Entscheidungsstichwort (Thema)
Rehabilitationsträger. Erbringung von Rehabilitationsleistungen von Amts wegen. kein Ausschluss von Erstattungsansprüchen. nachrangige Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers im Erstattungsverhältnis zu anderen Trägern bei Zuständigkeitsirrtum. Anspruch auf "Erweiterte ambulante Physiotherapie" als Rehabilitationsleistung gegenüber Krankenversicherungsträger
Leitsatz (amtlich)
1. Erbringt ein Rehabilitationsträger in Bejahung seiner Zuständigkeit von Amts wegen Rehabilitationsleistungen, schließt dies Erstattungsansprüche nach §§ 103, 104 SGB 10 nicht aus (Fortentwicklung zu BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R = BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4).
2. Irrt ein Rehabilitationsträger, der von Amts wegen einem Versicherten Rehabilitationsleistungen erbringt, über seine Zuständigkeit, begründet dies im Erstattungsverhältnis zu anderen Trägern nur eine nachrangige Zuständigkeit.
3. Versicherte können von ihrer Krankenkasse "Erweiterte ambulante Physiotherapie" nur als Rehabilitationsleistung beanspruchen.
Normenkette
SGB IV § 19 S. 2; SGB V § 11 Abs. 2, § 27 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 3, 6, § 32 Abs. 1, § 40 Abs. 1, 4, § 138; SGB VI § 13 Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 1; SGB VII § 27 Abs. 1 Nrn. 2, 4, 7; SGB IX § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, § 26 Abs. 2 Nr. 1; SGB X § 103 Abs. 1, § 104 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Erstattungsstreits über die Leistungszuständigkeit für "Erweiterte Ambulante Physiotherapie" (EAP), eine Kombination von Behandlungselementen der Krankengymnastik, physikalischer Therapie und medizinischer Trainingstherapie zur Beseitigung besonders schwerer Funktions- und Leistungsbeeinträchtigungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates.
Der 1962 geborene C. L. (im Folgenden: Versicherter) war als Straßenbauarbeiter bei der klagenden Berufsgenossenschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) versichert, bei der beklagten Krankenkasse (KK) krankenversichert und bei der beigeladenen Trägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) rentenversichert. Am 28.8.2001 erlitt der Versicherte bei einem Arbeitsunfall eine Prellung des linken Knies und war in der Folgezeit längere Zeit arbeitsunfähig krank. Die Klägerin leistete - ausgehend von Unfallfolgen - dem Versicherten ua am 16.1.2002 eine Arthroskopie; es erfolgten eine Teilresektion und Knorpelglättung bei Zustand nach Kreuzbandruptur und Lappeneinriss des medialen Meniskus mit Einklemmung und Knorpelläsion sowie am 1.3.2002 eine Kreuzbandplastik, an die sich ua physikalische Therapie und Krankengymnastik anschloss. Sie gewährte vom 16.4.2002 an EAP, wegen des Verdachts auf einen erneuten Riss des Kreuzbandes Ende Mai 2002 stationäre Behandlung und sodann wieder physiotherapeutische Übungsbehandlung. Der Versicherte erhielt von der Klägerin daran anschließend erneut EAP bis zum 24.7.2002.
In der Folgezeit gelangte die Klägerin zu der Erkenntnis, dass der Kreuzbandriss keine Arbeitsunfallfolge sei und lehnte gegenüber dem Versicherten - inzwischen bestandskräftig - die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen UV über den 10.9.2001 hinaus ab. Die Klägerin meldete bei der Beklagten (KK) einen Erstattungsanspruch an (Schreiben vom 28.8.2002), welche später auf die Einrede der Verjährung verzichtete. Die Beklagte erstattete der Klägerin die Kosten der Krankenbehandlung, soweit sie nicht auf die Unfallfolgen zurückzuführen war; sie lehnte aber die Übernahme der Kosten der EAP ab, da es sich insoweit um Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha) handele, für die die Beigeladene (RV-Trägerin) zuständig sei.
Das Sozialgericht (SG) ist dem gefolgt und hat nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene (RV-Trägerin) als vorrangig zuständige Leistungsträgerin - zur Zahlung in antragsgemäßer Höhe verurteilt; die EAP sei kein Bestandteil der hier bereits abgeschlossenen akuten Krankenbehandlung gewesen (Urteil vom 16.10.2008).
Auf die (zugelassene) Berufung der Beigeladenen hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte (KK) zur Erstattung der EAP-Kosten verurteilt, weil es sich bei der EAP entgegen der Ansicht des SG um eine Akutbehandlung des Versicherten gehandelt habe. Mit der EAP habe nach den Operationen die Gebrauchsfähigkeit des Knies wiederhergestellt werden sollen, nicht aber sei der Versicherte im Sinne eines "psychosozialen umfassenden Ansatzes" im Rahmen einer Reha behandelt worden (Urteil vom 23.7.2009).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 105 SGB X sowie von §§ 27, 40 SGB V. Nicht sie, sondern die beigeladene RV-Trägerin habe dem Versicherten die EAP leisten müssen. Entgegen der Ansicht des LSG habe die EAP die akutmedizinische Behandlung nicht fortgesetzt, sondern sich eigenständig daran angeschlossen. EAP sei ambulante medizinische Reha-Maßnahme iS von § 40 Abs 1 SGB V, für die die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wegen § 40 Abs 4 SGB V hier nicht zuständig sei. Die Zugehörigkeit zum Bereich der Reha folge auch aus der allgemeinen Entwicklung der ambulanten Reha nach akuten orthopädischen oder traumatischen Erkrankungen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juli 2009 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2008 zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das LSG habe die EAP zu Recht als Fortsetzung der Akutbehandlung des Versicherten eingestuft. Der Geschehensablauf mache deutlich, dass die EAP vornehmlich das Ziel gehabt habe, die anhaltenden Bewegungs- und Belastungsschmerzen des Knies des Versicherten zu kurieren, welche akuten Behandlungsbedarf ausgelöst hätten.
Die Klägerin schließt sich dem Antrag der Beigeladenen an und tritt ihrer Auffassung bei.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet. Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung der beigeladenen Trägerin der RV wiederherzustellen.
Anders als das LSG entschieden hat, ist nicht die Beklagte (KK) gegenüber der klagenden Berufsgenossenschaft erstattungspflichtig, sondern die Beigeladene. Im vorliegenden Fall kommt - in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, jeweils RdNr 9 ff) - § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X als einzige Anspruchsgrundlage zugunsten der Klägerin in Betracht (dazu 1.). Dessen Voraussetzungen liegen in Bezug auf die Beklagte allerdings nicht vor, da es nicht um die Erstattung der Kosten für die ärztlich erbrachte oder angeordnete Versorgung mit Heilmitteln iS des SGB VII und des SGB V geht, sondern im Rechtssinne um Kosten für Leistungen der medizinischen Reha (dazu unter 2. und 3.).
1. Erstattungsansprüche zwischen den Beteiligten aus Anlass der im Jahr 2002 von der Klägerin an den Versicherten geleisteten EAP bestimmen sich hier allein nach § 104 Abs 1 und 3 SGB X.
Der Senat (aaO) hat diese Regelung als einzige Anspruchsgrundlage für den Fall herangezogen, dass ein Reha-Träger auf einen Reha-Antrag hin seine Zuständigkeit gegenüber einem Versicherten geprüft und bejaht hat (§ 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 SGB IX), ohne dass eine Konstellation des § 103 SGB X vorlag. In solchen Fällen begründet § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 SGB IX für das Erstattungsverhältnis zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers, wenn er nach den Zuständigkeitsregelungen außerhalb von § 14 SGB IX unzuständig, ein anderer Träger aber zuständig gewesen wäre. Dies ermöglicht es, dass der erstangegangene Reha-Träger im Rahmen eines Erstattungsstreits sich die Kosten der Reha-Maßnahme nach § 104 SGB X vom vorrangig zuständigen Reha-Träger erstatten lässt. Entsprechendes hat aber gleichermaßen nach § 14 Abs 3 SGB IX zu gelten, nämlich dann, wenn - wie vorliegend die Klägerin - der Reha-Träger derartige Leistungen nicht auf Antrag hin, sondern von Amts wegen erbringt. Nach dieser Regelung gelten dann nämlich die Absätze 1 und 2 (des § 14 SGB IX) sinngemäß. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Reha-Bedarfs. Die Klägerin hat die EAP dem Versicherten als - so zu qualifizierende - Leistung zur Teilhabe von Amts wegen erbracht, wie es § 19 Satz 2 SGB IV vorsieht.
§ 104 Abs 1 Satz 1 SGB X regelt, dass dann, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig ist, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Ein Fall des § 103 SGB X liegt hier nicht vor. Die Norm regelt den Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist. Der Anspruch auf die geleistete Reha-Maßnahme gegen die Klägerin ist aber nicht nachträglich entfallen. Die Klägerin beruft sich vielmehr im Kern darauf, zunächst in Unkenntnis des zutreffenden medizinischen Sachverhalts (irrtümlich) von ihrer Zuständigkeit im Rahmen ihrer an den Versicherten von Amts wegen erbrachten Leistung ausgegangen zu sein. Für solche Fälle kann in Bezug auf Reha-Leistungen, um die es bei der EAP geht, lediglich ein Anspruch aus § 104 SGB X eingreifen, der vorliegend gegen die Beigeladene, nicht aber gegen die Beklagte berechtigt ist. Die beigeladene RV-Trägerin war dafür zuständig, die EAP als Reha-Maßnahme zu erbringen. Diese Therapieform stellt keine ärztliche Behandlung und Versorgung mit Heilmitteln im Sinne der gesetzlichen UV (§ 27 Abs 1 Nr 2 und 4 SGB VII) und im Sinne der GKV (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3 iVm § 32 SGB V) dar, sondern muss der ambulanten medizinischen Reha (§ 27 Abs 1 Nr 7 SGB VII iVm § 26 Abs 2 Nr 1 SGB IX, § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 6, § 40 Abs 1 SGB V) zugeordnet werden. Daher ist die Berufung der beigeladenen Trägerin der gesetzlichen RV gegen das SG-Urteil, welches eine vorrangige Leistungspflicht der Beigeladenen angenommen hat (vgl § 40 Abs 4 SGB V), zurückzuweisen.
2. Die Beklagte ist der Klägerin nicht nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X zur Erstattung verpflichtet, weil dessen Voraussetzungen im Verhältnis dieser beiden Leistungsträger zueinander nicht vorliegen.
Die Beklagte war im Verhältnis zur Klägerin als UV-Trägerin kein iS von § 14 SGB IX vorrangig verpflichteter Leistungsträger, als sie dem Versicherten die EAP leistete. § 40 Abs 4 SGB V beruft eine KK nämlich nur zu Leistungen der medizinischen Reha nach § 40 Abs 1 SGB V, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 31 SGB VI solche Leistungen nicht erbracht werden können. Daran fehlte es hier; denn auch wenn die Klägerin selbst im Erstattungsverhältnis nicht vorrangig, sondern lediglich nachrangig materiellrechtlich leistungspflichtig war, hatte letztlich nicht die Beklagte, sondern die beigeladene RV-Trägerin die Kosten für die ambulante Reha-Maßnahme des Versicherten nach den Bestimmungen des SGB VI zu tragen.
Die klagende Trägerin der gesetzlichen UV hat zwar iS von § 104 Abs 1 SGB X Leistungen an den Versicherten erbracht. Es hat sich aber im Nachhinein aufgrund entsprechender medizinischer Ermittlungen ergeben, dass sie die bis zur endgültigen Klärung der UV-rechtlichen Leistungszuständigkeit erbrachte Behandlung mit Blick auf § 14 SGB IX tatsächlich (nur) als im Erstattungsverhältnis nachrangig verpflichteter Leistungsträger erbracht hat. Die Leistungsgewährung stand nicht in einem ursächlichen Zusammenhang zum Arbeitsunfall des Versicherten vom 28.8.2001, sodass eine UV-rechtliche Leistungspflicht der Klägerin für die erbrachte EAP grundsätzlich ausscheidet. Das wird von den Beteiligten nicht mit Revisionsrügen angegriffen und ist zwischen ihnen nicht im Streit. Die Klägerin hatte auch nicht bewusst eine vorläufige Leistung für einen anderen Träger erbracht (vgl hierzu allgemein Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 4-2500 § 39a Nr 1 RdNr 11 mwN; BSG SozR 1300 § 105 Nr 1 S 2; zuletzt BSG, Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 21/08 R, RdNr 12 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-1300 § 111 Nr 5 vorgesehen) , sondern dem Versicherten die EAP vielmehr in der Annahme der Möglichkeit ihrer eigenen Leistungspflicht zunächst nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften gewährt und zukommen lassen. Es verhielt sich auch nicht iS von § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X so, dass die Beklagte oder die Beigeladene bereits selbst geleistet hatten. Die Klägerin wäre zudem iS von § 104 Abs 1 Satz 2 SGB X bei rechtzeitiger Erfüllung einer Leistungspflicht der Beklagten oder der Beigeladenen selbst nicht leistungspflichtig gewesen und hätte iS von § 104 Abs 1 Satz 3 SGB X auch nicht bei Leistung der Beigeladenen selbst Leistungen erbringen müssen.
Für das Durchgreifen eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X gegen die Beklagte fehlt es indessen an der Voraussetzung, dass vergleichbare und zeitlich kongruente Leistungspflichten des leistenden, Erstattung begehrenden Trägers einerseits und des als erstattungspflichtig in Anspruch genommenen Trägers andererseits bestanden haben (vgl dazu allgemein in Bezug auf § 104 SGB X zB BSGE 57, 218, 219 = SozR 1300 § 104 Nr 3; BSGE 70, 186, 196 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 mwN; Kater in: KassKomm, Stand 1.1.2009, § 104 SGB X RdNr 21, 22 mwN; Roos in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 104 RdNr 11 mwN) : Die Beklagte (KK) hätte dem Versicherten im Behandlungszeitraum von Januar bis Ende Juli 2002 allein nach ihrem Recht des SGB V keine EAP gewähren müssen. Sie ersparte durch die Leistungen der Klägerin daher keine an den Versicherten zu erbringenden eigenen Leistungen in persönlich, sachlich und zeitlich entsprechendem Umfang (kongruent), weil eine krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht in Bezug auf die EAP nicht bestand (dazu näher im Folgenden).
3. Der Versicherten hätte von der Beklagten (KK) im Behandlungszeitraum bis 24.7.2002 keine EAP beanspruchen können, da EAP von vornherein nicht etwa ärztliche Behandlung, aber auch kein vom Leistungsumfang der GKV umfasstes Heilmittel ist (dazu a). Der allein in Betracht kommende Anspruch auf EAP als medizinische Reha-Leistung iS von § 40 Abs 1 SGB V schied dagegen wegen der Leistungspflicht der beigeladenen RV-Trägerin aus (dazu b).
a) EAP ist kein vom Leistungsumfang der GKV umfasstes Heilmittel. Versicherte der GKV haben gegen ihre KK Anspruch auf erforderliche Krankenbehandlung, zu der nach § 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 32 SGB V, § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und Abs 6 SGB V iVm den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen/Gemeinsamen Bundesausschusses (im Folgenden: Bundesausschuss) über die Versorgung mit Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinien ≪HMRL≫, hier noch anzuwenden in der am 1.7.2001 in Kraft getretenen Fassung vom 16.10.2000/6.2.2001, BAnz Nr 118a vom 29.6.2001) ua die Versorgung mit Heilmitteln gehört. Zur Versorgung mit Heilmitteln zählt bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungssystems, insbesondere bei Störungen nach traumatischen Schädigungen und Operationen im Bereich der Gelenke, ua physiotherapeutische Behandlung in Form von Ergotherapie (vgl § 92 Abs 6 Satz 1 Nr 2 SGB V iVm III.1.2 und 1.3 Heilmittel-Katalog ≪Zweiter Teil der HMRL, aaO≫). Da die EAP in den HMRL und im Heilmittelkatalog nicht als verordnungsfähige ambulant zu erbringende Leistung enthalten ist, zählt sie schon insoweit grundsätzlich nicht zu den Formen der zu Lasten der GKV erbringbaren Krankenbehandlung. Der Inhalt der Richtlinien des Bundesausschusses hatte bereits vor der gesetzlichen Regelung in § 91 Abs 9 SGB V zum 1.1.2004 - von hier nicht in Betracht kommenden und von keinem der Beteiligten geltend gemachten Ausnahmefällen abgesehen - grundsätzlich verbindlichen, abschließenden Charakter (vgl zuletzt zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 20 f mwN - Magenband; BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 4/09 R, RdNr 33 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 2500 § 27 Nr 12 - LITT, jeweils RdNr 12 mwN; vgl ferner BSG ≪3. Senat≫ SozR 4-2500 § 37 Nr 7 RdNr 20 ff mwN) .
b) Ein Anspruch des Versicherten gegen die Beklagte auf EAP als medizinische Reha-Leistung iS von § 40 Abs 1 SGB V schied letztlich wegen der Leistungspflicht der beigeladenen RV-Trägerin aus.
aa) Grundsätzlich kommt ein Anspruch Versicherter gegen ihre KK auf Gewährung von EAP als medizinische Reha-Leistung (§ 40 Abs 1, 2 SGB V) allerdings in Betracht: Reicht bei Versicherten ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (= Abwendung, Beseitigung, Minderung, Ausgleich, Verhinderung einer Verschlimmerung oder Beseitigung der Folgen einer Behinderung oder von Pflegebedürftigkeit), kann der Träger der GKV aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Reha-Leistungen in wohnortnahen Einrichtungen erbringen (§ 40 Abs 1 SGB V). Von dieser Reha-spezifischen Zielrichtung geht - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - ebenfalls die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG aus (SozR 4-2500 § 40 Nr 2). Der 3. Senat hat zu Recht hierbei auch die"Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen der medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-RL)" vom 16.3.2004 (BAnz 2004 Nr 63, S 6769) einbezogen und betont, dass der Gesetzgeber in § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V sowohl für stationäre als auch für ambulante Reha-Einrichtungen vorsieht, dass diese Einrichtungen fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung stehen und ein ganzheitliches Gesundheitskonzept verfolgen müssen (BSG SozR 4-2500 § 40 Nr 2 RdNr 25; ebenso erkennender 1. Senat in BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, jeweils RdNr 16 ff, 18). Darum geht es.
bb) Ein solcher, hier also seiner Art nach möglicher Anspruch auf EAP als Reha-Leistung gegen eine KK besteht allerdings nur dann, wenn diese Leistungen nach den für "andere" Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften nicht erbracht werden können (§ 40 Abs 4 SGB V). So verhält es sich im vorliegenden Fall, weil - wie in erster Instanz revisionsrechtlich beanstandungsfrei entschieden worden ist - der Versicherte EAP als eine Leistung der medizinischen Reha (§ 15 Abs 1 SGB VI) von der beigeladenen Trägerin der gesetzlichen RV hätte beanspruchen können.
Dass - abgesehen von der Problematik einer Leistungserbringung in der Phase der akuten Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit (vgl § 13 Abs 2 Nr 1 SGB VI, dazu sogleich näher) - im Falle des Versicherten die Voraussetzungen eines Anspruchs gegen die beigeladene RV-Trägerin auf EAP als Leistung der medizinischen Reha erfüllt waren, folgt aus den - insbesondere auch von der Beigeladenen - unangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen; dies gilt sowohl in persönlicher (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlicher Hinsicht (§ 11 SGB VI) als auch in Bezug auf die übrigen sachlichen Voraussetzungen (§ 9 Abs 1; § 15 Abs 1 Satz 1; § 13 Abs 1 SGB V; kein Leistungsausschluss nach § 12 oder § 13 Abs 2 Nr 2 oder 3 SGB VI). Ohne dass dies zu beanstanden ist, hat das SG im Einzelnen die Reha-Bezogenheit der Leistungserbringung beim Versicherten, der sich noch in relativ jungem Alter befand, damit begründet, dass es nach seinem Berufsbild eines Straßenbauarbeiters einerseits und den vorliegenden Funktionsstörungen im Kniegelenksbereich (Gefahr einer dauerhaften arthrotischen Entwicklung) andererseits vorrangig galt, mit der EAP gerade der Gefährdung seiner Erwerbsfähigkeit mit spezifischen Mitteln entgegenzutreten.
Einer Leistungspflicht der beigeladenen RV-Trägerin stand nicht entgegen, dass die RV-Trägerin die EAP nicht in einer Phase der akuten Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit erbringen darf (vgl § 13 Abs 2 Nr 1 SGB VI). Anders als das LSG rechtlich angenommen hat, stellte die beim Versicherten vom UV-Träger durchgeführte EAP keine zum Entfallen der Sperrwirkung des § 40 Abs 4 SGB V und zur Leistungspflicht der Beklagten führende Fortsetzung der akutmedizinischen Krankenbehandlung dar. Im Rechtssinne handelte es sich vielmehr um eine ambulante medizinische Reha-Maßnahme im Anschluss an die Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit in einer wohnortnahen Einrichtung iS von § 9 Abs 1, § 15 Abs 1 SGB VI. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass (insoweit nach den LSG-Feststellungen) mit der EAP nach den durchgeführten Operationen im Anschluss an die geleistete Krankengymnastik die Gebrauchsfähigkeit des Knies wiederhergestellt werden sollte, dass EAP generell als Leistung im Anschluss an eine Akutbehandlung konzipiert ist (dazu sogleich) und dass für einen von dieser Zielrichtung abweichenden Einsatz der beim Versicherten konkret geleisteten EAP nichts vorliegt.
Die EAP ist aus dem Bedarf der gesetzlichen UV nach "intensivierter" Reha im Anschluss an die Akutbehandlung erwachsen. Das folgt auch schon aus ihrer Bezeichnung als gegenüber der allgemein vorgesehenen Heilmittelversorgung "erweiterte" Therapieform. Innerhalb des UV-Leistungssystems geht es darum, die dort maßgeblichen Behandlungsziele in möglichst effektiver Weise (vgl § 26 Abs 2 SGB VII: "mit allen geeigneten Mitteln") zu verfolgen. Dies ermöglicht es auch, beim Bestehen spezifischer Anforderungen über die von den KKn als Pflichtleistungen im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu erbringenden akuten Krankenbehandlungsmaßnahmen des SGB V hinauszugehen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass es sich bei der EAP nach dem im Internet verbreiteten Eigenverständnis der Leistungsträger der gesetzlichen UV (www.dguv.de/landesverbaende/de/med_reha/eap/index.jsp,recherchiert am 15.1.2010) um "eine von der gesetzlichen UV aufgrund der Ergebnisse der Reha von Leistungssportlern entwickelte ambulante Therapieform (handelt, bei der) wohnortnah eine intensivierte physiotherapeutische Behandlung durch ein muskuläres Aufbautraining unterstützt" wird. Die nachakute, Reha-bezogene Zielrichtung der EAP geht auch hervor aus der von den Trägern der deutschen gesetzlichen UV herausgegebenen "Handlungsanleitung zur Verordnung, Durchführung und Qualitätssicherung der Physiotherapie/Krankengymnastik - Physikalischen Therapie, EAP, Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung, sonstigen stationären Maßnahmen" (aktueller Stand 1.1.2008) . Danach ist EAP eine im Rahmen der Reha über Physiotherapie/Krankengymnastik, Massage und Elektrotherapie hinausgehende Maßnahme, eine um medizinische Trainingstherapie ergänzte Kombination von auf den Einzelfall abgestellten Leistungen, die der "Funktionswiederherstellung oder Funktionsverbesserung nach Unfallverletzungen mit Störungen ganzer Funktionsketten oder nach Berufskrankheiten" dient (aaO, unter 2.1) . EAP kann deshalb insbesondere indiziert sein, wenn mit Krankengymnastik und Physiotherapie das mögliche "Rehabilitationsergebnis nicht ausreichend oder nur verzögert erreicht wird", etwa wenn in der standardisierten Krankengymnastik/physikalischen Therapie nach Band- oder anderen Gelenkoperationen nach anfänglichem Funktionsgewinn ein Stillstand zu verzeichnen ist (aaO unter 2.2) . Sie kann dabei nicht etwa von jedem in der GKV zu konventioneller Heilmittelversorgung zugelassenen physiotherapeutischen Leistungserbringer verabreicht werden, sondern ist beschränkt auf die Erbringung in besonders geeigneten Reha-Zentren, die spezielle, von den UV-Trägern vorgegebene personelle, apparative und räumliche Anforderungen erfüllen.
Es spricht angesichts dieser Ausrichtung der EAP auf der Grundlage der unangegriffenen Feststellungen des LSG im Tatsächlichen nichts dafür, dass die Klägerin - abweichend von dem generellen Verständnis vom Zweck der spezifischen Leistung - dem Versicherten hier EAP leistete, um noch im Rahmen seiner "Akutversorgung" tätig zu werden. Die Leistungen der Klägerin zielten vielmehr darauf ab, im Anschluss an die Phase der Akutversorgung eine möglichst rasche und effektive Teilhabe des Versicherten am Leben in der Gesellschaft durch einen speziell dafür ausgebildeten und ausgewählten Leistungserbringer zu ermöglichen. Gleichermaßen scheidet eine irrtümliche, lediglich formal als "EAP" bezeichnete Leistungserbringung aus, die der Sache nach in Wirklichkeit akute physiotherapeutische Behandlung gewesen sein könnte. So belegt auch der vom LSG zitierte Bescheid der Klägerin vom 8.4.2002, dass dem Versicherten zehn Einheiten EAP gezielt in einem zugelassenen EAP-Zentrum bewilligt wurden. Nach der beschriebenen Begrenzung auf besonders sachkundige Leistungserbringer muss als ausgeschlossen gelten, dass dem Versicherten andere Leistungen als EAP im eng definierten Sinne erbracht worden sein könnten. Dies wird auch illustriert durch eine an die Beklagte gerichtete Leistungsabrechnung der Klägerin vom 15.10.2002, die ausdrücklich zwischen Kosten für "Physio" und für "EAP" differenziert.
Mit den vorstehend dargelegten Umständen ist die rechtliche Bewertung des LSG, EAP gehöre für sich genommen noch nicht zur medizinischen Reha, nicht vereinbar. Auch die Betonung einer "psychosozialen Komponente", wie sie dem die Behandlung von Suchtkrankheiten betreffenden BSG-Urteil vom 6.5.1998 - B 13 RJ 11/97 R (BSGE 82, 143 = SozR 3-2600 § 13 Nr 1) zugrunde lag, ist für die Bestimmung des Zeitpunkts, von dem an bei der Behandlung der Folgen einer Kniegelenkverletzung die Akutbehandlung beendet ist und medizinische Reha beginnt, nicht angebracht. Entscheidend ist in derartigen Fällen für eine Abgrenzung vielmehr in erster Linie die Orientierung daran, welche Zielrichtung der (vor)leistende Leistungsträger mit der konkret erbrachten Leistung verfolgte, wegen der er nun Erstattung verlangt.
c) Da nach alledem eine Leistungspflicht der Beklagten für die EAP an den Versicherten ausschied, kann die Beklagte von der Klägerin auch nicht mit Erfolg auf Erstattung in Anspruch genommen werden. Die deshalb erforderliche Aufhebung des dem entgegenstehenden LSG-Urteils führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils unter Zurückweisung der Berufung der vom SG verurteilten beigeladenen RV-Trägerin, weil die Sache insoweit insgesamt spruchreif ist.
Die Beigeladene hat im Revisionsverfahren keine Gegenrügen erhoben, die eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur weiteren Sachaufklärung nötig machen. Sie begründet ihre eigene fehlende Leistungszuständigkeit im Revisionsverfahren allein mit Ausführungen dazu, dass es sich bei der Gewährung von EAP um eine in die Zuständigkeit der beklagten KK fallende Akutbehandlung gehandelt habe; diese Ausführungen müssen - wie dargestellt - erfolglos bleiben. Die Beigeladene geht in ihrer Revisionserwiderung bezüglich der eigenen medizinischen Bewertung des Geschehensablaufs zudem über die vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen hinaus, die für den Senat allein bindend sind (§ 163 SGG), weil diese Feststellungen nicht mit Revisionsgegenrügen angriffen werden; revisionsrechtlich bedeutsame Gesichtspunkte, die dazu führen könnten, dass der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweist (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), bringt die Beigeladene nicht vor und stellt auch keinen entsprechenden (Hilfs-)Antrag.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 und 2 SGG iVm § 154 Abs 1 bis 3, § 159 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Festsetzung des Streitwerts aus § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.
Der Senat hat die Kosten des Revisionsverfahrens nicht allein der erstattungspflichtigen und unterliegenden Beigeladenen auferlegt, sondern ihr und der klagenden UV-Trägerin jeweils zur Hälfte. Die Klägerin hat im Revisionsverfahren einen eigenen Antrag auf Zurückweisung der Revision gegen das LSG-Urteil gestellt und so die Position der revisionsbeklagten Beigeladenen unterstützt; sie ist auf diese Weise ebenfalls im Revisionsverfahren unterlegen und nach § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO kostentragungspflichtig (vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 16) . Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beigeladene (mangels Antragstellung der Klägerin dort) allein, ebenso - wie vom SG bereits zutreffend tenoriert - die Kosten des Klageverfahrens.
Fundstellen
Haufe-Index 2336649 |
BSGE 2010, 271 |
DB 2010, 8 |