Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch. mangelhafter Zahnersatz. Vertragszahnarzt. Feststellung. Zuständigkeit. Kassenzahnärztliche Vereinigung. sozialgerichtliches Verfahren. Besetzung des Gerichts. Beweismittel. Gutachten. Verwaltungsverfahren. Nichteinholung. Obergutachten. Verfahrensfehler. Nichtigkeit. Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung ist zuständig für die Feststellung von Schadensersatzansprüchen einer Vertragskasse gegen den Vertragszahnarzt wegen mangelhafter prothetischer Versorgung (Anschluß an BSG vom 10.4.1990 - 6 RKa 11/89 und vom 16.1.1991 - 6 RKa 25/89 = SozR 3-5555 § 12 Nrn 1 und 2).
Orientierungssatz
1. Bei einem Rechtsstreit zwecks Feststellung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Vertragszahnarzt handelt es sich um eine Angelegenheit der Kassenzahnärzte iS des § 12 Abs 3 S 2 SGG und nicht um eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts iS des § 12 Abs 3 S 1 SGG.
2. Die Genehmigung des Heil- und Kostenplans schließt es nicht aus, die Ausführung des Planes als mangelhaft anzusehen. Die Genehmigung bewirkt lediglich, daß die genehmigte Behandlung nachträglich nicht mehr als unwirtschaftlich bewertet werden kann. Ob die Planung fachlich in Ordnung war, bleibt ebenso wie die Ausführung des Planes weiterhin zu prüfen.
3. Bei Leistungsstörungen durch den Leistungsberechtigten kommen ausschließlich privatrechtliche Ansprüche des Zahnarztes gegen den Leistungsberechtigten in Betracht (vgl BSG vom 18.2.1970 - 6 RKa 29/69 = BSGE 31, 33), während bei Behandlungsfehlern des Kassenzahnarztes neben dem privatrechtlichen Anspruch des Leistungsberechtigten kumulativ öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche der Krankenkasse gegen den Kassenzahnarzt bestehen (vgl BSG vom 22.6.1983 - 6 RKa 3/81 = BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26).
4. Wird einem ordnungsgemäßen Antrag auf Einholung eines Obergutachtens verfahrensfehlerhaft nicht entsprochen, so führt ein solcher Verfahrensfehler nach § 40 SGB 10 nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes.
5. Auch die in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren von der Behörde eingeholten Gutachten sind im gerichtlichen Verfahren als Beweismittel und nicht als Privatgutachten zu werten, wenn die das Verwaltungsverfahren leitende Behörde sie heranzieht und die Entscheidung hierauf stützt.
Normenkette
EKV-Z § 12 Abs. 6; SGB V § 76 Abs. 4 Fassung: 1988-12-20; SGB X § 40 Abs. 1 Fassung: 1980-08-18, § 42 Fassung: 1980-08-18; EKV-Ä § 31 Abs. 5 Fassung: 1990-09-28; BMV-Ä § 39 Fassung: 1990-09-28; SGG § 12 Abs. 3 Sätze 2, 1, § 128 Abs. 1 S. 1; SGB V § 83 Abs. 3 Fassung: 1988-12-20, § 82 Abs. 1 Fassung: 1988-12-20; RVO § 525c Abs. 2 Fassung: 1977-06-27; SGB X § 31 Fassung: 1980-08-18
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist Zahnärztin und nimmt am Ersatzkassenvertrag Zahnärzte (EKV-Zahnärzte) teil. Sie gliederte im Oktober 1985 der Tochter des bei der beigeladenen Ersatzkasse (ErsK) versicherten Mitgliedes S Zahnersatz in Form von vier verblockten Zahnkronen im Frontbereich ein. Der von der beigeladenen ErsK getragene Kassenanteil betrug insgesamt 2.915,75 DM. Die Patientin beanstandete den Zahnersatz gegenüber der ErsK. Diese veranlaßte die Begutachtung durch den Zahnarzt K und eine erneute Begutachtung durch den Zahnarzt Dr. G.
Die ErsK forderte von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) den Kassenanteil zuzüglich 150,-- DM Gutachterkosten zurück. Die Patientin ließ sich im April 1986 mit Einverständnis der Beigeladenen neuen Zahnersatz eingliedern (Kassenanteil 1.679,36 DM). Die beklagte KZÄV entschied gegenüber der Klägerin, dem Regreßanspruch der beigeladenen ErsK werde in Höhe von 3.065,75 DM zu Lasten der Klägerin stattgegeben (Bescheid vom 3. Dezember 1986; Widerspruchsbescheid des Vorstands der KZÄV vom 4. Februar 1987).
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide aufgehoben, da Schadensersatzansprüche ausschließlich von den Prüfungseinrichtungen (Prüfungs- und Beschwerdeausschuß) festzustellen seien (Urteil vom 4. November 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufungen der Beigeladenen und der Beklagten die Bescheide bestätigt hinsichtlich eines Betrages von 1.679,36 DM und hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages die Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 21. März 1990).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, die Beklagte sei weder nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) noch nach dem EKV-Zahnärzte ermächtigt, die Schadensersatzforderung festzustellen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufungen in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision war zurückzuweisen.
Der Senat hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Kassenzahnärzte entschieden. Es handelt sich um eine Angelegenheit der Kassenzahnärzte iS des § 12 Abs 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), nicht um eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts iS des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG.
Bei der Frage, ob es sich um eine Angelegenheit der Kassenärzte handelt mit der Folge, daß beide ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Kassenärzte zu besetzen sind, oder um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts mit der Folge, daß je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte mitwirkt (sog paritätische oder gemischte Besetzung), stellt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) darauf ab, wie die Verwaltungsstelle, welche über die in dem Rechtsstreit geforderte Verwaltungsentscheidung zu befinden hat, zusammengesetzt ist (BSGE 67, 256, 257 = SozR 3-2500 § 92 Nr 1). Bei unklarer Entscheidungszuständigkeit ist die Richterbank paritätisch zu besetzen (BSGE aaO). Vorliegend kommt die Kompetenz einer sowohl mit Kassenzahnärzten als auch mit Kassenvertretern besetzten Stelle nicht in Betracht. Die vom SG als allein zuständig angesehenen Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse sind erst für Quartale ab Januar 1989 gemischt besetzt (BSG Urteil vom 8. April 1992 - 6 RKa 27/90 -). Bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 1987) war eine Mitwirkung von Kassenvertretern nicht vorgesehen. Dementsprechend hat auch der 6. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16. Januar 1991 zum Schadensersatzanspruch einer Ersatzkasse wegen Mängeln bei der prothetischen Versorgung ohne Erörterung der Besetzungsfrage in der Besetzung mit zwei Kassenzahnärzten entschieden (BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 2).
Ob der vorliegende Rechtsstreit auch die Beziehungen zur beigeladenen ErsK erfaßt, weil er einen Zahlungsanspruch aus dem vertragszahnärztlichen Bereich betrifft, wie vom LSG bei seiner Entscheidung in gemischter Besetzung angenommen, kann dahinstehen. Nach der angeführten Rechtsprechung ist rein formal nur darauf abzustellen, wie der Normgeber bei Erlaß der jeweiligen verwaltungsrechtlichen Besetzungsvorschrift die beiderseitige Interessenlage von Kassen und Ärzten bewertet hat (BSGE 67, 256, 258).
Das angefochtene Urteil war nicht schon wegen der unrichtigen Besetzung des LSG aufzuheben. Denn die Klägerin hat dies nicht gerügt, und dieser Verfahrensmangel ist nur auf Rüge zu beachten (BSGE 56, 222, 224 = SozR 2200 § 368n Nr 30; BSGE 44, 244, 246 = SozR 7323 § 3 Nr 1).
In der Sache hat das LSG zu Recht die Klage hinsichtlich eines Betrages von 1.679,36 DM abgewiesen. Gegenstand der Klage ist, wie das LSG zutreffend entschieden hat, ein Schadensersatzanspruch. Die beklagte KZÄV hat im angefochtenen Bescheid dem "Regreßanspruch" der beigeladenen ErsK in Höhe von 3.065,75 DM zu Lasten der Klägerin stattgegeben. Deren Widerspruch wurde zurückgewiesen, weil die Arbeit "entscheidende Mängel" aufgewiesen habe. Im Widerspruchsbescheid bleibt dahingestellt, ob überhaupt eine Abrechnung hätte erfolgen dürfen, da die Arbeit "nicht definitiv eingegliedert" worden sei. Insgesamt läßt der Bescheid in der Form des Widerspruchsbescheides noch mit genügender Deutlichkeit erkennen, daß nicht eine Rückforderung des gezahlten Honorars unter Rücknahme des Honorar-Bescheides erfolgen sollte, sondern die Feststellung einer Schadensersatzforderung, wobei die erbrachte Leistung als wertlos angesehen und der dadurch entstandene Schaden mit dem hierfür gezahlten Honorar zuzüglich der aufgewandten Gutachterkosten beziffert wurde.
Für die Feststellung des Schadensersatzanspruchs und die darauf gestützte Belastung des Honorarkontos der Klägerin war die beklagte KZÄV zuständig. Sie konnte insoweit ihr Rechtsverhältnis zur Klägerin durch Verwaltungsakt regeln. Zur Befugnis der KZÄV, Schadensersatzansprüche einer Vertragskasse gegen den Vertragszahnarzt wegen Verletzung von Pflichten aus dem EKV-Zahnärzte durch Verwaltungsakt geltend zu machen, folgt der Senat den nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangenen Urteilen des 6. Senats des BSG vom 10. April 1990 und vom 16. Januar 1991 (SozR 3-5555 § 12 Nrn 1 und 2).
Die Schadensersatzforderung ist öffentlich-rechtlicher Natur. Sie leitet sich aus dem Vertrag zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) sowie dem Verband der Arbeiter-Ersatzkassen e. V. (AEV) vom 29. November 1963 (EKV-Zahnärzte) ab. Nach § 4 Ziff 1 dieses Vertrages ist der Vertragszahnarzt verpflichtet, die Versorgung der Anspruchsberechtigten nach den Bestimmungen dieses Vertrages durchzuführen. Gegenstand des Vertrages sind auch die Folgen von Pflichtverletzungen, so die Berichtigung von Abrechnungen bei Unwirtschaftlichkeit einer Leistung (§ 14 EKV-Zahnärzte). Von einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Vertrages gehen die Vorschriften der §§ 15 Ziff 3 und 19 Ziff 1 Satz 2 des Vertrages aus.
Die Zuständigkeit der KZÄV folgt aus § 12 Ziff 6 EKV-Zahnärzte. Danach setzt die KZÄV durch Vertragsinstanzen anerkannte Forderungen einer Vertragskasse gegen einen Vertragszahnarzt aus dem EKV-Zahnärzte bei der nächsten Abrechnung ab. Die KZÄV hat als allgemeine Vertragsinstanz über Schadensersatzansprüche der Vertragskassen gegen Vertragszahnärzte zu entscheiden, soweit nicht nach dem Vertrag andere Vertragsinstanzen zuständig sind. Danach könnte auch eine Zuständigkeit der Disziplinarinstanzen oder der Prüfungseinrichtungen in Betracht kommen.
Die Disziplinarinstanzen sind nach § 19 Ziff 1 Satz 2 EKV-Zahnärzte jedoch lediglich berechtigt, die Verpflichtung des Vertragszahnarztes zum Schadensersatz festzustellen. Eine ausschließliche Zuständigkeit dieser Einrichtungen, Schadensersatzpflichten festzustellen, ergibt sich hieraus - wie der 6. Senat bereits im einzelnen dargelegt hat (SozR 3-5555 § 12 Nr 1) - nicht.
Die Zuständigkeit der Prüfungseinrichtungen zur Feststellung, ob und in welcher Höhe der Vertragszahnarzt der Vertragskasse den entstandenen Schaden zu ersetzen hat, § 15 Ziff 3 EKV-Zahnärzte, bezieht sich nach der Überschrift der Vorschrift in erster Linie auf die Prüfung der Verordnungsweise. Ob sie unter bestimmten Umständen auf Schadensersatzansprüche der vorliegenden Art erstreckt werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Zulässigkeit einer solchen Erstreckung kann jedenfalls nicht iS einer ausschließlichen Zuständigkeit verstanden werden. Die im EKV-Zahnärzte zur Feststellung eines solchen Schadensersatzanspruchs getroffene Regelung gilt als Rechtssatz und ist durch die Ermächtigung in § 525c RVO aF gedeckt.
Der vom LSG unterstützend angeführte Beschluß (vom 27. November 1984) der gemäß § 22 EKV-Zahnärzte gebildeten Arbeitsgemeinschaft - die ua die Aufgabe hat, die Bestimmungen des Vertrages verbindlich auszulegen sowie die sich aus der Durchführung des Vertrages ergebenden grundsätzlichen Fragen zu klären - zum Einstehen eines Vertragszahnarztes für Folgen einer Schlechterfüllung und deren Geltendmachung (Beschluß Nr 104) hält sich im Rahmen der nach dem EKV-Zahnärzte ohnehin geltenden Regelung. Es ist deshalb nicht zu erörtern, in welchen Grenzen der Arbeitsgemeinschaft eine Rechtsetzungsbefugnis zusteht, ob die Entscheidung des Ausschusses nur ein Beratungsergebnis festhält oder als förmlicher Beschluß oder als förmliche Feststellung erging, und ob diese veröffentlicht wurde.
Gegen die Rechtsprechung zu einem öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Kassenarzt (Kassenzahnarzt) bei Schlechterfüllung im Sinne einer Verletzung der Kassenarztpflichten wird eingewandt, aus § 76 Abs 4 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - (SGB V) entstehe im Falle einer Leistungsstörung durch Pflichtverletzung des Kassenarztes ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch des Versicherten gegen den Kassenarzt, der gemäß § 116 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) insoweit auf die Krankenkasse (KK) übergehe, als diese Leistungen erbringe, die Gegenstand des Schadensersatzanspruchs sind; auch im Umkehrverhältnis werde der Kassenarzt nach der Rechtsprechung bei Leistungsstörungen des Behandlungsverhältnisses durch den Patienten auf solche zivilrechtlichen Ansprüche verwiesen (KassKomm - Hess § 75 SGB V RdNr 8).
Die Rechtsprechung, daß bei Leistungsstörungen durch den Leistungsberechtigten nur privatrechtliche Schadensersatzansprüche des Kassenarztes gegen den Leistungsberechtigten in Betracht kommen (BSGE 31, 33, 35 f = SozR Nr 3 zu GOÄ, zur Versäumung eines vereinbarten Behandlungstermins), erlaubt keinen Rückschluß auf Leistungsstörungen durch den Arzt. Die KK schuldet dem Versicherten die fachgerecht erbrachte Sachleistung. Ob die KK gegenüber der KZÄV oder dem Kassenarzt die Mitwirkung des Patienten schuldet, ist eine hiervon losgelöste und eigenständig zu beantwortende Frage. Das Gesetz regelt beide Bereiche nicht spiegelbildlich. Nach § 368d Abs 4 RVO aF verpflichtet die Übernahme der Behandlung den an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt dem zu Behandelnden gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts. Eine entsprechende Regelung für Leistungsstörungen durch den Leistungsberechtigten sieht das Gesetz nicht vor. Die Rechtsprechung des BSG hat diese Regelung dahin verstanden, daß bei Leistungsstörungen durch den Leistungsberechtigten ausschließlich privatrechtliche Ansprüche des Arztes gegen den Leistungsberechtigten in Betracht kommen (BSGE 31, 33), während bei Behandlungsfehlern des Kassenarztes neben dem privatrechtlichen Anspruch des Leistungsberechtigten kumulativ öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche der KK gegen den Kassenarzt bestehen (so schon Urteil vom 22. Juni 1983, BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26).
Hieran ist im Anwendungsbereich des Sachleistungsprinzips festzuhalten. Der Gesetzgeber hat 1989 die in der RVO getroffene Regelung inhaltsgleich in § 76 Abs 4 SGB V übernommen, ohne Hinweis darauf, daß abweichend von der bisherigen Rechtsprechung eine spiegelbildliche Lösung gewollt sei.
Deshalb ist auch zum Kassenzahnarztrecht daran festzuhalten, daß der Schadensersatzanspruch wegen Mängeln bei der prothetischen Versorgung im Anwendungsbereich des Sachleistungsprinzips im Zweifel öffentlich-rechtlich im Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Honoraranspruch des Zahnarztes geregelt ist.
Ob im Anwendungsbereich des Sachleistungsprinzips ein solcher öffentlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch durch eine Regelung, wie sie in der späteren Fassung des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ärzte, DÄ 1990, A 3239) in § 39 bzw des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ärzte, DÄ 1990, B 2061) in § 31 Abs 5 - jeweils in Kraft seit 1. Oktober 1990 - vereinbart worden ist, ausgeschlossen werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Nach der genannten Vorschrift im EKV-Ärzte sind Behandlungsfehler eines Vertragsarztes bei einem Versicherten und ein dadurch verursachter Mehraufwand der Vertragskasse keine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten und kein Schaden im Sinne des Absatzes 2; Ansprüche der Versicherten und der Vertragskassen richten sich ausschließlich nach bürgerlichem Recht (§ 76 Abs 4, § 66 SGB V, § 116 SGB X). Das Kassenzahnarztrecht enthält eine solche Bestimmung nicht.
Der Versicherte hatte nach dem bis zum Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) am 1. Januar 1989 geltenden Recht (zum Übergangsrecht vgl Art 60 GRG) auch hinsichtlich des Zahnersatzes einen Sachleistungsanspruch. Die Zahlung der ErsK an die KZÄV und deren Aufteilung auf die Kassenzahnärzte ist Gegenleistung für die vom Kassenzahnarzt erbrachte Versorgung mit Zahnersatz. Im Falle der Schlechtleistung behält der Versicherte seinen Anspruch gegen die ErsK auf die ordnungsgemäße Erbringung der Sachleistung. Der mit der Schlechterfüllung verbundene Schaden trifft insoweit nicht den Versicherten, sondern die ErsK. Deren Verhältnis zur KZÄV und zu den Kassenzahnärzten richtet sich nach öffentlichem Recht.
Die mit dem GRG zum 1. Januar 1989 eingetretene Rechtsänderung ist zwar auf den hier streitigen, im Oktober 1985 eingegliederten Zahnersatz nicht anwendbar, bestätigt aber die für das alte Recht aus dem Sachleistungsprinzip abgeleiteten Rechtssätze. Nach § 30 SGB V idF des GRG leistet die Krankenkasse (KK) bei der Versorgung mit Zahnersatz nunmehr Kostenerstattung. Der Unterschied zwischen der Sachleistung und der Kostenerstattung besteht, was ihre jeweiligen Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Kassenarztes angeht, wie der 6. Senat des BSG bereits entschieden hat (SozR 3-2500 § 29 Nr 1), darin, daß dort dessen Vergütung abstrakt von der KK und konkret von der KZÄV zu erbringen ist, während bei der Kostenerstattung der Vergütungsanspruch allein gegen den Versicherten gerichtet ist. Würde das Kostenerstattungsprinzip bei Zahnersatz nicht nur für die Abrechnungsweise, sondern uneingeschränkt gelten, so bliebe für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung und eine Qualitätskontrolle der KK, die auf deren Sachleistungspflicht aufbaut, kein Raum. Bei einer uneingeschränkten Geltung des Kostenerstattungsprinzips würden Wirtschaftlichkeitsgebot und Qualitätskontrolle lediglich den Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung gegen seine KK betreffen, und den privatrechtlichen Honoraranspruch des Kassenzahnarztes gegen den Versicherten nicht unmittelbar berühren.
Eine über die Abrechnung des Honorars hinausgehende uneingeschränkte Geltung des Kostenerstattungsprinzips bei Zahnersatz ist indes vom SGB V nicht gewollt. Nach § 106 Abs 3 Satz 3 SGB V gilt die Wirtschaftlichkeitsprüfung auch für die Fälle, in denen die KK den Versicherten nach den §§ 29, 30 und 64 Kosten erstattet. Nach § 135 Abs 4 Satz 1 SGB V haben die Vertragspartner der kassenzahnärztlichen Versorgung auf Bundesebene sowie die Vertragspartner der vertragszahnärztlichen Versorgung auch einheitliche Qualitätskriterien für die Versorgung mit Zahnersatz zu vereinbaren. Das SGB V regelt damit die Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Qualitätskontrolle bei der Gewährung von Zahnersatz in einer Weise, wie sie bei Geltung des Sachleistungsprinzips sachgerecht wäre. Mit anderen Worten, das SGB V geht beim Zahnersatz hinsichtlich der Abwicklung des Honoraranspruchs vom Kostenerstattungsprinzip aus, während es für die Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Qualitätskontrolle weiterhin vom Sachleistungsprinzip ausgeht und diese im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses regelt. Das bestätigt im "Erst-Recht-Schluß", daß sich der Anspruch der KK auf Qualitätskontrolle und Schadensersatz bei Schlechterfüllung nach dem vor dem 1. Januar 1989 geltenden Sachleistungsprinzip nach öffentlichem Recht richtet. Insoweit können die Schwierigkeiten einer Einbettung des begrenzt anwendbaren Kostenerstattungsprinzips in das Kassenarztrecht, das im übrigen vom Sachleistungsanspruch geprägt ist, unerörtert bleiben (vgl hierzu Meydam in SGb 1991, 377 und Bongen/Kremer in NJW 1992, 723 ff).
Das LSG hat im Ergebnis zu Recht den Schadensersatzanspruch der KK nicht daran scheitern lassen, daß die KK den "Heil- und Kostenplan" genehmigt hatte. Die Genehmigung des Planes schließt es nicht aus, die Ausführung des Planes als mangelhaft anzusehen. Die Genehmigung bewirkt lediglich, daß die genehmigte Behandlung nachträglich nicht mehr als unwirtschaftlich bewertet werden kann. Ob die Planung fachlich in Ordnung war, bleibt ebenso wie die Ausführung des Planes weiterhin zu prüfen. Die Wertung des LSG hält sich in diesen Grenzen. Das LSG hat die vier Frontalkronen als äußerst unbefriedigend angesehen, da sie sehr weit aus dem Zahnbogen herausstünden und das Aussehen der Patientin zu ihrem Nachteil veränderten. Auch sei die Verblockung der Kronen nicht indiziert und damit eine mangelhafte Leistung gewesen.
Ob die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der fehlenden Einholung eines "Obergutachtens" verfahrensfehlerhaft sind, bedarf keiner abschließenden Erörterung. Insoweit kann dahinstehen, ob das in den §§ 16 und 20 EKV-Zahnärzte für das Verfahren der Prüfungseinrichtungen vorgesehene "Gutachter- und Obergutachter-Verfahren" für die Festsetzung eines Schadensersatzanspruchs auf Antrag der Krankenkasse durch die KZÄV entsprechend gilt. Dahinstehen kann insbesondere, ob bei einer entsprechenden Anwendung die Ersatzkasse das Gutachterverfahren vor Stellung ihres Antrags bei der KZÄV auf Feststellung der Regreßforderung durchzuführen hat, wie dies im vorliegenden Fall gehandhabt wurde, oder ob erst die KZÄV zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über den Regreßanspruch zur Einholung der Gutachten verpflichtet ist. Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin eine Beurteilung durch den zuständigen Obergutachter nicht verlangt (Seite 15 des Berufungsurteils). Die Klägerin hat allerdings nach dem vom LSG in Bezug genommenen Inhalt der Akten mit Schreiben an die KZÄV vom 24. Juni 1986 geäußert, es möge ein Obergutachten eingeholt werden, wobei Wert darauf gelegt werde, daß dieses von einem Mitarbeiter der Freien Universität Berlin gefertigt werde. Die Klägerin hat gegen die Feststellung des LSG, ein Obergutachten sei nicht beantragt worden, keine Verfahrensrüge erhoben. Gleichwohl könnte für das Revisionsverfahren von einem solchen Antrag auszugehen sein, wenn das Berufungsgericht nur seine Rechtsauffassung ausdrücken wollte, daß der gestellte Antrag wegen der im EKV-Zahnärzte nicht vorgesehenen Festlegung des Obergutachters unbeachtlich sei, und wenn dieser Auffassung nicht zuzustimmen wäre. Desgleichen ist nicht sicher auszuschließen, daß der zweite von der Ersatzkasse beauftragte zahnärztliche Gutachter Obergutachter im Sinne des Gutachterverfahrens war. Das Schreiben der kassenzahnärztlichen Vereinigung an den Bevollmächtigten der Klägerin vom 3. Dezember 1986, in dem beide Gutachten erwähnt und ein Antrag auf Einholung eines Obergutachtens angeregt wird, weist allerdings darauf hin, daß der zweite Gutachter nicht als Obergutachter bestellt war.
Der Senat läßt die aufgeworfenen Fragen offen und unterstellt zugunsten der Klägerin, daß einem ordnungsgemäßen Antrag auf Einholung eines Obergutachtens verfahrensfehlerhaft nicht entsprochen wurde.
Ein solcher Verfahrensfehler führt nach § 40 SGB X nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes kann nach § 42 Satz 1 SGB X nicht begehrt werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Das ist hier der Fall. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt war die prothetische Versorgung mangelhaft und hat den vom LSG im einzelnen festgestellten Schaden verursacht. Unter diesen Voraussetzungen bestand für die beklagte KZÄV keine "Entscheidungsalternative". Sie war zur Festsetzung des Schadensersatzanspruchs verpflichtet und durfte nicht nach Ermessen vom Schadensersatz absehen.
Soweit die Revision hinsichtlich der Feststellung des LSG, die erbrachte prothetische Versorgung sei mangelhaft gewesen, die Verletzung der Aufklärungspflicht (§§ 103 und 106 SGG) rügt, genügt das Revisionsvorbringen nicht den Anforderungen, die nach § 164 Abs 2 Satz 3 SGG an eine Verfahrensrüge zu stellen sind. Hiernach muß die Revisionsbegründung, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die verletzte Rechtsnorm und die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Die Revision rügt zu Unrecht als Verfahrensfehler, das LSG habe sich in Widerspruch zu einem früheren Beschluß gesetzt, der eine Beweiserhebung angeordnet habe. Es gibt keine Verfahrensvorschrift, die das Berufungsgericht an eine Beweiswürdigung, die der Entscheidung über eine weitere Beweiserhebung zugrunde liegt, bindet. Die Revision rügt ferner, daß das LSG das Gutachten eines gerichtlich bestellten, unabhängigen Sachverständigen habe einholen müssen. Es sei verfahrensfehlerhaft, die Tatsachenfeststellung allein auf die ärztlichen Gutachten der beiden von der Vertragskasse beauftragten Vertrauensärzte und auf die Stellungnahme des nachbehandelnden Zahnarztes zu stützen. Die Verfahrensrüge geht zutreffend davon aus, daß die von einem Beteiligten in das gerichtliche Verfahren eingebrachten Privatgutachten nicht als Beweismittel, sondern als Bestandteil des Parteivorbringens zu werten sind. Jedoch ist ein im Verwaltungsverfahren von der Behörde eingeholtes Gutachten kein Privatgutachten in diesem Sinne, sondern es ist im gerichtlichen Verfahren urkundlich verwertbar (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87 - HV-INFO 1989, 410 mwN; BVerwG vom 18. Januar 1982 - 7 B 254/81 - DÖV 1982, 410).
Diese Rechtsprechung bezieht sich zwar vorrangig auf Gutachten, die im Verwaltungsverfahren von der das Verwaltungsverfahren leitenden Behörde eingeholt worden sind. Sie stützt sich darauf, daß die das Verwaltungsverfahren führende Behörde zur Objektivität und zur Amtsermittlung verpflichtet ist. Vorliegend hat nicht die das Verwaltungsverfahren leitende beklagte KZÄV die Gutachten eingeholt, sondern die beigeladene Krankenkasse zur Vorbereitung ihrer Entscheidung, ob ein entsprechendes Verwaltungsverfahren bei der beklagten KZÄV beantragt werden soll. Auch die in einem solchen mehrstufigen Verwaltungsverfahren von der Behörde eingeholten Gutachten sind im gerichtlichen Verfahren als Beweismittel und nicht als Privatgutachten zu werten, wenn die das Verwaltungsverfahren leitende Behörde sie heranzieht und die Entscheidung hierauf stützt.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens stand damit im Ermessen des Gerichts. Hierzu ist nicht näher darauf einzugehen, ob es gegen die Amtsermittlungspflicht verstößt, wenn ein Gericht ein substantiiert angegriffenes Verwaltungsgutachten als Beweismittel verwertet (vgl BVerwG Urteil vom 25. Januar 1985 - 8 C 110/83 DÖV 1985, 839). Denn es fehlt an einer Revisionsrüge, die Klägerin habe vor dem LSG mit bestimmten, näher darzulegenden Ausführungen die Gutachten substantiiert angegriffen. Das Revisionsvorbringen, die beiden Begutachtungen seien "überaus subjektiv", reicht hierzu nicht.
Mangels einer entsprechenden Verfahrensrüge braucht der Senat auch nicht näher darauf einzugehen, ob das Ermessen des Gerichts, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, hier unter dem Gesichtspunkt eingeschränkt war, daß - was zumindest in Betracht kommt - im Verwaltungsverfahren der Anspruch der Klägerin auf Einholung eines Obergutachtens verletzt wurde. Dem Revisionsvorbringen ist nicht einmal zu entnehmen, daß ein weiteres Gutachten trotz des zwischenzeitlichen Verlustes der Röntgenaufnahmen noch zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte beitragen können.
Die Revision kann auch nicht damit durchdringen, daß im Ergebnis die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt werde. Hiermit greift die Revision die Beweiswürdigung des LSG an, ohne die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge zu erfüllen. Wollte die Revision rügen, das LSG habe an das erforderliche Beweismaß zu geringe Anforderungen gestellt, so hätte dies unter Darlegung des entsprechenden Sachverhalts näher ausgeführt werden müssen.
Die Revision der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1173297 |
NJW 1993, 1549 |