Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers und Befreiungstatbestände nach § 128 AFG. Amtsermittlungspflicht. anderweitige Sozialleistungsansprüche. Aufhebungsvertrag. Arbeitslosengeldbezug nach § 105c AFG. Anhörungspflicht. unzumutbare Belastung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Auch für die Frage, ob der Arbeitslose anderweitige Sozialleistungen iS des § 128 Abs 1 S 2 AFG beanspruchen kann, gilt der allgemeine Maßstab der Amtsermittlungspflicht, daß nicht nach Tatsachen zu forschen ist, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten.
2. Ist das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet worden, findet § 128 Abs 1 S 2 Nr 4 AFG keine Anwendung.
3. Der Erstattungspflicht des Arbeitgebers steht nicht entgegen, daß der Arbeitslose Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG bezogen hat.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
AFG §§ 105c, 128 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 8; SGB X § 24 Abs. 1, 2 Nr. 3; SGG § 103; GG Art. 12 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. März 1997 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg), welches die beklagte Bundesanstalt (BA) dem früheren Arbeitnehmer der Klägerin Kurt J. (J) in der Zeit vom 23. September 1994 bis 30. Juni 1995 gezahlt hat.
Die Klägerin schloß im Rahmen eines Sozialplans mit ihrem am 27. April 1935 geborenen Arbeitnehmer J einen Aufhebungsvertrag vom 30. Dezember 1993, mit welchem das Arbeitsverhältnis – nach den Feststellungen des LSG – gegen Zahlung einer Abfindung von 4.000,00 DM zum 30. Juni 1994 beendet wurde. J war seit dem 26. März 1965 – zuletzt als Meister – bei der Klägerin beschäftigt. Er meldete sich am 7. Juni 1994 arbeitslos und beantragte Alg. Die BA bewilligte die Leistung von einer Sperrzeit vom 1. Juli bis 22. September 1994 ausgehend ab 23. September 1994 in Höhe von 625,20 DM wöchentlich. J hatte die Möglichkeit in Anspruch genommen, das Alg unter erleichterten Voraussetzungen zu beziehen. Seit dem 1. Juli 1995 erhält er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Mit einem vorgedruckten Schreiben eröffnete die BA der Klägerin im Januar 1995, sie beabsichtige die Erstattung des an J gezahlten Alg von der Klägerin zu verlangen und erläuterte die Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Klägerin erhob in einem Schreiben vom 14. Februar 1995 Einwände gegen die Erstattung, die sich insbesondere auf die Sachaufklärung von anderweitigen sozialrechtlichen Ansprüchen des J, die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung (Umsatzrückgang) und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Erstattungsregelung bezogen.
Mit Bescheid vom 21. Februar 1995 stellte die BA fest, daß die Klägerin verpflichtet sei, das ihrem früheren Arbeitnehmer J ab 23. September 1994 gezahlte Alg für längstens 624 Tage zu erstatten. Die Klägerin erhob Widerspruch und nahm im gleichen Monat Einsicht in die Leistungsakten der BA. Am 5. April 1995 errechnete die BA die von der Klägerin zu erstattenden Leistungen an J für die Zeit vom 23. September 1994 bis 28. Februar 1995 und gab der Klägerin für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 6. April 1995 ohne weitere Erläuterung folgende Erstattungsbeträge zur Zahlung auf: Alg 14.046,20 DM (für 136 Leistungstage), Beiträge zur Krankenversicherung 3.522,96 DM, Beiträge zur Rentenversicherung 3.766,55 DM, gesamter Erstattungsbetrag 21.335,71 DM.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1995 wies die BA den Rechtsbehelf zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, aus den „vorliegenden Unterlagen” und dem Vorbringen der Widerspruchsführerin ergäben sich keine Anhaltspunkte für Ansprüche auf anderweitige Sozialleistungen iS der §§ 128 Abs 1 Satz 2 AFG. Zur Befreiung nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG reiche die bloße Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht aus. Ein Aufhebungsvertrag sei nicht geeignet, diesen Befreiungstatbestand zu erfüllen. Die von der Klägerin vorgetragenen betriebsbedingten Gründe reichten für eine Kündigung aus wichtigem Grund bei ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht aus. Dieses Verständnis des Gesetzes sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Für den Leistungszeitraum 1. März bis 30. Juni 1995 gab die BA der Klägerin mit Schreiben vom 8. November 1995 Gelegenheit, sich zu einem Erstattungsbetrag von 17.351,57 DM zu äußern, nachdem sie J nochmals zu seinem Gesundheitszustand und anderweitigen sozialrechtlichen Ansprüchen befragt hatte. Unter dem 6. Dezember 1995 erließ die BA einen weiteren Erstattungsbescheid für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1995, wobei sie den Erstattungsbetrag von 17.351,57 DM mit 10.748,70 DM Alg für 105 Leistungstage, Beiträge zur Krankenversicherung 2.274,09 DM und Beiträge zur Rentenversicherung 4.328,78 DM bezifferte. Den der Rechtsbehelfsbelehrung entsprechenden Widerspruch der Klägerin wies die BA mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 1996 zurück, wobei sie sich zur Begründung auf den Bescheid vom 21. Februar 1995 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1995 berief.
Die gegen die Bescheide vom 21. Februar und 6. April 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 1995 gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 27. November 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die gegen den Bescheid vom 6. Dezember 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 1996 gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG ist davon ausgegangen, der Erstattungsbescheid vom 6. Dezember 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 1996 sei entsprechend § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kraft Klage Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Sämtliche Bescheide seien rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruhten auf § 128 AFG in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung, die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht unterliege. Die BA sei ohne Verletzung der amtlichen Sachaufklärungspflicht davon ausgegangen, im Leistungszeitraum habe J eine andere Sozialleistung, die den Bezug von Alg ausschließe, nicht zugestanden. Für gesundheitliche Einschränkungen des J, die zu Sozialleistungen führen könnten, hätten keinerlei Anhaltspunkte bestanden. Befreiungstatbestände, die bei sozial gerechtfertigter Kündigung (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG) oder der Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG) vorlägen, seien nicht gegeben. Das Interesse der Klägerin an einer „ausgewogenen Altersstruktur” des Betriebes, rechtfertige eine entsprechende Anwendung der erwähnten Befreiungstatbestände auch nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Da J gesundheitlich in der Lage gewesen sei, seine Arbeit fortzusetzen, treffe die Klägerin als Arbeitgeber die die Erstattungspflicht begründende Verantwortung für die Arbeitslosigkeit. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, daß die Erstattung eine unzumutbare Belastung iS des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG darstelle, weil sie den Fortbestand des Unternehmens oder die nach dem Personalabbau verbleibenden Arbeitsplätze gefährde. Immerhin sei sie in der Lage gewesen, den im Rahmen des Sozialplans ausscheidenden Mitarbeitern Abfindungen zu zahlen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des Art 12 Grundgesetz (GG), des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 4 und 5 sowie Abs 2 Nr 2 AFG und der amtlichen Sachaufklärungspflicht. Das Berufungsurteil mit seinem Verständnis des § 128 AFG sei mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nicht zu vereinbaren. Da das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag geendet habe, hätten beide Arbeitsvertragsparteien von ihrer Vertragsfreiheit Gebrauch gemacht, so daß die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht allein im Verantwortungsbereich der Klägerin liege. Bedenken gegenüber der Erstattungspflicht ergäben sich auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, denn die gegen Frühverrentungen gerichtete Regelung habe ihren Zweck – wie die Praxis zeige – nicht erreicht. Trotz langjähriger Beitragsentrichtung seien die Vertragsparteien einerseits durch die Erstattungspflicht andererseits durch die gleichfalls verfassungswidrige fiktive Kündigungsfrist des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG gehindert, das freiwillig eingegangene Arbeitsverhältnis zu lösen. Dies führe zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Doppelbelastung. Dieser Gesichtspunkt sei in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 128 AFG aF unberücksichtigt geblieben. Zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Risikoverteilung komme es auch durch die Regelung des § 105c AFG. Der mit der Erstattungspflicht verbundene Eingriff in die Berufsausübung sei nur dann verfassungsgemäß, wenn er in einem vernünftigen Verhältnis zu dem gegebenen Anlaß und dem ihm verfolgten Zweck stehe. Die Auslegung des § 128 AFG müsse deshalb unbillige Härten vermeiden. Dem diene eine weite Auslegung der Befreiungstatbestände, insbesondere müßten Aufhebungsverträge Kündigungen iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 4 und 5 AFG gleichgesetzt werden. Da der Arbeitgeber keinerlei Möglichkeiten habe, die Voraussetzungen anderer Sozialleistungen zu prüfen, erstrecke sich die amtliche Sachaufklärungspflicht darauf, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden und rechtlich zulässigen Möglichkeiten der Aufklärung – auch zugunsten des Arbeitgebers – auszuschöpfen. Deshalb müsse der Arbeitslose mindestens einmal pro Quartal vorgeladen und über andere Sozialleistungen und über seinen Gesundheitszustand befragt werden. Im übrigen seien Nachfragen beim Krankenversicherungsträger und beim Rentenversicherungsträger anzustellen, zumal statistisch etwa 30 bis 50 vH der über 55 Jahre alten Arbeitnehmer in ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt seien, so daß nicht selten eine verdeckte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliege. Gegenüber den Ausführungen des LSG zur unzumutbaren Belastung iS des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG sei darauf hinzuweisen, daß die Erstattungsforderung der BA die an J gezahlte Abfindung bei weitem übersteige.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. März 1997 und des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. November 1995, sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. Februar 1995 und 6. April 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 1995 sowie vom 6. Dezember 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 1996 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, insbesondere entspreche die Auslegung des § 128 AFG durch das LSG den Vorgaben des BVerfG.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Entscheidung des LSG verletzt § 128 Abs 1 Satz 1 AFG. Für eine abschließende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der Erstattungsbescheid vom 6. April 1995 gemäß § 86 SGG Gegenstand des gegen den „Grundlagenbescheid” vom 21. Februar 1995 eingeleiteten Widerspruchsverfahrens und der Erstattungsbescheid vom 6. Dezember 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 1996 gemäß §§ 96 Abs 1, 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden sind (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 128a Nrn 3 und 7 mwN). Durch die beiden Erstattungsbescheide ist der „Grundlagenbescheid” überholt. Mit ihnen hat die BA die für Erstattungen im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Leistungszeiträume vom 23. September 1994 bis 30. Juni 1995 erschöpft. Seit dem 1. Juli 1995 bezieht J Altersrente. Dem Grundlagenbescheid kommt damit eigenständige Bedeutung über die Erstattungsbescheide hinaus nicht zu. Die Frage, ob die Beklagte entsprechend der im DBl-Runderlaß 11/93 vom 3. Februar 1993 Rz 7.4 Abs 3 vorgesehenen Verfahrensweise zu „Grundentscheidungen” über die Erstattungspflicht berechtigt ist (vgl dazu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 103/96 –), bedarf daher hier keiner Erörterung. Zu entscheiden ist allein, ob die BA die Klägerin zu Recht gemäß § 128 AFG zur Erstattung der 38.687,28 DM herangezogen hat.
2. Die angefochtene Heranziehung ist nicht wegen Verletzung der gebotenen Anhörung rechtswidrig. Die BA hat der Klägerin Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Erstattungspflicht erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – ≪SGB X≫).
Zwar ist der Anhörungspflicht nicht schon mit dem „Anhörungsschreiben” genügt, das dem Grundlagenbescheid vorausgegangen ist. Die Anhörungspflicht bezieht sich auf sämtliche für die Erstattung entscheidungserheblichen Tatsachen, auch diejenigen, die die Erstattungsforderung der Höhe nach betreffen. Aus diesem Grunde hat auch den jeweiligen Erstattungsbescheiden eine Anhörung vorauszugehen (vgl dazu das schon erwähnte Urteil des Senats vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 103/96 –). Vor dem Erstattungsbescheid vom 6. April 1995 hat die BA der Klägerin jedenfalls nicht durch ein Anhörungsschreiben Gelegenheit gegeben, sich zu entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Das Rechenwerk für die mit dem Erstattungsbescheid vom 6. April 1995 geltend gemachte Erstattungsforderung für die Zeit vom 23. September 1994 bis 28. Februar 1995 hat die BA am 5. April 1995 erstellt. Es kann damit noch nicht in der Verwaltungsakte enthalten gewesen sein, als die Klägerin im März 1995 Akteneinsicht genommen hat. Ob zu diesem Zeitpunkt bereits Zahlungsnachweise der Verwaltungsakte vorgeheftet waren, aus denen die Klägerin entscheidungserhebliche Tatsachen hätte entnehmen können, steht nicht fest. Allerdings führt der Erstattungsbescheid selbst das im Leistungszeitraum an 136 Leistungstagen erbrachte Alg, sowie die zur Kranken- und Rentenversicherung aufgewendeten Beiträge auf. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Anhörung im Widerspruchsverfahren auch durch den Inhalt des angefochtenen Bescheids iS des § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X nachgeholt werden kann. Voraussetzung hierfür ist, daß der Verwaltungsakt diejenigen Tatsachen enthält, die nach § 24 Abs 1 SGB X Gegenstand der Anhörung sind (BSG SozR 1300 § 24 Nr 7; BSGE 69, 247, 253 f = SozR 3-1300 X 24 Nr 4 mwN). Der Erstattungsbescheid vom 6. April 1995 enthält zwar nur die Erstattungsforderung, nicht das Rechenwerk, welches ihr zugrunde liegt. Der Einwand der Klägerin in ihrem Schreiben vom 28. November 1995, sie könne „mangels Berechnungsgrundlage die Höhe der Forderung nicht nachvollziehen”, liegt daher nahe. Sie begründet hier jedoch nicht die Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheids. Der Inhalt des Bescheids vermittelte der Klägerin hinreichende Kenntnisse, um sich zur Ausschöpfung ihres Rechts auf rechtliches Gehör noch weitere Tatsachenkenntnis zu verschaffen (BSG SozR 1300 § 24 Nrn 4 und 6 mwN). Die Übersendung des Rechenwerks erscheint hier auch deshalb nicht geboten, weil die BA bei der Feststellung des Alg sowie der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung und damit dem Erstattungsbetrag wesentlich von dem Arbeitsentgelt des J ausgegangen ist, das gerade auf tatsächlichen Angaben der Klägerin in der Arbeitsbescheinigung beruht (§ 24 Abs 2 Nr 3 SGB X). Auch wenn das Arbeitsentgelt nicht notwendig mit dem Bemessungsentgelt identisch ist, war die Klägerin im Zusammenhang mit dem Anhörungsschreiben sowie der Mitteilung des Erstattungszeitraums hinreichend über Tatsachen unterrichtet, die eine Überraschungsentscheidung ausschlossen und der Klägerin eine Entscheidung darüber ermöglichten, ob sie Anlaß sah, an die BA heranzutreten, um ihre Erstattungsentscheidung zu beeinflussen. Aus den gleichen Gründen genügt das dem Erstattungsbescheid vom 6. Dezember 1995 vorausgegangene Anhörungsschreiben vom 8. November 1995 noch den Anforderungen der Anhörungspflicht.
3. Zutreffend ist das LSG zu dem Ergebnis gekommen, daß die Klägerin der BA das in der Zeit vom 23. September 1994 bis 30. Juni 1995 gezahlte Alg einschließlich der auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (§ 128 Abs 4 AFG) zu erstatten hat.
3.1 Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der BA vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Diese Voraussetzungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen und damit für das BSG bindend sind (§ 163 SGG), erfüllt.
Die Klägerin hat J durchgehend seit 1965 und damit innerhalb der letzten vier Jahre vor Eintritt der Arbeitslosigkeit am 1. Juli 1994 mindestens 720 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt. Während des Bezuges von Alg ab 23. September 1994 hatte der 1935 geborene J das 58. Lebensjahr und bei Eintritt der Arbeitslosigkeit das 56. Lebensjahr vollendet. Der Umstand, daß die BA mit beiden Erstattungsbescheiden jeweils nicht nur die von ihr für ein Vierteljahr erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt hat, läßt die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung unberührt. Die BA hat ausschließlich nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG fällige Erstattungsbeträge geltend gemacht. Der Erstattungszeitraum von längstens 624 Tagen ist nicht überschritten, selbst wenn die BA noch die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung für die Sperrzeit vor dem 29. September 1994 erstattet verlangen könnte.
3.2 Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß J nicht auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Sozialleistungen (Krankengeld, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, Altersrente usw) oder Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt und ein solcher Tatbestand nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG der Erstattungspflicht nicht entgegensteht.
Auf eine Verletzung des Ermittlungsgrundsatzes kann sich die Klägerin insoweit nicht mit Erfolg berufen. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die amtliche Sachaufklärungspflicht nicht, nach Tatsachen zu forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte bieten (st Rspr: BSGE 78, 207, 213 = SozR 3-2600 § 43 Nr 13; BVerwGE 66, 237 f). Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes im Verwaltungsverfahren wäre nur erheblich, wenn sie zu einem anderen Verfahrensergebnis führen könnte (§ 42 Satz 1 SGB X). Gegebenenfalls hätten die Tatsacheninstanzen nach § 103 SGG für weitere Sachaufklärung zu sorgen. Dazu bestand hier kein Anlaß. Mit dem erörterten Maßstab für die amtliche Sachaufklärungspflicht korrespondiert auch die Regelung der Mitwirkungspflicht von Arbeitslosen nach § 128 Abs 8 AFG. Die Angaben von J über seinen Gesundheitszustand und über Anträge auf andere Sozialleistungen im Leistungsantrag sowie bei seiner erneuten Befragung vor Erlaß des Erstattungsbescheids vom 6. Dezember 1995 lassen keinen Anhaltspunkt für weitere Ermittlungen erkennen. Eine Pflicht zur Einhaltung regelmäßiger formaler Rituale (vierteljährliche Vorladung von Arbeitslosen, Anfragen bei anderen Sozialleistungsträgern oder gar die körperliche Unversehrtheit berührender Begutachtungen) läßt sich aus dem Ermittlungsgrundsatz nicht herleiten. Den Umfang der Amtsermittlung bestimmt die Behörde bzw das Gericht aufgrund pflichtgemäßer Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. Sachliche Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungen waren auch dem Sachvortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Allgemeine statistische Angaben als Erfahrungssätze über Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit älterer Menschen sind für die Sachaufklärung im Einzelfall unergiebig (aM Ossenbühl, Der Erstattungsanspruch gemäß § 128 AFG und anderweitige Sozialleistungsansprüche, 1991, 12 ff; Kreßel NZS 1993, 292, 295 ff). Sie verfehlen den erörterten Inhalt des Untersuchungsgrundsatzes, wonach die Notwendigkeit von Ermittlungen durch konkrete Umstände des Einzelfalles, nicht aber generelle statistische Erhebungen bestimmt wird. Auch der Einwand, zum Gesundheitszustand und Leistungsvermögen des früheren Arbeitnehmers könne der Arbeitgeber nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb nicht beitragen, vermag nicht zu überzeugen. Inwieweit der Klägerin Kenntnisse über den Gesundheitszustand und anderweitige Ansprüche auf Sozialleistungen während des Bezugs von Alg zur Verfügung standen, kann auf sich beruhen. Da die Klägerin die Lohnsteuerkarte von J wegen über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinausgehender Zahlungen einbehalten hat, liegt die Annahme nahe, daß sie bei den Abreden über das vorzeitige Ausscheiden Auskunfts- und Mitteilungspflichten ihres früheren Arbeitnehmers über Gesundheitsstörungen und anderweitige Sozialleistungen begründet hat. Abgesehen davon stehen der Klägerin gegebenenfalls aus der Zeit der Beschäftigung Kenntnisse über Fehlzeiten oder Absinken der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit zur Verfügung, die zwar nicht unmittelbar den hier maßgeblichen Bezugszeitraum betreffen, die Klägerin aber zu substantiiertem Sachvortrag befähigen, der Anlaß zur Ermittlung entscheidungserheblicher Tatsachen nach § 103 SGG, § 20 SGB X geben könnte (insoweit zutreffend Wissing NZA 1993, 385, 397). Solches Vorbringen hat die Klägerin sowohl im Verwaltungs- wie im gerichtlichen Verfahren vermissen lassen. Auch wenn amtliche Sachaufklärung nicht von Beteiligtenvorbringen (Tatsachenbehauptungen; Beweisanregungen; Beweisanträgen) abhängig ist, begründet der Ermittlungsgrundsatz keine Pflicht von Behörden und Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen noch sonstige konkrete Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern (aA ohne Auseinandersetzung mit der st Rspr: Wissing NZA 1993, 385, 397). In diesem Sinne findet die amtliche Sachaufklärungspflicht ihre Grenze an der Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten (st Rspr: BVerwGE 66, 237 f; Eyermann/Geiger, VwGO, 10. Aufl 1998, § 86 RdNr 10; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 103 RdNr 16; noch deutlicher § 76 Abs 1 Finanzgerichtsordnung: „Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären”. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die sich aus dem erörterten Maßstab des Untersuchungsgrundsatzes ergebenden Folgen für die Erstattungspflicht beruhen auf nicht hinreichender Klarheit über den Inhalt der Amtsermittlungspflicht und dem Ziel, über eine nicht praxisgerechte und nicht zumutbare Steigerung der Amtsermittlungspflicht zu Entscheidungen nach objektiver Beweislast und damit einer Einschränkung der Erstattungspflicht zu gelangen (vgl Kreßel NZS 1993, 292, 294 f).
Nach den Umständen des hier zu beurteilenden Falles hat das LSG ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften übereinstimmend mit der BA festgestellt, daß J während des Erstattungszeitraums vom 23. September 1994 bis 30. Juni 1995 anderweitige Sozialleistungen nicht zustanden.
3.3 Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß einer der in § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 7 AFG genannten Tatbestände vorliegt, die die Erstattungspflicht nicht entstehen lassen.
Die Klägerin hat nicht dargelegt und nachgewiesen, daß sie das Arbeitsverhältnis mit J durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG). Unstreitig ist das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet worden, der diesen Befreiungstatbestand gerade nicht erfüllt (Niesel/Brand, AFG, 1995, § 128 RdNr 38). Dem gegenüber greift der pauschale Hinweis der Revision auf die Austauschbarkeit von sozial gerechtfertigter Kündigung und Aufhebungsvertrag als Beendigungsgründen von Arbeitsverhältnissen nicht durch. Der Gesetzgeber hat bei der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes beachtet, daß das BVerfG gerade in der Wahl bestimmter „Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer” ein Indiz dafür sieht, daß die Arbeitslosigkeit in den „Verantwortungsbereich des Arbeitgebers” fällt (BVerfGE 81, 156, 197 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Bei Abschluß eines Aufhebungsvertrages setzt sich der Arbeitgeber nicht der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe aus. Kann er solche Gründe anführen und damit darlegen und nachweisen, daß die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit seines früheren Arbeitnehmers nicht ihn treffe, hat er die Möglichkeit, vom Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Träfe die Rechtsauffassung der Klägerin zu, könnte § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG vorliegend übrigens auch keine Anwendung finden; es fehlt substantiierter Sachvortrag, dem betriebliche Gründe für eine sozial gerechtfertigte Kündigung zu entnehmen wären.
Die Klägerin hat auch nicht dargelegt und nachgewiesen, daß sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG). Ihr Vorbringen zu diesem Tatbestand ist auf abstrakte Rechtsausführungen beschränkt. Konkrete Tatsachen, welche die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses belegen könnten, sind ihm nicht zu entnehmen. Insbesondere hat die Klägerin nichts dafür vorgetragen, daß J seine Arbeitsleistung krankheitsbedingt oder wegen altersbedingten Leistungsabbaus über länger währende Zeiträume nicht erbracht hätte. Die Behauptung wirtschaftlicher Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses weist keine Substanz auf, die die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit J begründen könnte. In diesem Zusammenhang ist eine Klarstellung dahin geboten, daß dieser Befreiungstatbestand nicht Manipulationen Vorschub leisten soll, welche die Erstattungspflicht von Arbeitgebern nach § 128 AFG entwerten könnten (BVerfGE 81, 156, 203 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Ohne konkreten für die Tatsacheninstanzen überprüfbaren Sachvortrag kann sich die Klägerin auf den Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG nicht mit Recht berufen. Unerheblich ist insoweit, daß auch bei tariflich nicht kündbaren Arbeitnehmern der Tarifvertrag eine ordentliche Kündigung im Rahmen eines Sozialplans zuläßt. Das Gesetz trägt dabei der Erfahrung Rechnung, daß bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer Arbeitnehmer häufig der sonst typische Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht besteht (BVerfGE 81, 156, 203 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BSGE 77, 48, 52 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9).
3.4 Substantiierter Sachvortrag fehlt schließlich insoweit, als die Klägerin sich auf einen Wegfall der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 2 Nr 2 AFG beruft. Nach dieser Vorschrift entfällt die Erstattungspflicht nur, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeutete, weil durch sie der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären. Der Anwendung dieser Vorschrift steht zwar nicht entgegen, daß die Klägerin ausscheidenden Arbeitnehmern im Rahmen eines Sozialplans eine Abfindung von 4.000,00 DM gezahlt hat. Insoweit unterliegt der rechtliche Ausgangspunkt des LSG Bedenken. Unabhängig davon, welche Anforderungen an eine unzumutbare Belastung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte zu stellen sind (vgl dazu BVerfGE 81, 156, 203 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; Niesel/Brand § 128 RdNr 83), ist der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin jedenfalls nicht mit dem pauschalen Hinweis auf „Umsatzrückgang” genügt. Insoweit hätte die Klägerin konkrete Daten vortragen und unter Beweis stellen müssen, die Aufschluß über den wirtschaftlichen Zustand ihres Unternehmens geben. Daran fehlt es ebenso wie an der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle, die Satz 2 der Vorschrift zum Nachweis einer unzumutbaren Belastung fordert. Unter diesen Umständen besteht kein Anlaß, näher darauf einzugehen, unter welchen Voraussetzungen eine „unzumutbare Belastung” iS des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeben sein könnte.
4. Entgegen der Annahme der Revision unterliegt § 128 AFG nicht grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dazu ist klarzustellen, daß es sich um eine Regelung der Berufsausübung (nicht der Berufswahl) handelt, die nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG mit Art 12 Abs 1 Satz 2 GG vereinbar ist, wenn die gewählten Mittel zum Erreichen des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Dabei hat der Gesetzgeber für seine arbeits- oder sozialpolitischen sowie wirtschaftspolitischen Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum. Er kann Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit in den Vordergrund stellen. Seine Gestaltungsfreiheit ist noch größer, wenn die Regelung – wie hier – nicht unmittelbar berufsregelnden Charakter hat (BVerfGE 81, 156, 188 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Zu § 128 AFG aF hat das BVerfG aaO im einzelnen ausgeführt, daß die arbeits- und sozialpolitische Zielsetzung, „Frühverrentungen”, mit denen Personalkosten namentlich von Großunternehmen auf die Solidargemeinschaft abgewälzt werden, entgegenzutreten (Entlastungsfunktion), durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Zur Eignung und Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels der Erstattungspflicht hat das BVerfG hervorgehoben, die Eignung der Erstattungspflicht sei bereits dann anzunehmen, wenn durch sie der gewünschte Erfolg gefördert werde. Eine verfassungsrechtliche Beanstandung sei nur möglich, wenn das eingesetzte Mittel „objektiv ungeeignet” oder „schlechthin ungeeignet” sei (BVerfGE 81, 156, 192 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Dieses Merkmal hat das BVerfG für die im wesentlichen gleichlautende frühere Regelung verneint. Für das geltende Recht kann nichts anderes gelten. Die Revision geht daher bei ihren Einwänden gegen die gesetzliche Regelung von verfassungsrechtlich nicht zutreffenden Voraussetzungen aus. Sie nimmt die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG auch insoweit nicht zur Kenntnis, als sie meint, die Klägerin treffe für die Arbeitslosigkeit nicht besondere Verantwortung. Diese hat der Gesetzgeber durch die typisierend differenzierende Regelung des § 128 AFG konkretisiert. Arbeitgebern ist durch die Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG und die Auffangklausel des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG insbesondere die Möglichkeit eingeräumt worden, betriebliche Belange vorzutragen und unter Beweis zu stellen, um die Erstattungspflicht – von der zeitlichen Begrenzung abgesehen – in den Grenzen zumutbarer Belastung der Verhältnismäßigkeit zu halten (BVerfGE 81, 156, 194 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Damit ist die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung gewahrt. Die verfassungsrechtlichen Ausführungen der Klägerin reißen einzelne Begriffe aus dem Zusammenhang der Ausführungen des BVerfG und werden damit der Verfassungsrechtslage nach Art 12 Abs 1 Satz 2 GG nicht gerecht.
Die Erstattungspflicht der Arbeitgeber ist auch insoweit verfassungsgemäß, als Arbeitslose – wie hier J – von der Möglichkeit Gebrauch machen, Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG in Anspruch zu nehmen. Auch wenn Arbeitslose danach nicht mehr jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen bereit sein müssen, steht ihnen Alg nur zu, wenn sie die objektiven und subjektiven Anspruchsvoraussetzungen im übrigen erfüllen. Die Rechtsansicht, eingeschränkte Arbeitsbereitschaft älterer Arbeitnehmer und eingeschränkte Vermittlungsbemühungen der BA führten zu einer nicht verhältnismäßigen Risikoverteilung zum Nachteil von Arbeitgebern (Kreßel NZA 1993, 292, 294), verkennt die tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitslebens. Die Regelung des § 105c AFG berücksichtigt ua, daß Arbeitslosen nach Vollendung des 58. Lebensjahres „im allgemeinen kein Arbeitsplatz mehr vermittelt werden kann, der ihrer bisherigen – in der Regel durch langjährige Betriebszugehörigkeit geprägten – Tätigkeit annähernd gleichwertig ist” (Begründung des Entwurfs zum 7. AFG-Änderungsgesetz, BT-Drucks 10/3923 S 21). Bestehen aber für ältere Arbeitnehmer ohnehin kaum Vermittlungsmöglichkeiten, wird deutlich, daß der Aufhebungsvertrag gerade nach langer Betriebszugehörigkeit wesentlich mitwirkende Ursache für die Arbeitslosigkeit ist. Die Frühverrentungspläne der Unternehmen kalkulieren dies ein und gehen davon aus, daß entlassene Arbeitnehmer nach einjähriger Arbeitslosigkeit mit 60 Jahren Altersrente beziehen können. Die Ansicht, bei Inanspruchnahme des § 105c AFG seien mangelnde Arbeitsbereitschaft des Arbeitslosen und eingeschränkte Vermittlungsbemühungen der BA Grund der Arbeitslosigkeit, wird der Bedeutung, die der Lösung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitslosigkeit zukommt, nicht gerecht. Sie verwechselt insofern Ursache und Wirkung und ist nicht geeignet, Arbeitgeber von ihrer Verantwortung für die Arbeitslosigkeit langjähriger älterer Arbeitnehmer zu entlasten.
5. Eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG enthält das angefochtene Urteil jedoch, als ihm tatsächliche Feststellungen nicht zu entnehmen sind, nach denen sich die Erstattungsforderung der BA gegenüber der Klägerin errechnen läßt. An tatsächlichen Feststellungen ist dem Urteil insoweit nur zu entnehmen, daß der Kläger ab 23. September 1994 Alg in Höhe von 625,20 DM wöchentlich bezogen und anläßlich der Aufhebung seines Arbeitsvertrages eine Abfindung von 4.000,00 DM erhalten haben soll. Diese Feststellungen reichen für eine rechtliche Überprüfung nicht aus, denn diese bezieht sich nicht nur auf die dem Arbeitslosen tatsächlich erbrachte, sondern die ihm rechtlich zustehende Leistung (BSG Urteil vom 18. September 1997 – 11 RAr 55/96 – mit Hinweis auf BSG SozR 3-4100 § 128a Nr 7 mwN). Dem Urteil des LSG fehlen deshalb Feststellungen, die die Prüfung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen und der rechnerischen Richtigkeit des gezahlten Alg und der darauf beruhenden Erstattungsforderung erlauben. Das Urteil läßt nicht erkennen, daß das LSG die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung der Höhe nach geprüft hat.
Da die tatsächlichen Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des BSG nicht ausreichen, ist das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Fest-stellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das LSG zurückzuverweisen. Für die erneute Entscheidung wird darauf hingewiesen, daß die Feststellungen des LSG die J nach der Betriebsvereinbarung zustehenden Leistungen nicht voll erfassen dürften.
Fundstellen
Haufe-Index 1172860 |
BSGE 81, 259 |
BSGE, 259 |
NZS 1998, 395 |
SozR 3-4100 § 128, Nr.5 |
SozSi 1998, 277 |