Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem
Leitsatz (amtlich)
Die „Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem” iS des § 5 AAÜG setzt nicht das gleichzeitige Vorliegen von Beitragspflicht zur Sozialversicherung der DDR voraus.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
AAÜG § 5 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 248 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, § 75 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 3. April 1995 in Satz 2 wie folgt gefaßt wird:
„Die Beklagte wird verpflichtet, die Zeit vom 1. April 1977 bis zum 31. März 1982 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (Anlage 1 Nr 4 AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.”
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.
Die im April 1922 geborene Klägerin war in der ehemaligen DDR zuletzt bis zu ihrer Emeritierung zum 1. September 1982 als Hochschullehrerin beschäftigt. Sie gehörte der Sozialpflichtversicherung der früheren DDR an. Mit Wirkung vom 1. Juli 1956 war ihr eine Versorgungszusage aufgrund der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der früheren DDR vom 12. Juli 1951 (≪AVI≫, GBl Nr 85, S 675 = Zusatzversorgungssystem nach der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫) erteilt worden. Im Hinblick auf ihr im Dritten Reich erlittenes Verfolgungsschicksal wurde ihr zunächst eine Teilehrenpension und mit Erreichen des Pensionsalters für Ehrenpensionen (Vollendung des 55. Lebensjahres) seit April 1977 eine volle Ehrenpension aufgrund der Anordnung über Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus sowie für deren Hinterbliebene vom 20. September 1976 (≪EhPensAO≫ vertrauliche Dienstsache, amtlich nicht veröffentlicht, abgedruckt in Aichberger II Nr 127) gewährt. Außerdem erfüllte sie mit Erreichen des Pensionsalters für eine Ehrenpension zugleich die Voraussetzungen für den Bezug der ihr ebenfalls ab 1. April 1977 gewährten Rente aus der Sozialpflichtversicherung ua an Verfolgte des Faschismus gemäß § 54 der Rentenverordnung (RentVO) vom 23. November 1979 (GBl Teil I Nr 43 S 401). Aufgrund des Bezuges der Ehrenpension und der Rente aus der Sozialpflichtversicherung war die Klägerin in der Zeit ab 1. April 1977 in ihrer Beschäftigung als Hochschullehrerin persönlich beitragsfrei, jedoch wurden von ihrem Arbeitgeber weiterhin (Arbeitgeber-)Beiträge zur Sozialpflichtversicherung abgeführt. Seit 1. April 1982 bezieht die Klägerin eine zusätzliche Altersversorgung aus der AVI.
Mit (Entgelt-)Bescheid vom 22. Oktober 1993 stellte die Beklagte in ihrer Funktion als Versorgungsträger für Zusatzversorgungssysteme den Zeitraum vom 1. Januar 1956 bis 31. März 1977 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVI fest; sie listete die kalenderjährlich nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte der Klägerin auf und stellte diese den Werten der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 3 zum AAÜG gegenüber. Die Beklagte lehnte es jedoch ab, auch Arbeitsentgelte für den Zeitraum vom 1. April 1977 bis zum Eintritt des Versorgungsfalles in der AVI am 31. März 1982 zu berücksichtigen, weil in dieser Zeit in der Sozialpflichtversicherung keine Beitragspflicht mehr bestanden habe (Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1994).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den angefochtenen Bescheid abgeändert und die Beklagte verurteilt, auch die Zeit vom 1. April 1977 bis 31. März 1982 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVI festzustellen; im übrigen hat es die Klage, soweit sie sich sinngemäß gegen die Begrenzung der nachgewiesenen Entgelte nach Maßgabe der Anlage 3 richtete, abgewiesen (Urteil vom 3. April 1995). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen; die Berufung der Beklagten sei unbegründet, weil die zusätzliche Altersversorgung nicht von einer Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung abhängig gewesen sei. Die Berufung der Klägerin sei im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung ihrer Arbeitsentgelte nach Maßgabe der Anlage 3 zum AAÜG zurückzuweisen (Urteil vom 19. Dezember 1995).
Die Beklagte hat die (insoweit) vom LSG zugelassene Revision eingelegt und sinngemäß eine Verletzung von § 5 Abs 1 AAÜG gerügt. Nach § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien Zeiten, in denen wegen des Bezuges einer Rente oder einer Versorgung nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes Versicherungs- oder Beitragsfreiheit bestanden habe, keine Beitragszeiten im Beitrittsgebiet. Diese Vorschrift sei gemäß § 5 Abs 1 Satz 2 AAÜG auch auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem vor dem 1. Januar 1992 anzuwenden. Somit könnten während der Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nur Zeiten einer in der Sozialpflichtversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit als Pflichtbeitragszeiten in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. April 1995 insoweit aufzuheben, als sie verurteilt wurde, bei der Klägerin die Zeit vom 1. April 1977 bis 31. März 1982 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVI zu berücksichtigen und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Urteile des SG und LSG in dem von der Beklagten angegriffenen Umfang für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.
Die Klägerin hat aufgrund § 8 Abs 1 bis 4 iVm § 5 Abs 1 AAÜG ein Recht darauf, daß die Beklagte die Zeit vom 1. April 1977 bis 31. März 1982 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVI sowie die für diesen Zeitraum nachgewiesenen, tatsächlichen Arbeitsentgelte feststellt. § 8 Abs 1 Satz 1 AAÜG ist Teil des Überführungsprogramms des Einigungsvertrages (EV). Danach waren die in Zusatzversorgungssystemen nach Maßgabe des ab 3. Oktober 1990 geltenden Bundesrechts erworbenen Ansprüche und Anwartschaften bis zum 31. Dezember 1991 in die (bundesdeutsche) Rentenversicherung des Beitrittsgebiets zu überführen und zu diesem Zweck zunächst nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Sozialversicherung des Beitrittsgebiets unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlung anzupassen. Die nähere Ausgestaltung des Überführungsprogramms erfolgte vor allem in dem als Art 3 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606) verkündeten AAÜG (vgl hierzu BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Danach gelten Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Maßgabe des § 5 Abs 1 AAÜG als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Dasselbe sieht § 5 Abs 2 AAÜG für sog Vorsystemzeiten vor, die vor Einführung des Versorgungssystems in der Sozialpflichtversicherung oder der freiwilligen Zusatzrentenversicherung zurückgelegt worden sind und bei Bestehen des Versorgungssystems in diesen zurückgelegt worden wären. Auf diese Pflichtbeitragszeiten finden ab 1. Januar 1992 bundeseinheitlich die Vorschriften des SGB VI Anwendung, soweit das AAÜG keine Sonderregelungen enthält (§ 5 Abs 1 Satz 2 AAÜG).
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß bei der Klägerin auch in der Zeit vom 1. April 1977 bis 31. März 1982 Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem iS von § 5 Abs 1 AAÜG vorlagen. Zwar bestand für sie – wie die tatsächlichen Feststellungen des LSG ergeben haben – ab 1. April 1977 bei fortbestehender Versicherungspflicht in ihrer Beschäftigung als „Werktätige” (Hochschullehrerin) Beitragsfreiheit; wegen des Bezuges einer Vollrente ab 1. April 1977 war sie (persönlich) von der Entrichtung „ihres Beitrages” befreit, während „der Betrieb” (der Arbeitgeber) weiterhin zur Zahlung seines Beitrages verpflichtet blieb (vgl § 7 Abs 3, § 9 Abs 3 der Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten ≪SVO≫ vom 14. November 1994, GBl Teil I Nr 58 S 531 iVm § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur EhPensAO vom 1. November 1965, GBl Teil II Nr 113 S 779; ab 1. Januar 1978: § 2, § 15 Abs 1 SVO vom 17. November 1977, GBl Teil I Nr 35 S 373); die Versicherungsfreiheit von Beziehern einer Sozialversicherungsrente oder Versorgung wurde erst durch § 19 Abs 2 des Sozialversicherungsgesetzes vom 28. Juni 1990 (GBl Teil I S 486) mit Wirkung ab 1. Juli 1990 eingeführt, dh zeitgleich mit der Schließung der Zusatzversorgungssysteme zum 30. Juni 1990 und der damit verbundenen Unmöglichkeit, neue Versorgungszusagen zu erwerben. Die Tatsache der Beitragsfreiheit der Klägerin im Zeitraum vom 1. April 1977 bis 31. März 1982 steht einer bundesrechtlichen Berücksichtigung dieser Zeit als Zugehörigkeitszeit zur AVI aber nicht entgegen. Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem iS von § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG, für die nach Maßgabe der §§ 6 und 7 AAÜG im Entgeltbescheid Arbeitsentgelte festzustellen sind, sind Zeiten der Beschäftigung oder Tätigkeit, für die eine Versorgungszusage (vorliegend der AVI) bestand, auch dann, wenn der Versicherte in der DDR in der Zeit vor Schließung des Systems in der Sozialpflichtversicherung wegen Bezuges einer Vollrente aus der Sozialpflichtversicherung oder gleichgestellten Rente nicht beitragspflichtig war. § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG verlangt für „Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem” nicht, daß gleichzeitig Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung vorlag.
Die gegenteilige Ansicht der Beklagten findet im Wortlaut der Bestimmung keinen Anhalt. Genannt werden dort lediglich Zeiten (nicht Pflichtbeitragszeiten) der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem. Auch ist nicht ersichtlich, daß die DDR faktisch das Zurücklegen von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVI oder die Versorgungszusage davon abhängig gemacht hätte, daß der Berechtigte im maßgeblichen Zeitraum sowohl der Versicherungspflicht (die bei der Klägerin – wie ausgeführt wurde – vorlag) als auch der Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung unterlag. Sie gewährte eine zusätzliche Altersversorgung aus der AVI im Regelfall (abgesehen von Entscheidungen der DDR-Regierung), wenn die Zugehörigkeit zu dem in §§ 2 bis 5 und 7 der Verordnung zur AVI (AVI-VO) genannten Personenkreis, ein Anstellungsverhältnis zu einer der in § 6 AVI-VO genannten Einrichtungen bei Eintritt des Versorgungsfalles sowie die Vollendung des 60. (bei Männern des 65.) Lebensjahres gegeben waren und sie eine Versorgungszusage erteilt hatte. Die Höhe der Versorgung ergab sich aus dem Rentensatz zwischen 60 und 80 vH des im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalles (der AVI) bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes (§ 8 Buchst a AVI-VO). Anknüpfungstatsachen dafür, daß (Versicherungs- oder) Beitragsfreiheit in der Sozialpflichtversicherung der DDR bundesrechtlich der „Zugehörigkeit zur AVI” entgegenstehen könnte, sind nach allem nicht ersichtlich.
Auch aus Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Ziff 9 Buchst b EV ist nicht zu entnehmen, daß die die Beitragsfreiheit von Renten- und Versorgungsbeziehern betreffenden Vorschriften der SVO zum Ausschluß eines Erwerbs von Ansprüchen und Anwartschaften in Versorgungssystemen führen könnte. Gemäß der Systementscheidung des EV werden die sich nach Maßgabe des ab 3. Oktober 1990 geltenden Bundesrechts aus dem Sozialversicherungs- und dem Versorgungsverhältnis ergebenden, voneinander unabhängigen Ansprüche auf Renten aus der Sozialpflichtversicherung und auf Versorgung ab 1. Januar 1992 durch einen einheitlichen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI ersetzt (zur Systementscheidung allgemein vgl BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Zu diesem Zweck waren Zusatzversorgungsansprüche bis zum 31. Dezember 1991 durch Rechtsverordnung, an deren Stelle das AAÜG getreten ist, an die allgemeinen bundesrechtlichen Regelungen der Sozialversicherung des Beitrittsgebiets anzupassen. Zu diesen Regelungen gehören auch Vorschriften der SVO vom 17. November 1977, die mit den Maßgaben der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 3 EV sekundäres Bundesrecht geworden sind. Den Regelungen des EV und des AAÜG ist indessen nicht zu entnehmen, daß die Bestimmungen der SVO unmittelbar oder auch nur sinngemäß (ungeachtet der zwischen der Sozialpflichtversicherung und dem Zusatz- und Sonderversorgungssystem bestehenden Unterschiede) auf Versorgungsverhältnisse anzuwenden wären. Vielmehr blieb es nach EV und AAÜG bis Ende 1991 bei den unterschiedlichen (bundesrechtlichen) Regelungen der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets und der AVI über den Zeitpunkt des Versicherungs- bzw Versorgungsfalles des Alters; nach § 54 Abs 6 RentVO iVm § 3 EhPensAO trat der Versicherungsfall in der Sozialpflichtversicherung bis Ende 1991 zwar bereits mit dem 55. Lebensjahr, der Versorgungsfall in der AVI nach § 8 Buchst a AVI-VO aber erst mit dem 60. Lebensjahr der Klägerin ein. Gleichermaßen blieben die Unterschiede in den Berechnungsgrundlagen beider Ansprüche bestehen; so kam es für die Rente aus der Sozialpflichtversicherung weiterhin auf den beitragspflichtigen monatlichen Durchschnittsverdienst der letzten zwanzig Kalenderjahre vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit, nach § 8 Buchst a AVI-VO im Rahmen der Zusatzversorgung auf das im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogene durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Berechtigten an.
Schließlich kann auch aus § 75 Abs 1 SGB VI und § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 aaO nicht gefolgert werden, daß Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem iS von § 5 Abs 1 AAÜG nur vorliegen, wenn zeitgleich Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung bestand. Nach § 75 Abs 1 SGB VI werden Entgeltpunkte für Zeiten nach Beginn einer zu berechnenden SGB VI-Rente nur für eine Zurechnungszeit ermittelt; gemäß § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Vorschriften gezahlt worden sind. Beitragszeiten sind nicht Zeiten, in denen wegen Bezugs einer Rente oder einer Versorgung nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets Versicherungs- oder Beitragsfreiheit bestanden hat (Abs 3 Satz 2 aaO). Diese Vorschriften haben für die von der Klägerin im Beitrittsgebiet vom 1. April 1977 bis 31. März 1982 zurückgelegten Zeiten in der AVI schon deshalb keine Bedeutung, weil sie erst zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten und schon entstehungszeitlich bedingt durch Art 8 iVm Anlage 1 EV (Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990, BGBl II S 885) im Beitrittsgebiet nicht mit Wirkung vor dem 1. Januar 1992 in Kraft gesetzt worden sind. § 5 Abs 1 Satz 2 AAÜG läßt sich ebenfalls nicht entnehmen, daß die §§ 75 Abs 1, 248 Abs 3 SGB VI im Beitrittsgebiet vor ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1992 hätten Anwendung finden sollen. Im übrigen könnte allenfalls fraglich sein, ob die Regelung des § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG (Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem … gelten als Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung) durch die Regelung des § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI (Beitragszeiten … sind … nicht …) wieder derogiert wird. Abgesehen davon, daß bei Anwendung des § 8 AAÜG die Beklagte in ihrer Funktion als Versorgungsträger ihre Entscheidung hierauf nicht stützen durfte, steht dieser Auslegung die Systematik des Gesetzes entgegen. Sowohl § 5 Abs 1 AAÜG als auch § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI gehen auf das RÜG zurück, so daß nicht unterstellt werden kann, das Gesetz habe die Spezialregelung in § 5 Abs 1 AAÜG sogleich wieder in der allgemeinen Norm des § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI partiell zurückgenommen; hätten Zeiten der Beitrags- und Versicherungsfreiheit in der Sozialpflichtversicherung einer Berücksichtigung von Zeiten im Versorgungssystem für denselben Zeitraum ausschließen sollen, obwohl der Versicherte weiterhin erwerbstätig war, hätte es nahegelegen, eine entsprechende Regelung iS eines negativen Tatbestandsmerkmals in § 5 Abs 1 AAÜG zu treffen. Dies ist nicht geschehen, so daß nach allem davon auszugehen ist, daß § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 3 SGB VI nach dem Vorbild der gesetzlichen Rentenversicherung lediglich in der Sozialpflichtversicherung den Erwerb weiterer Anwartschaften während des Bezugs einer Vollrente ausschließen soll, aber Ansprüche und Anwartschaften aus Versorgungssystemen unberührt läßt.
Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen. Die Änderung des Tenors des erstinstanzlichen Urteils dient der Klarstellung, daß mit der Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der AVI auch die weiteren in § 8 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 Satz 1, Abs 2, § 5 Abs 1, § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG weiter genannten Feststellungen zu treffen sind. Eine Beschränkung des Klagebegehrens auf die bloße Feststellung von Zeiten iS des § 5 Abs 1 AAÜG liegt nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 1173913 |
ZAP-Ost 1998, 101 |
NJ 1998, 558 |
NZS 1998, 385 |
NZS 1998, 530 |
SozR 3-8570 § 5, Nr.2 |
SozSi 1998, 396 |