Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. August 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Für den 1937 geborenen türkischen Kläger wurden vom 1. Januar 1956 bis zum 30. September 1968 insgesamt für 36 Monate Pflichtbeiträge in die türkische Sozialversicherung entrichtet. In der Zeit vom 16. Juni 1969 bis 18. August 1980 war er 99 Monate als Arbeiter in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war er bis zum 2. Oktober 1982 arbeitslos; auch für diese Zeit wurden Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt. Nachdem sich der Kläger vom 3. März bis 15. Juli 1983 und vom 1. Januar bis 8. Mai 1984 in der Türkei aufgehalten hatte, kehrte er am 25. Februar 1985 endgültig dorthin zurück. Nach Mitteilung des türkischen Sozialversicherungsträgers vom 27. Februar 1998 bezieht der Kläger seit dem 1. Dezember 1982 auf Dauer eine türkische Invalidenrente, die eine freiwillige Versicherung in der Türkei ausschließt.
Am 1. November 1982 beantragte der Kläger erstmals die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit (EU) sei noch nicht eingetreten. Es liege allerdings Berufsunfähigkeit (BU) vor; eine Rente könne jedoch nicht gewährt werden, da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei habe (Bescheid vom 29. Dezember 1983). Auf den am 13. Januar 1984 eingelegten Widerspruch gewährte die Beklagte dem Kläger vom 8. Mai bis 31. Oktober 1984 Rente wegen EU auf Zeit, wobei sie als Versicherungsfall den 29. April 1983 zugrunde legte (Bescheid vom 5. November 1984). Von Amts wegen stellte sie dann mit Bescheid vom 8. Januar 1985 die Rente hinsichtlich der Höhe neu fest. Mit Neufeststellungsbescheid vom 27. Oktober 1985 gewährte sie dem Kläger die EU-Zeitrente bereits ab 29. Oktober 1983. Soweit dem Widerspruch zwischenzeitlich nicht abgeholfen worden war, wurde er mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1986 zurückgewiesen.
Am 1. Juli 1986 beantragte der Kläger erneut Gewährung von Rente wegen EU. Die Beklagte lehnte dies ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien (Bescheid vom 4. August 1986; Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 1987). Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Bayreuth ≪SG≫ vom 25. November 1987).
Einen weiteren Rentenantrag vom 18. Januar 1989 lehnte die Beklagte ebenfalls ab (Bescheid vom 24. Februar 1989). Die hiergegen zum SG erhobene Klage (S 9 Ar 567/90) wurde am 8. Oktober 1990 zurückgenommen.
Am 13. Dezember 1993 beantragte der Kläger wiederum die Gewährung von Rente wegen EU. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 20. Mai 1994; Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 1994). Das SG wies die hiergegen erhobene Klage ab (Gerichtsbescheid vom 27. Februar 1996). Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger aufgrund eines im Dezember 1993 eingetretenen Leistungsfalles Rente wegen EU ab 1. Januar 1994 zu gewähren (Urteil vom 26. August 1998). Es hat seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen sei der Kläger ab Dezember 1993 erwerbsunfähig. Er habe die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, da für ihn 122 Monate Beitragszeiten zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen seien. Zwar erfülle er die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht unmittelbar, da er zuletzt vor Eintritt der EU keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe und auch keine Aufschubtatbestände nach § 44 Abs 4, § 43 Abs 3, § 240 Abs 2 und § 241 Abs 2 SGB VI vorlägen. Insbesondere stelle der seit dem 1. Dezember 1982 erfolgte Bezug der türkischen Rente keinen Streckungstatbestand in diesem Sinne dar. Weiterhin sei die EU nicht aufgrund eines Sachverhalts eingetreten, bei dem die allgemeine Wartezeit als vorzeitig erfüllt gelte. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien jedoch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als erfüllt anzusehen.
Die Beklagte sei ihrer dem Kläger gegenüber obliegenden Beratungsverpflichtung nicht nachgekommen. Aufgrund der Heimataufenthalte des Klägers in den Jahren 1983 und 1984 hätte sie damit rechnen müssen, daß dieser wieder in die Türkei zurückkehren werde. Auf diese Absicht habe er mit Schreiben vom 15. Dezember 1983, 5. Dezember 1984 und 30. Januar 1985 ausdrücklich hingewiesen. Im übrigen habe die Beklagte erst mit Änderungsbescheid vom 27. Oktober 1985 den Beginn der EU-Rente auf den 29. Oktober 1983 vorverlegt und den weitergehenden Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Dezember 1983 sogar erst mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1986 zurückgewiesen. Sie hätte deshalb den Kläger in den Gründen des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 1986, spätestens aber nach Eintritt der Bindungswirkung des Ablehnungsbescheides vom 4. August 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 1987 mit Rechtskraft des im Verfahren vor dem SG ergangenen Urteils vom 25. November 1987 darauf hinweisen müssen, daß er zur Aufrechterhaltung seiner Anwartschaft ab 1. November 1984 lückenlos freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten habe. Sie hätte den Kläger darüber hinaus bei Abschluß der jeweiligen Antragsverfahren entsprechend belehren müssen, um ihm die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf eventuelle Rentenansprüche wegen verminderter Erwerbsfähigkeit offenzuhalten.
Die Berechtigung des Klägers zur Entrichtung freiwilliger Beiträge ab 1. November 1984 ergebe sich aus § 1420 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach habe die Frist zur Nachentrichtung wegen schwebender Verfahren über einen Rentenanspruch erst 1990 geendet. Jedenfalls sei die Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Jahre 1984 und 1985 bis dahin noch möglich gewesen. Auch nach seiner endgültigen Rückkehr in die Türkei im Jahre 1985 habe der Kläger das Recht zur freiwilligen Versicherung in der Bundesrepublik Deutschland nicht verloren. Zwar habe er bis zu diesem Zeitpunkt keine freiwilligen Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Auch habe das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (Abk Türkei SozSich) den in der Türkei lebenden türkischen Staatsangehörigen zu keiner Zeit die Möglichkeit zur Begründung einer freiwilligen Versicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung eröffnet. Entscheidend sei aber, daß dem Kläger während der Zeit seines dauernden Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland bis zum 25. Februar 1985 das Recht zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zugestanden habe. Sei die freiwillige Versicherung in der deutschen Rentenversicherung bereits vor dem Inkrafttreten des Zusatzabkommens vom 2. November 1984 zum Abk Türkei SozSich (ZusAbk Türkei SozSich) – am 1. April 1987 – begonnen worden, habe sie gemäß diesem Abkommen auch nach diesem Zeitpunkt bei gewöhnlichem Aufenthalt in der Türkei fortgesetzt werden können. Es komme für die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung im Rahmen des § 1420 Abs 2 RVO auf den Zeitraum an, für den die Beiträge entrichtet würden. Da der Kläger über den Wegfall der Zeitrente im Oktober 1984 hinaus bis zum 25. Februar 1985 seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe, sei er auch noch nach seiner Rückkehr in die Türkei berechtigt gewesen, eine freiwillige Versicherung in Deutschland zu begründen. Einer tatsächlichen Beitragsleistung bedürfe es wegen § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI nicht.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 241 Abs 2 SGB VI, § 1420 Abs 2 RVO, Art 26 und 52 des Abk Türkei SozSich iVm Art 2 Abs 5 und Art 1 Nr 32 Punkt 5 Buchst d des ZusAbk Türkei SozSich sowie des Rechtsinstituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Zu Unrecht habe das LSG die Voraussetzungen einer Nachentrichtungsmöglichkeit von freiwilligen Beiträgen aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs angenommen. Unabhängig von einer Verlängerung der Beitragsentrichtungsfrist durch ein schwebendes Rentenverfahren müsse zunächst ein Recht der freiwilligen Beitragsleistung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung dem Grunde nach bestanden haben. Das sei bei dem seit Februar 1985 in der Türkei wohnenden Kläger nicht der Fall gewesen. Nach den Regelungen im Abk Türkei SozSich richte sich das Recht auf freiwillige Versicherung nur dann nach den Rechtsvorschriften der anderen Vertragspartei, wenn er zuletzt nach deren Rechtsvorschriften freiwillig versichert gewesen sei. Da der Kläger zu keiner Zeit freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet habe, sei er nach seiner Rückkehr in die Türkei dazu nicht mehr berechtigt. Somit sei sein Recht zur Entrichtung freiwilliger Beträge mit der Wohnsitzverlegung in die Türkei untergegangen. Es könne auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wieder aufleben. Das fehlende Anspruchsmerkmal der tatsächlich vorhandenen freiwilligen Beitragsleistung vor Rückkehr in die Türkei lasse sich nicht nachträglich durch eine zulässige Amtshandlung der Beklagten herstellen. Auch gehe das LSG fehl, soweit es die Auffassung vertrete, für die Prüfung der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung komme es auf den Zeitraum an, für den die Beiträge entrichtet worden seien.
Im übrigen lägen die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht vor. Es fehle bereits an einem rechtswidrigen Verhalten des Versicherungsträgers. Eine Beratungspflicht werde nicht ohne konkreten Anlaß ausgelöst. Im Zeitpunkt der Zustellung des Neufeststellungsbescheides vom 27. Oktober 1985 habe sich der Kläger bereits acht Monate dauernd in der Türkei aufgehalten. Bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 1986 habe aufgrund der theoretischen Möglichkeit einer Zeitrentengewährung keine Beratungspflicht nach § 14 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) bestanden. Die Auffassung des LSG hätte zur Folge, daß bei jedem Rentenantrag eines Ausländers dieser belehrt werden müsse, seinen Wohnsitz nicht ins Ausland zu verlegen, da er sich für diesen Fall des Rechts begäbe, ggf freiwillige Beiträge zu entrichten. Allenfalls nach Abschluß des Rentenstreitverfahrens könne sich eine solche Beratungspflicht ergeben. Der Versicherungsträger wäre überfordert, wenn er auf die jeweiligen individuellen Gegebenheiten der Versicherten eingehen müßte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. August 1998 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 27. Februar 1996 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten führt zur Zurückverweisung der Sache an das LSG, da es für eine abschließende Entscheidung weiterer Tatsachenfeststellungen zum Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bedarf.
Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften des SGB VI, da Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. Januar 1994 streitig ist (§ 300 Abs 1 SGB VI). Auf der Grundlage der von den Beteiligten nicht wirksam angegriffenen und damit verbindlichen Feststellungen des LSG (vgl § 163 des Sozialgesetzbuches ≪SGG≫) ist davon auszugehen, daß der Kläger die allgemeine Wartezeit nach § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI erfüllt hat und der Versicherungsfall der EU im Dezember 1993 eingetreten ist (vgl § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 2 SGB VI). Einen früheren Eintritt des Versicherungsfalles hat das LSG für den hier streitigen Anspruch ausgeschlossen. Nach seinen Feststellungen hat lediglich in der Zeit vom 29. April 1983 bis 31. Oktober 1984 ein untervollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers vorgelegen, nach diesem Zeitraum war er wieder für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig einsetzbar.
Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen iS von § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI liegen dagegen nicht vor. Weder ist die EU aufgrund eines der in § 53 SGB VI genannten Tatbestände eingetreten (vgl § 44 Abs 4 iVm § 43 Abs 4 SGB VI) noch sind von den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles mindestens drei Jahre mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, daß der Versicherungsfall bereits am 1. Dezember 1993 eingetreten ist. Der maßgebliche Fünf-Jahres-Zeitraum vor dem Versicherungsfall bemißt sich demgemäß vom 1. Dezember 1988 bis 30. November 1993. Entsprechende Beschäftigungszeiten sind in diesem Zeitraum weder in Deutschland noch in der Türkei zurückgelegt worden. Dieser Rahmenzeitraum läßt sich auch nicht durch sogenannte Streckungstatbestände iS von § 44 Abs 4 iVm § 43 Abs 3 SGB VI derart erweitern, daß er eine ausreichende Anzahl von Pflichtbeitragsmonaten umfassen könnte.
Berücksichtigt man zunächst allein deutsche Rechtsvorschriften, so scheidet der Rentenbezug des Klägers in der Türkei als Streckungstatbestand aus, wie im Senatsurteil vom 3. November 1994 (BSGE 75, 199, 203 ff = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48; vgl auch BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 46) näher begründet worden ist. Auch eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit (vgl § 43 Abs 3 Nr 1 iVm § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) oder eine auf Arbeitsunfähigkeit beruhende Streckungszeit iS von § 43 Abs 3 Nr 3 SGB VI liegt nach den Feststellungen des LSG nicht vor.
Ebensowenig lassen sich aus den Vorschriften des im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei anwendbaren Abk Türkei SozSich vom 30. April 1964 (BGBl II 1965 S 1170) Streckungstatbestände herleiten, zumal darin keine Gleichstellung entsprechender in der Türkei verwirklichter Tatbestände vorgenommen worden ist (vgl näher BSGE 82, 1, 7 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 60).
In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 1246 Abs 2a Satz 2 RVO (vgl BSG SozR 3-2600 § 1246 Nr 46; BSGE 75, 199, 204 ff = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48) hält es der erkennende Senat nicht für möglich, die Streckungstatbestände des dieser Vorschrift insoweit im wesentlichen entsprechenden § 43 Abs 3 SGB VI im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf vergleichbare Tatbestände im Ausland auszuweiten (vgl näher Urteil des erkennenden Senats vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 85/98 R –, Umdruck S 12 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, und Urteil vom selben Tage – B 13 RJ 19/99 R –, Umdruck S 7).
Ein Rentenanspruch des Klägers könnte aber unter Berücksichtigung der Übergangsregelung des § 241 iVm § 240 SGB VI bestehen. Nach § 241 Abs 2 Satz 1 sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der EU für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der EU mit Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI) belegt ist oder wenn die EU vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Nach Abs 2 Satz 2 derselben Vorschrift ist für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich.
Die Voraussetzung des § 241 Abs 2 Satz 1, 2. Variante SGB VI (Eintritt einer durchgehenden EU des Klägers) ist vorliegend nach den Feststellungen des LSG ausgeschlossen, weil der zunächst im April 1983 eingetretene Versicherungsfall Ende Oktober 1984 wieder weggefallen ist und ein neuer Versicherungsfall erst seit Dezember 1993 vorliegt. Da der Kläger die Wartezeit bereits bei Beendigung seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung im Jahre 1980 erfüllt hatte und im Dezember 1993 erwerbsunfähig geworden ist, kommt es somit auf die Belegung der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 30. November 1993 mit Anwartschaftserhaltungszeiten (vgl § 241 Abs 2 Satz 1, 1. Variante SGB VI) an. Nach den Feststellungen des LSG liegen für den betreffenden Zeitraum weder Beitrags- noch sonstige Anwartschaftserhaltungszeiten vor.
Das Erfordernis der Belegung würde jedoch entfallen, wenn der Kläger noch freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nachentrichten könnte (vgl § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Unter Zugrundelegung der einschlägigen Vorschriften besteht eine solche Möglichkeit nicht.
Als in der Türkei wohnender Ausländer ist der Kläger gemäß § 7 Abs 1 SGB VI iVm § 30 Abs 1 SGB I nicht versicherungsberechtigt. Zwar bleiben gemäß § 30 Abs 2 SGB I Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Aus dem insoweit zu beachtenden Abk Türkei SozSich läßt sich jedoch ebenfalls kein Recht des Klägers zur freiwilligen Versicherung herleiten (vgl dazu auch BSGE 82, 1, 9 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 60). Ursprünglich war Art 26 Abk Türkei SozSich in der bis zum 31. März 1987 geltenden Fassung maßgebend. Danach richtete sich das Recht zur freiwilligen Versicherung grundsätzlich nach den Rechtsvorschriften der Vertragspartei, in deren Gebiet sich die Person gewöhnlich aufhielt. Hingegen waren die Rechtsvorschriften der anderen Vertragspartei entscheidend, wenn die Person zuletzt nach deren Rechtsvorschriften freiwillig versichert war und nicht nach den Rechtsvorschriften der Vertragspartei pflichtversichert war, in deren Gebiet sie sich gewöhnlich aufhielt. Dementsprechend konnte ein türkischer Versicherter seine in Deutschland begonnene freiwillige Versicherung nach Rückkehr in die Türkei fortsetzen. Art 26 Abk Türkei SozSich ist dann durch Art 1 Nr 20 ZusAbk Türkei SozSich vom 2. November 1984 (BGBl II 1986 S 1040) aufgehoben worden; statt dessen gelten Art 4 iVm Nr 5 Buchst d des Schlußprotokolls zum Abk Türkei SozSich, das nach Art 56 Abk Türkei SozSich Bestandteil des Abkommens ist, in der durch Art 1 Nrn 4 und 32 ZusAbk Türkei SozSich geänderten Fassung sowie Art 2 Abs 5 ZusAbk Türkei SozSich. Die genannte Bestimmung des Schlußprotokolls sieht eine Abweichung von der in Art 4 Abk Türkei SozSich enthaltenen Gleichstellung der Staatsangehörigen der beiden Vertragsparteien dahin vor, daß die den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellten Personen, solange sie sich gewöhnlich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung grundsätzlich nicht berechtigt sind; dazu bestimmt jedoch Art 2 Abs 5 ZusAbk Türkei SozSich, daß das Zusatzabkommen der Fortsetzung einer vor seinem Inkrafttreten begonnenen freiwilligen Versicherung nicht entgegensteht. Da der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland nicht zumindest einen freiwilligen Beitrag entrichtet hat, fehlt ihm nach diesen Bestimmungen eine Versicherungsberechtigung.
Abgesehen davon waren zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Antrags im Dezember 1993 auch die Fristen für eine wirksame Entrichtung freiwilliger Beiträge zur Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft abgelaufen. Nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden § 1418 Abs 1 RVO sind freiwillige Beiträge unwirksam, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden. Die am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Regelung, nach der freiwillige Beiträge für ein Jahr wirksam auch noch im ersten Quartal des Folgejahres entrichtet werden können (§ 197 Abs 2 SGB VI), ist auf Beitragszahlungen für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 nicht anzuwenden (BSG SozR 3-2600 § 197 Nr 1). Allerdings findet gemäß § 1420 Abs 2 RVO aufgrund eines Beitragsverfahrens oder eines Verfahrens über einen Rentenanspruch eine Hemmung der Fristen zur Beitragszahlung statt (im Unterschied dazu wird nach dem seit 1992 geltenden Recht die Frist des § 197 Abs 2 SGB VI gemäß § 198 Satz 1 Nr 2 SGB VI im Fall eines schwebenden Rentenverfahrens unterbrochen, vgl BSG SozR 3-2200 § 1420 Nr 4). Nach der genannten Vorschrift der RVO werden Zeiträume, in denen ein Verfahren über einen Rentenanspruch schwebt, nicht in die Nachentrichtungsfristen des § 1418 Abs 1 RVO eingerechnet, was zu einer entsprechenden Verlängerung dieser Fristen führt (vgl Funk in Kasseler Komm, § 1418 RVO RdNr 5, § 1420 RVO RdNr 6).
Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, daß die für das Jahr 1984 geltende Beitragsentrichtungsfrist gemäß § 1420 Abs 2 RVO durch dessen wiederholte Rentenanträge fortlaufend bis zu der am 8. Oktober 1990 erfolgten Klagerücknahme gehemmt war, ist davon auszugehen, daß sie lange abgelaufen war, als der Kläger am 13. Dezember 1993 den streitigen Rentenantrag stellte. Auch § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO greift nicht ein, da eine rechtzeitige Bereiterklärung zur Beitragsentrichtung nicht vorliegt.
Eine ausnahmsweise mögliche Zulassung zur Beitragsnachentrichtung (vgl dazu Urteil des erkennenden Senats vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 85/98 R –, Umdruck S 15 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) kommt hier nicht in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob man insoweit die Regelung des am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen § 197 Abs 3 SGB VI oder aber das zuvor geltende Recht für anwendbar hält.
Sofern man hinsichtlich der für das Jahr 1984 versäumten Beitragsentrichtungsfrist des § 1418 Abs 1 RVO nach altem Recht überhaupt § 27 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) heranziehen kann (ablehnend insoweit BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 9; BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 7), scheitert die danach vorgesehene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedenfalls daran, daß seit dem Ablauf der für das Jahr 1984 maßgeblichen Frist (im Hinblick auf § 1420 Abs 2 RVO spätestens im Oktober 1991) bei der Antragstellung des Versicherten im Dezember 1993 bereits mehr als ein Jahr vergangen war. Eine Nachzahlung wäre mithin gemäß § 27 Abs 3 SGB X nur dann zulässig, wenn sie vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Dafür, daß dies der Fall war, bestehen hier keine Anhaltspunkte.
Entsprechendes gilt, sofern man eine Anwendung der Grundsätze über eine Nachsichtgewährung für möglich erachten sollte. Wie das BSG bereits entschieden hat, kann nämlich bei Versäumung einer gesetzlichen Ausschlußfrist Nachsicht in der Regel dann nicht mehr gewährt werden, wenn die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb eines Jahres nach Fristablauf nachgeholt worden ist (vgl BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 49). Eine ua bei höherer Gewalt anerkannte Ausnahme kommt hier nicht in Betracht.
Eine Anwendung des § 197 Abs 3 SGB VI würde zum selben Ergebnis führen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in § 197 Abs 1 und 2 SGB VI genannten Frist zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Unabhängig davon, inwiefern man eine Unkenntnis des Klägers hinsichtlich Art 2 § 6 Abs 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter (Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz ≪ArVNG≫), der Vorgängerbestimmung zu § 241 Abs 2 SGB VI, nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falles als unverschuldetes Hindernis der Beitragszahlung anerkennen könnte (vgl dazu allgemein BSG SozR 5057 § 10 Nr 19; BSG SozR 3-5070 § 21 Nr 3), würde nach Auffassung des erkennenden Senats die in § 27 Abs 3 SGB X geregelte und bei der Nachsichtgewährung entsprechend anwendbare Jahresfrist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen sein (vgl näher Urteil des erkennenden Senats vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 85/98 R –, Umdruck S 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Liegt der Ablauf der Beitragsentrichtungsfrist – wie hier – über ein Jahr zurück, so ist die Nachzahlung mithin allenfalls dann zuzulassen, wenn diese – anders als im vorliegenden Fall – zuvor infolge höherer Gewalt unmöglich war.
Zwar könnte aufgrund des Art 27 Abk Türkei SozSich die Entrichtung freiwilliger Beiträge zur türkischen Sozialversicherung ebenfalls die Erfüllung der hier umstrittenen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sicherstellen (vgl dazu BSGE 82, 1, 11 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 60). Aufgrund seines Rentenbezugs in der Türkei ab 1. Dezember 1982 war der Kläger jedoch nach den Feststellungen des LSG, das sich insoweit auf eine Mitteilung des türkischen Versicherungsträgers vom 27. Februar 1998 stützt, nicht mehr zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zur türkischen Rentenversicherung berechtigt.
Es bleibt zu prüfen, ob der Kläger aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs im Rahmen des § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI so zu stellen ist, als dürfe er die fehlenden Beiträge noch zahlen. Ein solcher Anspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsende Pflicht, insbesondere zur Betreuung und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (st Rspr; vgl BSG SozR 1200 § 14 Nr 9; BSG SozR 1300 § 44 Nr 13; Urteil des erkennenden Senats vom 29. Oktober 1991 – 13/5 RJ 38/89; BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 7).
Vorliegend ist ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht durch § 1418 Abs 3 RVO ausgeschlossen. Das BSG hat diese Vorschrift als spezialgesetzliche Regelung angesehen, dies aber ausdrücklich auf die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen beschränkt (BGSE 56, 266, 270 = SozR 2200 § 1418 Nr 8; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 7; BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 7). In bezug auf die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch Entrichtung freiwilliger Beiträge ist das richterrechtliche Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs grundsätzlich anwendbar (vgl dazu auch BSGE 75, 199, 207 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48; BSG SozR 3-1200 § 14 Nrn 5 u 6; Funk in Kasseler Komm, § 1418 RVO RdNr 6). Soweit ein Herstellungsanspruch ab 1. Januar 1992 wegen § 197 Abs 3 SGB VI ausscheiden sollte, kann sich dies jedenfalls nicht auf Fristen beziehen, die bereits nach altem Recht abgelaufen sind. Der 12. Senat des BSG hat bereits entschieden, daß § 197 Abs 2 SGB VI – ungeachtet der Regelung des § 300 Abs 1 SGB VI – auf Beitragszahlungen für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 nicht anzuwenden ist (vgl BSG SozR 3-2600 § 197 Nr 1). Da sich § 197 Abs 3 SGB VI auf die Absätze 1 und 2 des § 197 SGB VI bezieht, kann für ihn nichts anderes gelten (vgl auch BSGE 75, 199, 207 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48).
Der Herstellungsanspruch ist auch geeignet, sowohl die weggefallene Versicherungsberechtigung zu ersetzen als auch die versäumte Frist neu zu eröffnen, dh es kann durch eine zulässige Amtshandlung der mit dem Verlust der Beitragszahlungsberechtigung entstandene Nachteil des Klägers ausgeglichen werden (vgl zu dieser Voraussetzung BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4 mwN; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 28). In den Fällen von in die Heimat zurückgekehrten Ausländern ist insbesondere problematisch, ob der Herstellungsanspruch eine Handlung ersetzen kann, die zwischenzeitlich im konkreten Fall rechtlich nicht mehr möglich ist. Nach dem geltenden deutsch-türkischen Abkommensrecht darf der Kläger angesichts seines Aufenthaltes in der Türkei keine freiwilligen Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mehr leisten, da er zuvor in der Bundesrepublik Deutschland keinen Beitrag entrichtet hat. Die zur Behebung dieses Rechtsverlustes erforderliche Amtshandlung ist im vorgenannten Sinne gleichwohl als „zulässig” anzusehen. Voraussetzung dafür ist, daß das vom Kläger erstrebte Handeln in seiner wesentlichen Struktur im Gesetz vorgesehen ist (BSG, Urteil vom 5. April 2000 – B 5 RJ 50/98 R – mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das ist hier der Fall. Sowohl eine nachträgliche Entrichtung von Beiträgen als auch eine Beitragsleistung aus dem Ausland läßt das SGB VI im Prinzip zu. Die vom Kläger unterlassene Beitragsentrichtung läßt sich somit grundsätzlich noch im Wege des Herstellungsanspruchs korrigieren.
In sachlicher Hinsicht ist ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch von der Rechtsprechung des BSG unter folgenden Voraussetzungen bejaht worden: (1) Vorliegen einer Pflichtverletzung, die sich der Sozialleistungsträger im Verhältnis zum Berechtigten zurechnen lassen muß, (2) Eintritt eines rechtlichen Nachteils oder Schadens beim Berechtigten, (3) Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt, (4) Möglichkeit der Herstellung des Zustandes, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (vgl BSGE 60, 158, 164 mwN = SozR 1300 § 44 Nr 23; BSGE 71, 17, 22 = SozR 3-4100 § 103 Nr 8; Urteil des erkennenden Senats vom 26. Januar 2000 – B 13 RJ 37/98 R –, Umdruck S 11, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzungen könnten im vorliegenden Fall gegeben sein.
Zunächst hat die Beklagte die dem Kläger gegenüber bestehende Beratungspflicht verletzt. Rechtsgrundlage ist insoweit § 14 Satz 1 SGB I. Danach hat jeder Anspruch auf Beratung und Belehrung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz. Eine Beratungspflicht besteht in der Regel bei einem entsprechenden Beratungsbegehren (vgl BSG SozR 1200 § 14 Nr 9; BSGE 52, 145, 148 = SozR 1200 § 14 Nr 12). Ein solches liegt nach Feststellungen des LSG hier nicht vor. Insbesondere hat das LSG zu Recht in dem Schreiben des Klägers vom 15. Dezember 1983, worin er angezeigt hat, daß er schon länger vorhabe, in die Türkei zu gehen, aber natürlich zuvor seine Rentenangelegenheit geklärt wissen wolle, keine ausreichende Konkretisierung eines Beratungswunsches gesehen. Diese Formulierung konnte zwanglos so verstanden werden, daß der Kläger lediglich den Ausgang des laufenden Rentenverfahrens abwarten wollte.
Auch wenn ein Beratungsbegehren – wie hier – nicht vorliegt, hat der Versicherungsträger bei konkretem Anlaß auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden (st Rspr; vgl BSG SozR Nr 3 zu § 1233 RVO; BSGE 60, 79, 86 = SozR 4100 § 100 Nr 11; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 46; BSG SozR 3-1200 § 14 Nrn 5, 6; BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 7). Hingegen war ein Rentenversicherungsträger ohne besonderen Anlaß nicht verpflichtet, die durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 (HBegleitG) latent betroffenen Versicherten zu ermitteln und sie individuell über die zum 1. Januar 1984 geänderten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Renten wegen EU/BU zu informieren, auch nicht darüber, daß dann, wenn die Voraussetzung von drei Jahren Pflichtbeiträgen innerhalb des maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraumes vor dem Versicherungsfall nicht vorlag, die Anwartschaft durch Zahlung freiwilliger Beiträge aufrechterhalten werden konnte. Dies gilt auch hinsichtlich ausländischer Versicherter, bei denen nur die theoretische Möglichkeit einer Rückkehr in die Heimat bestand (vgl BSGE 75, 199 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48; BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 7; so auch der 5. Senat in seinem Urteil vom 5. April 2000 – B 5 RJ 50/98 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Ein konkreter Anlaß kann sich nach der Rechtsprechung des BSG auch anläßlich eines laufenden Rentenfeststellungsverfahrens ergeben (vgl zB BSGE 46, 124, 126 = SozR 2200 § 1290 Nr 11; BSG SozR 5750 Art 2 § 6 Nr 4). Eine Beratungspflicht besteht im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten nicht immer erst nach Abschluß des Verwaltungs- oder des sich eventuell anschließenden Rechtsmittelverfahrens, sie kann sich schon vorher ergeben. Der 5. Senat des BSG hat bereits darauf hingewiesen, daß eine solche Beratungspflicht bei Erteilung eines Rentenablehnungsbescheides entstehen kann, unabhängig davon, ob sich ein Rechtsmittelverfahren anschließt (BSG, Urteil vom 5. April 2000 – B 5 RJ 50/98 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Pflicht zur Beratung kann in jedem Stadium des Verwaltungsverfahrens erfüllt werden. Entscheidend für die Frage, wann die Beratung erforderlich wird, ist der jeweilige Beratungsbedarf, der sich im Laufe des Verfahrens nach Art und Umfang verändern kann. Wenn erkennbar zu einem späteren Zeitpunkt ein nicht wiedergutzumachender Rechtsverlust einzutreten droht, ist die Beratung zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen. Falls sich erneut Beratungsbedarf ergibt, ist die Belehrung insoweit ggf zu ergänzen bzw zu aktualisieren. Aus verwaltungsökonomischen Gründen darf der Beratungspflicht allerdings auch erst am Ende des Verfahrens nachgekommen werden, soweit damit für den Versicherten kein Rechtsnachteil verbunden ist.
Die Frage eines konkreten Anlasses steht in einem inneren Zusammenhang mit dem Inhalt der erforderlichen Beratung. Je allgemeiner die vom Versicherten benötigten Informationen sind (es reicht zB zunächst die pauschale Erläuterung einer gesetzlichen Neuregelung aus), desto eher wird ein Anlaß anzunehmen sein, der eine entsprechende Beratungspflicht begründet. Dementsprechend kann ein konkreter Anlaß zu einer allgemein gehaltenen Beratung insbesondere schon dann gegeben sein, wenn zu erkennen ist, daß der Versicherte zu einem Personenkreis gehört, auf den eine für die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung bedeutsame gesetzliche Regelung Anwendung findet (BSG SozR 1200 § 14 Nr 15). Zur Erfüllung einer allgemeinen Beratungspflicht kann sich der Rentenversicherungsträger zunächst der Übermittlung von Merkblättern oder allgemeinen Hinweisen bedienen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nrn 5, 6). Eine derartige Hinweispflicht besteht vor allem dann, wenn die dem Versicherten durch das Verpassen bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten erkennbar drohenden Nachteile besonders schwerwiegend sind (vgl BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 7).
Im vorliegenden Fall war bereits mit dem im November 1982 gestellten Rentenantrag ein Sozialrechtsverhältnis entstanden, das den Rentenversicherungsträger bei konkretem Anlaß zu Auskunft und Beratung verpflichtete. Die Beklagte konnte bei Verkündung des HBegleitG 1984 im Dezember 1983 erkennen, daß der Kläger zu einem Personenkreis gehörte, bei dem die Anwartschaft auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verloren gehen konnte. Da eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung kaum zu erwarten war, hatte das Unterlassen einer rechtzeitigen Zahlung monatlicher Mindestbeiträge für den Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit den Verlust der durch eigene Beitragsleistung erworbenen Invaliditätssicherung zur Folge, war also für den typischerweise auf diesen Versicherungsschutz in der Arbeiterrentenversicherung angewiesenen Kläger von existentieller Bedeutung. Unter diesen Umständen war eine Belehrung über die Rechtsänderung durch das HBegleitG 1984 geboten. Erforderlich war ein Hinweis auf die Notwendigkeit, bei Fehlen entsprechender Pflichtbeitragszeiten und sonstiger Anwartschaftserhaltungszeiten zur Bewahrung der Chance auf eine BU/EU-Rente – hier ab 1. November 1984 – laufend freiwillige Beiträge fristgerecht zu entrichten (vgl §§ 43, 44 iVm §§ 240, 241 SGB VI bzw §§ 1246, 1247 RVO iVm Art 2 § 6 ArVNG; vgl auch BSG SozR 3-2600 § 241 Nr 1; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 6). Dies gilt jedenfalls für die Fälle, in denen – wie hier – für die Beklagte erkennbar war, daß nach Bescheiderteilung weder Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge entrichtet werden würden. Ein Anlaß zur Beratung entfiel auch nicht im Hinblick darauf, daß die Frist zur Zahlung der freiwilligen Beiträge für die Dauer des nachfolgenden Rechtsstreits gehemmt war (§ 1418 Abs 1, § 1420 Abs 2 RVO). Denn eine derartige Fristhemmung konnte den Kläger im Falle einer dauerhaften Rückkehr in die Türkei nicht vor einem Verlust seiner Berechtigung zur Beitragszahlung bewahren.
Ein entsprechender Handlungsbedarf bestand bereits im Zeitpunkt des Ablehnungsbescheides vom 29. Dezember 1983, jedenfalls aber bei Erlaß des (Teil-)Abhilfebescheides vom 5. November 1984. Denn die Aufrechterhaltung des EU/BU-Versicherungsschutzes des Klägers war unabhängig von dem weiteren Ablauf des Verfahrens gefährdet. Ein konkreter Anlaß zur Beratung bestand seinerzeit insbesondere deshalb, weil die Beklagte erkennen konnte, daß aufgrund des HBegleitG 1984 iVm dem Abk Türkei SozSich für den Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei der Verlust seiner Anwartschaft auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit drohte, wenn er nicht zuvor im Inland zumindest einen freiwilligen Beitrag geleistet hatte. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hatte die Beklagte in dem fraglichen Zeitraum des Sozialkontakts von Ende 1983 bis 1984/85 überdies Kenntnis von konkreten Rückkehrplänen des Klägers. Während die Beklagte im Ablehnungsbescheid vom 29. Dezember 1983 die Heimataufenthalte des Klägers in den Jahren 1983 und 1984 zunächst als auf Dauer angelegte Wohnsitzverlegung angesehen und deshalb eine BU-Rente verweigert hatte, erfuhr sie jedenfalls aufgrund des Widerspruchs des Kläger vom 13. Januar 1984, daß diese Annahme unzutreffend war. Der nunmehr erteilte (Teil-)Abhilfebescheid vom 5. November 1984 enthielt eine Zeitrentengewährung, die sich jedoch nur auf die Vergangenheit – also die Zeit bis einschließlich Oktober 1984 – bezog. Damit war zum einen ab November 1984 das Vorhandensein von weiteren Anwartschaftserhaltungszeiten fraglich, zum anderen mußte die Beklagte mit einer baldigen Rückkehr des Klägers in die Heimat rechnen; denn er hatte mit Schreiben vom 15. Dezember 1983 angekündigt, daß er in die Türkei gehen wolle, sobald seine Rentenangelegenheit geklärt sei.
Diese Beratungspflicht gegenüber dem Kläger hat die Beklagte nicht erfüllt. Die erforderlichen Belehrungen allgemeiner (zB durch ein Merkblatt) oder auch individueller Art sind weder in Verbindung mit dem Ablehnungsbescheid vom 29. Dezember 1983 noch mit dem (Teil-)Abhilfebescheid vom 5. November 1984 erfolgt.
Der Annahme einer Pflichtverletzung der Beklagten steht insbesondere auch nicht das Urteil des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 (BSGE 82, 1, 9 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 60) entgegen, da der Versicherte dort bereits lange vor dem Zeitpunkt, zu dem sich eine Beratungspflicht in bezug auf die Neuregelungen durch das HBegleitG 1984 hätte ergeben können, in seine Heimat zurückgekehrt war.
Dem Kläger ist ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden, da er die Möglichkeit einer anwartschaftserhaltenden Beitragsleistung verpaßt und dadurch seine Anwartschaft auf eine Rente wegen Erwerbsminderung eingebüßt hat. Fraglich erscheint jedoch, ob die Pflichtverletzung der Beklagten für den Nachteil des Klägers kausal war. Liegt der Nachteil – wie hier – in dem Fehlen freiwilliger Beiträge, so kann ein Verstoß des Versicherungsträgers gegen Beratungs- und Betreuungspflichten nur dann zu einem Herstellungsanspruch führen, wenn er ursächlich dafür gewesen ist, daß der Versicherte die gebotene Beitragsentrichtung unterlassen hat (vgl bereits BSG SozR 5070 § 10 Nr 30 und SozR 5750 Art 2 § 6 Nr 7 sowie Urteil des 5. Senats vom 5. April 2000 – B 5 RJ 50/98 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Im Gegensatz zur Auffassung des LSG hilft § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI hier nicht unmittelbar weiter. Zwar ist diese Vorschrift auch im Falle des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches anwendbar (vgl dazu BSG SozR 3-2600 § 240 Nr 2), sie vermag jedoch den für die Bejahung eines solchen Anspruchs erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Nachteil nicht zu ersetzen. Erst das Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann hier dazu führen, daß eine Beitragsentrichtung noch iS des § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI zulässig ist. Ob das Fehlen einer Beratung durch die Beklagte für die vom Kläger unterlassene Belegung der Zeit ab November 1984 mit anwartschaftserhaltenen Beiträgen wesentlich ursächlich war, läßt sich den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils nicht entnehmen. In der Annahme, eine Bezugnahme auf § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI reiche insoweit aus, hat das LSG dazu keine Feststellungen getroffen.
Da der erkennende Senat die fehlenden Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht durchführen kann (vgl § 163 SGG), ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Bei seiner erneuten Behandlung der Sache wird das LSG ua zu ermitteln haben, ob der Kläger bei entsprechender Beratung bereit und in der Lage gewesen wäre, für die Zeit von November 1984 (dh ab Wegfall der EU-Zeitrente) bis November 1993 (dh bis zum Kalendermonat vor Eintritt der EU) fortlaufend freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten. Angesichts der finanziellen Verhältnisse des Klägers in der Türkei könnten insoweit Zweifel bestehen. Wie bereits der 5. Senat des BSG in seinem Urteil vom 5. April 2000 – B 5 RJ 50/98 R – (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ausgeführt hat, wäre bei der Frage, ob der Kläger die notwendigen Mittel gehabt hätte, allen Möglichkeiten einer Mittelbeschaffung nachzugehen. Dabei wird insbesondere zu beachten sein, daß durch schwebende Rentenverfahren die Entrichtungsfristen des § 1418 RVO gemäß § 1420 Abs 2 RVO entsprechend gehemmt waren, eine Zahlung also insoweit unterbleiben konnte. Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß von der Beklagten im Falle einer (nach entsprechender Beratung erfolgten) Bereiterklärung des Klägers zu späterer Beitragsentrichtung (vgl § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO) ggf angemessene Zahlungsfristen einzuräumen gewesen wären (vgl dazu BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 15 und Urteil des erkennenden Senats vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 85/98 R –, Umdruck S 19, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen