Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.03.1988) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. März 1988 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Vormerkung von Zeiten der Kindererziehung.
Für die am 8. November 1936 geborene Klägerin wurden in der Zeit vom 15. Oktober 1952 bis 9. April 1965 Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet. Die bis zum 31. August 1961 entrichteten Beiträge wurden der Klägerin anläßlich ihrer am 28. April 1961 erfolgten Eheschließung und die bis zum 9. April 1965 entrichteten Beiträge im Jahre 1967 gemäß § 82 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) erstattet. Die Klägerin war in der Zeit nach dem 9. April 1965 bei ihrem Ehemann beschäftigt. Auf ihren Antrag wurde sie für die Dauer dieser Beschäftigung durch Bescheid der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 30. November 1967 rückwirkend ab 1. Januar 1967 nach Art 2 § 1 Abs 1 des Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (2. RVÄndG) vom 23. Dezember 1966 (BGBl I S 745) von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit. Sie gebar am 22. Februar 1966 einen Sohn und am 6. Juni 1970 eine Tochter. Mit Urteil vom 18. April 1979 wurde ihre Ehe geschieden. Die Klägerin entrichtete ab Januar 1980 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung. Seit dem 1. Januar 1984 ist sie erneut versicherungspflichtig beschäftigt.
Auf ihren Antrag auf Anerkennung von Zeiten der Erziehung ihrer beiden Kinder erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 1986 die Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 1966 als Versicherungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung (Erziehung des am 22. Februar 1966 geborenen Sohnes) an. Eine Anerkennung des weiteren Zeitraums vom 1. Januar bis 28. Februar 1967 sowie der Zeit vom 1. Juli 1970 bis 30. Juni 1971 (Erziehung der am 6. Juni 1970 geborenen Tochter) lehnte sie unter Hinweis auf § 28a Abs 4 Buchst a) AVG idF des Art 2 Nr 8 des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I S 1450) ab, weil die Klägerin während dieser Zeiten von der Versicherungspflicht befreit gewesen und auf die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht verzichtet worden sei. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1986).
Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Juli 1987) und das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 17. März 1988). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt:
In der Person der Klägerin lägen hinsichtlich der streitigen Zeiträume die Voraussetzungen des Ausschlußtatbestandes einer Befreiung von der Versicherungspflicht iS des § 28a Abs 4 Buchst a) AVG vor. Auf die Befreiung von der Versicherungspflicht hätte sie nur bis zum 31. Dezember 1978 und dies auch nur mit Wirkung von dem auf den Monat des Zugangs der Erklärung folgenden Monat an verzichten können, so daß selbst ein nach dem 31. Mai 1971 ausgesprochener Verzicht den Zugang zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten (KEZ) nicht wieder hätte eröffnen können. § 28a Abs 4 Buchst a) AVG sei nicht verfassungswidrig. Er verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Zwar könne man bezweifeln, ob der Gesetzgeber mit dem Ausschluß der in § 28a Abs 4 Buchst a) AVG bezeichneten Personenkreise die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden habe, weil andererseits Personen durch die Zuerkennung von Kindererziehungszeiten begünstigt würden, die noch nie in irgendeiner Beziehung zur gesetzlichen Rentenversicherung gestanden hätten, wie zB Hausfrauen, die weder eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt noch freiwillige Beiträge entrichtet hätten. Hierfür ließen sich aber, ausgehend von der gesetzlichen Systematik und den vom Gesetzgeber verfolgten Zwecken, Gründe anführen, welche dieses Ergebnis nicht als ungereimt und willkürlich erscheinen ließen. Der Gesetzesbegründung sei jedenfalls mittelbar zu entnehmen, daß der Gesetzgeber bei der Anerkennung von KEZ davon ausgegangen sei, daß Frauen typischerweise durch die Kindererziehung an der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und damit an dem Aufbau eigener Rentenanwartschaften gehindert würden. Unter diesem Gesichtspunkt sei es folgerichtig, daß Personen, die während der Zeit der Kindererziehung aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit ein Einkommen erzielten, welches 75 vH des Durchschnittsentgelts aller Versicherten übersteige, durch eine dem Grunde nach bestehende Versicherungszeit der Kindererziehung gemäß § 28a Abs 1 AVG bzw durch eine Versicherung über Kindererziehungszeiten ab 1. Januar 1986 gemäß § 2a AVG im Endergebnis keinen rentenrechtlichen Vorteil hätten; die anderweitige soziale Absicherung rechtfertige die Ungleichbehandlung gegenüber erziehenden Elternteilen, welche nicht im selben Mindestmaß anderweitig abgesichert seien. Der Gesichtspunkt der anderweitigen sozialen Absicherung treffe typischerweise auch auf die Personengruppen zu, die gemäß § 6 AVG oder entsprechenden Regelungen wie Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien. Die bei ihrem Ehegatten in Beschäftigung stehenden Ehefrauen seien typischerweise durch ihre Ansprüche auf Ausgleich des Zugewinns an Vermögen, das sie durch ihre Mitarbeit vermehrt hätten, sozial abgesichert und hätten jedenfalls auf eine Sicherung in der Rentenversicherung aus freiem Willensentschluß verzichtet sowie die Entrichtung von Beiträgen an die Solidargemeinschaft erspart, so daß es nicht willkürlich erscheine, sie anders als Hausfrauen ohne eigenständige soziale Absicherung vom Erwerb von KEZ auszuschließen. Eine willkürliche Ungleichbehandlung sei auch nicht im Verhältnis zu den vor dem 1. Januar 1921 geborenen Müttern zu erblicken. Zwar enthalte das Gesetz über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 (Kindererziehungsleistungs-Gesetz -KLG-) vom 12. Juli 1987 (BGBl I S 1585) einen dem § 28a Abs 4 Buchst a) AVG entsprechenden Ausschlußtatbestand nicht, so daß auch Mütter begünstigt würden, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien. Aber bereits der Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung und der stärkeren Typisierung ließen die Differenzierung nicht willkürlich erscheinen. Außerdem würden nach den KLG keine Versicherungszeiten angerechnet, so daß auch nicht KEZ durch Beitragszeiten verdrängt werden könnten und der Gesichtspunkt der „anderweitigen sozialen Absicherung” unberücksichtigt bleibe. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei es jedenfalls vertretbar, daß versicherungsfreie bzw von der Versicherungspflicht befreite Mütter zwar nach § 28a Abs 4 Buchst a) AVG, nicht aber nach Art 2 § 61 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des KLG von einer rentenrechtlichen Begünstigung im Hinblick auf die Erziehung von Kindern ausgeschlossen seien.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine fehlerhafte Anwendung des § 28a Abs 4 Buchst a) AVG. Die Nichtanerkennung der KEZ verstoße elementar gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Befreiung von der Versicherungspflicht dürfe ihr (Klägerin) durch die erst nachträgliche gesetzliche Anspruchsschaffung nicht zum Nachteil gereichen. Eine Rechtsauslegung, aufgrund derer sie hinsichtlich der KEZ schlechter gestellt werde als Antragsteller, die bislang überhaupt keinen Bezug zur gesetzlichen Rentenversicherung gehabt hätten, sei vom Gesetzgeber nicht gewollt. Entgegen der insoweit von den Vorinstanzen geäußerten bloßen Zweifel sei es willkürlich, Personen wie sie (Klägerin) mit dem Ausschluß vom Erwerb von KEZ zu belegen; die Vorinstanzen hätten eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bejahen und die KEZ zuerkennen müssen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. März 1988 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Juli 1987 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 19. April 1986 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1986 zu verurteilen, auch die Zeiten vom 1. Januar bis 28. Februar 1967 und vom 1. Juli 1970 bis 30. Juni 1971 als weitere Zeiten der Kindererziehung vorzumerken; hilfsweise: den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 des Grundgesetzes zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 28a Abs 4 Buchst a) des Angestelltenversicherungsgesetzes vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und einen Verstoß des § 28a Abs 4 Buchst a) AVG gegen Art 3 Abs 1 GG deshalb für nicht gegeben, weil ein sachgerechter Grund für die Ungleichbehandlung vorliege. Die auf eigenen Antrag bewirkte Befreiung gemäß Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG schließe eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes in allen Fällen aus und stehe deshalb auch einer Versicherungspflicht wegen Kindererziehung entgegen. Dafür spreche auch der Wortlaut des § 28a Abs 4 Buchst a) AVG, wonach KEZ auch bei den von der Versicherungspflicht Befreiten berücksichtigt werden sollten, die auf die Befreiung verzichtet hätten. Dieses Ergebnis sei sachgerecht, weil KEZ vom Grundsatz her eine versicherungspflichtige Beschäftigung ersetzen sollten und es eines Schutzes der Personen nicht bedürfe, die anderweitig gesichert seien bzw sich einem anderen Versorgungssystem als der gesetzlichen Rentenversicherung zugewandt hätten.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klägerin begehrt die „Vormerkung” (Anerkennung, Feststellung) von Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 außerhalb eines Leistungsverfahrens (zum Rechtscharakter eines solchen „Vormerkungsbescheides” vgl ua BSGE 56, 165, 169 ff = SozR 1300 § 45 Nr 6 S 15 ff; BSGE 58, 49, 51 ff = SozR aaO Nr 15 S 39 ff; BSGE 61, 223, 225 = SozR aaO Nr 28 S 89 f). Materiell-rechtliche Grundlage dieses Anspruchs ist § 28a Abs 1 Satz 1 AVG idF des Art 2 Nr 8 HEZG. Hiernach werden für die Erfüllung der Wartezeit – und damit zugleich bei der Ermittlung der für die Höhe der Rente maßgebenden Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (vgl § 35 Abs 1 AVG idF des Art 2 Nr 11 HEZG) – Müttern und Vätern, die nach dem 31. Dezember 1920 geboren sind, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 in den ersten zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet, wenn sie ihr Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder in dem jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben. Diese Voraussetzungen sind in der Person der am 8. November 1936 geborenen Klägerin bezüglich der Erziehung ihrer am 22. Februar 1966 und 6. Juni 1970 geborenen Kinder erfüllt. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist allein, ob der von der Klägerin begehrten Vormerkung des nach dem 31. Dezember 1966 liegenden Zeitraums der Erziehung ihres Sohnes und der Zeit der Erziehung ihrer Tochter § 28a Abs 4 Buchst a) AVG entgegensteht.
Hiernach gilt § 28a Abs 1 bis 3 AVG nicht für Mütter und Väter, die während der Kindererziehung zu den in § 6 AVG oder entsprechenden früheren Regelungen genannten Personen gehörten oder von der Versicherungspflicht befreit waren, es sei denn, daß eine Nachversicherung durchgeführt oder an deren Stelle eine Abfindung gezahlt oder auf die Befreiung von der Versicherungspflicht verzichtet worden ist.
Die Klägerin ist während der hier streitigen Zeiträume vom 1. Januar bis 28. Februar 1967 und vom 1. Juli 1970 bis 30. Juni 1971 von der Versicherungspflicht befreit gewesen. Die ursprünglich bestehende Versicherungsfreiheit von Personen, die bei ihrem Ehegatten in Beschäftigung stehen (§ 4 Abs 1 Nr 2 AVG in der bis zum 31. Dezember 1966 geltenden Fassung des AnVNG vom 23. Februar 1957; BGBl I S 88), ist mit Wirkung ab 1. Januar 1967 aufgehoben worden (Art 1 des 2. RVÄndG). Flankierend dazu hat Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG bestimmt, daß Ehegatten, die am 31. Dezember 1966 bei ihrem Ehegatten in Beschäftigung standen und für die aufgrund des Art 1 am 1. Januar 1967 Versicherungspflicht eintritt, auf Antrag für die Dauer dieser Beschäftigung bei ihrem Ehegatten von der Versicherungspflicht zu befreien sind. Die Klägerin hat einen entsprechenden Antrag gestellt und ist daraufhin durch Bescheid der Beklagten vom 30. November 1967 rückwirkend für die Zeit ab 1. Januar 1967 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden. Auf die Befreiung hat sie in der Folgezeit nicht verzichtet. Ein solcher Verzicht ist zunächst unzulässig gewesen (vgl BSGE 34, 277, 278 ff = SozR Nr 1 zu Art 2 § 1 des 2. RVÄndG vom 23. 12. 1966). Später ist durch Art 2 § 1b AnVNG idF des Art 2 § 5 Nr 1 des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I S 1040) dem von der Versicherungspflicht Befreiten die Möglichkeit eingeräumt worden, bis zum 31. Dezember 1978 gegenüber dem Versicherungsträger zu erklären, daß die Befreiung von der Versicherungspflicht enden solle. Die Klägerin hat eine solche Erklärung nicht abgegeben. Damit braucht auf die vom LSG erörterte und verneinte Frage, ob ein Verzicht auf die Befreiung von der Versicherungspflicht die Möglichkeit einer Anrechnung der in der Zeit vor Abgabe der Verzichtserklärung zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung eröffnet, jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit nicht eingegangen zu werden.
Die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG während einer vor dem 1. Januar 1986 zurückgelegten Zeit der Kindererziehung schließt nach § 28a Abs 4 Buchst a) AVG deren Berücksichtigung als Versicherungszeit aus. Das hat das LSG zutreffend und im Einklang mit der einhelligen Auffassung im Schrifttum entschieden (vgl Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, 7. Aufl, Stand Juli 1989, § 1251a RVO, Anm 8b; Kommentar zum Vierten und Fünften Buch der Reichsversicherungsordnung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger – Verbandskommentar –, Band I, Stand 1. Januar 1989, § 1251a RVO, Rdn 39; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl, Band 2, Stand Juni 1989, § 1251a RVO, Anm VIII).
§ 28a Abs 4 Buchst a) AVG (= § 1251a Abs 4 Buchst a der Reichsversicherungsordnung – RVO – idF des Art 1 Nr 19 HEZG) in seinem für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Umfang – dh soweit danach Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 dann und insoweit nicht zu berücksichtigen sind, wenn und wie sie mit Zeiten der Befreiung von der Versicherungspflicht nach Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG zusammenfallen –, ist mit dem GG vereinbar. Nicht festzustellen ist insbesondere eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG. Der erkennende Senat sieht sich deshalb nicht veranlaßt, entsprechend dem Hilfsantrag der Revision gemäß Art 100 Abs 1 GG das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist Art 3 Abs 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl ua BVerfGE 78, 232, 247 = SozR 5850 § 14 Nr 11 S 20; BVerfGE 79, 87, 98 = SozR 2200 § 183 Nr 54 S 156; BVerfGE 79, 106, 121f; jeweils mwN). Dabei hat der Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, deren Grenzen erst dann überschritten werden, wenn eine vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung sich – sachbereichsbezogen – nicht mehr auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen läßt (BVerfGE 79, 249, 287 mwN). Das aus Art 3 Abs 1 GG herzuleitende und auch den Gesetzgeber bindende Willkürverbot bedeutet, daß bei der Auswahl der Tatbestände, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß, dh nach Gesichtspunkten, die sich aus der Eigenart des zu regelnden Sachverhaltes ergeben, in diesem Sinne also nicht „willkürlich” zu verfahren ist (BVerfGE 80, 109, 118 mwN).
§ 28a Abs 4 Buchst a) AVG, soweit danach Mütter und Väter, die während der Kindererziehung in der Zeit vor dem 1. Januar 1986 nach Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG von der Versicherungspflicht befreit gewesen sind, von der Berücksichtigung von KEZ ausgeschlossen werden, ist nicht willkürlich. Die Regelung ist durch sachbezogene und einleuchtende Gründe gerechtfertigt (ebenso für den Ausschluß der Beamten Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. Juni 1988 – L 10 An 678/87 – = SGb 1988, 498 LS). Nach der Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz – HEZG –) (BR-Drucks 500/84, BT-Drucks 10/2677, jeweils S 34 f zu Art 1 Nr 19 betreffend die Einfügung des § 1251a RVO) enthält die damals als Abs 2 vorgesehene Vorschrift eine Parallelregelung zu § 1231a RVO, wonach Frauen, die zu dem in § 1229 RVO genannten Personenkreis gehören, von der Versicherungspflicht befreit sind oder Versorgungsansprüche nach dem Abgeordnetengesetz, dem Bundesministergesetz oder dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre erhalten haben, nicht durch die Berücksichtigung von KEZ in das Sicherungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen werden sollen. Ihre geltenden Fassungen haben § 28a Abs 4 Buchst a) AVG und § 1251a Abs 4 Buchst a) RVO in der Beschlußempfehlung des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 10/3518, S 22f und 13f) erhalten, wobei jedoch der neu eingefügte Abs 4 im wesentlichen dem Abs 2 idF des Regierungsentwurfs hat ensprechen und durch die Änderung in Buchst a) lediglich hat klargestellt werden sollen, daß Zeiten der Kindererziehung auch bei den Frauen berücksichtigt werden sollten, die – was bei Entlassungen bis zum 31. August 1977 möglich gewesen sei – beim Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis eine Abfindung erhalten hätten und deshalb nicht nachversichert worden seien (vgl Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung; BT-Drucks 10/3519, S 15).
Die Motive zum HEZG ergeben somit, daß der Gesetzgeber mit der Einfügung der § 28a Abs 4 AVG und § 1251a Abs 4 RVO von der Berücksichtigung der Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 diejenigen erziehenden Elternteile hat ausschließen wollen, die während der Kindererziehung entweder einem anderen System der sozialen Sicherung mit der Folge von Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung angehört haben und in diesem anderen System auch später verblieben sind oder aufgrund eigenen Antrages (zB gemäß § 7 AVG oder Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG) oder Antrages des Arbeitgebers (zB gemäß § 8 AVG) von der Versicherungspflicht befreit worden sind und damit bewußt und gewollt auf die Einbeziehung in das soziale Schutzsystem der gesetzlichen Rentenversicherung „verzichtet” haben. In notwendigerweise generalisierender und pauschalierender Betrachtungsweise muß auch bei letzterem Personenkreis, selbst wenn anders als in §§ 7 und 8 AVG (= §§ 1230, 1231 RVO) vorausgesetzt die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht wegen der Bewilligung oder Gewährleistung lebenslänglicher Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen erfolgt ist, davon ausgegangen werden, daß er entweder wegen der Einbeziehung in ein anderes soziales Sicherungssystem oder – wie dies vor allem für die nach Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG von der Versicherungspflicht Befreiten zutrifft – wegen Fehlens eines Bedürfnisses nach eigenständiger sozialer Absicherung nicht des Schutzes durch die gesetzliche Rentenversicherung bedarf. Dann aber ist es sachlich gerechtfertigt und systemgerecht, diesen Schutz auch für Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 zu versagen. Das muß um so mehr gelten, als das System der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Grundprinzipien versicherungsmäßiger Eigenvorsorge für die Risiken Invalidität, Alter und Tod und des sozialen Ausgleichs innerhalb der Versichertengemeinschaft sowie zwischen ihr und dem Staat beruht und nunmehr durch die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 wie zuvor schon durch die Anerkennung von Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten die Lücke im Versicherungsschutz nach den Regeln des sozialen Ausgleichs geschlossen wird, wenn der Versicherte an einer Vorsorge durch eigene Beitragsleistung aus von ihm nicht zu vertretenden, teils im Verantwortungsbereich der Allgemeinheit, teils in der persönlichen Sphäre liegenden Umständen gehindert gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1255a Nr 20 S 65 f). Derartige nicht zu vertretende und deshalb sozial ausgleichsbedürftige Umstände liegen nicht vor, wenn ein dem Grunde nach versicherungspflichtig Beschäftigter sich gem Art 2 § 1 Abs 1 des 2. RVÄndG von der Versicherungspflicht hat befreien lassen, sich damit aus eigenem Entschluß gegen eine (weitere) Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft aller Versicherten entschieden hat und dadurch zugleich der Verpflichtungen ledig geworden ist, die mit dieser Zugehörigkeit verknüpft sind. Daß dann gleichwohl die Versichertengemeinschaft durch eine rentenrechtliche Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 einstehen soll, ist weder geboten noch auch nur gerechtfertigt.
Hieraus folgt zugleich, daß eine mit Art 3 Abs 1 GG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung zweier Gruppen von Normadressaten nicht darin liegt, daß bei Müttern und Vätern, welche bislang keinen Bezug zur gesetzlichen Rentenversicherung gehabt haben, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 als Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden, wohingegen dies bei Müttern und Vätern für denjenigen Zeitraum in den ersten zwölf Monaten nach der Geburt des Kindes, in dem sie zwar eine dem Grunde nach versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben, aber von der Versicherungspflicht befreit gewesen sind, durch § 28a Abs 4 Buchst a) AVG ausgeschlossen wird. Die Einbeziehung ersterer Gruppe der Normadressaten in die begünstigende Regelung des § 28a Abs 1 bis 3 AVG ist deshalb gerechtfertigt, weil sie während des Zeitraums der Kindererziehung weder einem anderen System der sozialen Sicherung angehört noch die Möglichkeit des Erwerbs einer sozialen Absicherung gegen die Risiken Invalidität, Alter und Tod innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung besessen haben, so daß bei ihnen mangels einer anderweitigen sozialen Absicherung der für die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 geltende Grundsatz der Subsidiarität (vgl BSG SozR 2200 § 1255a Nr 20 S 66) nicht eingreifen und ihre soziale Sicherung für den Zeitraum der Kindererziehung allein durch dessen Berücksichtigung als Versicherungszeit erreicht werden kann. Diese Erwägungen treffen nicht zu auf Mütter und Väter, die während der Zeit der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 von der Versicherungspflicht befreit gewesen sind und auf diese Befreiung nicht nachträglich verzichtet haben. Bei ihnen kann und muß davon ausgegangen werden, daß sie sich deswegen gegen die dem Grunde nach gegebene Möglichkeit einer Einbeziehung in das Sicherungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden haben, weil sie anderweitig abgesichert gewesen sind oder, wie dies im Falle einer Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Beschäftigung beim Ehegatten regelmäßig anzunehmen ist, eine eigenständige soziale Absicherung nicht für erforderlich erachtet haben. Dies rechtfertigt unter Heranziehung des für die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung geltenden Grundsatzes der Subsidiarität den durch § 28a Abs 4 Buchst a) AVG bewirkten Ausschluß dieses Personenkreises.
Der erkennende Senat folgt dem LSG darin, daß eine willkürliche Ungleichbehandlung auch nicht im Verhältnis zu den vor dem 1. Januar 1921 geborenen Müttern vorliegt. Allerdings wird diesen Müttern von den in Art 2 § 61 Abs 2 AnVNG idF des KLG genannten Zeitpunkten an bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen die sog „Leistung für Kindererziehung” auch dann gewährt, wenn sie im Zeitpunkt der Lebendgeburt eines Kindes oder während der ersten zwölf Monate nach Ablauf des Monats der Geburt in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen sind. Dies ist nach der Konzeption und Zielsetzung des KLG folgerichtig. Entgegen ihrer unzutreffenden Bezeichnung als „Leistung für Kindererziehung” ist anspruchsauslösender Tatbestand für die Gewährung der ausschließlich leiblichen Müttern (dazu Urteil des BSG vom 29. März 1990 – 4 RA 58/89 –) zustehenden Leistung nicht die Erziehung eines Kindes während der ersten zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats seiner Geburt, sondern allein dessen Lebendgeburt, so daß die so bezeichnete „Leistung für Kindererziehung” einer vor dem 1. Januar 1921 geborenen leiblichen Mutter auch dann zu gewähren ist, wenn sie das Kind während der ersten zwölf Monate nach Ablauf des Monats seiner Geburt nicht erzogen hat, etwa weil es vor dem Ende dieses Zeitraums adoptiert worden oder verstorben ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß im Interesse eines möglichst einfachen Verwaltungsverfahrens die Geburt und nicht die Erziehung während des ersten Lebensjahres des Kindes Voraussetzung für die „Leistung für Kindererziehung” sein soll, weil sich die Geburt eines Kindes „weitgehend problemlos nachweisen” läßt (vgl BR-Drucks 60/87, S 20; BT-Drucks 11/197, S 9). Schon von daher kann dem Umstand, daß die anspruchsberechtigte Mutter während der zwölf Monate nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen ist, keine Relevanz zukommen. Überdies haben nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers auch diese Mütter begünstigt werden sollen, weil, wenn man sie entsprechend der Regelung im HEZG von der Begünstigung ausschließen wollte, dies bedeuten würde, daß in allen Fällen zeitlich und verwaltungsmäßig aufwendig geprüft werden müßte, ob die Mutter im Zeitpunkt der Geburt – jedes – ihrer Kinder versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei (vgl BR-Drucks und BT-Drucks aaO). Ob derartige Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität die Gewährung der Leistung wegen Lebendgeburt eines Kindes an die im Zeitpunkt der Geburt versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht befreiten Mütter zu rechtfertigen vermögen, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Jedenfalls kann aus dieser Sonderregelung zugunsten der vor dem 1. Januar 1921 geborenen leiblichen Mütter nicht unter Berufung auf Art 3 Abs 1 GG hergeleitet werden, daß eine entsprechende Sonderregelung auch für die durch § 28a AVG begünstigten, nach dem 31. Dezember 1920 geborenen Mütter und Väter gelten müsse, weil bei ihnen die vom Gesetzgeber des KLG angestellten Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität nicht oder zumindest nicht in demselben Ausmaße eingreifen.
Die Revision der Klägerin ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1173344 |
BSGE, 288 |