Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Prüfmethode. statistische Vergleichsprüfung. zahnarztbezogene Prüfung nach Durchschnittswerten. repräsentative Einzelfallprüfung. Rangfolge der Prüfmethoden
Leitsatz (amtlich)
Zum Vorrang einer statistischen Vergleichsprüfung vor einer repräsentativen Einzelfallprüfung im Rahmen der kassenzahnärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Normenkette
RVO §§ 368e, 368n; SGB V § 106; SGB X § 20
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Juni 1994 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16. Juni 1993 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte erneut über den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 18. Mai 1988 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden hat.
Der Beklagte hat den Klägern deren Aufwendungen für das Berufungs- und das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Gesamtfallwert des zu 1) beigeladenen Zahnarztes überschritt im Quartal IV/85 bei durchschnittlicher Fallzahl den Fallwert der Vergleichsgruppe um 34,14 %. Die Überschreitungen betrugen bei der Leistung Ziff 10 Bema 265,3 %, bei der Ziff 38 284,4 %, bei der Ziff 105 193,1 %, bei der Ziff 107 149,8 % und bei der Ziff Ä 935d Bema 184,3 %.
Der Prüfungsausschuß kürzte die Honoraranforderung für diese Leistungen wegen Unwirtschaftlichkeit auf Werte zwischen dem 1,3- und 1,5-fachen des KZV-Durchschnitts. Die Kürzung belief sich insgesamt auf 4.894,71 DM (Beschluß vom 18. Mai 1988). Der beklagte Beschwerdeausschuß wies den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) mit Bescheid vom 15. Juni 1990 zurück, nachdem er die Abrechnung nach der Methode des statistischen Vergleichs geprüft hatte. In dem gegen diese Entscheidung vom Beigeladenen zu 1) angestrengten Klageverfahren erklärte sich der Beklagte vergleichsweise bereit, über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Beigeladenen zu 1) im Quartal IV/85 neu zu entscheiden und für den Fall der Durchführung einer Pauschalanalyse die sog “Nullabrechner” zu berücksichtigen.
Mit dem den Vergleich ausführenden Bescheid vom 16. November 1992 half der Beklagte dem Widerspruch des Beigeladenen zu 1) überwiegend ab. Er kürzte lediglich die Honoraranforderungen nach Ziff 10 Bema um 2/3 der abgerechneten Leistungen (Kürzung: 195,21 DM). Bei der Leistung Ziff 105 Bema ließ er die bisherige Kürzung bestehen (Kürzung: 1.496,61 DM). Der Beklagte hatte die Abrechnung des Beigeladenen zu 1) durch einen Zahnarzt als Berichterstatter im Wege einer repräsentativen Prüfung einzelner Behandlungsfälle prüfen lassen. Zur Begründung seiner Entscheidung bezog er sich auf dessen Prüfbericht.
Hiergegen haben die klagenden Krankenkassen das Sozialgericht (SG) angerufen.
Im Klageverfahren hat der Beklagte mit Bescheid vom 25. März 1993 die Begründung seiner ursprüngliche Entscheidung ergänzt und den Prüfbericht des Berichterstatters zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht.
Das SG hat beide Bescheide des Beklagten aufgehoben (Urteil vom 16. Juni 1993) und ausgeführt, diese entsprächen nicht den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) an eine repräsentative Einzelfallprüfung zu stellen seien. Das BSG habe dazu in seinem Urteil vom 8. April 1992 – 6 RKa 27/90 – verlangt, daß 20 % der Behandlungsfälle überprüft werden müßten und sich die Prüfung auf zumindest 100 Fälle zu erstrecken habe. Da der Beklagte durch seinen zahnärztlichen Berichterstatter lediglich 57 Behandlungsfälle überprüft habe, sei diesen Anforderungen nicht Genüge getan.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das sozialgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. Juni 1994). Es hat die Auffassung vertreten, die von dem Beklagten angewandte Prüfmethode sei nicht zu beanstanden. Die vom BSG für die repräsentative Einzelfallprüfung aufgestellten Grundsätze seien auf den zahnärztlichen Bereich nicht übertragbar. Die Behandlungsunterlagen, die hier für eine repräsentative Einzelfallprüfung ausgewertet würden, seien wesentlich aussagekräftiger als diejenigen im ärztlichen Bereich. Sie enthielten nämlich alle notwendigen Angaben zum Gebißzustand der Versicherten und zu den vom Zahnart gestellten Diagnosen. Als ausreichend sei anzusehen, wenn die Prüfgremien 25 % der Behandlungsfälle eines Zahnarztes einer repräsentativen Einzelfallprüfung unterzögen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger übereinstimmend, das LSG habe die zur Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten Rechtsgrundsätze falsch angewandt und zudem die sich aus § 20 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ergebende Verpflichtung des Beklagten zur umfassenden Sachaufklärung verkannt. Nach der Rechtsauffassung des BSG müßten bei der Prüfung nach der Methode der eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung zumindest 100 Behandlungsfälle pro Quartal überprüft werden. Das gelte im zahnärztlichen Bereich nicht anders als im ärztlichen Bereich. Zu Unrecht habe das LSG die Dokumentation der geprüften Einzelfälle seitens des Beklagten für ausreichend gehalten. Das sei schon deshalb fehlerhaft, weil der Berichterstatter des Beklagten seine Ausführungen lediglich auf die statistisch auffälligen Leistungen erstreckt und keinen einzigen Behandlungsfall vollständig analysiert habe. In Wirklichkeit enthalte der Prüfbericht keine eingeschränkte Prüfung ausgewählter Behandlungsfälle. Er stelle sich vielmehr als Wertung dar, nach der der Ansatz von fünf statistisch auffälligen Gebührenpositionen durch den Beigeladenen zu 1) in den 57 untersuchten Behandlungsfällen überwiegend wirtschaftlich gewesen sei. Nachprüfbare Tatsachenfeststellungen und nachvollziehbare Feststellungen zum Krankheitsgeschehen fehlten weitgehend. Zu beanstanden sei schließlich, daß der Beklagte nicht aufgezeigt habe, weshalb er die Abrechnung des Beigeladenen zu 1) nicht nach der nunmehr auch gesetzlich vorgeschriebenen Methode der statistischen Vergleichsprüfung untersucht habe, obwohl diese zuverlässigere Ergebnisse als die repräsentative Einzelfallprüfung zu erbringen geeignet sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Juni 1994 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16. Juni 1993 zurückzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Er verweist in erster Linie darauf, daß nach der Rechtsprechung des Senats die Prüfgremien selbst über die anzuwendende Prüfmethode entscheiden dürften. Auf der Grundlage von § 7 Nr. 2 der Prüfvereinbarung habe er sich dazu entschlossen, den Umfang der Unwirtschaftlichkeit “aufgrund repräsentativer Vergleichszahlen zu errechnen”. In der Prüfvereinbarung sei der Vorrang (auch) der repräsentativen Einzelfallprüfung vor der statistischen Vergleichsprüfung normiert. Es könne nicht beanstandet werden, daß er sich bei seiner Entscheidung an die Prüfvereinbarung gehalten habe. Im übrigen sei im zahnärztlichen Bereich eine repräsentative Einzelfallprüfung auf der Grundlage der vorhandenen Behandlungsunterlagen zuverlässig und aussagekräftig durchführbar. Die für den ärztlichen Bereich vom BSG insoweit aufgestellten Mindestanforderungen könnten nicht auf den zahnärztlichen Bereich übertragen werden. Wenn ein Zahnarzt im Durchschnitt 250 Patienten im Quartal behandele, könne nicht verlangt werden, daß sich die repräsentative Einzelfallprüfung auf mindestens 100 Behandlungsfälle erstrecke. Es sei ausreichend, wenn 20 % bzw 25 % der Behandlungsfälle in die Prüfung einbezogen würden. Eine solche Prüfung habe hier ein zuverlässiges Bild über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Beigeladenen zu 1) ergeben, weil die prozentualen Abrechnungsverhältnisse einzelner Gebührenziffern bei den 57 geprüften Einzelfällen weitgehend mit den Vergleichszahlen bei allen abgerechneten Behandlungsfällen übereinstimmten.
Die zu 2) beigeladene KZV schließt sich der Auffassung des Beklagten an. Der Beigeladene zu 1) hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revisionen der Kläger sind begründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten in der Fassung des Bescheides vom 25. März 1993 ist rechtswidrig. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des zu 1) beigeladenen Zahnarztes im Quartal IV/85 ist nicht mit einer geeigneten Prüfmethode und damit nicht in rechtlich zulässiger Weise überprüft worden.
Maßgebend für die rechtliche Beurteilung der angegriffenen Verwaltungsentscheidung sind hier noch die früheren, am 31. Dezember 1988 außer Kraft getretenen Bestimmungen der §§ 368e, 368n Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und die dazu vom BSG für die kassenärztliche und kassenzahnärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten Rechtsgrundsätze.
Danach ist bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Kassen- bzw Kassenzahnarztes in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Arzt wirtschaftlich gehandelt hat. Für diese Prüfung stehen als Prüfmethoden im Regelfall die statistische Vergleichsprüfung (heute: Prüfung nach Durchschnittswerten gemäß § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) und die – strenge – Einzelfallprüfung zur Verfügung (hierzu im einzelnen: Senatsurteil vom 8. April 1992 – BSGE 70, 246, 252 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10, mwN). Die strenge Einzelfallprüfung setzt bei dem objektiven Krankheitszustand des behandelten Versicherten im Zeitpunkt der Behandlung an. Für die Durchführung ist eine (Nach-)Untersuchung des Patienten oder das Nachvollziehen des Krankheitszustandes und des Behandlungsverlaufes aufgrund anderer – mehr oder weniger – objektiver Unterlagen (Röntgenbilder, Befunde anderer Ärzte oä) erforderlich (BSGE aaO). Davon zu unterscheiden ist die sogenannte eingeschränkte Einzelfallprüfung. Sie geht von der Indikationsbeurteilung des zu prüfenden Arztes aus und untersucht anhand seiner Abrechnungsunterlagen sein Behandlungsverhalten auf Wirtschaftlichkeit. Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung handelt es sich damit im Ergebnis um eine Prüfung auf Schlüssigkeit, ob die Behandlungsmaßnahmen des geprüften Arztes mit dem von ihm selbst gestellten Indikationen in Übereinstimmung stehen. Auch wenn bei der von ihrem Ansatz her nur begrenzt aussagefähigen eingeschränkten Einzelfallprüfung noch unwirtschaftliche Behandlungsweisen ermittelt werden können, so kommt sie doch nur dann als geeignete Beweismethode in Betracht, wenn weder eine statistische Vergleichsprüfung noch eine strenge Einzelfallprüfung durchgeführt werden können (BSGE 70, 246, 254 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10).
Diese Nachrangigkeit der Methode der eingeschränkten Einzelfallprüfung ist für die Prüfgremien auch unter Geltung des § 368n Abs 5 RVO verbindlich. Sie kann für Quartale aus der Zeit vor dem 31. Dezember 1988 nicht unter Hinweis auf den Beurteilungsspielraum in Frage gestellt werden, der den Prüfgremien nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats für die Wahl der Prüfmethode zusteht (vgl zB BSGE 62, 18, 19 = SozR 2200 § 368n Nr 54). Ob an dieser Rechtsprechung angesichts der Neuregelung des Rechts der Wirtschaftlichkeitsprüfung im SGB V in Zukunft uneingeschränkt festgehalten werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist der Beurteilungsspielraum der Prüfgremien unter Geltung der RVO hinsichtlich der Auswahl der geeigneten Prüfmethode auf die fallbezogene Entscheidung für eine echte Einzelfallprüfung oder eine Prüfung nach Durchschnittswerten bezogen. Er kann von den Prüfgremien auch für die Beurteilung in Anspruch genommen werden, ob in einem konkreten Fall die Fallzahl des (Zahn)arztes noch eine Einzelfallprüfung zuläßt und ob eine sehr spezielle Praxisausrichtung noch eine statistische Vergleichsprüfung gestattet (vgl BSGE 70, 246, 253 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10). Dasselbe gilt für die Entscheidung, nach welcher statistischen Methode eine Vergleichsprüfung durchgeführt werden soll (BSGE 62, 24, 25 = SozR 2200 § 368n Nr 48; vgl auch BSGE 71, 90, 93 = SozR 3-2500 § 106 Nr 13). Der Beurteilungsspielraum deckt aber keine generell abweichende Bewertung der von der Verwaltungspraxis mit Billigung der Rechtsprechung entwickelten Prüfmethoden durch die Prüfgremien, weil die Gründe, die die Rechtsprechung veranlaßt haben, den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum zuzubilligen, für die generelle Bewertung der Eignung einer Prüfmethode nicht angeführt werden können. Bei dieser Bewertung spielt weder die Zusammensetzung der Prüfgremien mit fachkundigen Personen eine Rolle, noch geht es um die einer allgemeinen Beurteilung häufig entzogene Bewertung der Besonderheiten einzelner (zahn)ärztlicher Praxen. Ob sich ein Prüfgremium aufgrund genereller Bedenken gegen die Anwendung einer bestimmten Prüfmethode entscheiden darf, unterliegt daher uneingeschränkt gerichtlicher Nachprüfung. Diese führt hier zu dem Ergebnis, daß die Entscheidung des Beklagten fehlerhaft ist.
Der Beklagte hat, wie sich insbesondere aus der im Klageverfahren nachgeschobenen Begründung ergibt, die Behandlungsweise des Beigeladenen zu 1) nach der Methode der “repräsentativen Einzelfallprüfung” untersucht. Er hat dies damit begründet, daß eine echte Einzelfallprüfung wegen der unverhältnismäßigen Schwierigkeiten nicht durchgeführt werden könne und die Prüfvereinbarung die repräsentative Einzelfallprüfung zulasse, die im übrigen zu einem genaueren und gerechteren Ergebnis als eine Schätzung aufgrund von Vergleichszahlen führe. Dem kann nicht gefolgt werden.
Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die dieses Vorgehen billigende Auffassung des Berufungsgerichts, die Nachrangigkeit der “eingeschränkten Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung” gegenüber der statistischen Vergleichsprüfung gelte nur für den ärztlichen und nicht auch für den zahnärztlichen Bereich. Die entscheidenden Nachteile der eingeschränkten Einzelfallprüfung gegenüber der echten Einzelfallprüfung und der statistischen Vergleichsprüfung vor allem hinsichtlich der Beweissicherheit bestehen im ärztlichen wie im zahnärztlichen Bereich in gleicher Weise. Die Einzelfallprüfung in der hier vom Beklagten praktizierten Form ist eine reine Schlüssigkeitsprüfung; denn typisch für die streitigen Leistungen nach Ziff 10 Bema (Behandlung überempfindlicher Zahnflächen), Ziff 38 Bema (Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff etc), Ziff 105 Bema (lokale medikamentöse Behandlung von Schleimhauterkrankungen etc), Ziff 107 Bema (Entfernen harter Zahnbelege) und Ziff Ä 935d Bema (Orthopantomogramm) ist, daß regelmäßig objektive Unterlagen, aus denen sich die Erforderlichkeit dieser Leistungen zur Behandlung des Versicherten belegen läßt, nicht vorhanden sind. Demgemäß stützt sich die vom Beklagten vorgenommene Untersuchung auf Wirtschaftlichkeit allein auf Behandlungsunterlagen (Patientenkarten, Behandlungsausweise) und Behandlungsangaben des geprüften Zahnarztes, mithin auf dessen subjektive Bekundungen. Diese sind nur in geringem Umfang aufgrund zusätzlicher Unterlagen (zB Röntgenaufnahmen) objektivierbar gewesen. Es steht nicht in Frage, daß sich selbst bei einer durch die auszuwertenden Unterlagen schon im Ansatz beschränkten Überprüfung unwirtschaftliche Behandlungsweisen eines Zahnarztes feststellen lassen; insbesondere können eindeutige Fehlansätze von Leistungen und zahnmedizinisch schlechthin unvertretbare Behandlungsformen auffallen. Der Senat verkennt weiterhin nicht, daß – wie vom Beklagten vorgetragen – die Ergebnisse einer derartigen Überprüfung für den betroffenen Zahnarzt überzeugend sein können, weil sich aus ihnen eine unwirtschaftliche Behandlungsweise am einzelnen Fall belegen läßt. Das ändert aber nichts daran, daß die aufgezeigten Voraussetzungen, unter denen wegen der schon vom Ansatz her beschränkten Aussagefähigkeit allein eine derartige repräsentative Einzelfallprüfung durchgeführt werden kann, vorliegend nicht gegeben sind.
Ungeachtet dessen ist die Einschätzung des Beklagten, die genannte Prüfmethode führe zu “gerechteren” Resultaten als die Vergleichsprüfung, ebenso wenig nachvollziehbar wie die von ihm und von der Beigeladenen zu 2) erhobenen generellen Bedenken gegen die statistische Vergleichsmethode. Die Beteiligten verkennen Voraussetzungen und Grundsätze der in Jahrzehnten entwickelten und bewährten Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1989 hat der Gesetzgeber ausdrücklich in § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V die Prüfung der Wirtschaftlichkeit auch der kassenzahnärztlichen Versorgung nach Durchschnittswerten vorgeschrieben und damit die in der Praxis der Prüfgremien entwickelte und durch die Rechtsprechung bestätigte Methode des statistischen Kostenvergleichs als Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der zahnärztlichen Tätigkeit anerkannt und als Regelprüfmethode übernommen (vgl BSGE 76, 53, 54 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145). Damit haben die von der Rechtsprechung des BSG zum früheren, hier noch maßgeblichen Rechtszustand formulierten Grundsätze der statistischen Vergleichsprüfung eine nachhaltige Bestätigung erfahren, wie sich insbesondere aus der Bezugnahme darauf in der Begründung zum Entwurf des Gesundheits-Reformgesetzes (BT-Drucks 11/2237, S 196 zu § 114) ergibt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach der Methode des statistischen Kostenvergleichs gebilligt und sie als mit Verfassungsrecht im Einklang stehend bewertet (vgl die zahlreichen Nachweise im Senatsurteil BSGE 76, 53, 55 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 146).
Die Prüfung nach Durchschnittswerten erfolgt im Wege einer Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Zahnarztes und derjenigen seiner Vergleichsgruppe. Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ist somit der durchschnittliche Behandlungsaufwand der Zahnärzte der Vergleichsgruppe in dem zu prüfenden Quartal. Eine Unwirtschaftlichkeit ist dann anzunehmen, wenn der Fallwert des zu prüfenden Zahnarztes so erheblich über dem Vergleichsgruppendurchschnitt liegt, daß sich die Mehrkosten nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lassen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise als Ursache der erhöhten Aufwendungen geschlossen werden kann (vgl Senatsurteil BSGE 76, 53, 55 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 146). Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit erschöpft sich indessen nicht in einer rein statistischen Betrachtung. Sie fordert ergänzend eine sog. intellektuelle Prüfung und Entscheidung, bei der die für die Frage der Wirtschaftlichkeit relevanten zahnmedizinischen Gesichtspunkte in Rechnung zu stellen sind (vgl BSGE 74, 70, 72 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125). Im Rahmen dieses Prüfungsschritts sind das Behandlungsverhalten des geprüften Zahnarztes, die möglicherweise unterschiedlichen Behandlungsweisen innerhalb der Vergleichsgruppe sowie die vom Zahnarzt geltend gemachten Praxisbesonderheiten zu Untersuchen und zu würdigen. Gerade um diese zahnärztlichen Gesichtspunkte einer sachgerechten Bewertung zugänglich zu machen, hat das Gesetz die Wirtschaftlichkeitsprüfung besonderen, von den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung von Zahnärzten und Krankenkassen zu bildenden Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen übertragen und für diese eine sachkundige Besetzung mit Vertretern der Zahnärzte und der Krankenkassen vorgeschrieben. Diese Gremien sind verpflichtet und befähigt, alle relevanten Umstände aus der Praxisführung des geprüften Zahnarztes, die sich aus den vorliegenden Prüfungsunterlagen ergeben oder vom Zahnarzt geltend gemacht werden, daraufhin zu überprüfen, ob sie den nach rein statistischer Betrachtungsweise gesetzten Anschein einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise zu widerlegen geeignet sind. Damit besteht innerhalb der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten hinreichend Raum, um den individuellen Besonderheiten der einzelnen Praxis nachgehen zu können, was ein zentrales Anliegen insbesondere der Beigeladenen zu 2) darstellt.
Die statistische Vergleichsprüfung ermöglicht demnach nicht anders als die repräsentative Einzelfallprüfung die Berücksichtigung praxisindividueller Aspekte, hat ihr gegenüber aber den entscheidenden Vorzug, daß nicht auf die Verwertung von Informationen darüber verzichtet wird, wie sich die Honoraranforderung des geprüften Zahnarztes zu derjenigen seiner Kollegen verhält, die prinzipiell gleiche Gesundheitsstörungen behandeln und die wie er um die wirtschaftliche Gestaltung ihrer Behandlungsweise bemüht sind. Die Kenntnis dieser Vergleichswerte ist für jede Wirtschaftlichkeitsprüfung von maßgeblicher Bedeutung, weil durch sie erst der Weg freigemacht wird, gezielt nach den Gründen für eine Überschreitung der Durchschnittswerte zu suchen. Diese beruht nämlich niemals auf zufälligen Gegebenheiten, sondern hat stets eine in den Praxisumständen oder der Behandlungsweise des Zahnarztes wurzelnde Ursache (vgl BSGE 76, 53, 57 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 148). Plausible Gründe, die es rechtfertigen könnten, daß die Prüfgremien auf die Verwertung dieser wichtigen Information über die maßgeblichen Vergleichsdaten verzichten, sind für den Senat nicht erkennbar. Daher führt die Entscheidung für die repräsentative Einzelfallprüfung dann, wenn eine statistische Vergleichsprüfung durchführbar ist, nicht zu einer größeren Annäherung an ein “gerechtes” Ergebnis, sondern nur zu Defiziten hinsichtlich der Rationalität des Prüfverfahrens und der Nachvollziehbarkeit der betroffenen Entscheidungen der Prüfgremien.
Für seine Entscheidung zur Anwendung der “repräsentativen Einzelfallprüfung” kann sich der Beklagte auch nicht auf § 7 der Anl 10 zum Gesamtvertrag zwischen der Kassenzahnärztliche Vereinigung Koblenz-Trier und den Verbänden der Krankenkassen (Prüfvereinbarung) in der ab 1. August 1978 geltenden Fassung stützen. Diese Vorschrift bestimmt in § 7 Abs 2: “Die Prüfung hat grundsätzlich anhand einzelner Behandlungsfälle zu erfolgen. Wenn unverhältnismäßige Schwierigkeiten und Aufwendungen dies verhindern, soll der Umfang der Unwirtschaftlichkeit aufgrund repräsentativer Vergleichszahlen errechnet werden. Ist auch dies unmöglich, können die Prüfungseinrichtungen den Umfang der Unwirtschaftlichkeit aufgrund eines Vergleiches schätzen, den sie ziehen.
- zwischen unterschiedlichen Berechnungen des Kassenzahnarztes in den verschiedenen Abrechnungszeiträumen oder
- zu den Abrechnungen anderer Kassenzahnärzte mit gleichartiger Praxis in demselben KZV-Bezirk.”
Obwohl diese Vorschrift weder Bundesrecht noch sonstiges Recht iS von § 162 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darstellt, dessen Geltungsbereich sich über den Bereich des LSG Rheinland-Pfalz hinaus erstreckt, kann der Senat sie selbständig auslegen, weil das LSG sie in den Gründen seiner Entscheidung völlig unberücksichtigt gelassen hat. In einem solchen Fall kann und muß das Revisionsgericht auch nicht revisibles Recht selbständig auslegen und anwenden (BSG SozR 3-2200 § 368n Nr 6 S 17).
Der Beklagte versteht § 7 Abs 2 Satz 2 der Prüfvereinbarung so, daß die von ihm angewandte Prüfmethode eine “Errechnung des Umfangs der Unwirtschaftlichkeit aufgrund repräsentativer Vergleichszahlen” ist, es sich also um eine repräsentative Einzelfallprüfung handelt, der Vorrang vor der statistischen Vergleichsprüfung zukomme. Demgegenüber sehen die Kläger in dieser Vorschrift die Grundlage für eine statistische Vergleichsprüfung, die zusätzlich in § 7 Abs 2 Satz 3 Ziff b der Prüfvereinbarung angesprochen sein soll. Es bedarf keiner Entscheidung, welcher der beiden Auslegungsmöglichkeiten der Vorzug zu geben ist, wenngleich für die Auffassung des Beklagten spricht, daß § 7 Abs 2 erkennbar der Vorschrift des § 6 Abs 2 der Anl 4 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) nachgebildet ist, die die statistische Vergleichsprüfung mit einer Wendung normiert, die nahezu wörtlich der Vorschrift des § 7 Abs 2 Satz 3 Buchst b der hier einschlägigen Prüfvereinbarung entspricht (vgl BSGE 62, 18, 19 = SozR 2200 § 368n Nr 54 S 182). § 7 Abs 2 Satz 2 der Prüfvereinbarung hat in § 6 Abs 2 der Anl 4 zum BMV-Z keine Entsprechung.
Ist § 7 Abs 2 Satz 2 im Sinne der Kläger auszulegen, bietet die Vorschrift von vornherein keine Handhabe, anstelle einer statistischen Vergleichsprüfung auf eine repräsentative Einzelfallprüfung auszuweichen. In der Auslegung des Beklagten ist § 7 Abs 2 Satz 2 der Prüfvereinbarung mit den bundesrechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung unvereinbar und deshalb nichtig. Die Parteien der Gesamtverträge, die nach § 368n Abs 5 Satz 3 RVO die Vorschriften des Verfahrens zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie das Verfahren vor den Ausschüssen zu vereinbaren hatten, waren nicht berechtigt, den Prüfgremien eine Reihenfolge der anzuwendenden Prüfmethoden vorzuschreiben, die mit Bundesrecht nicht in Einklang steht.
Die im wesentlichen richterrechtlich entwickelten Grundsätze der Kassen(zahn)ärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung waren auch vor ihrer ausdrücklichen normativen Absicherung im Gesetz (§ 106 SGB V) bundesrechtlicher Natur. Sie haben die unvollständige Regelung aus § 368n Abs 5 RVO ergänzt und die Tätigkeit der Prüfgremien ähnlich wie gesetzliche Vorgaben gesteuert (vgl Senatsurteil vom 10. Mai 1995 – 6 RKa 2/94 – nicht veröffentlicht). Die Befugnis der Parteien der Gesamtverträge zur Regelung der Einzelheiten des Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung hat nicht die Berechtigung eingeschlossen, zentrale Grundsätze der Wirtschaftlichkeitsprüfung außer Kraft zu setzen, und etwa den Vorrang einer nach der Rechtsprechung des Senats nur eingeschränkt aussagekräftigen Prüfmethode vor einer aussagekräftigeren zu normieren (vgl zu der an die Stelle von § 368n Abs 5 RVO getretenen Vorschrift des § 106 Abs 2 S 3 SGB V Hess. Kasseler Komm, § 106 RdNr 44).
Im übrigen verstößt die Normierung des Vorrangs der repräsentativen Einzelfallprüfung vor einer im konkreten Fall durchführbaren Prüfung nach Durchschnittswerten auch gegen die Vorschrift des § 20 Abs 1 und 2 SGB X. Nach dieser auch für die kassen(zahn)ärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung geltenden Bestimmung (vgl BSGE 62, 18, 23 = SozR 2200 § 368n Nr 54 S 187) sind die Prüfgremien verpflichtet, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und alle für die zu treffende Entscheidung relevanten Umstände zu ermitteln. Dazu zählt auch die Bewertung der Ergebnisse einer vergleichenden Analyse der Abrechnungswerte des geprüften Zahnarztes mit derjenigen der Gesamtheit der Zahnärzte aus einem bestimmten regionalen Bereich, weil sich aus ihnen wichtige Schlußfolgerungen für die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise (§ 368e Abs 2 RVO) ergeben können. Soweit statistische Vergleichszahlen vorliegen, dürfen sie bei der Prüfentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben. Eine Bestimmung der Prüfvereinbarung in dem Sinne, daß auf die Resultate eines statistischen Abrechnungsvergleichs nur zurückgegriffen werden kann, wenn eine eingeschränkte Prüfung repräsentativer Fälle undurchführbar ist, ist mit der Verpflichtung der Prüfgremien zur Ermittlung aller für die Entscheidung relevanten Umstände unvereinbar (vgl bereits BSGE 62, 18, 23 = SozR 2200 § 368n Nr 54 S 187).
Das SG hat danach den Bescheid des Beklagten im Ergebnis zu Recht aufgehoben Dieser hat über den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 18. Mai 1988 hinsichtlich des Quartals IV/85 erneut zu entscheiden. Dabei wird er die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Beigeladenen zu 1) – wie bereits in der Entscheidung vom 15. Juni 1990 – nach der Methode des statistischen Vergleichs zu prüfen und zu bewerten haben. Bei seiner Entscheidung ist er an die im Verfahren S 1a Ka 103/90 (SG Mainz) vergleichsweise abgegebene Erklärung vom 18. September 1991 gebunden, die “Null-Abrechner” zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 946339 |
BSGE, 53 |
SozSi 1997, 119 |