Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ausschluss. Auffangpflichtversicherung. anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. ausländisches Sicherungssystem (hier: US-amerikanische Krankenversicherung TRICARE). Anderweitige Absicherung. Ausländisches Sicherungssystem. TRICARE
Leitsatz (amtlich)
Eine die sog Auffangpflichtversicherung ausschließende anderweitige Absicherung im Krankheitsfall besteht auch bei im Inland realisierbaren Leistungsansprüchen gegen ein ausländisches Sicherungssystem (hier: US-amerikanische Krankenversicherung TRICARE), das im Wesentlichen den Mindestanforderungen an eine Absicherung in der deutschen privaten Krankenversicherung entspricht; eine Absicherung auf dem Niveau des Basistarifs ist nicht erforderlich.
Leitsatz (redaktionell)
Wer in die US-amerikanische Krankenversicherung TRICARE einbezogen ist und deren Leistungen auch in Deutschland erhält, verfügt über einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, der die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausschließt.
Normenkette
SGB 5 § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 8a; VVG § 193 Abs. 3 S. 1; VVG 2008 § 193 Abs. 3 S. 1; KalV § 12 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 8a, 11; VVG § 193 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V.
Die 1918 in Sachsen-Anhalt geborene Klägerin war nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1953 zunächst versicherungspflichtig beschäftigt. 1959 heiratete sie einen amerikanischen Soldaten und verzog in die USA, deren (ausschließliche) Staatsangehörigkeit sie annahm. Nach dem Tod ihres Ehemannes kehrte sie 1987 nach Deutschland zurück, wo sie seither nicht mehr versicherungspflichtig war. Sie besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis ohne Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Seit 1984 bezieht sie eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine amerikanische Witwenrente, von der Beiträge für eine amerikanische Krankenversicherung (TRICARE) in Höhe von monatlich 177 US-Dollar abgezogen werden. Seit ihrer Rückkehr ist die Klägerin weder gesetzlich noch privat bei einer deutschen Versicherung kranken- oder pflegeversichert gewesen. Sie bezieht keine Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten oder Siebten Kapitel des SGB XII.
TRICARE ist dem amerikanischen Verteidigungsministerium unterstellt und führt die medizinische Versorgung des US-Militärpersonals sowie deren Angehöriger und Hinterbliebener durch. Für die Klägerin gilt ein Auslandstarif, nach dem sie neben ihren monatlichen Beiträgen einen jährlichen Eigenanteil von bis zu 3000 US-Dollar zu leisten hat. Die Versicherung deckt ambulante und stationäre Krankenbehandlung, klinische Prävention sowie Heil-, Hilfs- und Arzneimittel ab; nicht enthalten sind Zahnbehandlungen und eine Pflegeversicherung.
Die im März 2007 beantragte Feststellung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3.12.2007 ab, weil die Klägerin durch TRICARE über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfüge. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 3.4.2008, Urteil des SG vom 16.3.2010, Urteil des LSG vom 19.5.2011). Das LSG hat die Ansicht der Beklagten bestätigt: Die Klägerin habe mit TRICARE einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne eines der deutschen GKV wertungsmäßig entsprechenden Vollschutzes. Der Selbstkostenanteil sowie fehlender Schutz gegen Pflegebedürftigkeit und zahnärztlichen Behandlungsbedarf stünden dem nicht entgegen, weil Ähnliches auch in der vom Gesetzgeber als der GKV gleichwertig angesehenen deutschen privaten Krankenversicherung (PKV) anzutreffen sei. So gestatte etwa § 193 Abs 3 S 1 Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) zur Erfüllung der Versicherungspflicht auch Selbstbehalte bis zu 5000 Euro; dieser Betrag werde selbst bei Berücksichtigung der monatlichen Beiträge der Klägerin vorliegend nicht erreicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. TRICARE sei keine "anderweitige Absicherung im Krankheitsfall" im Sinne der Regelung, denn es biete keine den Leistungen der GKV entsprechende Vollversicherung. Das LSG stelle insoweit zu Unrecht auf die deutsche PKV als Vergleichsmaßstab ab statt richtigerweise auf die GKV.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Mai 2011 und des Sozialgerichts Halle vom 16. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2008 aufzuheben und festzustellen, dass sie seit dem 1. April 2007 Mitglied der Beklagten ist.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des LSG.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der beklagten AOK sind rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass die Klägerin - anders als von ihr begehrt - nicht seit 1.4.2007 der Versicherungspflicht in der GKV unterliegt.
Die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 Nr 13 iVm Abs 8a und Abs 11 SGB V liegen nicht vor. Die Klägerin verfügt durch ihre Einbeziehung in die US-amerikanische Krankenversicherung TRICARE, deren Leistungen sie auch in Deutschland erhält, über einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, der die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ausschließt.
1. Nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V (eingefügt mit Wirkung vom 1.4.2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378) sind seit 1.4.2007 in der GKV versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und - was nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG bei der Klägerin der Fall ist - zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Ein die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ausschließender anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall kann auch aufgrund einer ausländischen Krankenversicherung bestehen (hierzu im Folgenden 2.). Dabei ist nicht erforderlich, dass diese Krankenversicherung im Leistungsumfang mit demjenigen der GKV vergleichbar ist, vielmehr reicht es aus, dass sie den qualitativen Anforderungen des § 193 Abs 3 S 1 VVG genügt (hierzu 3.).
2. Zu den anderweitigen Ansprüchen auf Absicherung im Krankheitsfall iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V zählen auch Leistungsansprüche gegen ausländische Krankenversicherungen. Dies folgt aus einer an Systematik und Regelungszweck orientierten Auslegung, die durch die Gesetzesmaterialien bestätigt wird.
Der Wortlaut des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V selbst gibt zwar keinen Aufschluss darüber, ob auch ausländische Versicherungen als anderweitige Absicherungen in Betracht kommen, schließt dies aber auch nicht aus. Dies gilt auch für § 5 Abs 8a SGB V, durch den das (negative) Tatbestandsmerkmal "kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" konkretisiert wird (vgl BSGE 107, 26 = SozR 4-2500 § 5 Nr 12, RdNr 13; BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 15 RdNr 14). So bestimmt § 5 Abs 8a SGB V, dass nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nicht versicherungspflichtig ist, wer nach § 5 Abs 1 Nr 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, als freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert ist, Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII oder Empfänger laufender Leistungen nach § 2 AsylbLG ist. Dass ausländische Krankenversicherungen in § 5 Abs 8a SGB V nicht genannt werden, steht deren Qualifizierung als anderweitige Absicherung nicht entgegen, denn die dortige Aufzählung ist nicht abschließend (stRspr des Senats, aaO). Systematisch ergibt sich hieraus jedoch, dass § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V erst dann eingreifen soll, wenn alle anderen denkbaren Absicherungsmöglichkeiten ausscheiden. Es handelt sich also um eine subsidiäre Absicherung (BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 10 RdNr 17; BSGE 107, 26 = SozR 4-2500 § 5 Nr 12, RdNr 24; BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 12) für Personen, die anderenfalls die im Krankheitsfall entstehenden Aufwendungen selbst tragen müssten (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum GKV-WSG ≪im Folgenden: Fraktionsentwurf≫, BT-Drucks 16/3100 S 94 zu Art 1 Nr 2 Buchst a Doppelbuchst bb und cc). Trotz seiner Nachrangigkeit gegenüber anderweitigen Ansprüchen auf Absicherung genügt § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V - jedenfalls in Verbindung mit der zeitgleich eingeführten Versicherungspflicht im PKV-System - dem danach zentralen Regelungsziel, wonach in Deutschland niemand ohne Schutz im Krankheitsfall sein sollte (vgl Fraktionsentwurf, aaO, sowie Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66 zu Art 43 ≪VVG≫ Nr 01 ≪§ 178a≫ Abs 5). Für die Nachrangigkeit des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V kann es jedoch keine Rolle spielen, ob eine anderweitige Absicherung auf der Grundlage ausländischen oder deutschen Rechts besteht; entscheidend ist allein, dass eine dem Regelungsziel entsprechende Entlastung von den im Krankheitsfall entstehenden Aufwendungen erfolgt. Dass dies nicht nur durch Absicherungen nach deutschem Recht möglich sein sollte, zeigt sich schon daran, dass die Begründung zum Entwurf des GKV-WSG ausdrücklich auch Personen, "für die aufgrund über- und zwischenstaatlichen Rechts ein Anspruch auf Sachleistungen besteht" als Personen ansieht, die über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügen (Fraktionsentwurf, BT-Drucks 16/3100, aaO, ebenda).
3. Die Absicherung der Klägerin durch TRICARE genügt auch nach dem Leistungsumfang dieses Systems den Anforderungen an einen "anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die anderweitige Absicherung qualitativ dem Versicherungsschutz in der GKV entspricht, maßgeblich ist vielmehr ein die Voraussetzungen des § 193 Abs 3 S 1 VVG erfüllendes Sicherungsniveau (hierzu a). Dieses Sicherungsniveau wird durch TRICARE erreicht; hierfür bedarf es weder einer Absicherung von Zahnbehandlungen und Zahnersatz noch von Pflegeleistungen im Sinne der Pflegeversicherung, unschädlich sind auch die Eigenanteile der Klägerin von bis zu 3000 US-Dollar jährlich (hierzu b).
a) Eine anderweitige Absicherung iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V muss kein dem Versicherungsschutz in der GKV entsprechendes Sicherungsniveau gewährleisten. Bei fehlenden diesbezüglichen Anhaltspunkten im Wortlaut sowohl des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V als auch des - wie schon ausgeführt nicht abschließenden - § 5 Abs 8a SGB V folgt dies aus der gleichzeitigen Schaffung des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V und des § 178a Abs 5 S 1 VVG (dieser zum 1.1.2009 inhaltsgleich in Kraft getreten als § 193 Abs 3 S 1 VVG idF durch Gesetz vom 23.11.2007, BGBl I 2631) durch das GKV-WSG. Der hiermit angestrebte Versicherungsschutz aller in Deutschland lebenden Menschen (vgl erneut Fraktionsentwurf, BT-Drucks 16/3100, S 94 zu Art 1 Nr 2 Buchst a Doppelbuchst bb und cc; Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66 zu Art 43 ≪VVG≫ Nr 01 ≪§ 178a≫ Abs 5) wird durch diese Regelungen ab 1.1.2009 - sofern nicht bereits eine Absicherung besteht - nach der gesetzlichen Systematik je nach rechtlicher Zuordnung entweder durch die Versicherungspflicht in der GKV (§ 5 Abs 1 Nr 13 SGB V) oder durch eine Versicherungspflicht in der (deutschen) PKV (§ 193 Abs 3 S 1 VVG) gewährleistet (BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 16 unter Bezugnahme auf den Allgemeinen Teil der Begründung zum GKV-WSG, Fraktionsentwurf, aaO, S 86 f unter A.II.1.). Danach steht die jeweilige Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen gleichwertig nebeneinander, wenn auch die Versicherungspflicht in der PKV erst später einsetzte und der hierfür vorgeschriebene Umfang der Mindestabsicherung hinter dem Sicherungsniveau der GKV zurückbleibt. Dennoch genügte dieses Sicherungsniveau dem Gesetzgeber zur Erreichung des von ihm formulierten Ziels einer ausreichenden Versorgung im Bedarfsfall (Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66 f zu Art 43 ≪VVG≫ Nr 01 ≪§ 178a≫ Abs 5).
Vor diesem Hintergrund können an eine "anderweitige Absicherung" iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V keine höheren Anforderungen gestellt werden als an die Erfüllung der Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 S 1 VVG. Wegen der subsidiären Ausgestaltung des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V wie auch des § 193 Abs 3 S 1 VVG kann mit Rücksicht auf den dargestellten historischen und systematischen Kontext insbesondere nicht angenommen werden, dass mit der Einführung der Versicherungspflicht Absicherungen außerhalb von GKV und PKV, die die Mindestvoraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 S 1 VVG bereits erfüllten, abgelöst und durch die Versicherung in der PKV oder der GKV ersetzt werden sollten. Hierfür spricht vor allem auch die nicht auf Verträge in der PKV beschränkte (vgl BGH Urteil vom 4.4.2012 - IV ZR 125/11 - VersR 2012, 752) Altvertragsregelung des § 193 Abs 3 S 3 VVG, wonach ein vor dem 1.4.2007 vereinbarter Krankheitskostenversicherungsvertrag den Anforderungen an die Erfüllung der Versicherungspflicht genügt, unabhängig davon, ob die tariflichen PKV-Leistungen, welche dem Versicherungsnehmer gewährt werden, den gesetzlichen Mindestumfang nach § 193 Abs 3 S 1 VVG abdecken (vgl BGH Urteil vom 4.4.2012, aaO).
Der Ansicht der Klägerin, die unter Hinweis auf Kommentarliteratur (Just in Becker/Kingreen, SGB V, 3. Aufl 2012, § 5 RdNr 61; ebenso Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 5 RdNr 474a, Stand Einzelkommentierung 02/13) meint, eine anderweitige Absicherung iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V könne nur dann anerkannt werden, wenn diese einen "Vollschutz" vermittele, ist aus den vorstehenden Gründen nicht zu folgen (jedenfalls für die Zeit ab 1.1.2009 im Ergebnis ebenso Peters in Kasseler Komm, § 5 SGB V RdNr 162, Stand Einzelkommentierung August 2012). Dem steht nicht entgegen, dass Unternehmen der Versicherungswirtschaft bereits seit 1.7.2007 nach § 315 SGB V und seit 1.1.2009 nach § 12 Abs 1a Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen - Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG - (beide Regelungen ebenfalls eingefügt durch das GKV-WSG, aaO, dort Art 1 Nr 213 bzw Art 44 Nr 5 Buchst b) einem Kontrahierungszwang in Bezug auf einen am Leistungsumfang der GKV orientierten Standard- bzw Basistarif unterliegen. In diesem Tarif können ua Personen Versicherung verlangen, die weder in der GKV versichert oder versicherungspflichtig sind, einen Anspruch auf freie Heilfürsorge, eine Beihilfeberechtigung oder vergleichbare Ansprüche - bzw hierzu nicht nur ergänzenden Versicherungsschutz zur Erfüllung der Versicherungspflicht benötigen - noch Ansprüche nach dem AsylbLG oder dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel SGB XII haben und auch nicht über eine private Krankheitsvollversicherung verfügen (§ 315 Abs 1 SGB V) bzw nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach § 193 Abs 3 VVG genügt (§ 12 Abs 1b VAG). Dieser Verpflichtung des Versicherungsunternehmens steht nämlich keine Verpflichtung des Versicherungsnehmers gegenüber, eine solche Krankenversicherung im Standard- bzw Basistarif auch abzuschließen. Vielmehr ist es zur Erfüllung der Versicherungspflicht erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Versicherung die Voraussetzungen des § 193 Abs 3 S 1 VVG erfüllt, dh, dass sie unter Einhaltung bestimmter Selbstbeteiligungsgrenzen ambulante und stationäre Heilbehandlung abdeckt, wodurch das Sicherungsniveau der GKV nicht erreicht wird.
b) Durch TRICARE werden die Mindestanforderungen nach § 193 Abs 3 S 1 VVG erfüllt, weswegen die Klägerin mit dieser Versicherung über einen die Versicherungspflicht in der GKV ausschließenden anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V verfügt. Denn TRICARE deckt nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat mangels hierauf bezogener zulässiger und begründeter Revisionsrügen gebunden ist (§ 163 SGG), ua die Kosten für ambulante und stationäre Krankenbehandlung ab. Eine Absicherung von Zahnbehandlungen oder Zahnersatz ist für die Erfüllung der Mindestanforderungen nach § 193 Abs 3 S 1 VVG hingegen ebenso wenig erforderlich (hierzu aa) wie eine Absicherung von Pflegeleistungen im Sinne der Pflegeversicherung (hierzu bb); unschädlich sind auch die Eigenanteile der Klägerin von bis zu 3000 US-Dollar jährlich (hierzu cc).
aa) Durch Leistungen ua für die Kosten für ambulante und stationäre Krankenbehandlung erreicht TRICARE das nach § 193 Abs 3 S 1 VVG maßgebliche Mindestsicherungsniveau. Nach dieser Norm muss eine der Versicherungspflicht genügende Krankheitskostenversicherung mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfassen; eine Kostenerstattung für Zahnbehandlungen und Zahnersatz ist hingegen nicht erforderlich. Mit den Begriffen ambulante und stationäre Heilbehandlung wird bewusst an Begriffe aus dem Tarifrecht der PKV angeknüpft (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 67 zu Art 43 ≪VVG≫ Nr 01 ≪§ 178a≫ Abs 5), die in § 12 Kalkulationsverordnung - KalV - (vom 18.11.1996, BGBl I 1783) verwendet werden: Dort wiederum wird in Abs 1 ua zwischen ambulanter Heilbehandlung (Nr 1), stationärer Heilbehandlung (Nr 2) und Zahnbehandlungen und Zahnersatz (Nr 3) unterschieden. Leistungen für Zahnbehandlung und Zahnersatz fallen demnach nicht unter die Begriffe ambulante und stationäre Heilbehandlung und gehören daher nicht zum geforderten Mindestumfang einer Krankheitskostenversicherung nach § 193 Abs 3 S 1 VVG (so auch zB Boetius, Die Systemveränderung der privaten Krankenversicherung ≪PKV≫ durch die Gesundheitsreform, 2008, S 23; ders, Private Krankenversicherung, 2010, § 193 VVG RdNr 101; Grote/Bronkars, VersR 2008, 580, 581; Marlow/Spuhl, VersR 2009, 593, 596 mwN; dies, Das Neue VVG kompakt, 4. Aufl 2010, S 586 RdNr 1324; Voit in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl 2010, § 193 RdNr 11 mwN; Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG-Kommentar, 2. Aufl 2011, § 193 RdNr 8 mwN; aA Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl 2011, § 193 RdNr 18 f). Angesichts der eindeutigen Bezugnahme auf § 12 Abs 1 S 1 Nr 1 und 2 KalV in den Gesetzesmaterialien (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247, aaO) lässt sich dem nicht mit Erfolg das - primär sozialpolitisch zu verortende - Argument entgegenhalten, das dort ebenfalls genannte Ziel, die Inanspruchnahme steuerfinanzierter staatlicher Leistungen wegen eines nicht ausreichenden Versicherungsschutzes im Krankheitsfall zu verhindern (aaO, S 66; diesen Aspekt betonend etwa Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 5 RdNr 474a, Stand Einzelkommentierung 2/13), werde durch die mangelnde Berücksichtigung von Zahnbehandlungen und Zahnersatz verfehlt, weil diese häufig sehr kostenintensiv seien und daher die Finanzkraft vieler Menschen überstiegen.
bb) Das nach § 193 Abs 3 S 1 VVG maßgebliche Mindestsicherungsniveau wird auch nicht dadurch unterschritten, dass die Klägerin durch TRICARE keinen Schutz gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit erhält. Denn die in § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V allein geregelte Versicherungspflicht in der GKV verlangt nur einen fehlenden anderweitigen Anspruch auf Absicherung "im Krankheitsfall". Die Absicherung im Pflegefall und darauf bezogene Leistungen der Pflegeversicherung fallen nicht hierunter; vielmehr sieht der Gesetzgeber hierfür eine gegenüber der Versicherungspflicht in der GKV oder PKV (vgl hierzu § 23 Abs 1 S 1 SGB XI) verselbstständigte Pflegeversicherungspflicht vor, die - bezogen auf den vorliegenden Kontext - nach § 20 Abs 1 S 2 Nr 12 SGB XI erst eingreift, wenn - insoweit vorgreiflich - eine Versicherungspflicht in der GKV nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V besteht. Von der (befristeten) Beitrittsmöglichkeit zur Pflegeversicherung nach § 26a Abs 1 SGB XI hat die Klägerin im Übrigen keinen Gebrauch gemacht.
cc) Auch die Belastung der Klägerin mit Beiträgen in Höhe von 177 US-Dollar monatlich (entspricht zur Zeit der Entscheidung durch den Senat ca 135 Euro) und Selbstkostenanteilen von bis zu 3000 US-Dollar jährlich (entspricht ca 2300 Euro) führt nicht dazu, dass das maßgebliche Mindestsicherungsniveau nach § 193 Abs 3 S 1 VVG verfehlt wird. Denn selbst unter Einbeziehung der von der Klägerin für ihre Absicherung zu leistenden monatlichen Beiträge liegt die jährliche finanzielle Eigenbelastung im Rahmen der Absicherung gegen die Kosten ambulanter und stationärer Heilbehandlungen durch TRICARE mit rund 3920 Euro deutlich unter dem nach § 193 Abs 3 S 1 VVG noch statthaften Höchstbetrag von 5000 Euro. Insoweit nicht zu berücksichtigen sind die Kosten, die die Klägerin monatlich für Pflegeleistungen aufwendet, denn der Höchstbetrag des § 193 Abs 3 S 1 VVG bezieht sich nur auf Leistungen der Krankenversicherung.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 5158801 |
BSGE 2014, 160 |
DB 2013, 16 |