Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufsichtsbehörde. formelle und materielle Anforderungen an Verpflichtungsanordnung. Abgrenzung der Leistungspflichten von Kranken- und Pflegeversicherung bei Hilfsmitteln. finanzieller Ausgleich für zu Unrecht gewährte Hilfsmittel
Leitsatz (amtlich)
Zu den formellen und materiellen Anforderungen an eine Verpflichtungsanordnung, mit der die Aufsichtsbehörde eine der gesetzlichen Abgrenzung der Leistungspflichten der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung entsprechende Bewilligungspraxis von Kranken- und Pflegekasse bei Hilfsmitteln sicher stellen und einen finanziellen Ausgleich für von der Pflegekasse zu Unrecht gewährte Hilfsmittel herbeiführen will.
Normenkette
SGB 4 § 89 Abs. 1 S. 2; SGB 4 § 90 Abs. 2; SGB 5 § 33 Abs. 1 S. 1, §§ 128, 139 Fassung: 2007-03-26; SGB 11 § 40 Abs. 1 S. 1, § 46 Abs. 6, § 78 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen der zu 1. beigeladenen Krankenkasse und der bei ihr eingerichteten, hier als Klägerin auftretenden Pflegekasse einerseits sowie dem beklagten Freistaat Bayern und dem zu 2. beigeladenen, die Bundesrepublik Deutschland vertretenden Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsichtsbehörden andererseits besteht seit der Einführung der sozialen Pflegeversicherung (SPV) im Jahre 1995 Streit über die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), das im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V (ab 1.4.2007 § 139 SGB V) aufgeführt ist, den pflegebedürftigen Versicherten nach § 40 Abs 1 SGB XI auch als Pflegehilfsmittel (einschließlich der technischen Hilfsmittel nach § 40 Abs 3 Satz 1 SGB XI) gewährt werden kann.
Der Beklagte und das BVA meinen, eine solche Möglichkeit bestehe grundsätzlich nicht; nur wenn ein Hilfsmittel der GKV allein der Erleichterung der Pflege diene, was in seltenen Ausnahmefällen vorstellbar sei, komme überhaupt eine Leistungspflicht der Pflegekasse in Betracht. Deshalb sei grundsätzlich keine Einzelfallprüfung vorzunehmen, wenn ein Vertragsarzt ein im Hilfsmittelverzeichnis der GKV gelistetes Hilfsmittel verordnet habe. Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. sind hingegen der Auffassung, dass stets eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe und die Pflegekasse zur Leistung verpflichtet sei, wenn das Hilfsmittel im konkreten Fall vorrangig der Pflege dienen solle.
Am 10.7.1995 wurde von den Spitzenverbänden der Pflegekassen ein Entwurf für ein Pflegehilfsmittelverzeichnis gemäß § 78 Abs 2 Satz 2 SGB XI vorgelegt. Da die Spitzenverbände der Pflegekassen der Ansicht waren, dass ein verordnetes Hilfsmittel der GKV in Fällen, in denen die Krankenkasse dieses mangels Erfüllung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 33 SGB V) nicht als Sachleistung zur Verfügung stellen muss, bei pflegeerleichterndem Einsatz durch die Pflegekasse bezahlt werden muss, enthielt der Entwurf eine Reihe von Hilfsmitteln, die bereits im Hilfsmittelverzeichnis der GKV (§ 128 SGB V ) gelistet waren. Das Bundesarbeitsministerium und das Bundesgesundheitsministerium haben daraufhin am 28.2.1996 einen gemeinsamen Verpflichtungsbescheid erlassen, mit dem die Spitzenverbände der Pflegekassen verpflichtet wurden, diejenigen Hilfsmittel aus dem Pflegehilfsmittelverzeichnis herauszunehmen, die bereits im Hilfsmittelverzeichnis der GKV enthalten waren. Die Spitzenverbände der Pflegekassen verzichteten auf eine gerichtliche Überprüfung dieses Bescheids und veröffentlichten im Bundesanzeiger Nr 155a vom 20.8.1996 ein entsprechend der Verpflichtungsanordnung überarbeitetes Pflegehilfsmittelverzeichnis vom 14.3.1996.
|
Das Bayerische Landesprüfungsamt für Sozialversicherung (LPrA) hat im Jahr 1997 bei der Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung der Klägerin beanstandet, dass Aufwendungen für im Hilfsmittelverzeichnis der GKV gelistete Hilfsmittel in erheblichem Umfang zu Lasten der Pflegeversicherung verbucht worden seien (Prüfbericht vom 22.12.1997). Die Klägerin akzeptierte die Beanstandung nicht und setzte in der Folgezeit ihre Praxis fort. Nach umfangreicher Korrespondenz und mehreren Gesprächen mit Vertretern der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. hat der Beklagte dann am 14.3.2001 eine erste Verpflichtungsanordnung erlassen, die im Klageverfahren nach Hinweisen des Gerichts durch eine zweite Verpflichtungsanordnung vom 14.8.2001 ersetzt worden ist. Diese neue Verpflichtungsanordnung ist der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. zugestellt worden und lautet wie folgt: |
"1. Die Pflegekasse bei der AOK Bayern - Die Gesundheitskasse (im folgenden Pflegekasse) wird verpflichtet, |
- ab sofort Hilfsmittel, die in dem Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherung gemäß § 128 SGB V i. d. jeweils gültigen Fassung aufgeführt sind, nicht mehr zu Lasten der Pflegekasse zu bewilligen. Ausgenommen davon sind lediglich Fälle, in denen ein solches Hilfsmittel nachweisbar allein der Erleichterung der Pflege dient. Ob diese Voraussetzung im konkreten Einzelfall vorliegt, ist vor einer Bewilligung zu Lasten der Pflegekasse umfassend und nachvollziehbar zu dokumentieren. |
- bis 31.2.2002 alle bisherigen Fälle festzustellen, in denen nach dem 19.8.1996 Hilfsmittel, die im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherung gemäß § 128 SGB V i. d. jeweils geltenden Fassung aufgeführt sind, zu Lasten der Pflegekasse gewährt wurden. Konkrete Einzelfälle, in denen das zu Lasten der Pflegekasse bewilligte Hilfsmittel i. S. des § 128 SGB V nachweislich allein der Erleichterung der Pflege dient(e), sind dabei gesondert zu dokumentieren. Ferner ist die Höhe der Aufwendungen der Pflegekasse für die nach Satz 1 dieses Abschnitts festgestellten Fälle zu ermitteln und dieser Betrag dem Vermögen der Pflegekasse wieder zuzuführen. |
- ebenfalls bis spätestens 31.1.2002 eine Neuberechnung der davon (Verminderung der Leistungsaufwendungen in der Pflegeversicherung) betroffenen Verwaltungskostenerstattungen gemäß § 46 Abs 3 SGB XI vorzunehmen und den sich daraus zu Gunsten der Pflegekasse ergebenden Differenzbetrag deren Vermögen wieder zuzuführen. |
2. Die AOK Bayern Die Gesundheitskasse (im folgenden AOK Bayern) wird soweit gesetzlich oder satzungsmäßig erforderlich verpflichtet, an der Erfüllung der in Ziffer 1 genannten Anordnungen mitzuwirken bzw. deren Umsetzung zu dulden. |
3. Die sofortige Vollziehung dieses Bescheides wird angeordnet. |
4. Dem Staatsministerium ist bis spätestens 10.2.2002 mitzuteilen, ob die Pflegekasse bei der Bewilligung von Hilfsmitteln nunmehr entsprechend der in diesem Bescheid dargelegten Rechtsauffassung verfährt und welche Beträge entsprechend der vorstehenden Verpflichtungen dem Vermögen der Pflegekasse wieder zugeführt wurden. |
5. Für diesen Bescheid werden keine Kosten erhoben. |
6. Dieser Bescheid ersetzt unsere Verpflichtungsanordnung vom 14.3.2001, zugestellt am 15.3.2001 (§ 96 Abs 1 SGG)." |
Zur Begründung führte der Beklagte aus, die von der Klägerin vertretene Auffassung, es sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das beantragte Hilfsmittel der GKV überwiegend einer medizinischen oder pflegerischen Zielsetzung diene, finde im Gesetz keine Grundlage und widerspreche dem Subsidiaritätsgebot des § 40 SGB XI. Durch die Einführung der Pflegeversicherung habe sich der Leistungsumfang der Krankenversicherung nicht geändert. Die Pflegebedürftigkeit eines Versicherten habe keine Auswirkungen auf seine Ansprüche auf die Hilfsmittelversorgung nach § 33 Abs 1 SGB V. Lediglich Hilfsmittel, die "allein" der Erleichterung der Pflege dienten, seien der Pflegeversicherung zuzuordnen. Die rechtswidrigen Hilfsmittelbewilligungen seien rückwirkend ab dem 20.8.1996 (Bekanntgabe des Pflegehilfsmittelverzeichnisses vom 14.3.1996) zu bereinigen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, um eine Wettbewerbsverzerrung unter den verschiedenen Kassen zu verhindern und die Beitragsstabilität zu sichern. Die Ausschlussfrist des § 111 SGB X sei nicht anzuwenden, weil bei den Kranken- und Pflegekassen Personen- und Organidentität beider Körperschaften bestehe. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die aufschiebende Wirkung der Klage im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wieder hergestellt (Beschluss vom 9.11.2001).
Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, die vom Beklagten vertretene formalistische Betrachtung der Subsidiarität des Leistungsanspruchs der Pflegebedürftigen sei unzutreffend. Ob ein Hilfsmittel wesentlich der Pflege diene oder den Leistungsbereich der Krankenversicherung abdecke, sei nur anhand des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Das Leistungsrecht sei allein an den §§ 33 SGB V und 40 SGB XI zu messen; die Hilfsmittelverzeichnisse dienten nur als Auslegungshilfe und schränkten die jeweiligen Leistungsansprüche nicht ein. In formeller Hinsicht sei die Aufsichtsanordnung rechtswidrig, weil sie zu unbestimmt sei. Das grundsätzliche Bewilligungsverbot für Hilfsmittel, die im Hilfsmittelverzeichnis der GKV enthalten seien, werde durch eine unklare Ausnahmeregelung eingeschränkt, nach der Fälle ausgenommen seien, in denen ein solches Hilfsmittel "nachweisbar" allein der Erleichterung der Pflege diene. Es werde nicht erklärt, wie dieser Nachweis zu führen sei. Auch die Aufforderung zur umfassenden und nachvollziehbaren Dokumentation dieser Ausnahme sei nicht so präzise, dass sie wüsste, wie sie der Aufsichtsanordnung in diesem Bereich nachkommen könne. Zudem sei die Feststellung und Dokumentation aller Fälle aus der Vergangenheit weitgehend undurchführbar. Soweit gefordert werde, den so ermittelten Betrag ihrem Vermögen wieder zuzuführen, werde Unmögliches verlangt. Zwar habe der Beklagte die Beigeladene zu 1. verpflichtet, die Umsetzung der Verpflichtungsanordnung zu dulden, jedoch habe sie keine rechtliche Handhabe, über das Vermögen der Beigeladenen zu 1. zu verfügen. Einem etwaigen Erstattungsanspruch stehe zudem § 111 SGB X entgegen.
Die Beigeladene zu 1. hat sich der Auffassung der Klägerin angeschlossen.
Die Beigeladene zu 2. hat wie der Beklagte die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe mit Einführung der Pflegeversicherung die bestehende Leistungspflicht der Krankenversicherung aus § 33 SGB V nicht einschränken oder verkürzen wollen. Die Subsidiarität der Leistungspflicht der Pflegeversicherung werde durch die Systematik der beiden Hilfsmittelverzeichnisse betont. Wenn die Pflegekasse im jeweiligen Einzelfall prüfe, ob ein beantragtes Hilfsmittel, das im Verzeichnis der GKV enthalten sei, auch die Pflege erleichtere, widerspreche dies dem Subsidiaritätsgebot des § 40 SGB XI. Die Pflegeversicherung könne erst dann eingreifen, wenn das in Frage stehende Hilfsmittel allein der Erleichterung der Pflege diene.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und die angefochtene Verpflichtungsanordnung aufgehoben (Urteil vom 12.5.2004). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 26.7.2006). Es hat ausgeführt, die Verpflichtungsanordnung sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie verlange, Hilfsmittelversorgungen aus der Pflegeversicherung grundsätzlich ohne Prüfung im Einzelfall zu versagen, wenn es sich um im Heilmittelverzeichnis der GKV gelistete Hilfsmittel handele. Die Subsidiarität der Pflegeversicherung gegenüber der Krankenversicherung besitze Bedeutung gerade im konkreten Einzelfall. Die beiden Hilfsmittelverzeichnisse stellten kein gesetzliches Abgrenzungskriterium zwischen den Zielen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung dar; diese seien allein in § 33 SGB V und § 40 SGB XI definiert. Im Hilfsmittelverzeichnis der GKV aufgeführte Mittel seien nicht gleichsam automatisch von der Leistungspflicht der Pflegeversicherung ausgegrenzt. Seien sie im Einzelfall zur Pflege notwendig, könnten sie auch beansprucht werden, obwohl sie im Pflegehilfsmittelverzeichnis nicht enthalten seien. Zudem sei die Verpflichtungsanordnung auch nicht hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X). Die weitere Forderung des Beklagten, die Höhe der Aufwendungen für die "Fehlbuchungen" zu ermitteln und diesen Betrag dem Vermögen der Pflegekasse wieder zuzuführen, sei rechtlich nicht erfüllbar, weil die Klägerin keinen Zugriff auf das Vermögen der Beigeladenen zu 1. habe. Pflegekasse und Krankenkasse führten eigenständige und voneinander getrennte Haushalte, bei denen Umbuchungen nicht ohne Weiteres möglich seien.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§§ 33, 128 SGB V, §§ 40, 78 SGB XI, § 89 SGB IV, § 33 SGB X) . Er hält die Verpflichtungsanordnung unverändert für formell und materiell rechtmäßig. Das LSG habe die Reichweite des Grundsatzes der Subsidiarität der Pflegeversicherung bei der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln und die Bedeutung der Hilfsmittelverzeichnisse verkannt. Eine rechtlich unmögliche Leistung durch Umbuchungen werde nicht verlangt.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 26.7.2006 und des SG München vom 12.5.2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2. unterstützt die Rechtsauffassung des Beklagten, hat aber keinen eigenen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Streitgegenstand ist allein die Verpflichtungsanordnung vom 14.8.2001, weil diese die vorangegangene Anordnung vom 14.3.2001 vollständig ersetzt hat (§ 96 SGG). Die Verpflichtungsanordnung ist formell und materiell rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
1) Rechtsgrundlage für das aufsichtsrechtliche Einschreiten des Beklagten ist § 89 SGB IV iVm § 46 Abs 6 und § 40 SGB XI. Nach § 89 Abs 1 SGB IV steht der Aufsichtsbehörde ein Recht zum Eingreifen zu, wenn das Handeln oder Unterlassen eines ihrem Aufsichtsrecht unterliegenden Versicherungsträgers das Recht verletzt. Sie hat zunächst beratend darauf hinzuwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt, und kann ihn sodann, falls dieser der Aufforderung nicht in angemessener Frist nachkommt, dazu verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Die Verpflichtung kann mit Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden, wenn ihre sofortige Vollziehung angeordnet worden oder sie unanfechtbar geworden ist.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. unterliegen der Rechtsaufsicht des Beklagten gemäß § 46 Abs 6 Satz 1 SGB XI iVm § 90 Abs 2 SGB IV. Das Mittel der Aufsichtsanordnung nach § 89 Abs 1 Satz 2 SGB IV ist auch grundsätzlich zulässig und geeignet, der Rechtsverletzung eines Versicherungsträgers entgegen zu wirken. Voraussetzung für das aufsichtsrechtliche Einschreiten ist dabei stets eine Rechtsverletzung durch den Versicherungsträger. Eine solche Rechtsverletzung läge zB vor, wenn die Pflegekasse ihren Versicherten unter Verkennung oder Umgehung des Vorrangs der Leistungspflicht der Krankenkasse (§ 33 SGB V) Pflegehilfsmittel bewilligt hätte, obwohl die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen des § 40 SGB XI nicht erfüllt gewesen sind. Nach den von dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2. im Berufungsverfahren vorgetragenen Zahlenwerten sowie der von der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. geäußerten Rechtsauffassung zur Abgrenzung der Leistungspflichten nach den §§ 33 SGB V und 40 SGB XI besteht die Möglichkeit, dass die Klägerin ihren Versicherten Pflegehilfsmittel zur Verfügung gestellte haben könnte, die in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1. gehörten. Feststellungen hierzu hat das LSG allerdings nicht getroffen. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung kam jedoch nicht in Betracht, weil die Aufsichtsanordnung vom 14.8.2001 aus anderen Gründen rechtswidrig ist.
2) Die Versicherungsträger und die Aufsichtsbehörden haben bei der Praxis der Bewilligung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln sowie bei deren Überprüfung vom Wortlaut der §§ 33 SGB V und 40 SGB XI unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung des Kranken- und des Pflegeversicherungsrechts auszugehen.
a) Vorab ist dabei festzuhalten, dass es hier nur um die Abgrenzung der Leistungspflicht der Krankenkassen bei der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln nach § 33 SGB V von der Leistungspflicht der Pflegekassen bei der Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln (einschließlich technischer Hilfsmittel) nach § 40 Abs 1 SGB XI im ambulanten Bereich geht. Nicht betroffen ist die Abgrenzung im Bereich privatrechtlicher Versicherungsverhältnisse und deren Auswirkungen auf das Gleichwertigkeitsgebot des § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI (dazu BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 2) . Außerdem ist nicht betroffen die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln bei stationärer Pflege. Während im ambulanten Bereich eine Abgrenzung zwischen der Leistungspflicht der Kranken- und der Pflegeversicherung zu treffen ist, muss die Leistungspflicht der Krankenversicherung im stationären Bereich von der Vorhaltepflicht des Heimträgers abgegrenzt werden. Für den Bereich der vollstationären Pflege findet § 40 SGB XI - auch wegen seiner systematischen Einordnung - keine Anwendung, die Abgrenzung folgt anderen Regeln. Das Bundessozialgericht (BSG) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Träger des Heimes bei vollstationärer Pflege für die Bereitstellung der im Rahmen des im jeweiligen Heim üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel sorgen muss, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen. Die Vorhaltepflicht der Pflegeeinrichtung hängt entscheidend vom jeweiligen Versorgungsauftrag sowie der Leistungs- und Qualitätsvereinbarung ab und lässt sich deshalb nicht allgemein für Pflegeheime jeder Art beschreiben (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 5) .
b) Ausgangspunkt sind die gesetzlichen Regelungen über die Leistungspflicht bei Hilfsmitteln nach § 33 SGB V und bei Pflegehilfsmitteln nach § 40 Abs 1 SGB XI. Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V (Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis) ausgeschlossen sind. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Dabei gilt auch hier ein Leistungsausschluss für allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 7).
c) Die von der Leistungspflicht der GKV umfassten Hilfsmittel sind nach § 128 SGB V (ab 1.4.2007 § 139 SGB V) in einem von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemeinsam zu erstellenden und regelmäßig fortzuschreibenden Hilfsmittelverzeichnis aufzuführen. Nach § 78 Abs 2 Satz 2 SGB XI erstellen die Spitzenverbände der Pflegekassen als Anlagen zu dem Hilfsmittelverzeichnis der GKV ein Verzeichnis der von der Leistungspflicht der Pflegeversicherung umfassten Pflegehilfsmittel, soweit "diese" (gemeint: die Pflegehilfsmittel) nicht bereits im Hilfsmittelverzeichnis der GKV enthalten sind, und schreiben es regelmäßig fort. Beide Verzeichnisse sind als reine Auslegungs- und Orientierungshilfen für die medizinische und pflegerische Praxis zu verstehen. Sie verkörpern keine abschließende, die Leistungspflicht der Krankenkassen und Pflegekassen iS einer "Positivliste" beschränkende Regelung (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 25, 27; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 - zu § 128 SGB V; BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 9 - zu § 78 SGB XI; stRspr) . Dem hat mittlerweile auch der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I S 378) mit Wirkung ab 1.4.2007 in § 139 Abs 1 SGB V festgelegt hat, dass in dem von den Spitzenverbänden gemeinsam zu erstellenden "systematisch strukturierten" Hilfsmittelverzeichnis "von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel" aufzuführen sind, also nicht, wie noch in § 128 SGB V vorgesehen, "die" von der Leistungspflicht der GKV umfassten Hilfsmittel. Die Neufassung der Formulierung verdeutlicht, dass das Hilfsmittelverzeichnis der GKV nicht den Charakter einer abschließenden Liste mit einer den Leistungsanspruch unmittelbar begrenzenden Wirkung hat und auch nicht haben soll. In § 78 Abs 2 SGB XI ist die Neufassung des Wortlauts allerdings nur teilweise übernommen worden. Zwar ist auch dort nunmehr von einem "systematisch strukturierten" Pflegehilfsmittelverzeichnis die Rede; in ihm sind aber weiterhin "die" von der Leistungspflicht der Pflegeversicherung umfassten Pflegehilfsmittel aufzuführen.
aa) Ungeachtet der Rechtsnatur der Verzeichnisse als Auslegungs- und Orientierungshilfe für die medizinische und pflegerische Praxis erfolgt eine grundsätzliche Weichenstellung zur Abgrenzung der Leistungsbereiche der GKV und der SPV bei der Aufstellung und Fortschreibung der beiden Verzeichnisse. In das Hilfsmittelverzeichnis der GKV sind alle Gegenstände aufzunehmen, die generell nach ihrer Konstruktion, Ausstattung, Funktion und Zweckbestimmung dazu geeignet sind, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Variante), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Variante) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Variante); ausgeschlossen sind dabei Gegenstände, die zwar den Versicherten mit Blick auf einen dieser Zwecke hilfreich sein können, aber nicht speziell für die Bedürfnisse erkrankter oder behinderter Menschen, sondern für die Allgemeinheit produziert worden, also als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens einzustufen sind. Unerheblich ist hingegen, ob die Gegenstände nach ihrer Konstruktion, Ausstattung, Funktion und Zweckbestimmung nur oder auch einem der genannten Ziele dienen. Trifft dies zu, ist ein Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV einzutragen, auch wenn es dazu beitragen kann, die Pflege eines Pflegebedürftigen zu erleichtern bzw seine Beschwerden zu lindern oder ihm eine selbstständigere Lebensführung zu ermöglichen, wie es in § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI als Voraussetzung für einen Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln normiert ist. Insbesondere die dem Behinderungsausgleich - nur oder auch - dienenden Hilfsmittel wirken in der Regel auch pflegeerleichternd. Dennoch bleibt es bei der Zuständigkeit der Krankenkassen nach § 33 SGB V.
Auch Gegenstände, die von vornherein über eine Doppelfunktion als Behinderungsausgleich und Pflegeerleichterung verfügen, aufgrund dessen also an sich in beide Verzeichnisse aufgenommen werden müssten, sind nach der eindeutigen Regelung des § 78 Abs 2 Satz 2 SGB XI ausschließlich im Hilfsmittelverzeichnis der GKV aufzuführen. Einmalwindeln sind zB bei Inkontinenz erwachsener Versicherter Pflegehilfsmittel, weil sie zur Erleichterung der Pflege beitragen (zB bei dauernder Bettlägerigkeit eines Pflegebedürftigen), und andererseits Hilfsmittel der GKV, soweit sie den Betroffenen in die Lage versetzen, Grundbedürfnisse des Lebens, wie etwa die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, zu befriedigen (BSGE 66, 245 = SozR 3-2500 § 33 Nr 1) . Die Aufnahme eines Gegenstandes in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV dokumentiert insoweit nur den Vorrang des Anspruchs nach § 33 SGB V gegenüber dem subsidiären Anspruch nach § 40 SGB XI, schließt diesen aber nicht generell aus.
bb) Für das Pflegehilfsmittelverzeichnis bleiben dementsprechend nur jene Mittel übrig, die generell nach ihrer Konstruktion, Ausstattung, Funktion und Zweckbestimmung die Pflege erleichtern, die Beschwerden lindern bzw eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, ohne zugleich im Hilfsmittelverzeichnis der GKV verzeichnet oder als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens einzustufen zu sein.
d) Ob ein Hilfsmittel trotz seiner Aufführung im Hilfsmittelverzeichnis der GKV nach § 40 Abs 1 SGB XI einem Pflegebedürftigen als Pflegehilfsmittel zur Verfügung gestellt werden muss, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.
aa) Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die bereits vor Einführung der Pflegeversicherung bestehende Leistungspflicht der Krankenkassen nach § 33 SGB V nicht einschränken oder verkürzen wollte. Dies ergibt sich sowohl aus der Fassung des § 40 Abs 1 SGB XI und des § 78 Abs 2 Satz 2 SGB XI als auch aus der Entstehungsgeschichte des SGB XI. Hinzuweisen ist zB auf die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Z. und weiterer Abgeordneter (BT-Drucks 14/5427 S 2) , in der die Bundesregierung ua ausführt: "An dieser Leistungspflicht der Krankenkassen sollte sich mit Einführung der Pflegeversicherung nichts ändern, wie auch der Leistungsumfang der Krankenversicherung unverändert fortbestehen sollte. Die Leistungspflicht der Pflegekassen sollte lediglich ergänzend dort einsetzen, wo das Recht der Krankenversicherung für bestimmte Hilfsmittel keine Leistungspflicht vorsieht, wie zum Beispiel beim Pflegebett." Ferner ist hinzuweisen auf die Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates zu einem - im Bundestag mehrheitlich als entbehrlich eingestuften und deshalb abgelehnten - "Hilfsmittelsicherungsgesetz" (BT-Drucks 15/308 S 10) : "Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass die im Gesetzentwurf des Bundesrates getroffenen Regelungen, bei denen es sich im Wesentlichen um Klarstellungen des geltenden Rechts handelt, zwar fachlich zutreffend, aber bei sachgerechter Anwendung des geltenden Rechts nicht zwingend erforderlich sind ... Der Umfang der Leistungspflicht der Krankenkassen ist im Rahmen der Einführung der Pflegeversicherung nicht eingeschränkt worden. Ausgangspunkt der Leistungspflicht der Krankenkassen ist das Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V."
Die Einführung der Pflegeversicherung ließ also die bis dahin bestehenden Leistungspflichten der Krankenkassen für Hilfsmittel nach § 33 SGB V unberührt. Es sind keine bis dahin bestehenden Leistungspflichten der Krankenkassen ganz oder auch nur teilweise auf die Pflegekassen verlagert worden. Die Pflegekassen übernahmen nur ergänzende Versorgungspflichten für Pflegehilfsmittel, die vor der Einführung der Pflegeversicherung von den Versicherten aus eigenen Mitteln (bzw von der Sozialhilfe) beschafft werden mussten.
bb) Die Zuständigkeit der Krankenkassen nach § 33 SGB V ist also stets vorrangig zu prüfen, und zwar nach den vom BSG in stRspr zu dieser Vorschrift auch schon vor der Einführung des SGB XI entwickelten Maßstäben. Die Regelung des § 40 Abs 1 SGB XI kann bei dieser Prüfung zunächst keine Rolle spielen, weil eine Zuständigkeitsverlagerung weder bezweckt war noch stattgefunden hat. Eine Zuständigkeitsverlagerung hätte zudem den - nicht beabsichtigten - Nachteil gehabt, dass Versicherte, deren Pflegebedarf nicht den Mindestwert für die Grundpflege von "mehr als 45 Minuten" für die Pflegestufe I (§ 15 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB XI) erreicht, einen Versicherungsanspruch verloren hätten.
Ist nach dieser Prüfung ein Anspruch nach § 33 SGB V auf ein im Hilfsmittelverzeichnis der GKV aufgeführtes Hilfsmittel zu verneinen, weil es im konkreten Einzelfall nicht oder nicht auch um die Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, um die Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder um den Ausgleich einer Behinderung geht, ist erst der Weg für die Prüfung eines Anspruchs nach § 40 Abs 1 SGB XI eröffnet. Der Anspruch kann gegeben sein, wenn es im konkreten Einzelfall allein um die Erleichterung der Pflege (1. Variante), um die Linderung von Beschwerden (2. Variante) oder um die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung (3. Variante) geht. Der Weg für die Prüfung eines Anspruchs nach § 40 Abs 1 SGB XI kann dabei aber auch eröffnet sein, wenn schon nach bisheriger Rechtsprechung ein Anspruch nach § 33 SGB V zu verneinen wäre, weil im konkreten Einzelfall zwar marginal bzw in äußerst geringem Maß noch ein Behinderungsausgleich vorstellbar ist, der Aspekt der Pflegeerleichterung aber so weit überwiegt, dass es nicht gerechtfertigt wäre, trotz des im Interesse der Versicherten gebotenen großzügigen Maßstabs bei der Prüfung des § 33 SGB V eine Leistungspflicht der Krankenkasse zu bejahen. Demgemäß besteht ein Anspruch auf Gewährung eines Gegenstandes als Pflegehilfsmittel auch heute nur dann, wenn der Gegenstand allein oder "ganz überwiegend" der Erleichterung der Pflege oder einem der beiden anderen in § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI genannten Zwecke dient. In diesem Sinne ist auch die Aussage des Senats zu verstehen, um ein "reines" Pflegehilfsmittel, das der GKV nicht zugerechnet werden kann, handele es sich nur dann, wenn es im konkreten Fall allein oder doch jedenfalls "schwerpunktmäßig" der Erleichterung der Pflege dient (BSG, Urteil vom 10.11.2005 - B 3 P 10/04 R - SozR 4-3300 § 40 Nr 2) .
Bei Hilfsmitteln, die bisher weder im Hilfsmittelverzeichnis der GKV noch im Pflegehilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, gilt ein vergleichbarer Maßstab.
cc) Für ein bestimmtes Hilfsmittel ist also im konkreten Fall immer nur entweder die GKV oder die SPV eintrittspflichtig. Der Versicherte kann nicht auf § 40 Abs 1 SGB XI zurückgreifen, wenn er ein der GKV unterfallendes Hilfsmittel begehrt, die Krankenkasse aber im konkreten Fall nicht leistungspflichtig ist (BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 2) . Der Wortlaut des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI, wonach der Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln besteht, "soweit" die Hilfsmittel nicht von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind, bedeutet nicht, dass zwischen der GKV und der SPV ein "Vorrang-Nachrang-Verhältnis" besteht in der Weise, dass es einen Überschneidungsbereich gäbe, in dem grundsätzlich beide Leistungsträger für Hilfsmittel zuständig sind, wobei die Leistungspflicht der Pflegekasse vergleichbar der Sozialhilfe subsidiär eintritt, wenn im Einzelfall kein vorrangiger Versicherungsschutz besteht. Es kommt nur die Zuständigkeit des einen oder des anderen Leistungsträgers in Betracht, obwohl sich nach dem gesetzlichen Tatbestand die Anwendungsbereiche von § 33 SGB V und § 40 SGB XI zu überschneiden scheinen (Leitherer in Kasseler Komm, Stand September 2003, § 40 SGB XI, RdNr 5; Gaßner/Schottky, NZS 2005, 523 sprechen zwar auch von Subsidiarität, aber nicht iS von Auffangzuständigkeit). Doppelte Zuständigkeiten für Sozialleistungen sind nur ausnahmsweise anzunehmen und jeweils ausdrücklich angeordnet. Im Verhältnis zur GKV ergibt sich aus § 13 SGB XI im Hilfsmittelbereich keine Überschneidung (vgl Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000, § 13 RdNr 8). Der gesetzliche Wortlaut von § 40 SGB XI ("soweit") ist nur gewählt worden, um deutlich zu machen, dass es auch hier nach Inkrafttreten der Pflegeversicherung bei der bisherigen Leistungsverpflichtung anderer Leistungsträger (mit Ausnahme der Sozialhilfe) bleiben sollte (Regierungsentwurf BR-Drucks 505/93 S 113/114 zu § 36 Abs 1) .
3) Obwohl die Möglichkeit nicht ganz fernliegt, dass die Klägerin Pflegehilfsmittel im Einzelfall unter Verkennung der oa Grundsätze gewährt hat, erweist sich die angefochtene Aufsichtsanordnung aus den nachfolgenden Gründen als rechtswidrig.
a) Der Aufsichtsanordnung liegt eine unzutreffende materielle Rechtsauffassung des Beklagten zur Abgrenzung der Leistungspflichten nach § 33 SGB V und § 40 SGB XI zugrunde. Ein im Hilfsmittelverzeichnis gelistetes Hilfsmittel kann nicht nur dann als Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs 1 SGB XI in Betracht kommen, wenn es im Einzelfall allein bzw ausschließlich der Pflegeerleichterung dient, sondern - wie ausgeführt - auch dann, wenn dieser Zweck im Einzelfall "ganz überwiegend" verfolgt wird und es deshalb - wie auch schon vor der Einführung der Pflegeversicherung - an der Leistungspflicht der Krankenkasse nach § 33 SGB V fehlt.
b) Die Aufsichtsanordnung ist ferner materiell rechtswidrig, als die dort zugestandenen Ausnahmefälle sich nur auf die "Erleichterung der Pflege" beziehen. Die Leistungspflicht nach § 40 Abs 1 SGB XI kann darüber hinaus auch gegeben sein, wenn es - alternativ - um die Linderung von Beschwerden des Pflegebedürftigen oder um die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung geht.
c) Schließlich ist die Aufsichtsanordnung materiell rechtswidrig, soweit der Klägerin ein prinzipielles Bewilligungsverbot und damit ein grundsätzlicher Verzicht auf eine Einzelfallprüfung bei im Hilfsmittelverzeichnis gelisteten Hilfsmitteln auferlegt wird.
d) Die Verpflichtungsanordnung ist auch insoweit rechtswidrig, als sie der Klägerin auferlegt, einen Betrag in Höhe der aus den rechtswidrigen Bewilligungen nach § 40 Abs 1 SGB XI resultierenden Aufwendungen und die zu Unrecht gezahlten Verwaltungskosten "dem Vermögen der Pflegekasse wieder zuzuführen". Damit wird der Klägerin eine "unmögliche Leistung" auferlegt. Da sie nicht aus eigenem Recht berechtigt ist, auf das Vermögen der Beigeladenen zu 1. zuzugreifen und den aus den angeblichen "Fehlbuchungen" resultierenden Ausgleichsbetrag aus dem Vermögensbestand der Beigeladenen zu 1. zu ihren Gunsten umzubuchen, hätte eine entsprechende Ausgleichsanordnung auch gegen die Beigeladene zu 1. erlassen werden müssen. Zudem könnte die Beigeladene zu 1. auch hinsichtlich der Verwaltungskostenerstattung nach § 46 Abs 3 SGB XI gegenüber der Klägerin ausgleichspflichtig sein. Die der Beigeladenen zu 1. auferlegte Verpflichtung, an der Erfüllung der Anordnungen mitzuwirken und deren Umsetzung durch die Klägerin zu dulden, ist indes nicht geeignet, die fehlende Verpflichtungsanordnung gegen die Beigeladene zu 1. zu ersetzen.
e) Auf die Frage, ob die Aufsichtsanordnung noch aus weiteren Gründen rechtswidrig ist (mangelnde Bestimmtheit der "Nachweispflicht" nach § 33 SGB XI, unzureichende Beratung vor Erlass der Aufsichtsanordnung nach § 89 Abs 1 Satz 1 SGB IV), brauchte der Senat nach alledem nicht mehr einzugehen.
4) Im Hinblick auf den denkbaren Erlass einer erneuten Aufsichtsanordnung ist im Übrigen auf Folgendes hinzuweisen: Sollten die "Fehlbuchungen" tatsächlich vorgekommen sein, was nach den vorgetragenen Zahlenwerten über die Bewilligungspraxis der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sowie nach der im Prozess geäußerten zu engen Auslegung des § 33 SGB V nicht ausgeschlossen ist, dürfte die Rechtsverletzung nicht allein in der Bewilligungspraxis der Klägerin bei Anträgen nach § 40 Abs 1 SGB XI zu sehen sein. Vielmehr steht zu vermuten, dass die Praxis auf dem abgestimmten Verhalten der Beigeladenen zu 1. und der Klägerin bei der Bewilligung von Hilfsmitteln nach § 33 SGB V bzw von Pflegehilfsmitteln nach § 40 Abs 1 SGB XI beruht. Deshalb läge die primäre Verantwortung für ein rechtswidriges Verhalten bei der Beigeladenen zu 1., weil diese die jeweils vorgreifliche Entscheidung zu treffen hat. Deren Ablehnungsentscheidung ist jeweils Voraussetzung für die Prüfung der Anträge durch die Klägerin unter dem Blickwinkel einer Hilfsmittel-Bewilligung nach § 40 Abs 1 SGB XI. Eine Änderung der Bewilligungspraxis allein durch die Klägerin könnte die Rechtsverletzung daher wohl nicht beseitigen, sondern sie müsste mit einer entsprechenden Änderung der Bewilligungspraxis durch die Beigeladene zu 1. einhergehen. Die Aufsichtsanordnung müsste daher nicht nur gegenüber der Klägerin, sondern auch gegenüber der Beigeladenen zu 1. ausgesprochen werden. Die einseitige Beanstandung gegenüber der Klägerin erwies sich deshalb als unzureichend.
5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in seiner bis zum 1.1.2002 geltenden Fassung.
Fundstellen
Haufe-Index 1933015 |
BSGE 2009, 197 |