.
Die R. ist Eigentümerin der „K. B. „, einer Großversuchsanlage zur Verflüssigung von Steinkohle. Hinsichtlich der wirtschaftlichen und funktionellen Verknüpfung mit anderen Unternehmen des Ruhrkohlebergbaues hat das Landessozialgericht (LSG) ua festgestellt: Nach dem vom Bergamt Gelsenkirchen zugelassenen und bis zum 1. August 1988 befristeten Hauptbetriebsplan (Folgeplan) ist die K. B. eine Großversuchsanlage zur Verflüssigung von Steinkohle, die im Auftrag des Minsters für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen gebaut worden ist. Die vom Landesoberbergamt in den Jahren 1978/79 erteilte Betriebsgenehmigung hat den Bau und Betrieb der Anlage im Verbund mit der Kokerei P. der B. N. zum Gegenstand. Eigentümer der Anlage ist die . Die Geschäftsleitung wird von der Ruhrkohle Ö. wahrgenommen, die eine Tochtergesellschaft der ist. Der Betrieb hat einen eigenen Betriebsrat, er ist Mitglied der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie. Die Einsatzkohle wird entweder über Bandbrücken von der Zeche P. oder als Fremdkohle über Eisenbahnwagen antransportiert. Die Heizgas- und Dampfversorgung der Anlage erfolgt über die Zeche P. , die elektrische Energieversorgung vom Bergwerk P. . Die Flüssigprodukte werden mit Tanklastwagen direkt von der Kohle-Öl-Anlage zur V. gebracht. Die Kohle-Öl-Anlage benutzt für den Transport im Bereich der Zentralkokerei P. die dort liegenden Gleise sowie die dazu gehörenden Rangieranlagen, die von dem Zechenbahn- und Hafenbetrieb der B. unterhalten wird. Als Betriebsärzte der Anlage sind zwei Ärzte der Arbeitsmedizinischen Dienststelle der N. berufen, denen als Hilfspersonal ua das Personal dieser Dienststelle zur Verfügung steht. Im übrigen setzt sich nach dem Hauptbetriebsplan die Belegschaft der Anlage nach dem seinerzeitigen Stand aus insgesamt 93 Mitarbeitern der und 86 Mitarbeitern der V. zusammen. Das von der V. zur Verfügung gestellte Personal untersteht arbeitsrechtlich der Betriebsführung der . Für bestimmte Hilfs- und Reparaturarbeiten werden Unternehmerfirmen beschäftigt.
Die Belegschaftsmitglieder der waren zunächst bei der Klägerin gegen Krankheit versichert; die Klägerin war auch Einzugsstelle (§ 1399 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) für die Rentenversicherungsbeiträge. Durch Bescheid vom 23. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1982 forderte die Beklagte die auf, ua die Belegschaftsmitglieder der ab 1. Juli 1981 bei der Beklagten anzumelden. Während des sich daran anschließenden Klageverfahrens (Az: S 2 Kn 54/82 des Sozialgerichts -SG- Duisburg = L 15 Kn 124/83 des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen) trafen die und die Beklagte am 3. Dezember 1985 eine „Vereinbarung” dahin, daß alle Arbeitnehmer der ab 1. Januar 1986 der knappschaftlichen Kranken- und Rentenversicherung unterlägen, daß die Bundesknappschaft für die Zeit bis 31. Dezember 1985 keine Beiträge fordere und daß die Vertragspartner den Rechtsstreit L 15 Kn 124/83 für in der Hauptsache erledigt erklären sollten; letzteres ist im Dezember 1985 erfolgt.
Am 23. Dezember 1985 erhob die Klägerin gegen die Beklagte eine Klage, mit der sie in erster Instanz in erster Linie die Feststellung begehrte, daß die Beklagte auch über den 31. Dezember 1985 hinaus nicht für die Durchführung der Kranken- und Rentenversicherung der versicherungspflichtig Beschäftigten der Beigeladenen zu 1. zuständig sei, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihr (der Klägerin) einen Widerspruchsbescheid zu erteilen, und ganz hilfsweise, den Bescheid vom 23. Juni 1981 aufzuheben. Das SG Gelsenkirchen hat die Klage durch Urteil vom 3. Oktober 1986 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin, in der diese nur noch ihren Feststellungsantrag verfolgte, hat das LSG Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 9. Februar 1988 unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, des Bescheides der Beklagten vom 23. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1982 und der Vereinbarung vom 3. Dezember 1985 festgestellt, daß die Beklagte nicht der für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung der bei der Beigeladenen zu 1. versicherungspflichtig Beschäftigten sei: Die Beklagte habe zwar in das zwischen der Klägerin und den Arbeitnehmern der Beigeladenen zu 1. bestehende Versicherungsverhältnis eingreifen und durch den Bescheid vom 23. Juni 1981 auch feststellen dürfen, daß die ein knappschaftlicher Betrieb sei. Die Klägerin habe – als Beigeladene – diesen Bescheid auch angefochten, sie habe indessen die nicht hindern können, die gegen diesen Bescheid erhobene Klage zurückzunehmen. Jedoch seien weder der Bescheid vom 23. Juni 1981 noch die Vereinbarung vom 3. Dezember 1985 bindend geworden, weil der Bescheid durch die Vereinbarung vom 3. Dezember 1985 modifiziert worden sei; daher sei auch das Feststellungsinteresse für die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage gegeben. Die Klage sei auch begründet, weil die kein Betrieb sei, in dem Mineralien oder ähnliche Stoffe bergmännisch gewonnen würden. Die sei auch kein unselbständiger Betriebsteil der und auch kein knappschaftlicher Nebenbetrieb.
Dieses Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene zu 1. mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Rechtsmittels vor, das LSG habe mangels eines entsprechenden Antrages der Klägerin den Bescheid vom 23. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1982 nicht aufheben dürfen. Darüber hinaus sei das Urteil auch deshalb fehlerhaft, weil es sich bei der Vereinbarung vom 3. Dezember 1985 um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handele, der durch ein Gericht nicht aufgehoben werden könne. Das LSG habe daher das Rechtsschutzinteresse für die von der Klägerin erhobene Klage verneinen und die Klage als unzulässig abweisen müssen. Unabhängig davon sei das LSG-Urteil aber auch in der Sache selbst fehlerhaft. Zwar sei die -GmbH eine rechtlich selbständige Gesellschaft. Für die Abgrenzung ihrer Zugehörigkeit zur Knappschaftsversicherung komme es aber darauf nicht an. Maßgeblich sei vielmehr die wirtschaftliche, organisatorische und betriebstechnische Verpflechtung mit der . Als Tochtergesellschaft der sei daher auch die ein knappschaftlicher Betrieb.
Auch die Beigeladene zu 1. hält sich für einen knappschaftlichen Betrieb, weil sie in Fragen der Unternehmensführung und wirtschaftlich-finanziell von der voll abhängig sei. Zumindest bestehe ein betriebliches Bedürfnis für die Einordnung der als Nebenbetrieb der .
Die Revisionsklägerinnen beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 1988 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 3. Oktober 1986 zurückzuweisen.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin meint, das LSG habe zwar den Bescheid vom 23. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1982 und der Vereinbarung vom 3. Dezember 1985 nicht aufheben dürfen. Es habe jedoch zu Recht das Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage bejaht und die zutreffend als nichtknappschaftlichen Betrieb angesehen.
Die Beigeladene zu 2. ist der Ansicht, daß die Beklagte die vorgenannten Bescheide bereits selbst aufgehoben habe, daß aber die Entscheidung des LSG zum Zwecke der Klarstellung möglich und erforderlich gewesen sei. Im übrigen teile sie die Auffassung der Klägerin.
Die Beigeladene zu 3. hat keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die statthaften Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. sind im Ergebnis unbegründet. Die Beigeladene zu 1. ist kein knappschaftlicher Betrieb, ihre Arbeitnehmer sind deshalb auch nicht knappschaftlich versichert. Jedoch war der Tenor des LSG-Urteils auf dessen Feststellungsteil zu beschränken.
Die Revisionsklägerinnen wenden gegen das LSG-Urteil zutreffend ein, daß es im Aufhebungsausspruch bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen fehlerhaft ist, weil die Klägerin jedenfalls im zweiten Rechtszuge keine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage – auch nicht in Form eines Haupt- und Hilfsbegehrens –, sondern lediglich eine Feststellungsklage erhoben hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin auch eine Nichtigkeitsfeststellungsklage iS des § 55 Abs 1 Nr 4 SGG erheben durfte und ob das LSG befugt gewesen wäre, auf eine solche Klage die Nichtigkeit des Bescheides vom 23. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1982 und der Vereinbarung vom 3. Dezember 1985 festzustellen. Denn die Klägerin hat sowohl nach dem Wortlaut des von ihr in der Verhandlung vor dem LSG am 9. Februar 1988 gestellten Antrages als auch nach dem Gesamtinhalt ihrer Klage- und Berufungsbegründung keinen Feststellungsantrag iS des § 55 Abs 1 Nr 4 SGG gestellt. Ihr ging es allein um die Entscheidung über ihre Zuständigkeit, so daß ihr Klagebegehren von vornherein nur als Feststellungsbegehren iS des § 55 Abs 1 Nr 1 oder Nr 2 SGG angesehen werden kann. Auf diese Feststellungsklage war die Aufhebung der früheren Bescheide, die überdies nur gegenüber der Beigeladenen zu 1. ergangen sind, nicht möglich. Erst recht gilt das für die Aufhebung der „Vereinbarung” vom 3. Dezember 1985, auch soweit in ihr möglicherweise nicht nur ein – nicht der Anfechtung unterliegender – gegenseitiger Vertrag, sondern – unbeschadet der Vertragsform – auch eine Änderung des Bescheides der Beklagten vom 23. Juni 1981 durch die Beklagte zu sehen wäre. Insoweit geht mithin der Urteilstenor des LSG-Urteils über den von der Klägerin im Berufungsverfahren erhobenen Klageanspruch hinaus; dieser Teil des LSG-Urteils verstößt daher gegen § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), so daß das LSG-Urteil keinen Bestand haben kann, soweit dieses die vorgenannten Bescheide und die vorgenannte Vereinbarung aufgehoben hat.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht ist jedoch die Feststellungsklage der Klägerin zulässig; ihr stehen insbesondere weder die vorgenannten Bescheide der Beklagten noch die Vereinbarung vom 3. Dezember 1985 entgegen.
Der erkennende Senat hat – damals als Senat für Angelegenheiten der Krankenversicherung – wiederholt entschieden, daß bei Streitigkeiten der Versicherungsträger untereinander, wer von ihnen für die Durchführung der Versicherung zuständig ist, die Feststellungsklage die gebotene Klageart ist (BSG SozR 2200 § 250 Nr 12 mwN). Das gilt nicht nur für die Fälle, in denen die Zuständigkeit unter RVO-Kassen im Sinne des § 225 RVO streitig ist, sondern auch, wenn – wie hier – eine RVO-Kasse die Feststellung ihrer Zuständigkeit als Träger der Krankenversicherung und als Einzugsstelle für die Beiträge zur Rentenversicherung (§ 1399 RVO, § 121 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-) im Verhältnis zum Träger der knappschaftlichen Versicherung (§§ 6 ff des Reichsknappschaftsgesetzes -RKG-) geltend macht. Fehlerhaft ist deshalb der verfahrensrechtliche Ausgangspunkt des LSG auch insoweit, wie es meint, die Beklagte habe über ihre Zuständigkeit nicht nur gegenüber der Beigeladenen zu 1., sondern auch gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt entscheiden müssen. Nachdem die Vorschrift des § 2 Abs 4 RKG, wonach bei Zweifeln, ob ein Betrieb knappschaftlich ist, das Bundesversicherrungsamt (BVA) zu entscheiden hatte, weggefallen ist (vgl Art 1 Nr 2 iVm Art 4 § 26 des Bundesknappschafts-Errichtungsgesetzes -BKnEG- vom 28. Juli 1969 – BGBl I 974 –), hat jetzt zwar die Bundesknappschaft als alleiniger Träger der Knappschaftsversicherung (§ 7 RKG) zu entscheiden, ob ein bestimmter Betrieb knappschaftlich ist. Ergeht eine solche Entscheidung, so hat sie auch für die Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens unmittelbare Rechtsfolgen, nämlich die Zugehörigkeit zur Knappschaftsversicherung, die nicht von der Art der Tätigkeit, sondern nur von der Knappschaftlichkeit des Unternehmens abhängt (Miesbach-Busl, RKG, Anm 4a zu § 1). Unmittelbare Rechtsfolge der Feststellung der Knappschaftlichkeit eines Betriebes ist, daß die diesem Betrieb angehörenden Arbeitnehmer zur Knappschaftsversicherung (§ 1 RKG) und zu keinem anderen Versicherungszweig gehören. Solche Entscheidungen regeln mithin das Versicherungsverhältnis insgesamt und umfassend.
Wie jedoch bereits nach früherem Recht nicht die Knappschaft, sondern das BVA zu entscheiden hatte, wenn Zweifel über die Zugehörigkeit eines Betriebes zur Knappschaftsversicherung bestanden – Hauptanwendungsfall der Vorschrift des § 2 Abs 4 RKG (aF) war der bereits frühere Streit unter Versicherungsträgern über die Zugehörigkeit der Arbeitnehmer eines bestimmten Betriebes zur allgemeinen oder zur Knappschaftsversicherung –, so steht auch nach geltendem Recht der Beklagten die Entscheidung durch Feststellung der Knappschaftlichkeit eines Betriebes nur zu, wenn dessen Zugehörigkeit zu den knappschaftlichen Betrieben nicht zweifelhaft ist, insbesondere wenn der sonst für die Durchführung der Versicherung zuständige Träger seine Zuständigkeit nicht beansprucht. Denn die Regelung des Versicherungsverhältnisses allein durch die Entscheidung über die Knappschaftlichkeit eines Betriebes ist nicht möglich, wenn die Versicherungspflicht der Arbeitnehmer dieses Betriebes in einem anderen Versicherungszweig offen ist und damit zwangsläufig zugleich auch die Zuständigkeit eines anderen Versicherungsträgers für die Durchführung der Versicherung gegeben sein kann. In einem solchen Fall kann das Sozialrechtsverhältnis nicht einseitig durch eine Entscheidung der Knappschaft über die Knappschaftlichkeit eines Betriebes geregelt werden, sondern es muß zugleich auch entschieden werden, daß keine Versicherungspflicht zu einem anderen Versicherungszweig besteht. Die alleinige Entscheidung, daß ein Betrieb knappschaftlich ist, ist der Knappschaft mithin insbesondere dann verwehrt, wenn – wie hier – die Versicherungsverhältnisse der Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1. zur RVO-Krankenversicherung und die Beitragspflicht zur Rentenversicherung nach der RVO und dem AVG bereits bestehen. Erst recht ist es nicht möglich, die Knappschaftlichkeit eines Betriebes und damit zugleich die Versicherungsverhältnisse der Arbeitnehmer durch Verträge zwischen der Knappschaft und dem von ihr als knappschaftlich angesehenen Betrieb zu regeln. Vielmehr sind derartige Versicherungs-Rechtsverhältnisse nur durch einen subordinationsrechtlichen Verwaltungsakt regelbar. Diese Verfahrensweise entfällt aber dann, wenn – wie hier – die Zugehörigkeit der Arbeitnehmer zu verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung in Betracht kommt. Denn die Möglichkeit der Entscheidung über die Art des Versicherungsverhältnisses einschließlich der damit zusammenhängenden Zuständigkeit eines Versicherungsträgers für die Durchführung der Versicherung durch Verwaltungsakt entfällt schon deshalb, weil dann die Zuständigkeit mehrerer Versicherungsträger in Betracht kommt, die untereinander nicht in einem Subordinationsverhältnis stehen. Hier kommt die Entscheidung durch einen Versicherungsträger nur in Betracht, wenn die Natur des Versicherungsverhältnisses nicht zweifelhaft ist. Da hier dieses Einvernehmen nicht vorliegt, mithin Zweifel an der Zuständigkeit der Klägerin und der Beigeladenen zu 2. und 3. oder der Beklagten bestehen, durfte die Beklagte in die Versicherungs-Rechtsverhältnisse zwischen der Klägerin sowie den beigeladenen Rentenversicherungsträgern einerseits und der Beigeladenen zu 1. sowie deren Arbeitnehmern andererseits nicht einseitig durch Feststellung der Knappschaftlichkeit der Beigeladenen zu 1. und damit in Form der Begründung eines anderen Rechtsverhältnisses mit einem gegenteiligen Inhalt eingreifen. Vielmehr kann die Beklagte in einem solchen Fall eine Entscheidung darüber, welcher Versicherungsträger die Versicherung durchzuführen hat, nur durch einen sogenannten Prätendentenstreit (Baumbach-Hartmann, ZPO, 47. Aufl, Überschrift zu § 75: „Beansprucherstreit”) mit dem Versicherungsträger, der die Versicherung bereits durchführt – hier also der Beklagten –, in Form der Feststellungklage herbeiführen. Ergeht – wie hier – gleichwohl ein Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte die Knappschaftlichkeit eines bestimmten Betriebes feststellt, so ist dieser Akt gemäß §§ 40 Abs 1, 40 Abs 2 Nr 3 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) nichtig; mit der Nichtbeachtung der bestehenden Versicherungsverhältnisse zwischen der Klägerin sowie den Beigeladenen zu 2. und 3. und den Arbeitnehmern der Beigeladenen zu 1. leidet ein solcher Bescheid an einem besonders schweren Mangel, der bei Würdigung aller Umstände auch offenkundig ist (§ 40 Abs 1 SGB X). Denn andernfalls würde es – wie gerade der Verlauf des Klageverfahrens S 2 Kn 44/82 des SG Duisburg (= L 15 Kn 124/83 des LSG Nordrhein-Westfalen) zeigt –, der Beklagten möglich sein, auf dem Wege des Erlasses eines vom Betrieb (Arbeitgeber) nicht angefochtenen und von den bisherigen Trägern der Versicherung nicht anfechtbaren Betriebszugehörigkeitsbescheides bereits bestehende Versicherungsverhältnisse in ihrer Wirkung zu beeinträchtigen, wobei hier offenbleiben kann, ob – wie die Beklagte meint – diese Versicherungsverhältnisse zwangsläufig beendet würden oder ob nur eine Doppelmitgliedschaft der Arbeitnehmer begründet würde. Die von der Beklagten mit einem solchen Bescheid bewirkten Rechtsfolgen würden mithin zu Lasten sowohl der RVO-Versicherungsträger als auch der Versicherten gehen, ohne daß ihnen die Möglichkeit der Anfechtung einer solchen Entscheidung der Beklagten eröffnet würde.
Daraus folgt zugleich auch, daß die Klägerin gemäß § 55 Abs 1 Nr 2 SGG auf Feststellung, welcher Versicherungsträger zuständig ist, klagen darf und muß, falls – wie hier – die Zuständigkeit zwischen ihr und der Beklagten streitig wird. Dabei ist es jedenfalls dann bedeutungslos, ob sie eine positive Feststellungsklage auf Feststellung ihrer Zuständigkeit oder eine negative Feststellungklage, daß der andere Versicherungsträger nicht zuständig ist, erhebt, wenn sie – wie hier – bisher bereits zuständig war. Die Feststellungklage im Sinne des § 55 Abs 1 Nr 2 SGG ist gerade für die Fälle geschaffen worden, in denen mehrere Versicherungsträger sich als zuständig ansehen. Im konkreten Fall der Klägerin besteht für diese Klage auch ein Rechtsschutzinteresse, weil die Beklagte die Beigeladene zu 1. bereits als knappschaftlichen Betrieb in Anspruch genommen hat und auch die Beigeladene zu 1. sich selbst als knappschaftlicher Betrieb ansieht.
In der Sache selbst sind die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. jedoch unbegründet. Die Beigeladene zu 1. ist kein knappschaftlicher Betrieb oder Nebenbetrieb iS des § 2 RKG.
Das LSG hat zunächst zutreffend entschieden, daß im Betriebe der Beigeladenen zu 1. keine Mineralien oder ähnliche Stoffe bergmännisch gewonnen werden (§ 2 Abs 1 Satz 1 RKG). Das LSG hat insoweit unangefochten festgestellt, daß die Beigeladene zu 1. mit der in ihrem Betriebe erfolgenden Kohleverflüssigung keine Form der Kohlegewinnung nach bergmännischen Regeln aus einer Fundstätte betreibt, sondern nur Kohle in bestimmter Form zu einem anderen Produkt verarbeitet.
Der Senat kann auch offenlassen, ob das Verflüssigen von Kohle durch die Beigeladene zu 1. Aufbereitung iS des § 4 Abs 3 Satz 1 des Bundesberggesetzes (BBG) vom 13. August 1980 (BGBl I 1310) ist, insbesondere ob die Beigeladene die Voraussetzungen des § 4 Abs 3 Satz 1, erster Halbsatz, Nr 2 und zweiter Halbsatz BGB erfüllt und ob die Kohleverflüssigung eine bergbauliche Tätigkeit iS dieses Gesetzes ist oder ob sie das – worauf die Beklagte besonders hinweist – bergrechtlich in historischer Zeit war. Denn es widerspricht bereits der von der Beklagten nicht hinreichend berücksichtigten andersartigen Zielsetzung des Bundesberggesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes, aus der Unterstellung auch solcher Betriebe unter die Aufsicht der Bergbehörden zu folgern, daß ihre Betriebstätigkeit allein deshalb auch eine Form der bergmännischen Gewinnung von Mineralien oder ähnlicher Stoffe ist (ebenso Miesbach-Busl, RKG, Anm 3 zu § 2). Hätte der Gesetzgeber eine so weitgehende Einbeziehung von Verarbeitungsbetrieben in die Knappschaftsversicherung gewollt, wie die Beklagte sie für gegeben erachtet, würde er die im Bundesberggesetz enthaltenen Begriffsbestimmungen auch in § 2 RKG aufgenommen haben. Deshalb ist der Begriff der „bergmännischen Gewinnung” iS des § 2 RKG gerade im Hinblick auf den mit dem RKG erstrebten speziellen Schutzzweck der Bergleute mit dem LSG eng abzugrenzen; die Verbindung zwischen der bergmännischen Gewinnung von Mineralien zu den Bereichen der Verarbeitung und der Aufbereitung der gewonnenen Mineralien ist darauf zu beschränken, ob letztere in einem knappschaftlichen Nebenbetrieb iS des § 2 Abs 2 RKG erfolgt.
Die Beigeladene zu 1. ist auch keine Betriebsanstalt oder Gewerbeanlage, die als Nebenbetrieb eines kanppschaftlichen Betriebes mit diesem räumlich und betrieblich zusammenhängt (§ 2 Abs 2 RKG).
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß als knappschaftlicher Betrieb iS des § 2 RKG, nur die in Betracht kommen kann. Indessen fehlen Feststellungen des LSG, die diesen Ausgangspunkt rechtfertigen, weil die selbst kein knappschaftlicher Betrieb ist. Aber selbst wenn das unterstellt wird, kann die nicht als Betriebsanlage oder Gewerbsanlage des angesehen werden.
Bei der Inhaltsbestimmung der Begriffe des Betriebes und des Nebenbetriebes und der Differenzierung zwischen beiden geht der erkennende Senat für das RKG in Übereinstimmung mit dem 5. Senat des BSG (BSGE 37, 245) und der ständigen Rechtsprechung anderer Senate für andere Bereiche des Sozialrechts von der allgemein anerkannten Abgrenzung aus: Unter einem Betrieb wird danach die auf die Errichtung eines arbeitstechnischen Zwecks gerichtete organisatorische Zusammenfassung personeller, sächlicher und anderer Arbeitsmittel zu einer selbständigen Einheit verstanden (vgl BSGE 37, 245, 246 mwN; 46, 218, 244; 59, 87, 89; SozR 2200 § 245 Nr 2; vgl ebenso BAGE 46, 363). Um einen unselbständigen Betriebsteil handelt es sich hingegen, wenn eine Produktionsstätte in bezug auf die Gesamtheit der eingesetzten Arbeitsmittel über keinen selbständigen Leitungsapparat verfügt (BSGE 37, 245, 246) und zwischen der vorhandenen „Zentrale” und der Produktionsstätte auf dem Gebiet der Planung, der Entwicklung, der Produktion und des Vertriebes eine derartig starke organisatorische Verflechtung besteht, daß eine Verselbständigung nicht ohne grundlegende Umwandlung der Organisationsstruktur möglich wäre (BSG SozR 2200 § 245 Nrn 2 und 3). Jedoch besteht eine Vielfalt möglicher Organisationsformen und seiner Führungsstruktur, die es nicht zuläßt, Betriebe und unselbständige Betriebsteile nach dem Vorhandensein oder Fehlen einzelner Kriterien abzugrenzen. Vielmehr erfordert die Entscheidung, ob es sich lediglich um einen unselbständigen Nebenbetrieb oder um einen selbständigen Betrieb handelt, die Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalles.
Selbständigkeit ist dann anzunehmen, wenn die hierfür sprechenden Faktoren im konkreten Fall qualitativ überwiegen. Hierbei ist – wie die Beigeladene zu 1. in ihrer Revisionsbegründung zutreffend hervorhebt – die Regelung der Leitung des Unternehmens nur ein Merkmal von weniger erheblichem Gewicht. Insbesondere spricht etwa das Bestehen oder Fehlen einer eigenständigen kaufmännischen Leitung allein nicht in jedem Fall gegen die Eigenschaft eines selbständigen Betriebes. Auch die Entwicklung der Datenverarbeitung und der Kommunikationstechniken können Unternehmer veranlassen, bestimmte Aufgaben, zB der Personalverwaltung zu zentralisieren. Deshalb vermag die Verlagerung von Arbeitsbereichen, die bisher üblicherweise innerhalb eines selbständigen Betriebes vorhanden waren, nicht den Ausschlag bei der Abgrenzung zwischen Betrieb und unselbständigem Betriebsteil zu geben. Die Selbständigkeit eines Betriebes wird ferner nicht dadurch aufgehoben, daß die Muttergesellschaft Rahmenrichtlinien für alle oder einzelne Betriebe aufstellt und dadurch die Leitung der einzelnen Betriebe zwingt, den Betrieb in einem bestimmten Sinne zu führen. Derartige Weisungen sind Ausdruck der Kapitalstruktur des Unternehmensverbandes und berühren nicht die Eigenständigkeit des jeweiligen Betriebes (SozR 2200 § 245 Nr 2).
Handelt es sich dagegen um Weisungen und Vorgaben, die das Ziel der Betriebstätigkeit und die sächlichen, personellen und verfahrensmäßigen Aufwendungen hierzu so weitgehend regeln, daß den Leitungen der Werke oder Produktionsstätten nur noch geringfügige Entscheidungsbefugnisse oder solche von untergeordneter Bedeutung verbleiben, so kann von einer Selbständigkeit der Betriebsteile keine Rede sein. In einem solchen Falle steht der Werksleitung keine technische Selbständigkeit mit dem für die Selbständigkeit eines Betriebes typischen Entscheidungsspielraum zu, sie ist lediglich Ausführungsorgan der Zentrale.
Kein Kriterium, an dem die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit eines Betriebsteils gemessen werden kann, ist die Zusammensetzung der Belegschaft einschließlich der betriebsverfassungsrechtlichen Struktur der Arbeitnehmerseite. Zunächst kann hier die Vorschrift des § 4 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerfG) nicht analog für die Abgrenzung zwischen selbständigem Betrieb und unselbständigem Betriebsteil angewendet werden. Nach dieser Vorschrift gelten Betriebsteile zwar unter bestimmten Voraussetzungen als selbständige Betriebe. Diese Regelung ist nach ihrem Sinn und Zweck jedoch nur für die Betriebsverfassung von Bedeutung. Nur für diesen Bereich will § 4 BetrVerfG die Abgrenzung erleichtern, weil für die Betriebsverfassung im Mittelpunkt steht, daß die Arbeitnehmer eine tatsächliche Gemeinschaft bilden, die sich als Belegschaft von anderen Belegschaften abhebt. Dieser Gesichtspunkt ist aber für die hier zu entscheidende Frage nicht bedeutsam.
Auch der Austausch von Beschäftigten mit anderen Werken desselben oder eines anderen Unternehmens ist nur ein sehr untergeordnetes Abgrenzungskriterium. Der Austausch kann für eine starke Verflechtung innerhalb des Gesamtbetriebes sprechen; sein Fehlen muß aber nicht als Merkmal der Selbständigkeit des einzelnen Betriebsteiles gewertet werden, da soziale, sozialversicherungsoder arbeitsrechtliche Gründe für oder gegen die Mobilität von Arbeitnehmern in Betrieben oder Betriebsgruppen maßgebend sein können; alle diese Merkmale sind für die Abgrenzung der Betriebsstruktur daher in der Regel ohne Bedeutung.
Schließlich kann auch aus Art 20 Abs 1 oder aus Art 28 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) keine bestimmte organisatorische Gestaltung der Sozialversicherung hergeleitet werden (BVerfGE 11, 310, 320 f). Weder das Unternehmen noch die Arbeitnehmer eines Betriebes oder unselbständigen Betriebsteiles haben die Wahl, welchem Zweig der Versicherung sie angehören wollen. Ihre Mitgliedschaft richtet sich allein nach objektiven Gesichtspunkten. Die Berücksichtigung dieser Umstände ist – selbst im Hinblick auf das Demokratiegebot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes ausgeschlossen, so daß es entgegen der von den Revisionsklägerinnen vertretenen Ansicht nicht darauf ankommt, ob auf der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite ein Bedürfnis nach einer möglichst kontinuierlichen knappschaftlichen Versicherung besteht.
Dieser Gewichtung der Abgrenzungskriterien dafür, ob die ein selbständiger Betrieb oder ein unselbständiger Betriebsteil der ist, entspricht die Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen durch das LSG zwar nicht in vollem Umfange. Jedoch rechtfertigen die – von den Revisionsklägerinnen nicht angefochtenen Tatsachenfeststellungen des LSG gleichwohl die von ihm aus den Gesamtumständen gezogene Schlußfolgerung, daß es sich bei der nicht um einen knappschaftlichen Nebenbetrieb iS des § 2 Abs 2 RKG handelt. Auch wenn – wie die Beigeladene zu 1. zutreffend geltend macht – das Vorhandensein eines Betriebsrates, der Umstand, daß die Beiträge zur Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie entrichtet und die Zusammensetzung des Personals als Zuordnungsmerkmale hier gänzlich entfallen oder unbedeutend sind, so bleibt als hervorstechendes Merkmal für die Eigenständigkeit der und damit für die Beurteilung dieses Unternehmens als selbständiger Betrieb die eigenständige Rechtsnatur und Leitung sowie die wirtschaftliche Struktur dieses Unternehmens. Insbesondere hat das LSG zutreffend den Umstand, daß die eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, als sehr wesentliches Merkmal der Eigenständigkeit gewertet, weil sie der ermöglicht, nach außen hin als eigenständiges Unternehmen aufzutreten und als Arbeitgeber zu handeln. Beide Revisionsklägerinnen beachten nicht hinreichend, daß demgegenüber das Innenverhältnis zur , insbesondere der Umstand, daß die zu 100 % eine Tochtergesellschaft der ist und daß zwischen der und der ein Beherrschungs- und ein Ergebnisabführungsvertrag besteht, für die eigenständige Erreichung des Betriebszweckes von nachgeordneter Bedeutung bleibt und insbesondere nicht die Schlußfolgerung rechtfertigt, die Verwirklichung der von der erstrebten Unternehmens- und arbeitstechnischen Zwecke erfolge in Form einer quasi unselbständigen Betriebsabteilung der . Das LSG hat insbesondere festgestellt, daß die trotz der zwischen ihr und der bestehenden Kapitalverflechtung eine eigenständige personelle und technische Einheit ist, die auch die Wege zur Erreichung des Betriebszweckes selbst bestimmt. Daß diese Unternehmensziele denen der Muttergesellschaft nachgeordnet sind und gegebenenfalls von dieser vorgegeben werden können, ist für die Abgrenzung der betrieblichen Selbständigkeit der ohne Bedeutung. Dasselbe gilt für die Höhe und die Adressaten der von der Bundesrepublik Deutschland für den Unternehmeszweck der zur Verfügung gestellten Forschungsmittel. Da sich mithin die Zusammenfassung der personellen, sächlichen und sonstigen Arbeitsmittel der auf die Erreichung eines eigenständigen arbeitstechnischen Zweckes richtet und die schon wegen ihrer rechtlichen Konstruktion als eigenständige juristische Gesellschaft über einen selbständigen Leitungsapparat verfügt, handelt es sich bei ihr auch trotz der bestehenden wirtschaftlichen Verflechtung mit der um ein selbständiges Unternehmen und nicht um einen knappschaftlichen Nebenbetrieb der iS des § 2 RKG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 517982 |
BSGE, 75 |