Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Zweifamilienhaus. Angemessenheit des Hausgrundstücks. Wohnflächengrenze. Verwertbarkeit. dingliches lebenslanges Wohnrecht der Eltern. Härte
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann ein Hausgrundstück verwertbar und die Gewährung von Sozialhilfe deshalb ausgeschlossen ist.
Normenkette
BSHG § 88 Abs. 1 Fassung: 2003-11-25, Abs. 2 Nr. 7 S. 1 Fassung: 2003-11-25, S. 2 Fassung: 2003-11-25, Abs. 3 S. 1 Fassung: 2003-11-25; SGB 12 § 90 Abs. 1, 2 Nr. 8, Abs. 3 S. 1; SGB 2 § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4; WoBauG 2 § 39
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Streit ist die Gewährung von Sozialhilfe für die Zeit vom 26.4. bis 31.12.2004 als Zuschuss statt als Darlehen.
Die Klägerin zu 2 ist Eigentümerin eines Zweifamilienhauses auf einem 888 qm großen Grundstück. Die Wohnfläche des Hauses beträgt 219 qm; 130 qm entfallen auf die Wohnung im Erdgeschoss. Die Kläger (geboren 1968 und 1969) wohnen mit ihren beiden Kindern (geboren 1994 bzw 1999) im Erdgeschoss, die Eltern (geboren 1936 bzw 1945) der Klägerin zu 2 im Obergeschoss des Hauses. Den Eltern ist mit notariellem Vertrag (vom 5.8.1999) ein grundbuchrechtlich gesichertes Wohnungsrecht für sämtliche Räume des Obergeschosses eingeräumt.
Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 (Eheleute) beantragten am 26.4.2004 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nachdem der Beklagte ihnen mitgeteilt hatte, dass das Hausgrundstück nicht als Schonvermögen anzusehen sei und die Gewährung von Sozialhilfe deshalb nur als Darlehen in Betracht komme, schlossen die Klägerin zu 2 und der Beklagte einen Darlehensvertrag über 34.000 Euro, gesichert durch eine Höchstbetragshypothek. Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligte der Beklagte den Klägern und ihren Kindern für die Zeit vom 26.4. bis 31.8.2004 als Darlehen (Bescheid vom 20.7.2004; Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005) . In der Folgezeit ergingen weitere Bescheide, und zwar für August 2004 und die Folgemonate bis Ende 2004 (Bescheid vom 26.8.2004; Bescheid vom 12.10.2004, Widerspruchsbescheid dazu vom 23.2.2005; Bescheid vom 30.11.2004; Bescheid vom 14.12.2004; zwei Bescheide über die Ablehnung bzw Bewilligung von Einmalleistungen, vom 13.12.2004, Widerspruchsbescheid dazu vom 23.2.2005, bzw Bescheid vom 23.3.2005).
Das Sozialgericht (SG) Aachen hat den Beklagten, nachdem die Kläger zunächst in einem gesonderten Verfahren Untätigkeitsklage wegen der Nichtbescheidung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 20.7.2004 erhoben hatten, im vorliegenden Verfahren unter Aufhebung des Bescheides vom 20.7.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2005 verurteilt, "die Leistungen nach dem BSHG als Beihilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen" (Urteil vom 28.2.2007) . Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW) das Urteil des SG "geändert und die Klage abgewiesen" (Urteil vom 12.12.2007) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, den Klägern stünden Sozialhilfeleistungen nicht zu, weil die Klägerin zu 2 Vermögen in Form des Hausgrundstückes besitze; dieses Hausgrundstück sei kein Schonvermögen. Zum einen überschreite die Gesamtwohnfläche von 219 qm die angemessene Wohnflächengrenze für sechs Personen um 49 qm. Zum anderen sei auch das Hausgrundstück mit 888 qm unangemessen groß; nach den Gepflogenheiten des öffentlich geförderten Wohnungsbaus sei eine Grundstücksgröße lediglich bis zu 500 qm angemessen. Dieses Vermögen sei auch rechtlich und tatsächlich verwertbar, und die Verwertung stelle keine Härte im Sinne des § 88 Abs 2 Nr 7 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) dar.
Die Kläger rügen einen Verstoß gegen § 88 Abs 1 und Abs 2 Nr 7 BSHG. Soweit das LSG auf die Gesamtwohnfläche von 219 qm abstelle, sei dies unzulässig. Mit 130 qm sei die ihnen zustehende Wohnfläche ohne das von den Eltern bewohnte Obergeschoss jedenfalls angemessen. Soweit das LSG eine maximale Grundstücksgröße von 500 qm angenommen habe, sei diese Entscheidung überraschend, weil auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen sei. Das LSG habe ihnen (den Klägern) keine Gelegenheit gegeben, vorzutragen, ob ein über die angemessene Grundstücksgröße hinausgehender Teil überhaupt selbstständig verwertbar sei. Ohnedies sei das Grundstück schon deshalb nicht verwertbar - zumindest sei die Verwertung eine Härte -, weil die im Grundbuch eingetragene Höchstbetragshypothek zu einer Gefährdung des Wohnungsrechts der Eltern führen könne, wenn sie (die Kläger) vor den Eltern verstürben.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung der LSG-Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) . Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für eine abschließende Entscheidung durch den Senat. Dies gilt insbesondere für die Prüfung, ob das Hausgrundstück der Klägerin zu 2 unangemessen und - wenn dies zu bejahen wäre -, rechtlich und tatsächlich verwertbar ist und ob bei Verwertbarkeit die Verwertung eine Härte darstellen würde.
Gegenstand des Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid des Beklagten vom 20.7.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2005 (§ 95 SGG) , mit dem der Beklagte die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 26.4. bis 31.8.2004 als Darlehen bewilligt und damit - gegenläufig - die Leistung als Zuschuss abgelehnt hat. Dagegen wehren sich die Kläger mit kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nach § 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG (vgl BSG, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - RdNr 13; Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R - RdNr 16) . Der Beklagte, der bereits gezahlt hat, kann nicht erneut zur Zahlung verurteilt werden; lediglich der Rechtsgrund der Zahlung muss verändert werden (Zuschuss statt Darlehen). Allerdings haben sowohl das SG als auch das LSG übersehen, dass der Beklagte nach dem Bescheid vom 20.7.2004 weitere Bescheide erlassen hat, die (ganz oder teilweise) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gemäß § 86 SGG geworden sein können. Es handelt sich hierbei um die Bescheide vom 26.8.2004 über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für August und September 2004, vom 12.10.2004 über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für Oktober 2004 (Widerspruchsbescheid dazu vom 23.2.2005), vom 30.11.2004 über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für November und Dezember 2004 sowie vom 14.12.2004 über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für Dezember 2004.
Darüber hinaus hat der Beklagte nach Aktenlage mit Bescheid vom 13.12.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.2.2005) eine Einmalleistung abgelehnt und mit Bescheid vom 23.3.2005 für die Zeit vor 2005 eine Einmalleistung in bestimmter Höhe zugebilligt. Inwieweit all diese oder einzelne Bescheide Gegenstand des Widerspruchsverfahrens betreffend den Bescheid vom 20.7.2004 geworden sind, wird das LSG bei seiner erneuten Entscheidung zu prüfen haben. Der Senat hält eine eigene Entscheidung hierüber für untunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) . Sollte sich indes bei einer Prüfung ergeben, dass § 86 SGG - etwa im Hinblick darauf, dass es sich bei den bezeichneten Bescheiden nicht um abändernde Bescheide gegenüber dem Bescheid vom 20.7.2004 handelt, weil sie ausschließlich Neubewilligungen für Folgezeiträume beinhalten (vgl zu dieser Problematik im Zusammenhang mit § 96 SGG: BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8) - keine Anwendung findet, müsste das LSG sein Augenmerk in besonderer Weise auf die Frage richten, ob diese Bescheide, gegen die sich die Kläger nach ihrem Antrag in der ersten Instanz und nach dem umfassenden Tenor des SG-Urteils gewandt haben, nicht bereits bei Klageerhebung bestandskräftig waren bzw ob oder inwieweit die Klage überhaupt innerhalb der Klagefrist des § 87 SGG erhoben worden ist. Ggf wird auch der Erlass von Widerspruchsbescheiden abzuwarten seien.
In der Sache ist sowohl nach den Anträgen der Kläger als auch nach der Entscheidung des SG, die durch die Revisionen wiederhergestellt werden soll, nicht über die Höhe der Leistungen zu befinden, sondern lediglich darüber, dass die zugebilligten Darlehensleistungen (vgl § 89 BSHG) als Zuschussleistungen hätten gewährt werden müssen. Dabei wird das LSG jedoch, soweit es die oben bezeichneten Folgebescheide betrifft, zu prüfen haben, ob die Leistungen nicht mit diesen Bescheiden ohnedies nach dem Empfängerhorizont (vgl dazu: BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 8/07 R - RdNr 12) - abweichend vom Bescheid vom 20.7.2004 - als Zuschüsse bewilligt worden sind, sodass dem klägerischen Begehren ohnedies für einen bzw mehrere Teilzeiträume des Jahres 2004 Rechnung getragen, seine Klage jedoch insoweit mangels Beschwer unzulässig wäre (vgl zu einer solchen Konstellation das Senatsurteil vom 17.6.2008, aaO) .
Zu Recht haben die Kläger von Anfang an ihre Klagen gegen den nach § 70 Nr 3 SGG beteiligtenfähigen Bürgermeister der Gemeinde N, organisatorisch Behörde der Gemeinde, funktional als Behörde des Kreises D handelnd, gerichtet. Träger der Sozialhilfe in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt ist vorliegend zwar der Kreis Düren (vgl §§ 9, 97 Abs 1, 96 Abs 1, 99 BSHG) . Allerdings sieht das nordhrein-westfälische Landesrecht in § 3 des Gesetzes zur Ausführung des BSHG für das Land NRW vom 15.6.1999 (Gesetz- und Verordnungsblatt NRW 393) vor, dass die Kreise als örtliche Träger der Sozialhilfe kreisangehörige Gemeinden zur Durchführung der ihnen als Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben durch Satzung heranziehen können. Grundlage einer solchen Heranziehung ist § 96 Abs 1 BSHG; dadurch verliert der örtliche Träger der Sozialhilfe jedoch nicht seine Zuständigkeit (vgl dazu BSGE 99, 252 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, jeweils RdNr 11) . Vielmehr handelt es sich um ein auftragsähnliches Verhältnis.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Kreis D die Gemeinde N durch Satzung vom 16.4.2003 über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis D nach dem BSHG herangezogen, die nach § 1 Abs 1 dieser Satzung insoweit in eigenem Namen handelt. Diese Heranziehung wird nicht durch § 4 Abs 2 dieser und der ab 1.1.2005 geltenden Satzung vom 29.12.2004 dadurch rückgängig gemacht, dass der Träger der Sozialhilfe selbst im Klageverfahren die Prozessvertretung der Städte und Gemeinden übernimmt. Bereits der Wortlaut der Regelung verdeutlicht, dass Gegenstand dieser Norm lediglich die Vertretung im Gerichtsverfahren ist, nicht die Rückgängigmachung der Heranziehung für die Zeit ab Klageerhebung. Es verbleibt mithin bei der Zwitterstellung des Bürgermeisters auf der einen Seite als Organ und Behörde der Gemeinde und auf der anderen Seite als Behörde, die eigenverantwortlich Aufgaben des Kreises wahrnimmt.
Ob den Klägern nach § 11 Abs 1 iVm § 12 BSHG, §§ 21 bis 23 BSHG sowie den Vorschriften der zu § 22 ergangenen Regelsatzverordnung die gewährten Sozialhilfeleistungen statt als Darlehen als Zuschuss zustehen, kann der Senat nicht beurteilen. Nach § 11 Abs 1 BSHG ist die Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Dabei sind bei nicht getrennt lebenden Ehegatten das Einkommen und das Vermögen beider Ehegatten zu berücksichtigen (§ 11 Abs 1 Satz 2 BSHG) . Hierzu enthalten die §§ 76 ff BSHG konkretisierende Vorschriften. Ausgehend von seiner Rechtsansicht hat das LSG keinerlei tatsächliche Feststellungen dazu getroffen, ob bei den Klägern neben dem Hausgrundstück der Klägerin zu 2 weiteres Einkommen bzw Vermögen vorhanden war. Ob andererseits - wie vom LSG angenommen - die Gewährung der Leistungen als Zuschuss bereits daran scheitert, dass das Hausgrundstück verwertbares Vermögen ist, vermag der Senat auf Grund der unzureichenden tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen.
Nach § 88 Abs 2 Nr 7 BSHG darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das vom Hilfesuchenden oder einer anderen in den §§ 11, 28 genannten Personen allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach seinem Tod bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zB Behinderter, Blinder oder Pflegebedürftiger), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Nach § 88 Abs 3 BSHG darf die Sozialhilfe ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Bei seiner Entscheidung hat sich das LSG indes ausschließlich mit der Wohnraum- und des Grundstücksgröße befasst. Damit hat es nicht auf alle im Gesetz genannten Angemessenheitsfaktoren im Sinne der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entwickelten Kombinationstheorie (BVerwGE 59, 294, 301 f; 87, 278, 282 f; 89, 241, 243; 90, 252, 254 f) rekurriert und bei der Frage der Verwertbarkeit nicht hinreichend das dingliche Wohnungsrecht der Eltern der Klägerin zu 2 und die sonstigen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin zu 2 und ihren Eltern ermittelt und berücksichtigt. Dies wird es bei seiner erneuten Entscheidung nachzuholen haben.
Zur Prüfung der Angemessenheit des Hausgrundstücks iS des § 88 Abs 2 Nr 7 Satz 1 und 2 BSHG schließt sich der Senat der überzeugenden Rechtsprechung des BVerwG im Sinne der Kombinationstheorie (s oben) an. Danach ist die Angemessenheit nach Maßgabe und Würdigung aller in § 88 Abs 2 Nr 7 BSHG bezeichneten personen-, sach- und wertbezogenen Kriterien zu beurteilen; soweit ein einzelnes Kriterium unangemessen ist, führt dies also nicht automatisch zur Unangemessenheit des Hausgrundstücks. Insoweit ist nicht ausschlaggebend, dass das LSG den Faktor Hausgröße richtig bewertet hat.
Ausgehend vom Alleineigentum der Klägerin zu 2 (vgl zur Notwendigkeit, auf die Eigentumsverhältnisse abzustellen: BVerwGE 90, 252 ff; Brühl/Geiger in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII ≪LPK-SGB XII≫, 8. Aufl 2008, § 90 SGB XII RdNr 43) ist die Angemessenheit für sechs Personen (Kläger und deren Kinder, zusätzlich die Eltern der Klägerin zu 2) zu bestimmen. Schon nach Wortlaut und Systematik der Regelungen ist also nicht nur auf die Größe der Wohnung im Erdgeschoss abzustellen. Andererseits sind die Eltern der Klägerin Angehörige iS des § 16 Abs 5 Nr 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ≪SGB X≫), an dem sich die Auslegung des Begriffs des Angehörigen orientieren kann (vgl dazu in anderem Zusammenhang BSGE 91, 221 ff = SozR 4-4300 § 147 Nr 1, jeweils RdNr 16) . Die fünf Personen (Kläger zu 1, Kinder, Eltern) sollen auch nach dem Tod der Klägerin zu 2 das Haus bewohnen.
Soweit es die Beurteilung der angemessenen Hausgröße als solche betrifft, schließt sich der Senat - auch aus Gründen der Harmonisierung (zur Notwendigkeit Coseriu in Bender/Eicher, Sozialrecht - eine Terra incognita, 2009, 225, 255 f) den überzeugenden Ausführungen der für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Sozialgesetzbuch Zweites Buch ≪SGB II≫) zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II an (vgl: BSGE 97, 203 ff RdNr 21 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3; BSGE 98, 243 ff RdNr 22 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7; Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 16 ) . Danach ist die angemessene Größe eines selbst genutzten Hausgrundstücks nach den Vorgaben des Zweiten Wohnungsbaugesetzes mit einem Grenzwert von 130 qm für einen Vier-Personen-Haushalt zu bestimmen, der sich für jede weitere Person um 20 qm erhöht. Vorliegend ergibt sich auf diese Weise ein angemessener Wohnraum von 170 qm. Zwar bedürfen diese Größen je nach Umständen des Einzelfalles einer Anpassung nach oben (BSGE 97, 203 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, jeweils RdNr 22; Knickrehm in Bender/Eicher, Sozialrecht - eine Terra incognita, 2009, 193, 217) . Umstände des Einzelfalls sind indes nicht ersichtlich und vom LSG nicht festgestellt. Die angemessene Größe von sechs Personen ist schließlich auch dann noch überschritten, wenn man mit den für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senaten des BSG bei einer Überschreitung der Wohnflächenobergrenze um nicht mehr als 10 vH mit Rücksicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch von einer angemessenen Wohnfläche ausgeht (BSGE 97, 203 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, jeweils RdNr 23) .
Ob andererseits die Größe des Hausgrundstücks - wie vom LSG angenommen - unangemessen ist, kann ohne weitere tatsächliche Feststellungen bzw Ermittlungen nicht beurteilt werden. Insoweit sind die in der Praxis angewandten Grenzwerte von 500 qm für ein freistehendes Haus (vgl etwa Brühl/Geiger in LPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 51) bzw für den ländlichen Raum (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 90 SGB XII RdNr 35) allenfalls Anhaltspunkte, die überschritten werden können, wenn sich die Größe des betroffenen Hausgrundstücks im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten hält (vgl zu diesen Kriterien BVerwGE 87, 278, 282 f) . Dies wird das LSG bei seiner erneuten Entscheidung im Rahmen der erforderlichen Individualisierung (§ 3 BSHG) ebenso zu berücksichtigen haben wie die Anzahl der das Hausgrundstück nutzenden Personen. Ob das Hausgrundstück andererseits bei entsprechender Größe teilbar ist, ist keine Frage der Angemessenheit der Größe des Hausgrundstücks, sondern erst der Verwertbarkeit eines unangemessenen Hausgrundstücks (vgl dazu BSGE 100, 186 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, jeweils RdNr 29) .
Die Verwertbarkeit des Hausgrundstücks wird das LSG genauer unter rechtlichen und tatsächlichen Aspekten (BSGE 100, 131 ff = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, jeweils RdNr 15) zu prüfen haben; Fragen der Zumutbarkeit der Verwertung sind erst bei der Prüfung des Härtefalls zu berücksichtigen. Insbesondere sind die Vereinbarungen der Klägerin zu 2 mit ihren Eltern zu beachten. Immerhin besteht eine Pflegepflicht gegenüber den Eltern, die durchaus an das gemeinsame Wohnen in dem Haus gebunden sein könnte. Zwar würde dies eine Verwertung im Sinne einer Beleihung rechtlich nicht verhindern; jedoch bedürfte es insoweit einer genaueren Eruierung, ob die Immobilie überhaupt bei der vorhandenen dinglichen Belastung mit dem Wohnungsrecht und der finanziellen Situation der Kläger realisierbar ist. Dass zugunsten des Sozialhilfeträgers eine Höchstbetragshypothek eingetragen worden ist, ist kein Beleg dafür, dass private Kreditinstitute bereit gewesen wären, den Klägern Geld zur Verfügung zu stellen. Gerade die dingliche Belastung des Hausgrundstücks bietet außerdem Anlass, die faktische Verwertbarkeit durch Verkauf nicht einfach zu unterstellen. Entscheidungserheblich ist ggf auch, ob sich die Möglichkeit einer Verwertung in einem zeitlich vorhersehbaren Rahmen bewegt (BSG, aaO, RdNr 15 und 18) . Selbst wenn die Rechtsprechung des BSG zu § 12 Abs 1 SGB II (BSGE 99, 248 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 6) nicht ohne weiteres übernommen werden kann, weil das SGB II normativ davon ausgeht, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige innerhalb angemessener Zeit wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden und ihnen deshalb Vermögenswerte unter Umständen eher belassen werden müssen als auf Dauer Erwerbsunfähigen (vgl zu diesem Ansatz BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 14 RdNr 15 f; Coseriu in Bender/Eicher, Sozialrecht - eine Terra incognita, 2009, 225, 255 f) , ist vorliegend doch zu beachten, ob die (1968 bzw 1969 geborenen) Kläger ab 1.1.2005 nicht dem System des SGB II unterworfen waren, sodass die Wertungen des SGB II für die Gewährung von Sozialhilfe nach dem BSHG in den letzten Monaten vor Inkrafttreten des SGB II Vorwirkungen zeitigen müssen (s zu diesem Rechtsgedanken in anderem Zusammenhang BSGE 94, 121 ff = SozR 4-4300 § 193 Nr 3, jeweils RdNr 21) . Zudem waren die Eltern der Klägerin zu 2 im Jahre 2004 noch in keinem so fortgeschrittenen Alter, dass abzusehen gewesen wäre, wann eine Veräußerung ohne das bestehende dingliche Wohnrecht möglich würde.
Wäre eine Verwertung des Hausgrundstücks im vorbezeichneten Sinne rechtlich und tatsächlich möglich, bliebe immer noch zu prüfen, ob die zulässige Verwertungsvariante eine Härte bedeuten würde, dies vor allem wiederum im Hinblick auf die von der Klägerin zu 2 übernommene Verpflichtung zur Pflege ihrer Eltern. Die Härtefallregelung erfasst nämlich atypische Fälle, bei denen auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls der Vermögensansatz die Betroffenen ganz oder jedenfalls teilweise unbillig belasten und den im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Leitvorstellungen des Gesetzgebers nicht gerecht würde (BVerwGE 23, 149 ff; näher dazu Sartorius in Rothkegel, Sozialhilfe, 2005, Teil III Kap 14 RdNr 68 ff) . Ein Härtefall kann auch im Sozialhilferecht unter wirtschaftlichen Aspekten vorliegen (BSGE 100, 131 ff = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, jeweils RdNr 25) . All dies wird das LSG ggf zu prüfen haben; bei seiner Kostenentscheidung hat es auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.
Fundstellen