Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Juli 1990 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 7. April 1988 bis 28. Februar 1989.
Sie ist 1964 geboren, durchlief vom 1. August 1983 bis 4. Januar 1986 eine Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notargehilfin und war anschließend in diesem Beruf bis zum 30. September 1986 vollschichtig tätig. Ab dem Wintersemester 1986/87 studierte sie Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg. Am 7. April 1988 meldete sie sich beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos und beantragte Alg. Sie gab an, neben ihrem Studium wöchentlich 28 Stunden arbeiten zu können, und reichte einen von ihr ausgefüllten „Zusatzfragebogen für Studenten” ein, der ua eine Übersicht über die zeitliche Lage der von ihr im Sommersemester 1988 belegten Lehrveranstaltungen im Umfang von 16 Wochenstunden enthielt. Ab 1. März 1989 übte die Klägerin die Tätigkeit einer studentischen Hilfskraft mit monatlich 60 Stunden aus. Das ArbA lehnte den Alg-Antrag mit dem Hinweis ab, die Klägerin sei nicht verfügbar, weil ihre zeitliche Belastung durch das Studium unter Zugrundelegung einer tariflichen Arbeitszeit eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung nicht zulasse (Bescheid vom 27. Mai 1988; Widerspruchsbescheid vom 3. August 1988).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 7. April 1988 bis 28. Februar 1989 Alg auf der Grundlage ihr wöchentlich möglich gewesener 22 Arbeitsstunden zu gewähren, und die Berufung zugelassen (Urteil vom 19. Oktober 1989). Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung, die Klägerin Anschlußberufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 26. Juli 1990).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die in § 103a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für Studenten vorgesehene Sonderregelung sei vorliegend nicht anzuwenden (§ 242h Abs 5 AFG). Die Frage der Verfügbarkeit der Klägerin beurteile sich nach § 103 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung). Nach Abs 1 Nr 1 dieser Vorschrift stehe – abgesehen von weiteren Voraussetzungen – der Arbeitsvermittlung nur zur Verfügung, wer eine beitragspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Beitragspflichtig seien Beschäftigungsverhältnisse mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von wenigstens 18 Stunden (§ 168, § 169 Nr 6, § 102 Abs 1 AFG). Zu einer solchen, mehr als kurzzeitigen Arbeitsleistung sei die Klägerin neben ihrem Studium nicht in der Lage gewesen.
Die Klägerin habe im Sommersemester 1988 und Wintersemester 1988/89 (4. und 5. Semester) jeweils 16 Wochenstunden mit Lehrveranstaltungen belegt. Zur Vor- und Nachbereitung habe sie weitere 16 Wochenstunden benötigt. Der zusätzliche Zeitaufwand sei aufgrund allgemein anerkannter Erfahrungswerte geschätzt worden. Diese Berechnung sei von der Klägerin zwar für bedenklich gehalten, nicht aber substantiiert angegriffen worden. Entscheidend sei deshalb, wie viele Arbeitsstunden die Klägerin neben den genannten 32 Stunden noch hätte leisten können. Die Obergrenze der Belastbarkeit sei weder mit 40 Wochenstunden anzusetzen, wie die Beklagte annehme, noch mit 60 Wochenstunden, wie die Klägerin und das SG meinten. Sie liege, wie aus der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Kindergeldrecht hervorgehe, bei 48 Stunden (BSG SozR 5870 § 2 Nrn 64 und 65). Ebenso verhalte es sich im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten als Ausfallzeiten. Gleiches habe für die Frage der Verfügbarkeit von Studenten zu gelten.
Die Interessenlage von Kindergeldberechtigten und Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung unterscheide sich zwar von der der Antragsteller auf Alg. Dem erstgenannten Personenkreis sei an einer möglichst niedrigen, dem zweitgenannten an einer möglichst hohen Belastbarkeitsgrenze gelegen. Zudem könne sich ein Arbeitsloser für Arbeiten zur Verfügung stellen, die ihm nach Art und Umfang nicht zumutbar seien. Im übrigen gingen Studenten nicht selten einer Erwerbstätigkeit erheblichen zeitlichen Umfangs zwecks Finanzierung ihrer Ausbildung bzw ihrer Konsumwünsche nach. Auf der anderen Seite gehöre es zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, daß die übliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Laufe der Jahre deutlich abgenommen habe. Der Gesetzgeber habe dem dadurch Rechnung getragen, daß er die Kurzzeitigkeitsgrenze von zunächst 24 auf nunmehr 18 Stunden gesenkt habe. Ein Festhalten an der früher gültigen Belastbarkeitsgrenze von 60 Stunden lasse diesen Wandel unberücksichtigt. Demgegenüber werde die Obergrenze von 48 Stunden den allgemeinen Arbeitszeitverkürzungen gerecht. Überdies orientiere sie sich am Arbeitsschutzrecht (§ 3 Arbeitszeitordnung ≪AZO≫).
Allerdings könne ein Student im Einzelfall den Nachweis führen, daß er mehr als 48 Wochenstunden leisten könne und wolle. Ein solcher Nachweis sei zB dann erbracht, wenn ein Student neben der Ausbildung eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung durchlaufen habe und dann arbeitslos werde. Ein solcher Fall sei hier nicht gegeben. Die Klägerin sei durch ihr Studium mit 32 Wochenstunden belastet gewesen, habe nur 16 Stunden Erwerbstätigkeit leisten können und sei folglich nicht verfügbar gewesen.
Die Klägerin rügt mit der Revision die Verletzung sowohl von Verfahrensrecht als auch von materiellem Recht. Die Verfahrensvorschriften der §§ 103, 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien verletzt, weil sich das LSG vom eigenen sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiterer Beweisaufnahme hätte gedrängt sehen müssen. Aus dem klägerischen Vorbringen iVm dem eingereichten „Zusatzfragebogen für Studenten” sei ohne weiteres erkennbar gewesen, daß vier der 16 Lehrplanstunden der Vor- und Nachbereitung von vier Vorlesungsstunden gedient hätten. Daraus habe eine Gesamtbelastung von 24 Stunden resultiert (8 + 8 + 2 × 4 Wochenstunden) mit der Folge, daß die Klägerin – auf der Grundlage der vom LSG angenommenen Belastungsgrenze von 48 Stunden – der Arbeitsvermittlung zumindest 24 Wochenstunden zur Verfügung gestanden habe.
In materiell-rechtlicher Hinsicht sei gegen § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG verstoßen worden. Nach dieser Vorschrift sei unerheblich, ob die mehr als kurzzeitige Beschäftigung beitragspflichtig sei. Ebensowenig komme es auf eine Belastungsobergrenze von 60, 48 oder 40 Stunden an. Ein Arbeitsloser könne sich über die sog Zumutbarkeitsgrenze hinaus zur Verfügung stellen. Ausschlaggebend sei allein, ob eine längere als kurzzeitige Beschäftigung möglich sei. Dem habe die frühere Weisungslage der Beklagten entsprochen. Die Klägerin habe für die Vorlesungszeit glaubhaft gemacht, daß sie eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung habe wahrnehmen können. In den Semesterferien (18. Juli bis 15. Oktober 1988) sei sie ohnehin verfügbar gewesen, da Ferienhausarbeiten nicht angefallen seien.
Sofern es auf eine Belastungsobergrenze ankomme, sei die vom LSG angezogene 48 Stunden-Grenze nicht haltbar. Ein immer höherer Anteil der Studenten sei, wie aus Erhebungen des Deutschen Studentenwerkes hervorgehe, auf Erwerbstätigkeit angewiesen. Diese werde mit steigender Tendenz während der Semester durchgeführt. Die durchschnittliche Belastung liege gegenwärtig bei 48 Wochenstunden. Schon das schließe die Annahme einer Belastungsobergrenze von 48 Wochenstunden aus; denn eine Obergrenze liege allemal über dem Durchschnittswert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben sowie das Urteil des SG abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Mai 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1988 zu verurteilen, ihr Alg für die Zeit vom 7. April 1988 bis 28. Februar 1989 auf der Basis wöchentlich möglicher Arbeitszeit von 28 Stunden zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, die Belastungsobergrenze von 48 Wochenstunden erscheine angemessen. Sie überschreite zwar die in der sozialen Wirklichkeit übliche tarifliche Arbeitszeit, stelle aber gleichzeitig die höchstmögliche regelmäßige Arbeitszeit dar (§ 3 AZO). Danach sei die Klägerin, die ihrem Erscheinungsbild nach Studentin geblieben sei und schon nach altem Recht nur eine beitragsfreie Beschäftigung habe ausüben können, jedenfalls in der Vorlesungszeit nicht verfügbar gewesen. Insbesondere habe sie während des Studiums weder vor noch nach der Antragstellung eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung ausgeübt. Dagegen bestünden gegen die Annahme ihrer Verfügbarkeit für die Dauer der Semesterferien nach der damaligen Rechtslage keine Bedenken.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Berufung der Beklagten war statthaft, weil sie vom SG im Urteil zugelassen worden war (§ 150 Nr 1 Halbs 1 SGG). Die Zulässigkeit der (unselbständigen) Anschlußberufung der Klägerin ergibt sich aus § 202 SGG iVm § 521 Abs 1 Zivilprozeßordnung. Der notwendigen Beiladung (§ 75 Abs 2 Alternative 1 SGG) des Landes Hamburg bedurfte es nicht, obwohl die Klägerin nach den Verwaltungsakten der Beklagten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bezogen hat. Denn bei einem Erstattungsanspruch gemäß § 104 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X), der dem Land Hamburg gegen die Beklagte zustehen könnte (§ 38 Satz 2 BAföG), handelt es sich nicht um einen von der Rechtsposition des Versicherten abgeleiteten, sondern um einen eigenständigen Anspruch, der nicht zur notwendigen Beiladung führt (BSGE 61, 66, 68 = SozR 2200 § 182 Nr 104).
Ob die Klägerin für die Zeit vom 7. April 1988 bis 28. Februar 1989 Anspruch auf Alg hatte, läßt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen.
Nach § 100 Abs 1 AFG, das hier grundsätzlich in der Fassung des Achten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602) Anwendung findet, hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Die Klägerin hat sich am 7. April 1988 beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Sie war in der Zeit vom 7. April 1988 bis 28. Februar 1989 auch arbeitslos; denn sie befand sich während dieses Zeitraumes nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (§ 101 Abs 1 Satz 1 AFG). Die Frage, ob sie in der Zeit vom 7. April 1988 bis 28. Februar 1989 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, richtet sich, soweit es um objektive Verfügbarkeit iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG geht, nach der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Rechtslage. Das leitet sich aus der Übergangsvorschrift des § 242h Abs 5 AFG ab.
Nach dieser Bestimmung ist § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung für Ansprüche auf Alg ua dann weiterhin anzuwenden, wenn der Arbeitslose innerhalb der Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage vor dem 1. Januar 1988 in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat. Die Klägerin kann diese Voraussetzungen, nämlich die Zurücklegung von 360 Kalendertagen beitragspflichtiger Beschäftigung sowohl innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist (§ 104 Abs 2 und Abs 3 Halbs 1 AFG) als auch vor dem 1. Januar 1988, aufgrund ihrer Beschäftigung als Auszubildende und als Rechtsanwalts- und Notargehilfin (1. August 1983 bis 30. September 1986) nur während des Zeitraumes vom 7. April bis 6. Oktober 1988 erfüllt haben. Denn in der Zeit ab 7. Oktober 1988 hat sie innerhalb der dann jeweils maßgeblichen dreijährigen Rahmenfrist zu keinem Zeitpunkt 360 Kalendertage in beitragspflichtiger Beschäftigung gestanden. Für die Frage ihrer objektiven Verfügbarkeit iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG kommt deshalb allein das vor dem 1. Januar 1988 geltende Recht zum Tragen. Davon gehen auch die Beklagte (Widerspruchsbescheid vom 3. August 1988) und die Vorinstanzen aus.
Gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben konnte und durfte. Insoweit ist also entgegen der Auffassung des LSG unerheblich, ob die Klägerin in der Lage war, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung (§ 168 AFG) auszuüben.
Damit stellt sich die Frage, ob die Klägerin eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung (unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes) ausüben konnte (und durfte). Hierfür sind die Verhältnisse des einzelnen Falles maßgebend. Das gilt auch für Studenten.
Kurzzeitig ist seit dem 1. Januar 1988 eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 101 Abs 1 Satz 1 AFG). Die Klägerin hatte nach den Feststellungen des LSG sowohl im Sommersemester 1988 als auch im Wintersemester 1988/89 (4. und 5. Semester) jeweils 16 Wochenstunden mit Lehrveranstaltungen belegt. Zur Vor- und Nachbereitung benötigte sie weitere 16 Wochenstunden, wie das LSG aufgrund allgemein anerkannter Erfahrungswerte schätzen durfte (BSG SozR 4100 § 103 Nr 6; Urteil des Senats vom 6. Februar 1992 – 7 RAr 78/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Demnach unterlag sie, von Wegezeiten abgesehen, einer wöchentlichen Belastung von 32 Stunden. Daß diese Belastung sie hinderte, eine Arbeit von 18 Wochenstunden aufzunehmen, hat das LSG nach den bisher getroffenen Feststellungen zu Unrecht angenommen.
Gewiß gibt es eine von der Physis des Menschen bestimmte zeitliche Grenze, wie viele Stunden jemand neben einem Studium mit einer wöchentlichen Belastung von 32 Stunden (zzgl Wegezeiten) regelmäßig arbeiten kann. Anhaltspunkte dafür, daß eine solche Grenze bei 48 Stunden zu ziehen ist, wie das LSG angenommen hat, gibt es indessen nicht. Zahllose Menschen, die regelmäßig mehr als 48 Stunden in der Woche gearbeitet haben und arbeiten, beweisen das Gegenteil. Besonders in jungen Jahren und für eine Übergangszeit, wie sie das Studium darstellt, können höhere Belastungen bewältigt werden. Das LSG selbst räumt dies ein, wenn es am Schluß seines Urteils ausführt, Studenten sei es nicht verwehrt, im Einzelfalle nachzuweisen, daß sie mehr als die vom LSG als Belastungsobergrenze angenommenen 48 Stunden studieren und arbeiten könnten. Das Gesetz sieht weder eine allgemein gültige zeitliche Belastungsobergrenze vor noch trifft es eine Regelung, daß es besonderen Beweises bedarf, wenn jemand geltend macht, mehr Stunden für Studium und Arbeit aufwenden zu können, als heute im allgemeinen gearbeitet wird. Die – inzwischen aufgegebene – Rechtsprechung des BSG zum Kindergeld- und Kinderzuschlagsrecht, derzufolge die Grenze zumutbarer Belastung von Schülern durch Unterricht und Erwerbstätigkeit einschließlich Vorbereitungszeit und Wegezeiten bei insgesamt 60 Stunden wöchentlich liege (BSGE 39, 156 = SozR 2200 § 1267 Nr 8; vgl BSGE 31, 152 = SozR Nr 7 zu § 2 BKGG), setzte voraus, daß mehr als 48 Stunden, in den gegebenen Fällen bis zu 60 Stunden hierfür aufgewendet werden können. An dieser Erkenntnis (vgl dazu auch BSG SozR 4100 § 103 Nr 6), die die neueren Entscheidungen zum Kindergeldrecht nicht in Zweifel gezogen haben, ist festzuhalten. Kann aber jemand neben seinem Studium 18 oder mehr Stunden in der Woche arbeiten, steht ihm das auch dann frei, wenn ihm die Arbeit, für die er sich bereithält, neben seinem Studium nach Art oder Umfang von Rechts wegen nicht zugemutet wird. Darauf hat bereits 1977 der 12. Senat des BSG hingewiesen, und gegen Belastungen von mehr als 60 Wochenstunden keine Einwände erhoben (BSG SozR 4100 § 103 Nr 6 Seite 13). Der erkennende Senat hat in mehreren Entscheidungen denselben Standpunkt vertreten. So hat er ua herausgestellt, daß ein Arbeitsloser, der an einer vollschichtigen beruflichen Bildungsmaßnahme teilnimmt und kein Unterhaltsgeld bezieht, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und folglich Anspruch auf Alg bzw Alhi haben kann (Urteil vom 28. Oktober 1987 – 7 RAr 80/86 –, unveröffentlicht; BSG SozR 4100 § 103 Nr 46).
An dieser Auffassung ist festzuhalten. Für die Frage der objektiven Verfügbarkeit iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG ist nämlich nicht entscheidend, ob der vom Arbeitslosen angebotene Umfang der Erwerbstätigkeit innerhalb einer Zumutbarkeits-Höchstgrenze bleibt, sondern ob der Arbeitslose zu längerer als kurzzeitiger Beschäftigung objektiv in der Lage ist; wer eine halbschichtige Beschäftigung ausüben kann, steht der Arbeitsvermittlung bei entsprechender Bereitschaft unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit zur Verfügung. Das Merkmal der Zumutbarkeit hat lediglich Bedeutung für die Frage, welche Beschäftigungen der Arbeitslose nach Art und Umfang auszuüben bereit und in der Lage sein muß, um die für den erhobenen Anspruch auf Alg erforderliche Voraussetzung der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu erfüllen. Insofern beschreibt das Gesetz eine Mindestbedingung, der der Arbeitslose entsprechen muß, will er Alg erhalten. Zugleich begünstigt es ihn, indem es ihn von höheren „nicht zumutbaren”) Anforderungen freistellt, selbst wenn er diese zu erfüllen objektiv in der Lage wäre; dh der Alg-Anspruch ist grundsätzlich nicht gefährdet, wenn der Arbeitslose zur Aufnahme von nach dem Gesetz nicht zumutbaren Beschäftigungen – sei es der Art, sei es der zeitlichen Belastung nach – nicht bereit ist. Damit wird zugleich deutlich, daß der Schwerpunkt des Zumutbarkeitsbegriffs nach § 103 AFG im Bereich der subjektiven Verfügbarkeit angesiedelt ist. Seine Grenzen bestimmen mithin, was dem Arbeitslosen zur Herstellung und Aufrechterhaltung seines Alg-Anspruchs von Gesetzes wegen angesonnen wird. Deswegen zeigen sie zugleich den Rahmen auf, innerhalb dessen ihm das ArbA die Aufnahme von Arbeit ansinnen „zumuten”) darf. Hinsichtlich der zeitlichen Anforderungen mag dies nach der Marktüblichkeit zu beurteilen sein, worauf auch der Wortlaut des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG hinweist. Jedenfalls folgt aus dem Zumutbarkeitsbegriff der Vorschrift nicht ein Verbot gegenüber dem Arbeitslosen, freiwillig mehr an Belastung durch Beschäftigung auf sich zu nehmen, als er es von Rechts wegen müßte. So kann zB der auf Teilzeitarbeit verwiesene Arbeitnehmer mit der Bereitschaft (und Fähigkeit) zur Aufnahme ihm der Art nach an sich nicht zumutbarer (zB unterwertiger) Arbeiten seine Verfügbarkeit herstellen, wenn dies bei Beschränkung auf zumutbare Arbeiten nicht möglich wäre, etwa weil es dafür keinen Teilzeitarbeitsmarkt gibt. Nichts anderes gilt für die Bereitschaft zur Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenzen in zeitlicher Hinsicht. Entscheidend ist hier wie dort lediglich, daß der Arbeitslose, der so arbeiten will und darf, nach seiner Leistungsfähigkeit hierzu objektiv in der Lage ist (ähnlich: Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, Stand Mai 1991, § 103 Rz 64 ff). Allerdings ist er dann auch gehalten, Vermittlungsangebote dieser Art anzunehmen.
Aus der AZO lassen sich keine gegenteiligen Schlußfolgerungen ziehen. Sie fixiert zwar die Grenzen der regelmäßigen Arbeitszeit auf 48 (§ 3 AZO), die der höchstzulässigen Arbeitszeit auf in der Regel 60 Wochenstunden (§ 11 AZO). Indes gelten diese Beschränkungen nur im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie erfassen nicht freiwillig auferlegte Belastungen durch eine innerhalb dieser Grenzen liegende Arbeitszeit neben Belastungen anderer Art, um die es hier geht.
Eine Belastungsobergrenze läßt sich, anders als das LSG meint, auch nicht der Rechtsprechung des BSG zum Kindergeldrecht entnehmen. In der Entscheidung des 10. Senats vom 23. August 1989 – 10 RKg 5/86 – (BSG SozR 5870 § 2 Nr 64; vgl auch BSGE 65, 243 = SozR 5870 § 2 Nr 65), auf die das LSG sich stützt, spielte der Anspruch auf Ausbildungskindergeld (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Bundeskindergeldgesetz) eine Rolle. Rechtlicher Ausgangspunkt war die vorgefundene Rechtsprechung, daß eine Schul- oder Berufsausbildung nur vorliegt, wenn die Zeit und Arbeitskraft des Kindes durch sie ausschließlich oder überwiegend in Anspruch genommen wird (BSGE 21, 185, 186 = SozR Nr 13 zu § 1267 RVO; BSGE 31, 152, 153 f = SozR Nr 7 zu § 2 BKGG; BSGE 39, 156, 157 = SozR 2200 § 1267 Nr 8). In diesem Zusammenhang hat der 10. Senat für ein auszubildendes (volljähriges) Kind – unter Hinweis auf § 3 AZO – eine Belastungsobergrenze von 48 Wochenstunden für angemessen erachtet. Hierbei hat er die Zumutbarkeitsregeln des Arbeitsförderungsbereichs ausdrücklich als einen für das Gebiet des Kindergeldrechts nicht geeigneten Maßstab bezeichnet. Daraus erhellt, daß die Kindergeldrechtsprechung des BSG eine Antwort darauf geben will, was dem Auszubildenden neben der von der Ausbildung ausgehenden Belastung zeitlich an Erwerbstätigkeit noch objektiv zumutbar ist, um bewerten zu können, ob (noch) eine förderungsfähige Ausbildung vorliegt. Vergleichbar ist dies allenfalls mit der schon dargestellten Frage, was § 103 Abs 1 AFG vom Arbeitslosen hinsichtlich der zeitlichen Arbeitsfähigkeit und -bereitschaft mindestens erwartet, damit er als verfügbar angesehen werden kann. Mit der weiteren Frage, ob Verfügbarkeit auch durch eine darüber hinausgehende Arbeitsfähigkeit und -bereitschaft bewirkt werden kann, um die es hier geht, hat dies nichts zu tun.
Dafür, daß der Gesetzgeber im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG nicht eine Belastungsobergrenze zugrunde gelegt sehen wollte, spricht schließlich § 103a AFG, der vorliegend – wie die Übergangsvorschrift des § 242h Abs 5 AFG deutlich macht – allerdings nicht zur Anwendung gelangt. Nach § 103a Abs 1 AFG wird, sofern der Arbeitslose ua Student einer Hochschule ist, vermutet, daß er nur beitragsfreie Beschäftigungen ausüben kann. Diese Vermutung ist gemäß § 103a Abs 2 AFG widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, daß der Ausbildungsgang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zuläßt. Dem Gesetzgeber kann, als er § 103a Abs 2 AFG einführte, nicht verborgen geblieben sein, daß ein Studium die Arbeitskraft eines Schülers bzw Studenten im allgemeinen mindestens mit 30 bis 40 Wochenstunden in Anspruch nimmt. Voraussetzung für die Leistung von Ausbildungsförderung ist sogar, daß die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im allgemeinen „voll” in Anspruch nimmt (§ 2 Abs 5 BAföG). Die Annahme einer Belastungsobergrenze von 40 oder 48 Wochenstunden, wie sie der Beklagten bzw dem LSG vorschwebt, steht nicht nur zur Lebenswirklichkeit in Widerspruch. Sie würde die Widerlegungsmöglichkeit des § 103a Abs 2 AFG praktisch unmöglich machen und Studenten vom Zugang zu Alg-Ansprüchen weitgehend ausschließen. Dies kann – unabhängig von verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl dazu BVerfGE 74, 9, 27 f) – nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben (Heuer in Hennig/Heuer/Kühl/Henke, Komm zum AFG, Stand Februar 1992, § 103a Rz 14).
Das LSG hat – von seinem Standpunkt zu Recht – keine Feststellungen zur tatsächlichen objektiven Verfügbarkeit der Klägerin iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG getroffen. Dazu hätte ua die Prüfung der Fragen gehört, ob die Klägerin (etwa unter Berücksichtigung von Wegezeiten und ihres Leistungsvermögens) zur Ausübung der angebotenen Tätigkeit von 28 Wochenstunden in der Lage war, ob diese Tätigkeit den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprach und ob die Klägerin, wogegen die geringsten Bedenken zu bestehen scheinen, die angestrebte Tätigkeit ausüben durfte (zB fehlende Arbeitserlaubnis, Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz). Schon aus diesen Gründen muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Auf die Rüge der Klägerin, sie habe – auf der Grundlage der vom LSG angenommenen Belastungsgrenze von 48 Wochenstunden – der Arbeitsvermittlung zumindest 24 Wochenstunden zur Verfügung gestanden, kommt es, da die Sache ohnehin zurückzuverweisen ist, nicht an. Doch wird das LSG ggf auch diesem Vorbringen noch Rechnung zu tragen haben. Sollten die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG verwirklicht sein, wird das LSG des weiteren zu untersuchen haben, ob die Klägerin, was ebenfalls zur Frage der objektiven Verfügbarkeit gehört, das ArbA täglich aufsuchen konnte und für das ArbA erreichbar war (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG). Sollte auch dies zu bejahen sein, wird die Frage zu prüfen sein, ob die Klägerin der Arbeitsvermittlung subjektiv zur Verfügung gestanden hat (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Sowohl im Rahmen der objektiven wie der subjektiven Verfügbarkeit wird darauf zu achten sein, daß sämtliche Voraussetzungen während des gesamten streitigen Zeitraumes gegeben waren.
Schließlich wird das LSG zu prüfen haben, ob die Klägerin, wie aus den Verwaltungsakten der Beklagten hervorgeht, während des umstrittenen Zeitraumes Leistungen nach dem BAföG bezogen hat.
Trifft das zu, kann dem Land Hamburg gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung zustehen (§ 38 Satz 2 BAföG iVm § 104 SGB X). Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte als erfüllt (§ 107 Abs 1 SGB X). Das kann bedeuten, daß die Klägerin, auch wenn sämtliche Anspruchsvoraussetzungen während des gesamten streitigen Zeitraumes erfüllt sind, Alg nicht in voller Höhe beanspruchen kann.
Die Revision führt somit gemäß § 170 Abs 2 SGG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Dieses wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen