Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Einleitung der Prüfung von bezahlter Krankenhausvergütung durch MDK. keine Hemmung der Verjährung eines Erstattungsanspruchs wegen Überzahlung. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. kurze sozialrechtliche Verjährung. Rechtsbeziehung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern. Geltung der Zinsvorschriften des BGB
Leitsatz (amtlich)
Leitet eine Krankenkasse die Prüfung bezahlter Krankenhausvergütung ein, indem sie den Medizinischen Dienst hiermit beauftragt, hemmt dies nicht den Eintritt der Verjährung eines Erstattungsanspruchs wegen Überzahlung der geprüften Abrechnung.
Orientierungssatz
1. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger unterliegt der kurzen sozialrechtlichen Verjährung (stRspr, vgl zB BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R = BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 39; BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 12/06 R = BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25).
2. Für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern gelten die Zinsvorschriften des BGB entsprechend, soweit nicht in den Verträgen nach § 112 SGB 5 etwas anderes geregelt ist (stRspr, vgl zB BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R = SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14 mwN).
Normenkette
SGB 5 §§ 69, 109 Abs. 4, § 112 Abs. 2, § 275 Abs. 1 Nr. 1, § 276 Abs. 2 S. 1 Hs. 2; SGB 1 § 45 Abs. 1, 2 Fassung: 2002-06-21; BGB § 203 S. 1, § 204 Abs. 1 Nrn. 4, 7-8, 12, § 215 Fassung: 2002-01-02, §§ 286, 387, 390 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. April 2012 und des Sozialgerichts Berlin vom 3. August 2011 geändert, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 26. August bis 3. September 2009 auf einen Betrag in Höhe von 2681,60 Euro zu zahlen. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2681,60 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines in den Krankenhausplan des Landes Berlin aufgenommenen Krankenhauses. Es behandelte einen Versicherten der beklagten Krankenkasse (KK) stationär in der Zeit vom 3. bis zum 11.2.2004. Die Klägerin kodierte für die Abrechnung die Hauptdiagnose ICD-10 I65.2 (Verschluss und Stenose der A. carotis) sowie unter anderem die Nebendiagnosen ICD-10 R63.3 (Ernährungsprobleme und unsachgemäße Ernährung), ICD-10 I11.00 (Hypertensive Herzkrankheit mit ≪kongestiver≫ Herzinsuffizienz: ohne Angabe einer hypertensiven Krise), ICD-10 F17.2 (Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom) und ICD-10 J42 (Nicht näher bezeichnete chronische Bronchitis). Sie berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) B04A (Eingriffe an den extrakraniellen Gefäßen mit äußerst schweren CC) in Höhe von 7535,63 Euro einschließlich der Zuschläge (8.3.2004). Die Beklagte bezahlte den Betrag (22.3.2004). Das Bundesversicherungsamt wies als Aufsichtsbehörde im Jahr 2006 die Beklagte auf unplausible Krankenhausabrechnungen hin. Deshalb beauftragte sie den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD), ua die Abrechnung der Klägerin zu überprüfen. Der MD zeigte der Klägerin seine Beauftragung an (3.6.2008) und erhielt von ihr angeforderte Behandlungsunterlagen. Er kam zu dem Ergebnis, die in Rede stehende Behandlung sei nach der DRG B04B (Eingriffe an den extrakraniellen Gefäßen ohne äußerst schwere CC) in Höhe von 4854,03 Euro einschließlich der Zuschläge zu vergüten gewesen (30.12.2008). In der Epikrise sei die Diagnose "Adipositas" aufgeführt. Daher sei der Kode ICD-10 R 63.3 nicht gerechtfertigt, vielmehr sei die Diagnose mit E66.9 (Adipositas, nicht näher bezeichnet) zu verschlüsseln. Die beschriebene Hypertonie sei mit ICD-10 I10.90 (Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: ohne Angabe einer hypertensiven Krise) zu verschlüsseln. Für die Nebendiagnosen ICD-10 F17.2 und J42 fänden sich in den unvollständig übermittelten Unterlagen keine hinreichenden Hinweise. Die Beklagte hörte die Klägerin hierzu an und kündigte an, den nach ihrer Auffassung überzahlten Differenzbetrag von 2681,60 Euro zu verrechnen (16.1.2009). Sie rechnete mit der angeblichen Erstattungsforderung gegen eine Forderung der Klägerin in Höhe von 4348,74 Euro wegen einer Krankenhausbehandlung vom 9. bis 18.8.2009 auf (25.8.2009; Zugang der vollständigen fehlerfreien Rechnung nebst Entlassungsanzeige am 20.8.2009). Die Klägerin ist mit ihrer Klage auf Zahlung erfolgreich gewesen (SG-Urteil vom 3.8.2011). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Der von der Beklagten gegenüber der Klägerin geltend gemachte öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch sei jedenfalls verjährt. Die Einleitung des Prüfverfahrens habe den Eintritt der Verjährung nicht gehemmt. Die Forderung, gegen die die Beklagte aufgerechnet habe, sei erst im Jahr 2009 entstanden (Urteil vom 27.4.2012).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der entsprechend anzuwendenden Regelung des § 45 Abs 1 und 2 SGB I in Verbindung mit § 204 Abs 1 Nr 8 BGB und § 215 BGB. Der Erstattungsanspruch sei nicht mit Ablauf des Jahres 2008 verjährt. Sie sei vielmehr analog § 204 Abs 1 Nr 8 BGB durch die Beauftragung des MD im Zeitraum 3.6. bis 30.12.2008 gehemmt gewesen. Die Vorschrift, die ein zwischen den Beteiligten vereinbartes Begutachtungsverfahren voraussetzt, sei auch auf das gesetzlich vorgesehene Prüfverfahren des MD anwendbar. Ausreichend sei die Kenntnis des Krankenhauses von dem eingeleiteten Begutachtungsverfahren. Die Aufrechnung am 25.8.2009 sei daher noch rechtzeitig erfolgt. Zudem habe für sie - die Beklagte - bereits im Jahre 2008 die Möglichkeit bestanden, Klage zu erheben oder die Aufrechnung gegen laufende Forderungen der Klägerin zu erklären. Dies reiche nach der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG aus, um eine Aufrechnungslage im Sinne des § 215 BGB zu begründen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem Vorbringen sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. April 2012 sowie des Sozialgerichts Berlin vom 3. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der beklagten KK ist teilweise begründet, soweit sie verurteilt worden ist, der Klägerin Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 26.8. bis 3.9.2009 aus einem Betrag in Höhe von 2681,60 Euro zu zahlen (§ 170 Abs 2 S 1 SGG), im Übrigen unbegründet. Die angefochtenen Urteile des LSG und des SG sind zu ändern und die Klage ist insoweit abzuweisen. Im Übrigen hat das LSG zu Recht die Berufung gegen das zur Zahlung verurteilende SG-Urteil zurückgewiesen. Der restliche Anspruch der Klägerin gegen die beklagte KK auf Vergütung der Krankenhausbehandlung vom 9. bis 18.8.2009 (dazu 1.) erlosch nicht durch Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Beklagten (dazu 2.). Die Klägerin hat auch Anspruch auf Verzugszinsen, allerdings erst ab 4.9.2009, dem Zeitpunkt der Fälligkeit (dazu 3.).
1. Die Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin auf Krankenhausvergütung in Höhe von 2681,60 Euro, den sie zulässig im Wege der echten Leistungsklage geltend macht (vgl nur BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 3 RdNr 8; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), sind erfüllt. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 9). Die Beteiligten gehen nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG, die den Senat binden (§ 163 SGG), übereinstimmend von der Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs in dieser Höhe aus (vgl zur Zulässigkeit des Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 15).
2. Der Vergütungsanspruch der Klägerin erlosch nicht in Höhe von 2681,60 Euro dadurch, dass die Beklagte analog § 387 BGB mit einer Gegenforderung aus öffentlich-rechtlicher Erstattung aufrechnete (vgl zur Aufrechnung zB BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 11). Die Aufrechnung war nämlich unwirksam. Der erkennende Senat muss hierzu nicht darüber entscheiden, ob der Beklagten überhaupt eine Gegenforderung aus öffentlich-rechtlicher Erstattung zustand. Eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, kann nämlich nicht aufgerechnet werden (§ 390 BGB idF der Bekanntmachung vom 2.1.2002, BGBl I 42). Dieser Grundsatz greift hier ein.
Wenn die Erstattungsforderung bestand, mit der die Beklagte aufrechnete, war sie im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung bereits verjährt. Die Klägerin hat sich auch zulässig hierauf berufen. Die reguläre Verjährungsfrist endete mit Ablauf des 31.12.2008 (vgl dazu a). Es kam weder zu einer Hemmung noch zu einem Neubeginn der Verjährung (vgl dazu b). Die Voraussetzungen der Ausnahme vom Grundsatz des § 390 BGB, wonach die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte (vgl § 215 BGB), sind nicht erfüllt. Der - im Folgenden zu unterstellende - Erstattungsanspruch war in dem Zeitpunkt bereits verjährt, in dem die Beklagte erstmals mit ihm gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin aufrechnen konnte, weil der Vergütungsanspruch erst später, nach Eintritt der Verjährung des Erstattungsanspruchs entstand (vgl dazu c).
a) Die Erstattungsforderung, mit der die Beklagte aufrechnete, war im Zeitpunkt der Aufrechnung (25.8.2009) entgegen der Auffassung der Beklagten wegen Ablaufs der regulären Verjährungsfrist verjährt. Die reguläre Verjährungsfrist für die Erstattungsforderung endete mit Ablauf des 31.12.2008. Die Klägerin hat dementsprechend zulässig die Verjährungseinrede erhoben. Es fehlt jeglicher Anhalt für einen Rechtsmissbrauch oder sonstigen Verstoß gegen Treu und Glauben (vgl hierzu zB Wagner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 45 RdNr 47 mwN).
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer KK gegen einen Krankenhausträger unterliegt der kurzen sozialrechtlichen Verjährung (stRspr, vgl zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 39; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25). Die Verjährung der streitigen Erstattungsforderung begann nach Ablauf des Jahres 2004. Sie beginnt nämlich gemäß § 45 Abs 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung (vgl zB BSGE 69, 158, 163 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1; Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, 2004, S 374 f). Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG beglich die Beklagte den in Rechnung gestellten, später im Umfang bestrittenen Vergütungsanspruch der Klägerin für die im Februar 2004 erfolgte stationäre Behandlung des Versicherten am 22.3.2004 vollständig.
b) Die Beauftragung des MD mit einer gutachtlichen Stellungnahme führte zu keinem Neubeginn und zu keiner Hemmung der Verjährung. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß (vgl § 45 Abs 2 SGB I idF durch Art 5 Nr 3 Buchst a Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21.6.2002, BGBl I 2167). Für einen Neubeginn der Verjährung (vgl § 212 BGB) liegt nichts vor. Die Voraussetzungen keiner der sinngemäß geltenden Regelungen für die Hemmung sind erfüllt, ihre analoge Anwendung ist ausgeschlossen.
Allen Hemmungstatbeständen ist gemeinsam, dass der Gläubiger dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden (vgl BGH Beschluss vom 28.4.1988 - IX ZR 176/87 - WM 1988, 1030; BGHZ 80, 222, 226 mwN). Leitet die KK, die unter Achtung des kompensatorischen Beschleunigungsgebots (vgl dazu zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 27 f; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 34) eine Rechnung für Krankenhausbehandlung ohne volle Kenntnis ihrer Richtigkeit bezahlt, diesbezüglich ein Prüfverfahren durch Beauftragung des MD ein, macht sie gegenüber dem Krankenhaus ihren Rechtsverfolgungswillen noch nicht in einem Ausmaß deutlich, welches den Eintritt der Hemmungswirkung rechtfertigt. Die Prüfung des MD bereitet lediglich die Entscheidung der KK darüber vor, ob und ggf inwieweit sie einen Erstattungsanspruch geltend machen will. Einseitige Akte des Gläubigers, die wie die Beauftragung des MD dazu dienen, erst einen Rechtsverfolgungswillen künftig zu entwickeln, lösen keinen Hemmungstatbestand aus.
Keiner der Hemmungstatbestände des § 204 Abs 1 BGB greift hier ein. Das gilt insbesondere sowohl für den Tatbestand der Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen (vgl § 203 BGB, dazu aa) als auch durch einen Güteantrag (vgl § 204 Abs 1 Nr 4 BGB, dazu bb), den Antrag auf Einleitung eines vor Klageerhebung notwendigen Verwaltungsverfahrens (§ 204 Abs 1 Nr 12 BGB, dazu cc), die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens (§ 204 Abs 1 Nr 7 BGB, dazu dd) und den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens (§ 204 Abs 1 Nr 8 BGB, dazu ee), wie das LSG zutreffend entschieden hat. Entgegen der Auffassung des LSG kann sich der erkennende Senat - ausgehend von dem zuvor aufgezeigten, allen Hemmungstatbeständen innewohnenden Regelungszweck - nicht davon überzeugen, dass eine entsprechende Anwendung dieser Regelung geboten ist (dazu ff).
aa) Zwischen der Klägerin und der Beklagten schwebten keine Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, die die Verjährung hemmten (vgl § 203 S 1 BGB), im Hinblick darauf, dass die Beklagte dem MD einen Prüfauftrag erteilte und die Klägerin dem MD auf dessen Anforderung Behandlungsunterlagen ohne weitere Meinungsäußerung übersandte. In Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (stRspr, vgl zB BGH Urteil vom 15.8.2012 - XII ZR 86/11 - NJW 2012, 3633, 3635, RdNr 36; BGHZ 182, 76 RdNr 16 mwN) ist der Begriff der "Verhandlungen" zwar weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht. An diesen Voraussetzungen fehlt es.
Die Beklagte stellte mit dem Prüfantrag an den MD schon nicht klar, dass sie einen Erstattungsanspruch geltend machen wollte. Sie bereitete lediglich ihre Entscheidung hierüber vor. Die Klägerin trat auch in keinen Dialog über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs ein. Sie folgte lediglich zu unverjährter Zeit dem gesetzlichen Gebot, die angeforderten Unterlagen dem MD zu übersenden (vgl § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V und dazu zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 15 ff mwN). Nach der Rechtsprechung des BSG einschließlich des erkennenden Senats passt das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen sozialrechtlichen Verjährungsfrist nicht (vgl ausführlich zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN).
bb) Die Beklagte stellte im Rechtssinne auch keinen Güteantrag (vgl § 204 Abs 1 Nr 4 BGB), indem sie den MD mit der Prüfung beauftragte. Der Hemmungstatbestand des § 204 Abs 1 Nr 4 BGB gilt nur für Fälle obligatorischer Streitschlichtung, wie inzwischen auch § 17c Abs 4b S 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz sie regelt (eingefügt durch Art 5c Nr 2 Buchst e Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.7.2013, BGBl I 2423, mWv 1.8.2013). Ausschlaggebend ist der Sinn und Zweck dieses Hemmungstatbestands, den Gläubiger, der nicht sofort klagen darf, sondern für die Zulässigkeit der Klage erst ein Güteverfahren durchlaufen muss (das nicht einmal nach Klageeinreichung mit heilender Wirkung nachgeholt werden kann), nicht der Gefahr der Verjährung auszusetzen (Lakkis in jurisPK-BGB Band 1, Online-Ausgabe, § 204 RdNr 55, Stand: 4.11.2013).
cc) Die Beklagte stellte auch keinen Antrag auf Einleitung eines vor Klageerhebung notwendigen Verwaltungsverfahrens (§ 204 Abs 1 Nr 12 BGB), als sie den MD mit der Abrechnungsprüfung beauftragte. Diese gesetzliche Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass in bestimmten Fällen wegen der besonderen Ausgestaltung des Rechtsschutzes der Berechtigte ohne die Vorentscheidung einer Behörde an der gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs vor den Gerichten und dadurch an der Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung gehindert ist (so bereits zur Vorgängerregelung des § 210 BGB aF BGH LM § 210 BGB Nr 5; Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, 2004, S 411). Für den streitigen Erstattungsanspruch als Gegenstück zur Vergütungsforderung des Krankenhauses trifft dies nicht zu (vgl sinngemäß oben, II. 1).
dd) Der Prüfauftrag der Beklagten mit anschließender Anforderung der Unterlagen durch den MD entspricht auch nicht der Zustellung eines Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 204 Abs 1 Nr 7 BGB; zur Unschädlichkeit des Fehlens einer Zustellung bei Kenntnis des Antragsgegners vgl BGH NJW-RR 2013, 1169, RdNr 19). Der MD sichert nicht gerichtsförmig Beweis mit umfassenden Verfahrensrechten der Beteiligten. Er erteilt der beauftragenden KK lediglich eine gutachtliche Stellungnahme (vgl § 275 Abs 1 SGB V).
ee) Die Beauftragung des MD mit einer gutachtlichen Stellungnahme hemmte die Verjährung auch nicht nach § 45 Abs 2 SGB I iVm § 204 Abs 1 Nr 8 BGB. Danach tritt die Hemmung der Verjährung mit Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens ein. Diese Voraussetzungen waren nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) nicht erfüllt. Es fehlte an einer konkret zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung über die Einleitung eines Prüfverfahrens durch den MD. Ob für eine Vereinbarung iS des § 204 Abs 1 Nr 8 BGB eine kollektiv-vertragliche Vereinbarung auf der Grundlage des § 112 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V genügt, wie es teilweise befürwortet wird (LSG Sachsen Anhalt Urteile vom 16.5.2012 - L 1 KR 112/10, 114/10 und 116/10; ebenso wohl Bichler GuP 2013, 94, 99), bedarf keiner Entscheidung. Denn eine solche Vereinbarung existierte im vorliegenden Fall nicht. Der Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V vom 1.11.1994 in Berlin (KHBV Berlin) enthält ebenso wie der Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs 2 Nr 2 SGB V keine Regelungen zur Einschaltung des MDK bei Zweifeln an der sachlichen Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung. Die einseitige Beauftragung eines Gutachters genügt dagegen nicht, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (vgl bis 1.1.2009 § 204 Abs 1 Nr 8 BGB zur Einholung einer Fertigstellungsbescheinigung iS von § 641a BGB). Nichts Abweichendes folgt aus der bloß sinngemäßen Geltung der BGB-Vorschriften für die Hemmung (vgl § 45 Abs 2 SGB I; dafür allerdings Rehm, jurisPR-SozR 22/2012 Anm 4). Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der zitierten Rechtsprechung des BSG keinen Anlass gesehen, eine abweichende Regelung für das Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zu treffen.
ff) Eine analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Hemmungstatbestände bei Beauftragung des MD zur Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V kommt nicht in Betracht. Eine Analogie setzt das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke voraus (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 17 Nr 3 RdNr 22). An einer solchen fehlt es. Der Gesetzgeber hat bewusst lediglich eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften des BGB angeordnet, soweit er einen Regelungsbedarf gesehen hat (vgl auch II.2 b ee aE; vgl ebenso BSG Urteile vom 19.9.2013 - B 3 KR 30/12 R - und - B 3 KR 31/12 R). Zudem macht eine KK, die ein Prüfverfahren durch Beauftragung des MD einleitet, wie oben dargelegt gegenüber dem Krankenhaus ihren Rechtsverfolgungswillen noch nicht in einem Ausmaß deutlich, welches den Eintritt der Hemmungswirkung rechtfertigt.
c) Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass ihr Erstattungsanspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem sie erstmals aufrechnen konnte (vgl sinngemäß § 215 BGB). Die Regelung setzt voraus, dass sich Haupt- und Gegenforderung in irgendeinem Zeitpunkt aufrechenbar gegenüber gestanden haben. Eine solche Aufrechnungslage bestand für die Forderung der Klägerin auf Krankenhausvergütung wegen der Behandlung im August 2009 und die Gegenforderung der Beklagten aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht. Wie ausgeführt trat hinsichtlich des möglichen, hier unterstellten Erstattungsanspruchs der Beklagten mit Ablauf des Jahres 2008 Verjährung ein, während der Vergütungsanspruch der Klägerin erst im August 2009 entstand. Soweit der 3. Senat des BSG in früherer Rechtsprechung die Regelung des § 390 S 2 BGB aF (entsprechend heute § 215 BGB) aus Billigkeitserwägungen bei dauerhaften Vertragsbeziehungen der Beteiligten und daraus dem Krankenhaus fortlaufend erwachsenden Vergütungsansprüchen gegen die KK nicht angewendet hat (siehe BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, RdNr 30), hat er hieran in jüngeren Entscheidungen nicht mehr festgehalten (vgl BSG Urteil vom 19.9.2013 - B 3 KR 30/12 R - RdNr 12; BSG Urteil vom 19.9.2013 - B 3 KR 31/12 R - RdNr 12).
3. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Verzugszinsen auf den nicht erfüllten restlichen Vergütungsanspruch ab 4.9.2009. Für die Rechtsbeziehungen der KKn zu den Krankenhäusern gelten die Zinsvorschriften des BGB entsprechend, soweit nicht in den Verträgen nach § 112 SGB V etwas anderes geregelt ist (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14 mwN). Nach § 12 Nr 4 KHBV Berlin hat die KK die Schlussrechnung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen. Der diese Frist auslösende Datenzugang erfolgte hier am 20.8.2009. Die Zinshöhe beträgt 2 vH über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB. Gemäß § 12 Nr 5 KHBV Berlin kann das Krankenhaus ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von 2 vH über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank berechnen, wenn die Zahlung nicht fristgemäß erfolgt. Der Basiszinssatz ist maßgeblich nach § 1 Abs 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz (Art 1 des Gesetzes zur Einführung des Euro vom 9.6.1998, BGBl I 1242) und § 2 Abs 1 Nr 2 des Gesetzes zur Aufhebung des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes (Art 4 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Bewertung der Kapitalanlagen von Versicherungsunternehmen und zur Aufhebung des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 26.3.2002, BGBl I 1219, 1220).
Entgegen der Auffassung der Klägerin und der Vorinstanzen besteht ein Zinsanspruch nicht schon ab dem Tag, der auf die konkludente Erfüllungsverweigerung in Form der Aufrechnungserklärung folgt (26.8.2009). Eine antizipierte Erfüllungsverweigerung vor Eintritt der Fälligkeit löst noch keine Fälligkeit und damit auch keinen Verzug aus (vgl BGH Urteil vom 28.9.2007 - V ZR 139/06 - NJW-RR 2008, 210 RdNr 11; zustimmend Alpmann in jurisPK-BGB, § 286 RdNr 10, Stand: 1.10.2012; Gsell, LMK 2007, II, 94; Grüneberg in Palandt, 72. Aufl 2013, § 286 RdNr 13; Reinelt, jurisPR-BGHZivilR 46/2007 Anm 1).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 6462918 |
DB 2014, 6 |