Entscheidungsstichwort (Thema)
Wehrdienstbeschädigung - Wehrdienstunfall eines Wehrpflichtigen der NVA im Jahre 1980 - Übersiedelung in das Bundesgebiet vor dem 19.5.1990 - bestandskräftige Verwaltungsakte der DDR - Bindungswirkung - Härteausgleich - Überleitungsrecht - Eingliederungsrecht - Vertrauensschutz - Stichtag)
Leitsatz (amtlich)
Auf Entschädigungsanträge von vor dem 19.5.1990 übergesiedelten Wehrpflichtigen der NVA, die eine in der DDR als Arbeitsunfall anerkannte Wehrdienstbeschädigung erlitten haben, ist das Versorgungsrecht des SVG und BVG anzuwenden, ohne dass eine fortwirkende Bestandskraft von Verwaltungsakten der DDR auf der Grundlage des Einigungsvertrages zu berücksichtigen ist (Bestätigung und Fortführung von BSG vom 4.2.1998 - B 9 V 6/96 R = SozR 3-3100 § 89 Nr 4).
Normenkette
BVG § 82 Abs. 2, § 89; EinigVtr Art.19; RVO § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 2; SVG §§ 80-81
Beteiligte
Bezirksregierung Münster, Abteilung Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage abgewiesen wird.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft den Anspruch des 1960 geborenen Klägers auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen eines Motorradunfalls, den er am 19. Juni 1980 während seines Dienstes als Wehrpflichtiger der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR vom 1. November 1979 bis 1. Oktober 1980 erlitten hat. Als Folge des Unfalls zog er sich eine Unterschenkelfraktur rechts mit nachfolgender Infektion unter Ausbildung einer chronischen Ostitis zu. Das Wehrbezirkskommando Leipzig der NVA erkannte bei ihm mit Bescheid vom 13. April 1982 eine komplette Unterschenkeltorsionsfraktur im medialen/distalen Drittel rechts als Dienstbeschädigung an, der als Körper- bzw Gesundheitsschaden wegen eines Arbeitsunfalls im Sinne des Arbeitsgesetzbuchs galt. Auf dieser Grundlage bewilligte der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) zunächst eine Invalidenrente ab 1. April 1982, die nach Bewilligung einer Unfallteilrente bei einem Grad des Körperschadens von 70 % zum Ruhen gebracht wurde. Wegen zwischenzeitlich eingetretener Besserung des Gehvermögens erfolgte ab dem 1. Juli 1983 die Herabstufung des Grades des Körperschadens von 70 auf 35 % und lebte die Invalidenrente bei gleichzeitigem Ruhen der Unfallteilrente wieder auf. Zum 1. September 1984 fiel die Invalidenrente weg und lebte die Unfallteilrente wieder auf. Mit Bescheid vom 1. Juni 1986 setzte der FDGB wegen weiterer Besserung der Unfallfolgen den Grad des Körperschadens auf 25 % fest. Am 18. November 1989 siedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland über, die Zahlung der Unfallteilrente wurde eingestellt. Auf den Antrag des Klägers von September 1990 erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Oktober 1992 als Schädigungsfolgen des Klägers
ausgedehnte, zum Teil am Knochen verwachsene Narbenbildung am rechten Unterschenkel, nach mehrfachen operativen Eingriffen wegen posttraumatischer Osteomyelitis,
Narben am rechten Oberschenkel
ohne rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) an und lehnte die Gewährung einer Rente nach dem BVG ab. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, der MdE-Bewertung sei entsprechend der Entscheidung der DDR-Behörden ein Grad von 25 vH zu Grunde zu legen. Während des Vorverfahrens leitete der Beklagte die Unterlagen an die Tiefbau-Berufsgenossenschaft zur Prüfung weiter. Diese vertrat gegenüber dem Beklagten die Ansicht, ein Anspruch des Klägers gegen die Unfallversicherung bestehe nicht.
Der Beklagte wies mit Bescheid vom 26. September 1996 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Mit Urteil vom 27. November 2000 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Beklagten verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 20. Oktober 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1996 Rente nach einer MdE um 30 vH zu zahlen, wobei das SG von einer Bindung an die Schadensfeststellung der zuständigen DDR-Behörden ausging. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) mit Urteil vom 26. April 2001 das Urteil des SG aufgehoben. Der Beklagte sei iS des § 71 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Landesversorgungsamt durch die Bezirksregierung Münster, Abteilung Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt, in Münster ordnungsgemäß vertreten worden. Entgegen der Ansicht des SG habe der Beklagte den Versorgungsrentenanspruch des Klägers zu Recht abgelehnt. Ihm stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Rente zur Entschädigung des im NVA-Dienst erlittenen Unfalles zu. Ein Härtefall iS von § 89 Abs 1 BVG iVm dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 8. Oktober 1991 liege nicht vor. Einen Anspruch auf Weitergewährung der von den ehemaligen DDR-Behörden bewilligten Unfallrente gegenüber den Unfallversicherungsträgern bestehe nicht. Als ehemaliger Wehrpflichtiger könne er auch keinen Anspruch auf Unfallentschädigung aus den Bestimmungen des Fremdrentengesetzes (FRG) ableiten. Letztlich entfalte auch der Bewilligungsbescheid des FDGB vom 1. Juni 1986 keine eigenständige Bindungswirkung gegenüber den Unfallversicherungsträgern. Für die Frage, ob angesichts der ausscheidenden Ansprüche nicht doch eine Versorgungsgrundrente aus § 89 BVG zu gewähren sei, komme es nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) allein auf die materiell-rechtliche Rechtslage, nicht aber auf die Bindungswirkung eines Bewilligungsbescheides des FDGB an (Hinweis auf die Senatsurteile vom 18. Juni 1996 – 9 RV 13/95 – und 4. Februar 1998 – B 9 V 6/96 R –).
Zur Begründung seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 1150 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO). Sein Anspruch auf Unfallentschädigung sei entgegen der Auffassung des LSG übergeleitet worden, so dass der Bewilligungsbescheid des FDGB vom 1. April 1986 Bindungswirkung für den Unfallversicherungsträger entfalte. Dem vom LSG herangezogenen Urteil des BSG vom 24. Februar 2000 – B 2 U 8/99 R – dürfe nicht gefolgt werden. Auch er habe einen Anspruch darauf, dass der Unfall mit unverändert bleibenden Berechnungsgrundlagen in die gesetzliche Unfallversicherung übernommen werde. Nach § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO entfalle zwar jede Anknüpfung für das FRG, wenn jemand ins Beitrittsgebiet zurückkehre. Wer aber nach Öffnung der Grenzen in die alten Bundesländer übergesiedelt sei und hier einen Versorgungsantrag gestellt habe, müsse in den Genuss des Vertrauensschutzes gelangen. Wenn ein Anspruch nach dem FRG nicht anerkannt, sondern abgelehnt worden sei, müsse es bei den Ansprüchen nach der RVO bleiben. Dies gebiete auch der Anspruch auf Gleichbehandlung von Wehrpflichtigen mit Berufs- und Zeitsoldaten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2001 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 27. November 2000 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er nimmt auf die seines Erachtens zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Härteausgleich verneint und das entgegenstehende Urteil des SG aufgehoben; seine Entscheidung war deshalb zu bestätigen, allerdings mit der Maßgabe, dass auch die Klage abgewiesen wird, worüber das LSG versehentlich nicht entschieden hat. Das SG hatte den angefochtenen Bescheid des Beklagten zu Unrecht aufgehoben. Der Beklagte, der – was hier nicht streitig ist – den Versorgungsanspruch des Klägers dem Grunde nach anerkannt hat, verneint zu Recht eine rentenbegründende MdE; er ist auch nicht an den Bescheid des FDGB vom 1. Juni 1986 gebunden.
Im Wege der Auslegung (§ 123 SGG) war der Revisionsantrag dahin klarzustellen, dass der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des SG zum Ziel hat. Damit ist seinem Rechtsschutzinteresse auch in vollem Umfange entsprochen, denn im Falle der begehrten Aufhebung des Berufungsurteils wäre es bei der bereits vom SG angeordneten Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger Versorgungsrente nach einer MdE um 30 vH ab Antragstellung im September 1990 zu gewähren, geblieben und es hätte einer Verurteilung durch das Revisionsgericht nicht bedurft.
Der Sachentscheidung des Senats steht nicht eine ungenügende Vertretung des Beklagten durch die Bezirksregierung Münster entgegen, wie der Senat in inzwischen ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl das Senatsurteil vom 12. Juni 2001, BSGE 88, 153 = SozR 3-3100 § 5 Nr 9).
Nach den insoweit nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen angegriffenen, das BSG mithin bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bedingen die noch bestehenden Folgen des bestandskräftig anerkannten Wehrdienstunfalls, den der Kläger als Wehrpflichtiger der NVA der DDR am 19. Juni 1980 erlitten hat (ausgedehnte, zum Teil am Knochen verwachsene Narbenbildung am rechten Unterschenkel, nach mehrfachen operativen Eingriffen wegen posttraumatischer Osteomyelitis, Narben am rechten Oberschenkel), keinen rentenberechtigenden Grad der MdE von mindestens 25 vH (§ 30 Abs 1, § 31 Abs 1 BVG iVm § 80 Soldatenversorgungsgesetz ≪SVG≫).
Eine von dieser Bewertung abweichende, den Beklagten bindende versorgungsrechtliche Schädigungsfolgenfeststellung ergibt sich auch nicht aus dem Bescheid des FDGB vom 1. Juni 1986. Zwar betrug der Grad des Körperschadens infolge des Unfalls danach noch 25 %; auf dieser Grundlage wurde die Unfallteilrente vom FDGB zuletzt – vor der Übersiedlung des Klägers – noch in Höhe von 100 M gezahlt. Daraus folgt aber nicht, dass dem Kläger auch im Geltungsbereich des SVG Versorgung nach einer MdE um 30 vH (§ 31 Abs 1 Satz 1 BVG; der Vomhundertsatz von 25 ist mit umfasst, § 31 Abs 2 BVG) zu gewähren wäre.
1. Nach § 82 Abs 2 BVG kann Versorgung nach diesem Gesetz an Vertriebene iS des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes, die Deutsche oder deutsche Volksangehörige sind, gewährt werden, wenn sie nach dem 8. Mai 1945 in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht nach den im Vertreibungsgebiet geltenden Vorschriften eine Schädigung iS des § 1 Abs 1 BVG erlitten haben. Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis.
Indessen können nach Nr 1 des Rundschreibens des BMA vom 8. Oktober 1991 – VIa 1/52056 –, BArbBl 1991 Nr 12 S 81 (vgl dazu Senatsurteil vom 4. Februar 1998, SozR 3-3100 § 89 Nr 4 S 10, 14 f mwN) Wehrpflichtige der NVA, die vor dem 19. Mai 1990 in die Bundesrepublik übergesiedelt sind, nach wie vor Versorgung nach § 82 Abs 2 iVm § 89 Abs 1 BVG erhalten, wenn sie in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht eine Schädigung erlitten und ihre Versorgungsansprüche wegen der Flucht verloren hatten. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger, denn er hatte vom 1. November 1979 bis 1. Oktober 1980 Grundwehrdienst in der NVA der ehemaligen DDR geleistet und war am 18. November 1989 in das damalige Bundesgebiet übergesiedelt. Auf dieser Grundlage ist durch den insoweit bindend gewordenen, streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Oktober 1992 anerkannt, dass der Kläger die oben genannten Gesundheitsstörungen als Folge eines Wehrdienstunfalls erlitten hat.
Mit der Härteregelung sollte dem rechtspolitischen Gedanken des § 82 Abs 2 BVG Rechnung getragen werden, der allen Deutschen und deutschen Volkszugehörigen Versorgungsschutz einräumen wollte, die in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht außerhalb des Geltungsbereiches des BVG eine gesundheitliche Schädigung erlitten, ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BVG genommen und keinen zu verwirklichenden Anspruch aus der gleichen Ursache gegen das Land hatten, das die Dienstpflicht gefordert hatte.
Bestünde ein Anspruch des Klägers – wie er mit der Revision vorträgt – aus übergeleitetem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, so entfiele allerdings schon deshalb ein Versorgungsanspruch gegen den Beklagten. Auch dann wäre die Revision des Klägers zurückzuweisen gewesen. Der hier allein rechtshängige Anspruch auf Härteausgleich nach dem SVG/BVG setzt nämlich voraus, dass kein anderer gesetzlicher Entschädigungsanspruch wegen derselben Ursache besteht.
2. Der als Arbeitsunfall des Wehrpflichtigen vom FDGB der DDR entschädigte Tatbestand war – entgegen der Revisionsbegründung – nicht in das (bundesdeutsche) Recht der gesetzlichen Unfallversicherung überzuleiten. Vor dem 19. Mai 1990 in das Bundesgebiet übergesiedelte, unfallgeschädigte Wehrpflichtige der ehemaligen NVA der DDR unterfielen mit ihrer Eingliederung in die bundesdeutsche Soldatenversorgung nicht der gesetzlichen Unfallversicherung nach den Regeln des FRG. In Übereinstimmung mit der seinerzeit vorliegenden Rechtsprechung des 2. Senats (Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 RU 40/86 –, SGb 1990, 465) hat der erkennende Senat bei Ableistung des Grundwehrdienstes in der NVA eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen – unbeschadet des Umstands, dass der Wehrpflichtige bei seiner unfallbringenden Tätigkeit als Soldat der NVA in der DDR bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war (vgl Senatsurteil vom 4. Februar 1998, SozR 3-3100 § 89 Nr 4 mwN). Hieran ist festzuhalten (vgl zu den hier nicht einschlägigen Fällen eines freiwilligen Dienstes die Senatsurteile vom 18. Juni 1996 – 9 RV 6/94 –, BSGE 78, 265 = SozR 3-5050 § 5 Nr 2 sowie – 9 RV 13/95 –, SozR 3-8110 Kap XIX B III Nr 5 Nr 1, und das Urteil des BSG vom 4. Mai 1999 – B 2 U 19/98 R –, SozR 3-2200 § 1150 Nr 2 S 5), zumal auch der zuständige 2. Senat des BSG durch seine Urteile vom 24. Februar 2000, SozR 3-2200 § 1150 Nr 3, und 11. September 2001, aaO Nr 5, den Ausschluss der wehrpflichtigen Soldaten der NVA von der Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung – gestützt auf § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO in der Fassung durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) – bestätigt hat. Jedenfalls dann, wenn der Berechtigte seinen vor dem 19. Mai 1990 aus der DDR ins (Alt-)Bundesgebiet verlegten gewöhnlichen Aufenthalt dort auch bis zum 31. Dezember 1991 beibehalten hat, sollen seine Ansprüche nach dem Recht des Gebietes fortbestehen, in das der Betreffende vor dem Inkrafttreten des RÜG eingegliedert bzw auf Grund seines fristgerecht gestellten Eingliederungsantrags noch einzugliedern war. Hierdurch werden die originären Ansprüche nach dem Sozialversicherungsrecht der DDR endgültig verdrängt (BSG vom 24. Februar 2000 aaO S 10 mwN; Urteil vom 11. September 2001 aaO S 22).
Maßgeblich ist dabei grundsätzlich, dass der Unfall mit Wirkung für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 als Arbeitsunfall nach den vorgenannten Maßstäben (des FRG respektive des Versorgungsrechts) anerkannt worden ist; allerdings schließt auch ein zu diesem Stichtag laufendes Antragsverfahren auf Eingliederung Überleitungsansprüche nach § 1150 Abs S 1 RVO aus (vgl BSG aaO Nr 5 S 22).
An der vom 2. sowie dem erkennenden Senat entwickelten Rechtsprechung hält der erkennende Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Damit ergibt sich, dass der Ausschluss dieses betroffenen Personenkreises aus der Entschädigung durch die gesetzliche Unfallversicherung die Eingliederung in den Schutzbereich der sozialen Entschädigung – ein ebenfalls zum Sozialgefüge der Bundesrepublik gehörendes Gebiet – zur Folge hat. Auf einen vor dem 1. Januar 1992 gestellten Antrag eines ehemaligen Wehrpflichtigen der NVA wegen einer – als Arbeitsunfall entschädigten – Wehrdienstbeschädigung ist mithin das Versorgungsrecht nach SVG und BVG anzuwenden, wenn der Antragsteller vor dem 19. Mai 1990 in das damalige Bundesgebiet übergesiedelt ist.
3. Der Senat führt diese Rechtsprechung dahin fort, dass in den vorgenannten Eingliederungsfällen eine fortwirkende Bestandskraft von Verwaltungsakten der DDR auf der Grundlage des Einigungsvertrages nicht zu berücksichtigen ist. Insoweit erfolgt nämlich die Entschädigung des Klägers ausschließlich nach den Bestimmungen des hier zeitlich noch einschlägigen Eingliederungsrechts. Von dem mit dem Beitritt der DDR durch den Einigungsvertrag begründeten Überleitungsrecht ist der Kläger nicht erfasst worden.
a) Der erkennende Senat ist bereits in seiner vorliegenden Rechtsprechung – wenngleich zum Teil noch unausgesprochen – davon ausgegangen, dass eine Bindung der Versorgungsverwaltung in diesen Fällen nicht eintritt. Zwar betraf das Senatsurteil vom 4. Februar 1998 (SozR 3-3100 § 89 Nr 4) keinen Bewilligungs-, sondern einen Ablehnungsbescheid, und das weiter zitierte Urteil vom 18. Juni 1996 (SozR 3-8110 Kap XIX B III Nr 5 Nr 1) die Dienstbeschädigungsvollrente eines ausgeschiedenen Berufssoldaten aus dem Sonderversorgungs-System, dessen frühere Versorgungsansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden waren. In beiden Fällen hat der erkennende Senat eine Bindung an die jeweils gegebenen DDR-Bescheide jedoch nicht zu Grunde gelegt; im Gegenteil: Hätte er eine solche Bindung angenommen, hätte diese die tatsächlich vorgenommene materiell-rechtliche Prüfung im Falle des Ablehnungsbescheides obsolet gemacht.
Darüber hinaus hat der erkennende Senat aber auch in seiner (unveröffentlichten) Entscheidung vom 28. Juni 2000 – B 9 V 9/99 R – eine Bindung der Versorgungsverwaltung an einen Verwaltungsakt der DDR-Sozialverwaltung verneint, wenn die in Art 19 Einigungsvertrag vorausgesetzte Rechtsnachfolge fehlt (vgl die Kurzwiedergabe in SGb 2000, 547; zur Bindung an Bescheide der DDR-Sozialverwaltung vor dem 1. Oktober 1950 gemäß § 85 BVG vgl Senatsurteil vom 16. Juni 1999, SozR 3-3100 § 85 Nr 1).
b) Zwar bleiben gemäß Art 19 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl II 889, 1062, 1216) Verwaltungsakte der DDR, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind, über den 2. Oktober 1990 hinaus grundsätzlich wirksam (Satz 1) und folglich iS des § 77 SGG bindend gegenüber dem Rechtsnachfolger. Sie können nach Satz 2 nur aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar sind (BSG vom 11. September 2001 – B 2 U 41/00 R –, SozR 3-2200 § 1150 Nr 5 mit zahlreichen Nachweisen; Senatsurteil vom 28. Juni 2000 aaO; stRspr des BSG). Der damit begründete Vertrauensschutz blieb auch über die zeitlich nachfolgenden Regelungen, insbesondere des RÜG, im Grundsatz erhalten. Auf dieser Grundlage wäre der – zuletzt ergangene – Bescheid des FDGB vom 1. Juni 1986 über den Körperschaden des Klägers infolge seines Wehrdienstunfalles in zweifacher Hinsicht bestandsgeschützt und für den Rechtsnachfolger bindend: sowohl hinsichtlich der Anerkennung der Wehrdienstbeschädigung dem Grunde nach als auch hinsichtlich des Umfangs (Grades) des Körperschadens (jetzt MdE). Insoweit sollte nämlich die – mit Art 19 Einigungsvertrag beabsichtigte – Wahrung des Besitzstands Rechtsfolgen zeitigen und das Vertrauen der Betroffenen gegenüber Überprüfungen von nach früherem DDR-Recht bindend anerkannten Arbeitsunfällen aus Anlass der Überleitung schützen sowie vermeiden, die Richtigkeit der in der DDR vorgenommenen Bemessung des Grades des Körperschadens bzw der Kausalitätsbeurteilung zu überprüfen (vgl BSG vom 18. März 1997, BSGE 80, 119 = SozR 3-1300 § 48 Nr 61 S 145).
c) Jedoch kommen im zeitlichen Geltungsbereich (vgl zur zeitlichen Geltung von Normen das Urteil des BSG vom 26. November 1991, BSGE 70, 31, 34 = SozR 3-2500 § 48 Nr 1 mwN), in dem das maßgebliche Eingliederungsrecht anzuwenden ist, die Regelungen des Überleitungsrechts – wie vor allem auch der besondere Bestandsschutz des Art 19 Einigungsvertrag – nicht zum Zuge. Art 19 Einigungsvertrag misst sich für den Zeitpunkt des Eingliederungsantrags des Klägers keine Geltung bei. Art 19 Einigungsvertrag unterliegt damit den Grundsätzen des Inkrafttretens von Gesetzen und erfasst nur Tatbestände, die nach seinem Inkrafttreten eingetreten sind (BSG vom 11. September 2001 – B 2 U 32/00 R –, SozR 3-8100 Art 19 Nr 8 S 27, 30). Mangels einer anders lautenden Regelung ergibt sich, dass nicht übergeleitete DDR-Ansprüche, die im Rahmen der Eingliederung nach dem Fremdrentenrecht erfasst und abgeschlossen worden sind, auch nicht in den Vertrauensschutz des Art 19 Einigungsvertrag einbezogen wurden.
Wie oben gezeigt (vgl 2.) wird in dem für die von der DDR anerkannten Arbeitsunfälle einschlägigen unfallversicherungsrechtlichen Überleitungsrecht der eingeräumte Vertrauensschutz in den Eingliederungsfällen – wenn der Berechtigte seinen vor dem 19. Mai 1990 aus der DDR ins damalige Bundesgebiet verlegten gewöhnlichen Aufenthalt dort auch bis zum 31. Dezember 1991 beibehalten hat – durchbrochen. Der maßgebliche Stichtag, der die Eingliederung von der Überleitung scheidet, ist einigungsgeschichtlich begründet mit dem Tage des Abschlusses des Vertrages vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (WWSUVtr; BGBl II 537). Bis zum Inkrafttreten des RÜG am 1. Januar 1992 war gemäß Art 24 § 1 Abs 2 des 1. Gesetzes zum WWSUVtr vom 25. Juni 1990 (BGBl II 518) das für Übersiedler aus der DDR geltende Fremdrentenrecht auf bis zum 18. Mai 1990 im Zuständigkeitsbereich eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung im Gebiet der DDR eingetretene Arbeitsunfälle weiterhin anzuwenden, wenn der Verletzte an diesem Datum seinen gewöhnlichen Aufenthalt im (Alt-)Bundesgebiet hatte; für Übersiedler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt erst nach diesem Zeitpunkt in das Gebiet der alten Bundesrepublik verlegten, galt das Fremdrentenrecht nicht mehr. An den Stichtag 18. Mai 1990 knüpfte dann wiederum § 20 S 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR (RAG) vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38, 495, ber S 1457) an, der vorübergehend die Fortzahlung von DDR-Renten an Personen regelte, die nach dem 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der alten Bundesrepublik einschließlich Berlin (West) genommen hatten. Gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8 des Einigungsvertrages ist das RAG als Recht der DDR insoweit in Kraft geblieben. Und auch der in Nr 2 des Rundschreibens des BMA aaO getroffenen Regelung lag der genannte Stichtag zu Grunde, indem die ehemaligen Wehrpflichtigen der NVA, die nach dem 18. Mai 1990 in die alte Bundesrepublik übergesiedelt sind, auf ihre aus dem RAG folgenden Unfallrentenansprüche verwiesen werden. Das Rundschreiben verweist zu Recht darauf, dass diese Rentenansprüche in der weiteren Folge des Überführungsprogramms des Einigungsvertrages von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen worden sind.
In Gestalt der Überführung auf Grundlage der Stichtagsregelung in die gesetzliche Unfallversicherung hat der Einigungsvertrag damit eine abschließende Regelung getroffen; hinsichtlich der schon abgewickelten Eingliederungsfälle bzw in Fällen gestellter Eingliederungsanträge misst er sich weder ausdrücklich noch sinngemäß eine Geltung zu. Es wäre bei systematischer Betrachtung auch widersprüchlich, einen wegen des Verlusts des Anspruchs gegen die DDR gewährten (Eingliederungs-) Anspruch nach (alt-)bundesdeutschem Recht einzuräumen, auf diesen aber eine Fortwirkung des – anspruchsbegründenden – Verwaltungsaktes der DDR rückwirkend anzuordnen (Wertungswiderspruch). Der mit dem Einigungsvertrag begründete Vertrauensschutz entfaltet damit für die Eingliederungsfälle keine positive Wirkung. Die Stichtagsregelung, wonach die bis zum 18. Mai 1990 erfolgten Eingliederungen nach dem seit Jahrzehnten geltenden Fremdrentenrecht vorzunehmen waren, trifft dem Sinne nach auch auf den Kläger zu; mit dem 1980 erlittenen Unfall, der 1989 erfolgten Übersiedlung und dem im September 1990 gestellten Leistungsantrag – und damit seinem Eingliederungsbegehren – erfüllt er alle Voraussetzungen für die kollisionsrechtliche Zuordnung zum Eingliederungsrecht hier des SVG/BVG.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten erfolgte gemäß § 193 SGG.
Fundstellen
FA 2003, 32 |
VIZ 2002, 706 |
SozR 3-3100 § 89, Nr. 9 |