Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 04.09.1990) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. September 1990 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht gegenüber dem Kläger die auf die Zahlungsverfügung vom 2. April 1969 beruhende formlose Kindergeldbewilligung zurückgenommen und die ihm ab Mai 1970 gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 20.200,– DM zutreffend zurückgefordert hat.
Der Kläger und seine Ehefrau sind für mehrere Kinder kindergeldberechtigt. Beide haben den Kläger zum Kindergeldberechtigten iS des § 3 Abs 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) für ihre Kinder bestimmt.
Das Kindergeld für das am 20. März 1969 geborene Kind Michael wurde mit Einverständnis des Klägers auf das Girokonto seiner Ehefrau überwiesen. Michael ist am 18. April 1970 verstorben. Dies zeigte der Kläger der Beklagten nicht an. Außerdem gaben der Kläger und seine Ehefrau in der Folgezeit wiederholt Erklärungen über die angeblich beabsichtigte Änderung des Aufenthaltsortes des Kindes Michael ab.
Das Arbeitsamt erfuhr erst im August 1984 anläßlich der Ermittlungen seines Außendienstes vom Todeszeitpunkt des Kindes Michael. Daraufhin erließ die Beklagte den auf die §§ 45 Abs 2 Nr 2 und 48 Abs 1 Nr 2 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch -(SGB X) gestützten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. September 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1987. Darin lehnte sie die Gewährung des Kindergeldes für Michael rückwirkend ab Mai 1970 ab; zugleich forderte sie gemäß § 50 Abs 1 SGB X das für dieses Kind ab Mai 1970 gewährte Kindergeld zurück.
Das Sozialgericht (SG) Freiburg hat die Klage durch Urteil vom 20. Oktober 1988 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die – vom SG zugelassene – Berufung durch Urteil vom 4. September 1990 zurückgewiesen: Auf den Aufhebungsbescheid der Beklagten sei die Vorschrift des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X anzuwenden; der Bescheid sei auch rechtmäßig, weil der Kläger seiner Anzeigepflicht gemäß § 60 Abs 1 Nr 2 des Sozialgesetzbuches – 1. Buch – (SGB I) nicht nachgekommen sei. Zumindest müsse er sich die von seiner Ehefrau schuldhaft und vorsätzlich gemachten falschen Angaben gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zurechnen lassen. Der Aufhebung der Leistungsbewilligung stehe auch die Zehn-Jahresfrist des § 45 Abs 3 Satz 3 SGB X nicht entgegen, weil diese Vorschrift gemäß § 20 Abs 4 BKGG im Rahmen des Bundeskindergeldgesetzes keine Anwendung finde.
Der Kläger hält in der Begründung seiner – vom erkennenden Senat zugelassenen – Revision daran fest, daß unbeschadet des § 20 Abs 4 BKGG in Fällen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X die Vorschrift des § 45 Abs 3 SGB X anzuwenden und demgemäß in seinem Falle die zehnjährige „Verjährungsfrist” bereits vor Erteilung der angefochtenen Bescheide verstrichen gewesen sei. § 20 Abs 4 BKGG sei als Ausnahmeregelung eng auszulegen und nur auf den „eigentlichen” Fall des § 45 SGB X anzuwenden. Überdies habe er seine Mitwirkungspflichten auch nicht grobfahrlässig verletzt, weil er nicht gewußt habe, daß seine Ehefrau der Beklagten die vom LSG festgestellten Erklärungen abgegeben habe. Im übrigen sei der angefochtene Bescheid nicht hinreichend bestimmt, weil er nicht erkennen lasse, ob bereits frühere Aufhebungsbescheide ergangen seien, die jetzt mit den angefochtenen Bescheiden aufgehoben werden sollten. Schließlich sei der Rückforderungsanspruch nicht gerechtfertigt; er bestreite auch die Höhe des Rückforderungsanspruchs mit Nichtwissen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. September 1990, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Oktober 1988 und den Bescheid der Beklagten vom 6. September 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1987 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Die zugelassene und form- und fristgerecht eingelegte Revision des Klägers ist entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht statthaft. Der Kläger hat nicht nur, wie die Beklagte meint, in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde, sondern auch in der Begründung seiner Revision hinreichend dargelegt, aus welchen Rechtsgründen er das LSG-Urteil für fehlerhaft hält. Daß er dabei wesentliche Teile der Berufungsbegründung wiederholt hat, steht jedenfalls dann nicht entgegen, wenn – wie hier – über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist.
Die Revision ist aber nicht begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das LSG, wie es meint, von der Vorschrift des § 48 SGB X auszugehen hatte, obwohl die Beklagte jedenfalls noch den Bescheid vom 6. September 1984 auch auf § 45 Abs 2 Nr 2 SGB X gestützt hat. Die erstgenannte Vorschrift ist allein deshalb anzuwenden, weil die Beklagte den angefochtenen Bescheid in der maßgeblichen Begründung des Widerspruchsbescheides nur auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X gestützt hat.
Bei dem vom LSG festgestellten und demgemäß vom Revisionsgericht als feststehend zugrunde zu legenden Sachverhalt, ist ihre Entscheidung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X rechtmäßig.
Die Beklagte hat zunächst zutreffend die Voraussetzung des § 48 Abs 2 Nr 2 SGB X bejaht. „Betroffene” iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X waren hier beide Ehegatten. Dem steht insbesondere der Umstand nicht entgegen, daß die Eheleute Z. … den Kläger zum Berechtigten iS des § 3 Abs 3 BKGG bestimmt haben. Denn bei Ehegatten ändert die Berechtigten-Bestimmung iS des § 3 Abs 3 BKGG nichts an der beiderseitigen Anspruchsberechtigung selbst, beide bleiben jedenfalls für die Dauer des Bestehens eines gemeinsamen Haushaltes gleichrangig kindergeldberechtigt (vgl dazu Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juni 1979 – 8b 10/78 –, SozR 5870 § 3 Nrn 1, 2, 7). Im Ergebnis hat die Berechtigten-Bestimmung in den Fällen des § 3 Abs 3 Satz 1 BKGG durch den Vater und die Mutter nur die Bedeutung für das Leistungsverhältnis, in dem einer der beiden verheirateten und zusammenlebenden Elternteile mit schuldbefreiender Wirkung für die Beklagte zum Zahlungsempfänger bestimmt wird. Aus dem Fortbestehen der beiderseitigen Anspruchsberechtigung folgt, daß jedem Elternteil eine Mitteilungspflicht zukommt und damit beide Betroffene iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X bleiben. Daher kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, daß nicht er, sondern seine Ehefrau entscheidungserhebliche Tatsachen iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 BKGG – hier den Tod des Kindes Michael -der Beklagten nicht mitgeteilt hat.
Aber selbst wenn man nur denjenigen Elternteil, dem die zusammenlebenden Ehegatten gemäß § 3 Abs 3 BKGG zum Berechtigten bestimmt haben, als Betroffenen iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X ansehen wollte, hätte das LSG jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Mitteilungspflicht des Klägers für alle entscheidungserheblichen Tatsachen hinsichtlich des Kindergeldanspruchs bejaht. Dabei kann offenbleiben, ob ein Betroffener iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 BKGG sich die Unterlassung der Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen oder die falsche Angabe solcher Tatsachen nach § 278 BGB oder, wie der Kläger meint, nach § 831 BGB zurechnen lassen muß, oder ob keine der beiden zivilrechtlichen Vorschriften auf das Sozialleistungsverhältnis angewendet werden kann, weil § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X in Verbindung mit §§ 60 ff SGB I eine spezialgesetzliche Regelung ist. Denn die in § 60 Abs 1 Nr 2 SGB I geregelte Mitteilungspflicht trifft – jedenfalls hinsichtlich der Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen – sowohl den Antragsberechtigten wie auch den Sozialleistungsempfänger höchstpersönlich; es handelt sich um eine dem Anspruch selbst anhaftende Obliegenheit, die nicht rechtswirksam auf einen Dritten übertragen oder sonstwie übergehen kann. Infolgedessen ist der Leistungsberechtigte stets und allein schon wegen der Regelung in §§ 60 ff SGB I auch dann mitteilungspflichtig, wenn er nicht Leistungsempfänger ist. Erfüllt er diese Pflicht nicht, so kann die Beklagte nach § 66 SGB I einstweilen Leistungen ex nunc versagen, um so die Mitwirkung zu erreichen. Dies setzt aber voraus, daß der Sachverhalt sonst nicht entscheidungsreif ist. Handelt es sich jedoch – wie hier – um einen abgeschlossenen Sachverhalt, der eine Entscheidung in der Sache selbst zuläßt, so kann der Leistungsträger auch endgültig gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X entscheiden.
Das LSG, dessen Feststellungen der Kläger nicht mit zulässigen Revsionsrügen angegriffen hat und die deshalb für den erkennenden Senat bindend sind, hat auch festgestellt, daß der Kläger und/oder seine Ehefrau die entscheidungserhebliche Tatsache des Todes des Kindes Michael der Beklagten zumindest grobfahrlässig nicht angezeigt haben. Damit ist das LSG bei dem von ihm festgestellten Sachverhalt zutreffend davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X erfüllt sind.
Das LSG hat auch zutreffend entschieden, daß die Beklagte zu Recht die Vorschrift des § 20 Abs 4 BKGG angewendet und deshalb auch die in § 45 Abs 3 SGB X bestimmte zeitliche Grenze der Rücknehmbarkeit eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes iS des § 45 Abs 1 SGB X unbeachtet gelassen hat. In den Fällen der Rücknahme eines Verwaltungsakts gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X gelten gemäß § 48 Abs 4 Satz 1 SGB X die Vorschriften ua des § 45 Abs 3 Satz 3 und Abs 4 SGB X entsprechend; gemäß § 20 Abs 4 BKGG findet jedoch die Vorschrift des § 45 Abs 3 SGB X, nach der die Verwaltung in bestimmten Fällen einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt nur innerhalb bestimmter Fristen zurücknehmen darf, im Bereich des Bundeskindergeldgesetzes keine Anwendung.
Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, daß diese spezialgesetzliche Regelung eng auszulegen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers kann aber gleichwohl aus ihr nicht der Schluß gezogen werden, daß die Fristbestimmung des § 45 Abs 3 SGB X nur für die Fälle des § 45 Abs 1 SGB X gilt, weil § 45 Abs 1 SGB X die Fälle mit dem „größeren Unrechtsgehalt” regelt und es deshalb nicht gerechtfertigt ist, durch § 20 Abs 4 BKGG die Zehn-Jahresfrist des § 45 Abs 3 SGB X auch in den Fällen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X außer Kraft zu setzen. § 45 Abs 3 SGB X begründet zunächst keine „Verjährungsfrist” im Sinne eines Einrederechts. Vielmehr handelt es sich um eine Verfahrensvorschrift, die der Abgrenzung der Fristen für das Verwaltungshandeln dient. Diese Regelung gilt auch nicht, wie die Revision meint, für alle Fälle des § 45 Abs 1 SGB X, sondern nur für die des § 45 Abs 1, 2. Halbsatz SGB X iVm § 45 Abs 2 SGB X; letztlich soll damit der Vertrauensschutz durch die zeitliche Beschränkung der Rücknehmbarkeit eines Verwaltungsaktes erweitert werden. Da aber die Vorschriften des § 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 1 bis 3 SGB X mit denen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X jedenfalls inhaltsgleich sind, folgt schon aus der Systematik des Gesetzes, daß der Gesetzgeber im Interesse der Vermeidung einer unterschiedlichen Regelung der Rechtsfolgen des gleichen Lebenssachverhalts entweder die in § 45 Abs 3 Satz 3 Nrn 2 und 3 SGB X getroffenen Regelungen in § 48 SGB X wiederholen oder durch eine entsprechende Verweisung in § 48 SGB X auf § 45 SGB X für anwendbar erklären mußte. Der Gesetzgeber hat hier in nicht zu beanstandender Weise den letzteren Weg gewählt. Hieraus folgt zwar einerseits, daß in den Fällen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 bis 4 SGB X grundsätzlich die zehnjährige Ausnahmefrist gilt. Da nun aber nach der spezialgesetzlichen Regelung in § 20 Abs 4 BKGG die Vorschrift des § 45 Abs 3 BKGG für den Bereich des Kindergeldrechtes keine Anwendung finden soll, ist es ohne Bedeutung, daß sie sonst für einen Fall des § 45 SGB X direkt und für die Lebenssachverhalte des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 bis 4 SGB X entsprechend zu gelten hat. Die Beklagte folgert hieraus zutreffend, daß die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ihre Wurzel daher nicht in der Regelung des § 48 Abs 4 SGB X über die entsprechende Anwendung der in § 45 Abs 3, Satz 3 und 4 SGB X geregelten Fristen, sondern in der Zielsetzung des § 20 Abs 4 BKGG findet. Diese Vorschrift bezweckt aber, wie das LSG zutreffend entschieden hat, der Verwaltung im Bereich des Bundeskindergeldgesetzes die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit auch dann unabhängig von Fristen zu gestatten, wenn sie nur auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X gestützt wird. Die Vorschrift ist – zusammen mit § 20 Abs 5 BKGG – durch Art II § 24 Nr 2 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469, 1498) in § 20 BKGG eingefügt worden, um klarzustellen, daß § 43 Abs 3 des Entwurfs des SGB X (= § 45 Abs 3 SGB X) keine Anwendung findet (BT-Drucks 8/2034, S 41; Beschluß des 11. Bundestagsausschusses, BT-Drucks 8/4022, S 70). Damit ist § 45 Abs 3 SGB X nach dem Willen des Gesetzgebers im Hinblick auf die zuvor dargelegten Zusammenhänge auch dann unanwendbar, wenn die Rücknahme selbst nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X erfolgt. Es handelt sich dabei um eine vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene spezialgesetzliche Regelung der Rücknehmbarkeit rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte für den Bereich des Bundeskindergeldgesetzes, deren Ursprung nicht in der Systematik in dem Buch des Sozialgesetzbuches getroffenen Regelung über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und deren Durchbrechung, sondern in den verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Kindergeldgesetzgebung liegt. Damit hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, daß das grundsätzlich formlos zu leistende Kindergeld unbefristet über einen längeren Zeitraum – bis zum 27. Lebensjahr – gewährt wird, weshalb es gerechtfertigt erschien, die Rückforderung auch nach Ablauf von 10 Jahren seit der Bewilligung zuzulassen. Zu dieser Abgrenzung zwingt auch das Verhältnis der vorgenannten Vorschriften zueinander: Da § 20 Abs 4 BKGG vorschreibt, daß § 45 Abs 3 SGB X schlechthin nicht anzuwenden ist, kann diese Regelung auch dann keine Anwendung finden, wenn sie in den Fällen des § 48 Abs 4 SGB X entsprechend gelten soll.
Schließlich hat der Senat auch keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 20 Abs 4 BKGG mit den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes. Sie wird auch von den Verfahrensbeteiligten nicht in Zweifel gezogen.
Die Beklagte hob auch zu Recht die ursprüngliche Kindergeldbewilligung ohne Ermessensausübung auf. Soll – wie hier – ein Verwaltungsakt wegen des Vorliegens eines der Tatbestände des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 4 SGB X aufgehoben werden, so darf der Leistungsträger nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl die Nachweise in SozR 1300 § 48 Nrn 19 und 30) von der erforderlichen Ermessensprüfung dann absehen, wenn ein typischer Fall iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 4 SGB X gegeben ist und einer der in den Nrn 1 bis 4 genannten Fälle vorliegt. Denn „soll” iS des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X bedeutet, daß der Leistungsträger, der den Verwaltungsakt in aller Regel rückwirkend aufhebt, in typischen Fällen von der Prüfung absehen darf, ob er aufheben will (BSG SozR 1300 § 48 Nr 44). Die Frage, ob ein typischer Fall vorliegt, ist gerichtlich voll nachprüfbar (vgl für den atypischen Fall: BSG aa0 Nr 19 mwN, Nr 44). Die Beklagte hat das hier zu Recht angenommen. Denn bei Berücksichtigung der vom LSG mit bindender Wirkung auch für das Revisionsgericht festgestellten Umstände des Einzelfalles haben der Kläger sowie seine Ehefrau zumindest grobfahrlässig der Beklagten den Tod des Kindes Michael nicht nur verschwiegen, sondern dessen Leben über den Todeszeitpunkt hinaus behauptet. Wird dem Leistungsträger ein solcher Sachverhalt nachträglich bekannt, so ist es in einem solchen Fall typisch, wenn er nicht nur die Leistung für die Zukunft versagt, sondern die fehlerhafte Entscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknimmt. Das LSG hat mithin bei seiner Prüfung die Atypik des Falles zu Recht verneint.
Nicht zu beanstanden ist schließlich der mit dem Aufhebungsbescheid gem § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X verbundene, ihm rechtlich nachgeordnete Erstattungsbescheid gem § 50 SGB X. Ist – wie hier – der Aufhebungsbescheid sachlich richtig, beschränkt sich die Prüfung des Erstattungsbescheides nur noch darauf, ob dem Erstattungsverlangen selbst gegenüber Einwendungen entgegengesetzt werden können (vgl dazu im einzelnen erkennender Senat, Urteil vom 11. Januar 1989 – 10 RKg 12/87 –, SozR 1300 § 48 Nr 53 mwN; Urteil vom 7. August 1991 – 10 RKg 3/91 –, unveröffentlicht). Dafür hat der Kläger nichts vorgetragen und das LSG auch keine Feststellungen getroffen. Das Bestreiten mit Nichtwissen, das der Kläger insoweit erklärt hat, ist im Revisionsverfahren unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1172711 |
BSGE, 233 |
ZBR 1992, 159 |