Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeit. Vermögen. Sparguthaben. Berufsausbildung. Ausbildung. Habilitation. Hochschullehrer. angemessene Lebensgrundlage, Aufbau oder Sicherung. Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung. Verfassungsrecht. Berufsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
- Die Vorbereitung auf die Habilitation ist keine Berufsausbildung iS des § 6 Abs 3 S 2 Nr 3 AlhiV.
- Zur Frage der Zumutbarkeit der Verwertung von Vermögen, das für berufliche Zwecke (hier: Anfertigung einer Habilitationsschrift) bestimmt ist.
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 137 Abs. 2; AlhiV § 6 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 9. März 1990.
Der 1953 geborene Kläger hat nach Prüfungen in den Studiengängen Philosophie und Pädagogik die erste philologische Staatsprüfung (Deutsch, Sozialwissenschaften) abgelegt; 1980 wurde er zum Doktor der Philosophie promoviert. Zuletzt war er vom 1. Oktober 1983 bis 30. September 1989 beamteter Hochschulassistent am Fachbereich Germanistik der Universität M.… mit einem monatlichen Bruttogehalt von 4.468,61 DM. Nach seinem Ausscheiden erhielt er Übergangsgeld (Übg) gemäß § 47 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG), insgesamt rund 26.700,00 DM.
Das Arbeitsamt (ArbA) lehnte mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 26. April 1990 den Antrag des Klägers auf Alhi ab 9. März 1990 ab, da er wegen eines Sparguthabens von 24.109,55 DM bis zum 21. Juni 1990 nicht bedürftig sei.
Am 28. Mai 1990 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alhi ab 22. Juni 1990. Auch diesen Antrag lehnte das ArbA ab, weil er innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden bzw gleichgestellte Zeiten zurückgelegt habe (Bescheid vom 12. Juni 1990, Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 1990). Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Berufung beim Landessozialgericht (LSG) nahm der Kläger am 10. Februar 1993 zurück (Az: L 12 Ar 190/91), beantragte jedoch gleichzeitig die Rücknahme des Bescheids vom 26. April 1990: Die damalige Ablehnung der Alhi sei rechtswidrig gewesen; sein Sparguthaben sei nach § 6 Abs 3 Nr 3 Alhi-Verordnung (AlhiV) geschützt gewesen, weil es der Erstellung einer Habilitationsschrift und damit der Berufsausbildung, jedenfalls aber dem Aufbau einer angemessenen Lebensgrundlage gedient habe. Das ArbA lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 21. Juni 1993; Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1993).
Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 24. Juni 1994 und Urteil des LSG vom 13. Juli 1995). Das LSG war – ebenso wie das SG – der Auffassung, die Heranziehung des Vermögens sei zumutbar gewesen. Die Habilitation sei keine Berufsausbildung, weil ihr der Ausbildungscharakter fehle. Der Kläger habe sich bei seiner Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 9. März 1990 auch ohne Habilitation eine angemessene Lebensgrundlage sichern können. Aufgrund der zurückgelegten Studiengänge und seiner Tätigkeit als Hochschulassistent habe er über eine überdurchschnittlich hohe berufliche Qualifikation und eine dieser entsprechende aktuelle langjährige Berufserfahrung verfügt.
Mit der Revision rügt der Kläger, das LSG habe den Begriff der Berufsausbildung in § 6 Abs 3 Nr 3 AlhiV verkannt. Die Anfertigung der Habilitationsschrift stelle nicht nur den Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit dar. In der Regel kontrolliere der “Habilitationsvater” die Arbeit seines Schülers regelmäßig und spreche mit ihm die zu behandelnden Probleme durch. Im Vergleich mit Studenten sei bei der Vorbereitung zur Habilitation das Ausbildungsverhältnis viel persönlicher und enger. Zu Unrecht sei auch das LSG davon ausgegangen, daß er bereits einen Berufsabschluß und eine angemessene Lebensgrundlage erreicht habe. Weder sein erstes Staatsexamen noch die Promotion eröffneten rechtlich oder faktisch ein Berufsfeld.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 13. Juli 1995 und das Urteil des SG vom 24. Juni 1994 sowie den Bescheid vom 21. Juni 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 26. April 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 1990 zurückzunehmen und ihm für die Zeit vom 9. März bis 21. Juni 1990 Alhi zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
1. Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger beantragte Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des bindenden Bescheids vom 26. April 1990 kommt allein § 44 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Ob der frühere Bescheid bei Erlaß rechtswidrig war, entscheidet sich nach der damaligen Sach- und Rechtslage. Der ablehnende Verwaltungsakt vom 26. April 1990 war rechtmäßig. Denn die Beklagte hat bei seinem Erlaß das Recht richtig angewandt und zu Recht die Gewährung von Alhi für die streitige Zeit ab 9. März bis 21. Juni 1990 abgelehnt. Daher kommt es auf die Besonderheiten bei der Rücknahme eines Verwaltungsaktes für die Vergangenheit nach § 152 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31. Dezember 1993 gültigen Fassung nicht an.
2. Nach § 134 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alhi, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat (Nr 1), keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, weil er die Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) nicht erfüllt hat (Nr 2), bedürftig ist (Nr 3) und innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist) mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden hat oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) dienen könnte (Nr 4 Buchst b).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Voraussetzungen nach § 134 Abs 1 Nrn 1 und 4 AFG erfüllte. Denn er erfüllt jedenfalls die Voraussetzung der Bedürftigkeit nach § 134 Abs 1 Nr 3 AFG nicht.
2.1 Nach § 137 Abs 2 AFG ist der Arbeitslose nicht bedürftig iS des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ergibt sich des näheren aus § 6 AlhiV vom 7. August 1974 (BGBl I 1929) idF vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261). Danach ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung – nach Abzug eines Freibetrages von 8.000,00 DM – zumutbar ist (§ 6 Abs 1 AlhiV).
2.2 Ausgehend von der sog speziellen Bedürftigkeitsprüfung (vgl dazu BSGE 67, 128, 129 = SozR 3-4100 § 137 Nr 1 mwN) hat der Kläger nach den – nicht angegriffenen und daher bindenden (§ 163 SGG) – Feststellungen des LSG im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 9. März 1990 über ein Sparguthaben in Höhe von 24.109,55 DM verfügt. Ob und in welchem Umfang die Verwertung dieses – verwertbaren (§ 6 Abs 2 AlhiV) – Vermögens für den Kläger zumutbar war, richtet sich nach § 6 Abs 3 AlhiV.
Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist die Verwertung eines Vermögens dann zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens billigerweise erwartet werden kann. Dabei wird in Satz 2 Nr 3 derselben Vorschrift als Beispiel einer unzumutbaren Verwertung von Vermögen aufgeführt, daß dieses für eine alsbaldige Berufsausbildung, zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist.
Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angestrebten Habilitation waren im Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung am 9. März 1990 weder die Voraussetzungen des Grundtatbestandes des § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV noch die letztgenannten Voraussetzungen gegeben. Dabei kann – wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat – offenbleiben, ob das Sparguthaben für die Habilitation bestimmt war. Denn die Habilitation stellt weder eine Berufsausbildung iS des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV dar noch dient der Einsatz des Vermögens zu diesem Zwecke der Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage iS der genannten Vorschrift.
3. Der Begriff der Berufsausbildung hat in mehreren Rechtsbereichen des Sozialrechts – meist innerhalb der Wortverbindung “Schul- oder Berufsausbildung” seinen Niederschlag gefunden (vgl BSGE 43, 44, 45 = SozR 2200 § 1262 Nr 9; BSGE 65, 250, 251 = SozR 5870 § 2 Nr 66 mwN). Er wird, soweit Unterschiede in der begrifflichen Abgrenzung nicht aus dem jeweiligen Rechtsgebiet folgen, übereinstimmend dahin verstanden, daß Berufsausbildung nur dann vorliegt, wenn es sich dem Wesen nach um eine Ausbildung handelt und diese dazu dient, Fähigkeiten zu erlangen, die die Ausübung des zukünftigen Berufes ermöglichen (vgl zusammenfassend BSGE 65, 250, 251 = SozR 5870 § 2 Nr 66 sowie BSG SozR 3-5870 § 2 Nr 28).
3.1 Es kann hier offenbleiben, ob dieses relativ weite Verständnis des Begriffs der Berufsausbildung, das danach grundsätzlich auch die Weiter- oder Fortbildung umfaßt, auch in vollem Umfang im Rahmen des § 6 Abs 3 AlhiV gilt. Jedenfalls sind im vorliegenden Fall die genannten Anforderungen schon deswegen nicht erfüllt, weil es sich bei der Habilitation des Klägers nicht dem Wesen nach um eine Ausbildung handelt. Bereits dies steht einer Wertung der Habilitation als Berufsausbildung entgegen. Eine Ausbildung setzt – wie vom BSG, insbesondere vom 10. Senat, wiederholt entschieden worden ist – ein echtes Ausbildungsverhältnis voraus, das nach Inhalt und zeitlicher Gestaltung sowie Leistungskontrolle einem von vornherein festgelegten Plan entspricht und sich an einem bestimmten Ausbildungsziel orientiert. Dazu gehört in der Regel, daß sachkundige verantwortliche Ausbilder bestellt sind, die den Auszubildenden anleiten, belehren und ihn mit dem Ziel unterweisen, ihm die für den erstrebten Beruf notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln (BSGE 65, 250, 251 = SozR 5870 § 2 Nr 66 mwN sowie zur Promotion – BSG SozR 3-5870 § 2 Nr 28 und das nicht veröffentlichte BSG-Urteil vom 27. September 1994 – 10 RKg 3/94 –).
3.2 Einen derartigen Ausbildungscharakter hat die Habilitation nicht. Mit dem Bestehen der ersten philologischen Staatsprüfung hatte der Kläger sein wissenschaftliches Hochschulstudium abgeschlossen. Für den von ihm erstrebten Beruf des Hochschullehrers sind zwar außer einem abgeschlossenen Hochschulstudium ua die Promotion und nachfolgend die Habilitation regelmäßig Einstellungsvoraussetzungen (§ 44 Abs 1 und 2 Hochschulrahmengesetz ≪HRG≫ idF der Bekanntmachung vom 9. April 1987, BGBl I 1170). Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Habilitation als Berufsausbildung iS des § 6 Abs 3 AlhiV zu qualifizieren. Denn sie dient – noch ausgeprägter als die Promotion – dem Nachweis der Befähigung zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit bzw zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen (vgl §§ 44 Abs 1 Nr 4a, Abs 2 HRG). Sie erfolgt weder nach einem bestimmten, festen Zeitplan noch ist eine Leistungskontrolle bzw eine Unterweisung, Belehrung und Anleitung durch einen Ausbilder festgelegt. Die im Einzelfall erfolgende Betreuung durch einen “Habilitationsvater” ist einem geregelten Ausbildungsgang nicht vergleichbar. Der Einwand des Klägers, derartige Anforderungen seien auch bei einem Studium häufig nicht erfüllt, ergibt nichts Abweichendes. Dasselbe gilt für das Vorbringen, die persönlichen Beziehungen zwischen Habilitand und dem die Habilitationsschrift betreuenden Professor seien in der Regel enger als zwischen dem Professor und Studenten. Auch soweit sich die Revision auf eine angeblich aus § 2 Abs 3 HRG folgende Betreuungspflicht der Fakultät gegenüber dem Habilitanden beruft, ist diese keinem Ausbildungsverhältnis gleichzusetzen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger in der Revisionsbegründung zitierten Literatur (vgl Karpen, DVBl 1975, 404, 406) und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Inhalt dieser Fürsorgepflicht gegenüber Habilitierten (vgl BVerwGE 91, 24, 44). Schließlich kann, wie insbesondere der Fall des Klägers zeigt, aus der zeitlichen Begrenzung einer Assistententätigkeit (§ 48 Abs 1 HRG) nicht auf eine Zeitgrenze für die Habilitation geschlossen werden.
4. Die vom Kläger angestrebte Habilitation und das dafür nach seinem Vortrag eingesetzte Vermögen diente auch nicht dem Aufbau oder der Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage. Wie diese zweite Alternative des § 6 Abs 2 Satz 2 Nr 3 AlhiV zu verstehen ist, erschließt sich aus dem Zusammenhang mit dem Grundtatbestand des § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV. Danach ist die Verwertung des Vermögens zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens billigerweise erwartet werden kann. Wann dies der Fall ist, läßt sich – wie das BSG wiederholt entschieden hat – nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles und unter Beachtung von Sinn und Zweck der Alhi beantworten (vgl zum Grundtatbestand des § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV – BSGE 72, 248, 250 = SozR 3-4100 § 137 Nr 4 mwN).
4.1 Der Kläger hat ein Hochschulstudium abgeschlossen, anschließend promoviert und war zuletzt sechs Jahre lang als beamteter Hochschulassistent tätig. Das LSG hat hieraus gefolgert, daß der Kläger bereits über eine überdurchschnittliche hohe berufliche Qualifikation und eine dieser entsprechende aktuelle langjährige Berufserfahrung verfügte. Auf Grund dieses Werdeganges kamen nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG für den Kläger auf mehreren Gebieten qualifizierte berufliche Tätigkeiten in der Wissenschaft oder in der Praxis in Betracht, bei denen die Habilitation nicht Voraussetzung war. Damit konnte er im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 9. März 1990 auch ohne Habilitation eine angemessene Lebensgrundlage sichern. Ist dies der Fall, so dient der Erwerb einer weiteren hierauf aufbauenden Qualifikation nicht mehr dem Aufbau oder der Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage iS des § 6 Abs 3 Nr 3 AlhiV.
4.2 Hinsichtlich dieser Feststellungen hat der Kläger keine zulässigen Verfahrensrügen erhoben. Für eine zulässige Verfahrensrüge hätte der Kläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist im einzelnen darlegen müssen, daß und weshalb die beanstandeten Tatsachenfeststellungen unter Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorschriften (beispielsweise §§ 103, 106 SGG) vom LSG getroffen worden sind. Ein solches Vorbringen läßt sich der Revisionsbegründung auch nicht ansatzweise entnehmen. Vielmehr hat sich der Kläger insoweit weitgehend auf Ausführungen in privatgutachtlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. Dr. B.… bezogen. Daß Prof. Dr. Dr. B.… im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht als Zeuge gehört worden ist, wie der Kläger in seiner Revisionsbegründung rügt, kann auch – unabhängig davon, daß es an einer förmlichen Verfahrensrüge fehlt – keinen Aufklärungsmangel begründen. Denn dazu hätte der Kläger die Gründe darlegen müssen, aus denen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiterer Sachaufklärung hätte gedrängt sehen müssen.
4.3 Auch die weiteren Ausführungen in der Revisionsbegründung sind nicht geeignet, die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen des LSG in Zweifel zu ziehen bzw die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung zu begründen. So ist weder ersichtlich noch schlüssig dargetan, daß die Berufsausbildung des Germanisten – ähnlich wie die zweistufige Juristenausbildung – nach der ersten philologischen Staatsprüfung bzw nach der Promotion stets einen zweiten Ausbildungsabschnitt verlangt, ehe sich ein Berufsfeld eröffnet (vgl hierzu Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen, Bd H 1, Hochschulberufe, S 332 f – Germanist). Auch soweit der Kläger einwendet, das LSG habe aus seiner langjährigen Tätigkeit als Hochschulassistent nicht auf eine überdurchschnittlich hohe berufliche Qualifikation und aktuelle langjährige Berufserfahrung schließen dürfen, ergibt sich hieraus nichts Abweichendes. Der Kläger hat nach seinem Vorbringen als Hochschulassistent zahlreiche Lehrveranstaltungen (Proseminare, Grundkurse, Kolloquien etc) durchgeführt und ein Forschungsprojekt geleitet. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das LSG aus den hieraus gewonnenen wissenschaftlichen und pädagogischen Erfahrungen auf im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung am 9. März 1990 aktuelle berufliche Kenntnisse schließt.
5. Im Fall des Klägers liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die den Verbrauch des Vermögens in Gestalt des Sparguthabens als offensichtlich unwirtschaftlich oder unzumutbar iS des Grundtatbestandes des § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV erscheinen ließen. Letzteres käme allenfalls in Betracht, wenn der Kläger zum Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 9. März 1990 kurz vor dem Abschluß seiner Habilitation gestanden wäre. Bei einer solchen Fallgestaltung wäre weder ein Ausbildungscharakter der Habilitation erforderlich noch käme es darauf an, ob der Kläger bereits über eine angemessene Lebensgrundlage verfügt. Der Kläger hat jedoch nicht geltend gemacht, daß die Habilitation vor dem Abschluß stand; aus den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten ergibt sich im Gegenteil, daß er nicht über deren Anfangsstadium hinausgekommen war.
6. Daß unter Berücksichtigung des zu verbrauchenden Vermögens das ArbA im Bescheid vom 26. April 1990 die Anrechnungszeit vom 9. März bis 21. Juni 1990 zutreffend berechnet hat, hat das LSG bereits zutreffend ausgeführt.
Für die Zeit danach, die hier nicht Prüfungsgegenstand war, hat die Beklagte – worauf das LSG ebenfalls hingewiesen hat – einen Anspruch des Klägers auf Alhi nicht mangels Bedürftigkeit, sondern mangels Erfüllung der einjährigen Vorfrist nach § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG verneint, wobei insbesondere Zeiten des Bezuges von Übg nach § 47 BeamtVG nicht als anspruchsbegründend wirkten (vgl BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14).
7. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers vermag der Senat nicht zu teilen. Wie der Kläger selbst einräumt, verletzt die Berücksichtigung von Vermögen nicht das in Art 12 Abs 1 Grundgesetz geschützte Recht auf Freiheit der Berufswahl. Denn dieses Grundrecht ist primär ein Abwehrrecht gegen Belastungen und Beschränkungen der Berufswahl, es gibt jedoch kein (uneingeschränktes) Recht auf Ausbildungsförderung oder sonstige wirtschaftliche Berufsabsicherung (vgl dazu Scholz in Maunz/Dürig, Komm zum GG, Art 12 Anm 65, 66, 436 f). Aus diesem Grundrecht läßt sich auch nicht – wie der Kläger offenbar meint – eine Verpflichtung des Gesetzgebers ableiten, dem Bürger eine berufliche Weiterbildung durch die Gewährung staatlicher Leistungen zur Aufrechterhaltung seines Lebensunterhaltes zu ermöglichen, wenn er über eigenes, verwertbares Vermögen verfügt. Die Alhi wird – ebenso wie die Sozialhilfe – vom Grundsatz der Subsidiarität beherrscht, dh das Gesetz geht davon aus, daß der Arbeitslose zunächst, soweit zumutbar, sein Vermögen verwerten muß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
MDR 1997, 75 |
SozSi 1997, 318 |