Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsvollstrecker. Partei kraft Amtes. Kostenerstattung. Krankenhausbehandlung. Zulassung. Genehmigung. Versorgungsvertrag. Rückwirkung
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Testamentsvollstrecker kann einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V als Partei kraft Amtes im eigenen Namen gerichtlich geltend machen.
- Die Genehmigung eines Versorgungsvertrags nach § 109 Abs. 3 S. 2 SGB V entfaltet nur für die Zukunft Wirkung, nicht rückwirkend für Zeiten vor der Genehmigung.
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 3, § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 S. 2, §§ 108, 109 Abs. 1, 3; BGB § 184 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Mai 2004 und des Sozialgerichts Konstanz vom 30. September 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten stationärer Krankenhausbehandlung.
Der Kläger war zunächst Generalbevollmächtigter der im Februar 2001 verstorbenen, bei der beklagten Ersatzkasse versichert gewesenen R… D… (im Folgenden: D…); inzwischen ist er Testamentsvollstrecker über deren Nachlass. Der Kläger beantragte für D… am 8. November 2000 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine geplante stationäre Behandlung in der Klinik St. Georg in Bad Aibling, einer Fachklinik für Innere Medizin und Onkologie. Dazu legte er den Einweisungsschein einer anderen Klinik vor, in der D… zuvor behandelt worden war. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme unter Hinweis auf die fehlende Zulassung der Klinik St. Georg als Vertragskrankenhaus telefonisch ab. Vom 10. November bis 13. Dezember 2000 wurde D… in der Klinik St. Georg stationär behandelt. Dafür fielen Kosten in Höhe von 22.161,57 DM an, welche D… bzw ihre Erben trugen. Im November 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Kostenübernahme. Er wies darauf hin, dass der Krankenhausträger und die Krankenkassenverbände bereits am 1. September 2000 einen Versorgungsvertrag für die Klinik St. Georg geschlossen hätten. Dieser Vertrag wurde im Mai 2001 vom zuständigen Bayerischen Staatsministerium genehmigt. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme weiterhin ab und wies den Widerspruch hiergegen zurück (Bescheid vom 27. Dezember 2000, Widerspruchsbescheid vom 30. November 2001).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zur Erstattung des Krankenkassenanteils (5.061,79 €) verurteilt (Urteil vom 30. September 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen, weil diese die Übernahme der Kosten für die Krankenhausbehandlung zu Unrecht abgelehnt habe. Zum Zeitpunkt der stationären Behandlung sei der maßgebliche Versorgungsvertrag bereits verbindlich geschlossen gewesen und es habe nur noch die landesbehördliche Genehmigung ausgestanden. Die im Mai 2001 erteilte Genehmigung habe Rückwirkung auf den zunächst schwebend unwirksamen Vertrag entfaltet (Urteil vom 18. Mai 2004).
Die Beklagte hat Revision eingelegt, mit der sie eine Verletzung des § 109 Abs 3 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) rügt. Der dort verwendete Begriff der “Genehmigung” lasse nicht die Auslegung zu, dass der Gesetzgeber auch hier die Rechtsfolge des § 184 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) habe anordnen wollen. Die Genehmigung des Versorgungsvertrages zeitige keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Mai 2004 und des Sozialgerichts Konstanz vom 30. September 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger hält die Urteile des LSG und SG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Urteile des LSG und SG waren aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger ist als Testamentsvollstrecker (vgl §§ 2197 ff BGB) Partei kraft Amtes und kann den hier streitgegenständlichen, zum Nachlass der Versicherten D… gehörenden behaupteten Erstattungsanspruch auf Grund des ihm zugewiesenen Amtes im eigenen Namen geltend machen (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 69 RdNr 4b; Edenhofer in Palandt, BGB, 64. Aufl 2005, § 2212 RdNr 2; BSG SozR 2200 § 393 Nr 12). Der behauptete Kostenerstattungsanspruch besteht indessen nicht. Der Versicherten D… stand mangels Krankenhauszulassung ein Anspruch auf Erstattung der in der Klinik St. Georg für ihre Behandlung entstandenen Kosten nicht zu. Die Vorinstanzen hätten ihrer Klage nicht stattgeben dürfen.
Die Voraussetzungen des als Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung hier allein in Betracht kommenden § 13 Abs 3 Alt 2 SGB V bzw § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V (idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266 bzw – ab 1. Juli 2001 – idF von Art 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch ≪SGB IX≫ Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001, BGBl I 1046) sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist eine Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht allerdings nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; Urteil vom 18. Mai 2004 – B 1 KR 21/02 R – BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1 – Immucothel; Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R – BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 – Visudyne). Das war bei der stationären Krankenhausbehandlung der Versicherten D… vom 10. November bis 13. Dezember 2000 in der Klinik St. Georg in Bad Aibling nicht der Fall, weil diese Klink im genannten Zeitraum kein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes Krankenhaus gewesen ist.
Als die Beklagte die beantragte Krankenhausbehandlung in der genannten Klinik am 8. November 2000 telefonisch und erneut mit Bescheid vom 27. Dezember 2000 ablehnte, lag die Genehmigung des Versorgungsvertrages noch nicht vor. Diese erfolgte erst im Mai 2001. Schon insoweit kann bezogen auf den Zeitpunkt des Antrags auf Übernahme/Zusage der Behandlungskosten und der Ablehnung durch die beklagte Krankenkasse im November und Dezember 2000 nicht die Rede davon sein, die Beklage habe eine Leistung damals (8. November und 27. Dezember 2000) zu Unrecht abgelehnt. Die Beklagte hätte zu diesem Zeitpunkt mangels Vorliegens einer wirksamen Krankenhauszulassung gar nicht anders handeln können als den Antrag abzulehnen.
Die Leistungsablehnung ist auch nicht nachträglich etwa dadurch rechtswidrig geworden, dass die Genehmigung des Versorgungsvertrages später noch erfolgt ist. Die nachträgliche Genehmigung des Versorgungsvertrages im Mai 2001 ändert nichts daran, dass die Klinik St. Georg im streitigen Zeitraum (November/Dezember 2000) nicht den Status eines zugelassenen Krankenhauses hatte. Versicherte haben indessen nur Anspruch auf stationäre Behandlung in – bereits zum Zeitpunkt der Behandlung – zugelassenen Krankenhäusern.
Nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5, § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf (voll)stationäre Behandlung in einem “zugelassenen Krankenhaus (§ 108)”, wenn das Behandlungsziel nicht durch andere teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung erreicht werden kann. Nach § 108 SGB V dürfen die Krankenkassen Krankenhausbehandlungen nur durch zugelassene Krankenhäuser erbringen lassen. Zugelassene Krankenhäuser sind nach der Legaldefinition des § 108 SGB V erstens Hochschulkliniken im Sinne des Hochschulbauförderungsgesetzes, zweitens Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommenen sind (Plankrankenhäuser) sowie drittens Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkasse und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben. Während Hochschulkliniken und Plankrankenhäuser bereits kraft Gesetzes zugelassene Krankenhäuser sind, erlangen sonstige Krankenhäuser diesen Status erst durch den insoweit konstitutiven Abschluss eines Versorgungsvertrages, welcher der Genehmigung durch die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden bedarf (vgl BSGE 78, 243, 247 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2 S 16 mwN).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen war die Klinik St. Georg im streitigen Zeitraum kein zugelassenes Krankenhaus iS von § 108 SGB V. Die Klinik St. Georg ist weder eine Hochschulklinik noch ein Plankrankenhaus; hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Die Klinik St. Georg hatte im streitigen Zeitraum auch (noch) nicht den Status eines zugelassenen Krankenhauses iS von § 108 Nr 3 SGB V. Zwar hatte der Krankenhausträger der Klinik St. Georg mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen bereits am 1. September 2000 einen Versorgungsvertrag geschlossen. Dieser kam gemäß § 109 Abs 1 Satz 3 SGB V durch die Einigung zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen und dem Krankenhausträger zu Stande. Er wurde aber erst im Mai 2001 vom zuständigen Bayerischen Staatsministerium (vgl BSGE 78, 243, 247 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2) genehmigt und gemäß § 109 Abs 3 Satz 2 SGB V erst mit dieser Genehmigung wirksam. Die Genehmigung wirkt entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Versorgungsvertrags im September 2000 zurück (aA Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 109 SGB V RdNr 7, Stand Dezember 1997).
Die vorherige Zustimmung zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts wird im Allgemeinen als Einwilligung (vgl § 183 Satz 1 BGB), die nachträgliche Zustimmung hingegen als Genehmigung (vgl § 184 Abs 1 BGB) bezeichnet, jedoch folgt aus der Verwendung des Begriffs der Genehmigung nicht zwangsläufig, dass die erteilte Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt. Diese Rechtsfolge ist zwar im Zivilrecht der Regelfall, sie tritt nach § 184 Abs 1, 2. Halbsatz BGB jedoch auch dort nur ein, soweit nichts anderes bestimmt ist. Ob die Genehmigung Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses entfaltet oder das Rechtsgeschäft erst ab dem Zeitpunkt der Genehmigungserteilung wirksam werden lässt, ist dem öffentlichen Recht, vor allem dem Genehmigungserfordernis selbst und den mit ihm im Zusammenhang stehenden Bestimmungen zu entnehmen (vgl BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2004 – 6 C 1/03 – BVerwGE 120, 54, 59 = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr 3; BGH, Urteil vom 15. Juni 1960 – V ZR 105/59 – BGHZ 32, 383, 389 f; Heinrichs in Palandt, BGB, 65. Aufl 2006, Einf vor § 182 RdNr 6 mwN; Gursky in: Staudinger, BGB, Stand Mai 2001, Vorbem zu §§ 182 ff RdNr 60 und 62 mwN).
Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung schließt es seinem Zweck nach aus, einer dem Leistungserbringerrecht zuzurechnenden behördlichen Genehmigung eines Versorgungsvertrages Rechtswirkungen für Zeiten vor ihrer Erteilung beizumessen. Für das Vertragsarztrecht ist insoweit anerkannt, dass statusbegründenden Akten grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft zukommt (vgl BSG SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 5/6; BSGE 86, 121, 123 = SozR 3-5520 § 24 Nr 4; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 4 RdNr 15). Nichts anderes gilt für die Zulassung eines Krankenhauses zur stationären Behandlung, bei welcher der Genehmigung des Versorgungsvertrages ebenfalls statusbegründende Wirkung zukommt. Ebenso wie bei einer ambulantärztlichen Behandlung ein Anspruch Versicherter auf Sachleistungsgewährung in der gesetzlichen Krankenversicherung nur besteht, wenn der ärztliche Leistungserbringer bereits im Zeitpunkt der Behandlung über eine wirksame Zulassung verfügte, kann im stationären Bereich zu Lasten der Krankenkassen erst abgerechnet werden, wenn die erforderliche Genehmigung erteilt worden ist. § 109 Abs 3 Satz 2 SGB V bestimmt insoweit durch die Verwendung des Präsens nicht nur sprachlich, sondern auch der Sache nach rechtlich zutreffend, dass Abschluss und Ablehnung des Versorgungsvertrages erst “mit der Genehmigung” durch die zuständige Landesbehörde und damit erst vom Zeitpunkt der Genehmigung an wirksam “werden”. Ließe man eine Rückwirkung der Genehmigung zu, könnten bis zur Erteilung der zunächst ungewissen Genehmigung Schwebezustände auftreten, die sich mit dem Erfordernis eindeutiger und klarer Rechtsverhältnisse bezüglich des Behandlungsanspruchs bereits bei Beginn der Behandlung nicht in Einklang bringen ließen (allgemein zur Maßgeblichkeit der Verhältnisse im Zeitpunkt des Beginns einer Krankenbehandlung vgl BSGE 81, 54, 58 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 13 f – immunbiologische Therapie; SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 56 f – ASI).
Lässt sich ein Versicherter nach bloßem Abschluss des Versorgungsvertrages in einem am Versorgungsvertrag beteiligten Krankenhaus behandeln und wird die Genehmigung des Versorgungsvertrages endgültig verweigert, wäre eine Rückabwicklung der erbrachten Leistungen praktisch nicht möglich und es stellte sich die Frage, wer dieses Risiko der endgültigen Genehmigungsverweigerung zu tragen hat. Die Finanzierung des Krankenhausaufenthalts wäre sowohl für den Krankenhausträger als auch für den Versicherten mit kaum kalkulierbaren Risiken verbunden. Denn die Genehmigung ist keine bloße Formalie, mit deren Erfüllung regelmäßig gerechnet werden darf. Bei Vertragsabschluss ist damit noch keineswegs sicher, dass die Genehmigung tatsächlich erfolgen wird, zumal § 109 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB V den Abschluss eines Versorgungsvertrages vor allem dann nicht zulässt, wenn das Krankenhaus für eine bedarfsgerechte Versorgung nicht erforderlich ist (BSGE 87, 25 = SozR 3-2500 § 109 Nr 7). In einem solchen Fall darf auch die Genehmigung nach § 109 Abs 3 Satz 2 SGB V nicht erteilt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen