Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beginn des Anspruchs auf Verletztenrente: Ende des Verletztengeldanspruchs derselben Beschäftigung. Anspruch auf Verletztengeld. zugesprochene Altersrente vor Verletztengeldbewilligung. Verletztengeldanspruch auch bei vorhergehender geringfügiger Beschäftigung. Beendigungstatbestand des § 46 Abs 3 S 2 Nr 2 SGB 7. Auslegung. Abgrenzung zu § 50 SGB 5. kein Ausschlussprinzip. "Doppel"-Leistung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Verletztenrente beginnt erst mit dem Ende des Verletztengeldanspruchs aus derselben Beschäftigung.
2. Der vor Bewilligung des Verletztengeldes zugesprochene Anspruch auf Altersrente steht einem Anspruch auf Verletztengeld nicht entgegen.
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Verletztengeld ist gemäß § 45 Abs 1 Nr 1 SGB 7 auch bei einer zuvor ausgeübten geringfügigen Beschäftigung möglich. Eine restriktive Auslegung des § 45 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 SGB 7 dahingehend, dass bei einer vorhergehenden geringfügigen Beschäftigung iS des § 8 SGB 4 die Bewilligung von Verletztengeld grundsätzlich nicht in Betracht kommt, lässt sich nicht begründen.
2. Die Begründung des Gesetzgebers zur geänderten Fassung des § 50 SGB 5 (BT-Drucks 13/340 S 9), dass ein zeitlich deckungsgleicher Bezug von mehreren Lohnersatzleistungen sozialpolitisch nicht sinnvoll und deshalb jeglicher Krankengeldbezug neben den genannten Leistungen ausgeschlossen sei, ist auf § 46 SGB 7 nicht übertragbar.
3. In der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es kein Ausschlussprinzip, das einer "Doppel-"Leistung von Verletztengeld und Verletztenrente entgegensteht (vgl BSG vom 23.7.2015 - B 2 U 6/14 R = BSGE 119, 204 = SozR 4-2700 § 72 Nr 1). Damit ist auch der gleichzeitige Bezug von zeitlich vor einem Versicherungsfall begonnener Altersrente und Verletztengeld denkbar.
Normenkette
SGB VII § 45 Abs. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, § 72 Abs. 1 Nr. 1; SGB I § 40 Abs. 1; SGB IV §§ 8, 14; SGB V § 50 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 35
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. März 2018 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 13. Mai 2016 zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Verletztenrente ab dem 13.7.2012.
Der im Jahre 1946 geborene Kläger bezieht seit 2006 Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Wegen des geringen Rentenzahlbetrags war er nach dem Renteneintritt zusätzlich mit einem monatlichen Nettoverdienst von 350 Euro als Bausanierer geringfügig beschäftigt. Durch Bescheid vom 22.7.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf Grundlage des Bruttoentgelts aus dieser Beschäftigung ab dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 12.7.2012 Verletztengeld bis zum Ablauf der 78. Woche am 8.1.2014 und führte aus, die Verletztenrente beginne anschließend am 9.1.2014.
Nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheids erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 1.10.2014 das Vorliegen der Berufskrankheit (BK) nach Nr 4104 der Anl 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung an, gewährte dem Kläger Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vH ab dem 9.1.2014 und setzte als Tag des Versicherungsfalls den 12.7.2012 fest. Die Verletztenrente beginne gemäß § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII am Tag nach dem Ende des Verletztengeldbezugs. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.1.2015). Das SG hat die auf einen früheren Rentenbeginn gerichtete Klage abgewiesen(Urteil vom 13.5.2016).
Das LSG Rheinland-Pfalz hat das Urteil des SG aufgehoben, den Bescheid vom 1.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2015 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 100 vH auch für die Zeit vom 13.7.2012 bis zum 8.1.2014 zu gewähren (Urteil vom 19.3.2018). Nach § 72 Abs 1 SGB VII seien Renten an Versicherte von dem Tag an zu zahlen, der auf den Tag folge, an dem der Anspruch auf Verletztengeld ende (Nr 1) oder der Versicherungsfall eingetreten sei, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden sei (Nr 2). Es könne dahinstehen, ob einem Anspruch auf Verletztengeld entgegenstehe, dass der Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls bereits Altersrente bezogen und somit für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit wegen einer geringfügigen Beschäftigung Anspruch auf zwei Leistungen mit Lohnersatzfunktion gehabt habe, denn jedenfalls lägen die Voraussetzungen des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII zur Beendigung des Verletztengeldanspruchs vor. Das Verletztengeld könne seine Entgeltersatzfunktion ab dem Zeitpunkt, ab dem der Versicherte Altersrente beziehe und seinen Lebensunterhalt aus dieser Rente bestreite, nicht mehr erfüllen. Diese Situation trete zumindest dann ein, wenn der Kläger nach Bezug einer Altersrente eine geringfügige Beschäftigung ausübe und sich diese nicht mehr rentenerhöhend auswirke, wie dies hier bei dem Minijob der Fall gewesen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Ende des Verletztengeldes nach § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII voraussetze, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei. Dies habe die Beklagte festgestellt, indem sie dem Kläger Verletztengeld nach § 45 Abs 1 iVm § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 3 SGB VII gewährt habe. Hieran ändere auch nichts, dass das Verletztengeld mit "Beginn" der in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen ende. Der Gesetzgeber habe damit nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass der Leistungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung zeitlich vor der Gewährung einer Leistung iS des § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V liegen müsse. Vielmehr habe der Gesetzgeber unterstreichen wollen, dass es keiner Gewährung von Verletztengeld bedürfe, wenn das Verletztengeld keine Lohnersatzfunktion mehr habe. Dies sei unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Leistungsfälle ab Beginn der Gewährung einer Altersrente der Fall.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 45, 46 SGB VII. Der Kläger habe über seine geringfügige Beschäftigung ca 40 % seines Unterhalts neben seiner Altersrente in Höhe von 550 Euro abgedeckt. Deshalb sei ihm zu Recht Verletztengeld bewilligt worden, das einem früheren Beginn der Verletztenrente entgegenstehe.
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Die Beklagte beantragt, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. März 2018 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 13. Mai 2016 zurückzuweisen. |
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Der Kläger beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 iVm § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Es war daher aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückzuweisen. Zu Recht hat die Beklagte in dem Bescheid vom 1.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2015 (§ 95 SGG) den Beginn der Verletztenrente auf den 9.1.2014 festgesetzt und damit zugleich einen Anspruch auf Verletztenrente für davorliegende Zeiträume abgelehnt.
Gemäß § 72 Abs 1 SGB VII(in der seit dem 1.1.1997 unverändert geltenden Fassung des Gesetzes vom 7.8.1996, BGBl I 1254) werden Renten von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (Nr 1) oder der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist (Nr 2). Nach dieser Vorschrift beginnen Verletztenrenten also nur dann mit dem Tag, der auf den Tag des Versicherungsfalls folgt, wenn überhaupt kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, ansonsten erst, sobald dieser endet (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R - juris RdNr 40). Gemäß § 40 Abs 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen (§ 11 Satz 1 SGB I), zu denen auch das Verletztengeld zählt (vgl § 22 Abs 1 Nr 2 SGB I), sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Verletztengeld wird gemäß § 45 Abs 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte infolge eines Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind (§ 45 Abs 1 Nr 1 Alt 1 SGB VII; hierzu unter 1.), unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten (§ 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII; hierzu unter 2.) und kein Beendigungstatbestand iS des § 46 Abs 3 SGB VII vorliegt (BSG Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R - SozR 4-2700 § 46 Nr 3 RdNr 10; hierzu unter 3.). Diese gesetzlichen Voraussetzungen sind erfüllt.
1. Der Kläger war als abhängig beschäftigter Bausanierer kraft Gesetzes (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) "Versicherter" und nach den unangefochtenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) infolge der BK nach Nr 4104 seit dem 12.7.2012 aufgrund ärztlicher Feststellung (§ 46 Abs 1 SGB VII) arbeitsunfähig, dh nicht mehr in der Lage, dieser geringfügigen Beschäftigung weiter nachzugehen (BSG Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R - SozR 4-2700 § 46 Nr 3 RdNr 12; vgl zur stRspr in der gesetzlichen Krankenversicherung nur BSGE 26, 288 = SozR Nr 25 zu § 182 RVO; BSGE 61, 66 = SozR 2200 § 182 Nr 104; BSGE 85, 271, 273 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 12 f; zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung: BSG Urteil vom 29.11.1972 - 8/2 RU 123/71 - USK 72181; BSG SozR 3-2200 § 560 Nr 1; BSG SozR 3-2700 § 46 Nr 1).
2. Unmittelbar vor Beginn dieser Arbeitsunfähigkeit hatte er Anspruch auf Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) in Höhe von monatlich 350 Euro netto aus der geringfügigen Beschäftigung iS des § 8 SGB IV, wobei es für das Verständnis des Begriffs "unmittelbar" nicht auf einen tagesgenauen zeitlichen Anschluss, sondern darauf ankommt, dass der Versicherte, als er arbeitsunfähig wurde, von einer der im Gesetz aufgeführten Einkunftsarten gelebt haben muss (BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 2 U 23/06 R - SozR 4-2700 § 45 Nr 1 RdNr 17). Ein Anspruch auf Verletztengeld ist gemäß § 45 Abs 1 Nr 1 SGB VII auch bei einer zuvor ausgeübten geringfügigen Beschäftigung möglich. Eine restriktive Auslegung des § 45 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 SGB VII dahingehend, dass bei einer vorhergehenden geringfügigen Beschäftigung iS des § 8 SGB IV die Bewilligung von Verletztengeld grundsätzlich nicht in Betracht kommt, lässt sich nicht begründen. Zwar hat der Senat entschieden, dass beim Verletztengeld die Entgeltersatzfunktion im Vordergrund stehe und § 45 SGB VII sicherstellen solle, dass nur solche Versicherten die Leistung erhalten, die zum Kreis der Erwerbstätigen gehören und ihren Lebensunterhalt vor Eintritt der versicherungsfallbedingten Arbeitsunfähigkeit aus einer Erwerbstätigkeit oder einer daran anknüpfenden Sozialleistung bestritten haben. Die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII seien dagegen nicht erfüllt, wenn der Verletzte seinen Lebensunterhalt zu diesem Zeitpunkt aus anderen Quellen, etwa aus Vermögen, Kapitaleinkünften, Rente oder Sozialhilfe, finanziere (BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 2 U 23/06 R - SozR 4-2700 § 45 Nr 1 RdNr 17). Als der Kläger am 12.7.2012 arbeitsunfähig erkrankte, gehörte er aber nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) als Bausanierer zum Kreis der Erwerbstätigen und bestritt seinen Lebensunterhalt nicht allein aus der niedrigen Altersrente, sondern wesentlich auch aus der geringfügigen Beschäftigung, sodass die lebensunterhaltssichernde Funktion des Verletztengeldes zum Tragen kam.
Zwar könnte es für den Kläger im konkreten Fall wohl wirtschaftlich günstiger sein, wenn er kein Verletztengeld erhalten hätte, weil dann die höhere Verletztenrente früher einsetzen könnte. Dieses, vom LSG für den konkreten Fall gefundene Ergebnis, könnte jedoch bei einer über den hier zu entscheidenden Einzelfall hinausgehenden Anwendung erhebliche Folgen haben. Zum einen würden Altersrentner mit nur geringer Altersrente niemals Verletztengeld erhalten können, wenn sie ihren Lebensunterhalt aufgrund der (zu niedrigen) Altersrente durch eine (wenn auch nur geringfügige) Erwerbstätigkeit aufstocken. Zum anderen würde einem Verletzten, dessen Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus nicht um wenigstens 20 vH gemindert ist, gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht nur kein Verletztenrentenanspruch (rückwirkend) ab dem Tag nach dem Versicherungsfall zustehen (dazu Burchardt in Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, § 72 RdNr 7), sondern überhaupt keine Geldleistung der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies widerspräche dem sozialen Schutzprinzip (vgl § 1 Nr 2 SGB VII) und dem Gebot der möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 SGB I; vgl zB Gitter/Nunius in Schulin, Handbuch des SV-Rechts, § 5 RdNr 141 - 143; vgl BSG Urteil vom 5.5.1998 - B 2 U 9/97 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 11 S 31 f). Eine solche Auslegung des § 45 SGB VII wäre auch nicht mit dem einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I vereinbar. Eine Beschränkung auf Fälle einer MdE von mindestens 20 vH würde andererseits auf Bedenken im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG stoßen. Schließlich würde dies auch zu erheblichen praktischen Problemen führen, weil erst nach Ablauf der 26. Woche hierüber entschieden werden kann, das Verletztengeld jedoch bereits vorher auszuzahlen ist.
3. Das Verletztengeld hat auch nicht vor dem Ablauf der 78. Woche am 8.1.2014 geendet. Entgegen der Ansicht des LSG liegt der Beendigungstatbestand des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII nicht vor. Nach dieser Vorschrift endet das Verletztengeld, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist, mit "Beginn" der in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen. Zu den in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen zählt ua die Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die der Kläger aber bereits seit 2006 bezieht. Dass dieser Rentenbezug bereits vor Entstehung des Anspruchs auf Verletztengeld zu einem Ende des Verletztengeldanspruchs iS des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII führen könnte, lässt sich weder einer Auslegung nach dem Wortlaut (dazu unter a), noch dem systematischen Zusammenhang (dazu unter b), der Entstehungsgeschichte (dazu unter c) oder dem Sinn und Zweck des § 46 Abs 3 SGB VII entnehmen (dazu unter d).
a) Bereits der Wortlaut des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII verlangt als Beendigungstatbestand für den Bezug des Verletztengeldes, dass die in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen "beginnen". Der Wortlaut der Norm steht damit der vom LSG offenbar vertretenen Auslegung, dass ein gleichzeitiger Bezug von Altersrente und Verletztengeld nicht möglich sei, entgegen. Da nur etwas beginnen kann, was vorher nicht existierte, setzt die Norm mithin nach ihrem klaren Wortlaut voraus, dass erstmalig zeitlich nach Entstehen des Verletztengeldanspruchs Leistungen der in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Art "beginnen".
b) Auch aus der Systematik des Gesetzes lässt sich kein anderes Ergebnis begründen. Soweit der 1. Senat des BSG zu § 50 SGB V entschieden hat, dass ein Krankengeldbezug neben den in § 50 Abs 1 SGB V genannten Leistungen ausgeschlossen sei (BSG Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 14/05 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 29.9.1998 - B 1 KR 5/97 R - BSGE 83, 13, 16 = SozR 3-2500 § 50 Nr 5 S 22 jeweils unter Bezug auf den Gesetzentwurf eines 3. SGB V-ÄndG der Bundesregierung, BT-Drucks 13/340 S 9 zu Nr 2), begründet er seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Änderung der Überschrift des § 50 SGB V, wobei das Wort "Wegfall" durch das Wort "Ausschluss" ersetzt wurde (durch Gesetz vom 10.5.1995,BGBl I 678), eine Reaktion auf seine Rechtsprechung gewesen sei, dass die Norm nur in den Fällen anwendbar sei, in denen das Ruhegehalt nach Entstehung des Krankengeldanspruchs beginne (BSG Urteil vom 15.12.1993 - 1 RK 25/93 - juris RdNr 13). Die Begrifflichkeit des § 50 SGB V wurde jedoch bei Einführung des § 46 SGB VII zum 1.1.1997 gerade nicht übernommen. In § 46 SGB VII ist vielmehr von "Beginn und Ende des Verletztengeldes" die Rede. Die Begründung des Gesetzgebers zur geänderten Fassung des § 50 SGB V(BT-Drucks 13/340 S 9) , dass ein zeitlich deckungsgleicher Bezug von mehreren Lohnersatzleistungen sozialpolitisch nicht sinnvoll und deshalb jeglicher Krankengeldbezug neben den genannten Leistungen ausgeschlossen sei, ist auf § 46 SGB VII nicht übertragbar. Hierfür spricht zum einen die sich vom Krankengeld unterscheidende Höhe des Verletztengeldes (vgl BSG Urteil vom 30.6.2009 - B 2 U 1/08 R - SozR 4-2700 § 47 Nr 5 RdNr 14) und zum anderen die in § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII geregelte Rückausnahme "es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen". Hieraus folgt, dass bei nachträglicher Bewilligung einer Rente nach dem SGB VI, die durch einen Versicherungsfall des SGB VII verursacht wurde - wie es bei Erwerbsminderungsrenten gemäß § 43 SGB VI denkbar ist - ein Doppelbezug dieser Leistungen möglich ist.
c) Auch die historische Auslegung stützt diese Auffassung: § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII ist weitgehend identisch mit § 560 und § 580 RVO in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung. Dort findet sich jedoch keine dem § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII entsprechende Ausschlussnorm mit Ausnahme eines bestehenden Anspruchs auf Übergangsgeld nach §§ 568, 568a RVO, der wiederum im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall aus der gesetzlichen Unfallversicherung stehen musste. Zudem spricht der Wortlaut des § 562 RVO in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung ("Wegfall und Wiedergewährung des Verletztengeldes") dafür, dass auch vor Inkrafttreten des SGB VII die dort normierten Beendigungstatbestände zeitlich nachfolgend eintreten mussten und nicht ex tunc rechtsvernichtend den Verletztengeldanspruch gar nicht erst zur Entstehung brachten.
d) Schließlich spricht auch eine Auslegung nach Sinn und Zweck des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII dagegen, eine bereits vor dem Versicherungsfall begonnene Altersrente als Beendigungsgrund für das Verletztengeld nach dem SGB VII zu werten. Zwar sollen auch nach § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII grundsätzlich Doppelleistungen vermieden werden und die Leistungszuständigkeit der Kranken- bzw der Unfallversicherungsträger von anderen Leistungsträgern abgegrenzt werden (BT-Drucks 13/2204 S 87; vgl Heinz, SGb 2016, 25, 29). Jedoch setzt § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII nach seinem Wortlaut weiterhin voraus, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist. Damit ist zwar eine Besserstellung der rehabilitationsfähigen Versicherten verbunden, deren Anspruch auf Verletztengeld mit Bewilligung einer der genannten Leistungen nicht endet (vgl Ricke, BG 1998, 108), was aber gerade damit zu rechtfertigen ist, dass typischerweise der Bezug dieser Leistungen in der Regel das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben dokumentiert (Heinz, SGb 2016, 25, 29). Eine solche Indizwirkung des Bezugs konkurrierender Leistungen ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn ihr Beginn zeitlich nach dem Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung liegt. Beginnen solche Leistungen vorher, setzt dies zwingend voraus, dass parallel zum Leistungsbezug eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, sodass der Leistungsbezug auch nicht das Ende der Erwerbstätigkeit markieren konnte. Damit korrespondiert, dass es nach der jüngeren Rechtsprechung des Senats in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Ausschlussprinzip gibt, das einer "Doppel-"Leistung von Verletztengeld und Verletztenrente entgegensteht (BSG Urteil vom 23.7.2015 - B 2 U 6/14 R - BSGE 119, 204 = SozR 4-2700 § 72 Nr 1, RdNr 16). Damit ist auch der gleichzeitige Bezug von zeitlich vor einem Versicherungsfall begonnener Altersrente und Verletztengeld denkbar.
Da die Voraussetzungen anderer Beendigungstatbestände für den Bezug des Verletztengeldes iS des § 46 Abs 3 SGB VII vor dem 9.1.2014 nicht erfüllt sind, ist die Beklagte zutreffend von einem Ende des Verletztengeldes mit Ablauf der 78. Woche gemäß § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 3 SGB VII am 8.1.2014 ausgegangen. Die Verletztenrente begann daher gemäß § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII erst am Folgetag, dh am 9.1.2014.
Dahinstehen konnte deshalb auch, ob dieses Ergebnis nicht schon daraus folgte, dass der Kläger den Bescheid der Beklagten vom 22.7.2014 nicht angefochten hat und bereits deshalb für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG) das Bestehen eines Anspruchs auf Verletztengeld bis zum 8.1.2014 feststand.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen