Beteiligte
Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 6. August 1997 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte der Neubescheidung die Rechtsauffassung des Senats zugrunde zu legen hat.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe
I
Der seit März 1988 in Hannover als Vertragszahnarzt niedergelassene Kläger wendet sich gegen die im Jahre 1995 von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) im Rahmen der Honorarverteilung praktizierte Begrenzung der für vertragszahnärztliche Sachleistungen abrechenbaren Vergütungsbeträge.
Nach dem im Jahre 1995 geltenden Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten hatte der einzelne Vertragszahnarzt in den Leistungsbereichen konservierend-chirurgische Behandlungen, Parodontosebehandlungen und Kieferbruchbehandlungen Vergütungsansprüche in Höhe des vollen Punktwertes nur bis zu einer individuellen Bemessungsgrundlage, die sich aus einem Mittelwert der in den Jahren 1991 bis 1993 vergüteten Leistungen errechnete. Auf der Grundlage dieser Regelung setzte die Beklagte die Bemessungsgrundlage für 1995 nach dem arithmetischen Mittel der vom Kläger in den Jahren 1991 bis 1993 erreichten Abrechnungsergebnisse auf 169.542,62 DM fest (Bescheid vom 16. Mai 1995). Der Kläger überschritt im Jahre 1995 diesen Grenzwert um 87.937,66 DM. Von diesem Überschreitungsbetrag blieben nach Abschluß der Verteilung der Restvergütung 61.556,36 DM endgültig unvergütet. Mit seinem Widerspruch gegen die Festsetzung der Bemessungsgrundlage machte der Kläger geltend, er halte den HVM für formell und materiell rechtswidrig. Die Festsetzung berücksichtige nicht, daß der seit 1992 erfolgte Anstieg der abgerechneten Honorare nicht auf einer Ausweitung seiner Praxistätigkeit, sondern auf die Umstrukturierung seiner Praxis zurückzuführen sei. Die günstige Entwicklung seiner Praxis werde durch den HVM im Jahre 1995 gegenüber 1994 noch zusätzlich dadurch gehemmt, daß entgegen den ursprünglichen Plänen die Abrechnungsergebnisse des Jahres 1994 keinen Einfluß auf die Höhe der Bemessungsgrundlage für 1995 hätten. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Sie sei durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) verpflichtet worden, die Begrenzung des Anstiegs der Gesamtvergütung an die abrechnenden Zahnärzte weiterzugeben (Bescheid vom 23. November 1995).
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Bemessungsgrundlage für 1995 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Regelungen im HVM stünden nicht in vollem Umfang mit höherrangigem Recht in Einklang. Zu bemängeln sei, daß der HVM keinerlei Regelungen zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenzahnarztpraxis enthalte. Im übrigen sei der Kläger auch aufgrund des von ihm tatsächlich abgerechneten Umfangs der Sachleistungen im Jahre 1995 einem sog Erstniederlasser gleichzusetzen, da sein individuelles Abrechnungsergebnis die fiktive Bemessungsgrundlage auf der Basis des arithmetischen Jahresmittels der Vertragszahnärzte 1993 abzüglich 8 vH (230.253,00 DM) nicht erreicht habe. Das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit erfordere Regelungen, die verhinderten, daß gerade diejenigen Zahnärzte unverhältnismäßig starke Honorareinbußen hinnehmen müßten, die in der Vergangenheit aufgrund ihrer Abrechnungsweise nicht zu Leistungsausweitungen beigetragen hätten (Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 1996).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß diese bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des LSG zu beachten habe. Das System individueller Bemessungsgrundlagen als solches sei allerdings nicht zu beanstanden, selbst wenn nicht auszuschließen sei, daß in gewissem Umfang vertragszahnärztliche Leistungen überhaupt nicht vergütet würden. Die von der Beklagten für 1994 gebildete Honorarreserve von 45 Millionen DM lasse deutlich erkennen, daß eine Vergütungsmöglichkeit für jede Einzelleistung weiterhin bestehe. Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage seien die tatsächlich erbrachten und abgerechneten Leistungen jedes einzelnen Zahnarztes in der Vergangenheit, was jedenfalls nicht derart sachfremd sei, daß die Regelung als solche gegen das Willkürverbot verstoße. Die Beklagte habe es jedoch unterlassen, eine fehlerfreie und angemessen begründete Ermessensentscheidung hinsichtlich der Bemessungsgrundlage des Klägers zu treffen. Dazu sei sie nach Ziff 2.6.7 HVM (Härteklausel) verpflichtet. Sie sei bei der Neubescheidung gehalten, den Umstand, daß sie bis 1993 keinen HVM verabschiedet habe und damit auch keinerlei Maßnahmen gegen eine übermäßige Ausdehnung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit habe ergreifen können, als Ermessensgesichtspunkt zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Zudem bestehe eine Verpflichtung der Beklagten, die Bemessungsgrundlage insbesondere für kleinere Praxen anzuheben und so das zur Verteilung zur Verfügung stehende Resthonorar in erster Linie diesen Praxen zugute kommen zu lassen (Urteil vom 6. August 1997).
Dieses Urteil greift die Beklagte mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision an.
Als Verfahrensfehler rügt sie, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt nicht im notwendigen Umfang aufgeklärt. Das angefochtene Urteil stelle zu Unrecht fest, ihr stünden für 1994 noch 45 Millionen DM zur Restverteilung zur Verfügung. Das habe sie zwar Anfang 1996 gegenüber dem SG so vorgetragen. In der Zwischenzeit hätten sich jedoch die Umstände geändert, und das Berufungsgericht sei gehindert gewesen, diesen Vortrag 1 1/2 Jahre später ohne nähere Erörterung seinem Urteil zugrunde zu legen. Da das Berufungsgericht auf das Vorhandensein der 45 Millionen DM zur Restverteilung entscheidend abgestellt habe, entsprechende Beträge aber inzwischen nicht mehr zur Verfügung stünden, habe es die Tatsachengrundlage, auf der das Berufungsurteil beruhe, nicht zutreffend festgestellt, was zur Urteilsaufhebung führen müsse.
Im übrigen macht die Beklagte geltend, die Bescheide über die Bemessungsgrundlage 1995 hätten sich zwischenzeitlich dadurch erledigt, daß gegenüber dem Kläger die Honorarbescheide für dieses Jahr ergangen seien. Die streitgegenständlichen Bescheide über die Bemessungsgrundlage stellten lediglich eine Teilregelung im Rahmen der Honorarverteilung dar, der jedoch nach dem Wirksamwerden der Honorarbescheide kein selbständiger Regelungsgehalt mehr zukomme. Inzwischen seien sämtliche ihr für das Jahr 1994 zugeflossenen Honorare an die niedersächsischen Vertragszahnärzte verteilt. Selbst wenn daher der Kläger mit seiner Klage Erfolg hätte und über die Festsetzung einer höheren Bemessungsgrundlage hinaus auch die Festsetzung ihm günstigerer Honorarbescheide erreichen würde, müsse diese Verurteilung ins Leere gehen, weil nach Abschluß der Verteilung der ihr von den Krankenkassen zugeflossenen Gesamtvergütung eine Teilnahme eines einzelnen Vertragszahnarztes an der Honorarverteilung nicht mehr „regelbar” sei.
Bundesrecht sei zudem dadurch verletzt, daß das LSG angenommen habe, sie – die Beklagte – habe durch die Mitteilung der maßgeblichen Bemessungsgrundlage für 1995 gegenüber dem Kläger eine bindende Regelung treffen wollen. Das habe sie nicht gewollt, und dazu sei sie entgegen der Auffassung des LSG auch nicht im Hinblick auf die Ermessensregelung in Ziff 2.6.7 des HVM verpflichtet.
Schließlich habe das LSG ihr zu Unrecht aufgegeben, seine Rechtsauffassung bei der Neufestsetzung der Bemessungsgrundlage für 1995 zu beachten. Wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art 20 Abs 2 Grundgesetz ≪GG≫) falle es schon generell nicht in die Kompetenz des LSG, die Überprüfung der generell-abstrakten HVM-Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht anhand von Kriterien durchzuführen, die allein die Anwendung der Satzung im Einzelfall beträfen. Das Berufungsgericht setze dadurch, daß es den HVM nur unter Beachtung bestimmter Gesichtspunkte für rechtmäßig halte, die sie, die Beklagte, im Rahmen der Härtefallregelung nach Ziff 2.6.7 des HVM bei der einzelfallbezogenen Anwendung berücksichtigen müsse, eine selbstgeschaffene Satzungsregelung an die Stelle der von der Vertreterversammlung beschlossenen. In gleicher Weise verletze das LSG den Grundsatz der Gewaltenteilung, wenn es ihr vorgebe, bestimmte Ermessensgesichtspunkte zu beachten, solange sie gar keine Ermessensentscheidung getroffen habe.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 20. Dezember 1996 und das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 6. August 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage seien nicht gerechtfertigt. Die Beklagte selbst habe den angefochtenen Bescheid als solchen bezeichnet, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und weder im Klage- noch im Berufungsverfahren die Zulässigkeit der Klage bezweifelt. Der HVM sei insgesamt rechtswidrig; jedenfalls seien die Ausnahmeregelungen im HVM entweder unzureichend oder nur bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung haltbar, zu der das LSG die Beklagte konsequenterweise verpflichtet habe.
II
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Ihre angefochtenen Bescheide über die Festsetzung der für den Kläger maßgeblichen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1995 sind rechtswidrig, weil die ihnen zugrunde liegenden Regelungen des HVM nicht in vollem Umfang mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Die Beklagte muß über die Bemessungsgrundlage des Klägers nach einer notwendigen Änderung bzw Ergänzung ihres HVM erneut entscheiden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Bescheid der Beklagten über die Bemessungsgrundlage vom 16. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 1995. Später ergangene Honorarbescheide für einzelne Quartale des Jahres 1995 sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf der Grundlage des § 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Verfahrensgegenstand geworden. Nach § 96 Abs 1 SGG werden Verwaltungsakte, die nach Klageerhebung ergehen, nur dann Gegenstand des Verfahrens, wenn sie einen angefochtenen Verwaltungsakt abändern oder ersetzen (vgl zur Anwendung des § 96 Abs 1 SGG im Rahmen der vertrags[zahn]ärztlichen Honorarverteilung zuletzt BSGE 81, 213, 214 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 149). Honorarbescheide einer KZÄV, deren HVM eine Vergütungsbeschränkung durch Einführung von individuellen Bemessungsgrenzen vorsieht, beruhen zwar (ua) auf der der eigentlichen Honorarverteilung vorausgehenden Festsetzung der für den einzelnen Zahnarzt maßgeblichen Bemessungsgrenze, ersetzen oder ändern diese Festsetzung jedoch nicht. Jedenfalls dann, wenn die KZÄV über die für den einzelnen Zahnarzt maßgebliche Bemessungsgrundlage einen Bescheid iS des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erläßt und darüber nicht nur unverbindlich informiert, kommt dieser Regelung gegenüber späteren Honorarbescheiden eine eigenständige Bedeutung zu. Der Streit darüber wird deshalb nicht gegenstandslos, wenn die auf dem Bemessungsgrundlagenbescheid basierenden Honorarbescheide ergangen sind. Läßt der betroffene Zahnarzt den Bemessungsgrundlagenbescheid bestandskräftig werden, kann er die ua auf diesem Bescheid beruhenden Honorarbescheide nicht mehr mit der Begründung anfechten, die Bemessungsgrundlage sei fehlerhaft ermittelt worden. Im übrigen erschöpft sich die Funktion des Bescheides über die individuelle Bemessungsgrundlage nicht darin, eines von mehreren Elementen der später erfolgenden abschließenden Honorarverteilung zu sein. Vielmehr soll dem einzelnen Zahnarzt verdeutlicht werden, bis zu welcher Grenze er Vergütungsansprüche unabhängig von der Mengenentwicklung im übrigen erzielen kann.
Prozeßökonomische Erwägungen sprechen schließlich dagegen, die dem Bemessungsgrundlagenbescheid nachfolgenden und daran anknüpfenden Honorarbescheide für die einzelnen Quartale des von der Bemessungsgrundlage erfaßten Kalenderjahres in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens über den Bemessungsgrundlagenbescheid zu machen. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt die entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in vertrags[zahn]ärztlichen Honorarstreitigkeiten jedenfalls dann generell nicht in Betracht, wenn zwar die späteren Entscheidungen auf derselben Rechtsgrundlage ergangen sind und es auch (teilweise) um dieselben Rechtsfragen geht, die rechtlichen und tatsächlichen Sachverhaltsumstände und Tatsachengrundlagen aber, wie das bei Abrechnungsstreitigkeiten häufig der Fall ist, in den verschiedenen Abrechnungszeiträumen nicht oder nur teilweise deckungsgleich sind (vgl zuletzt BSGE 77, 279, 281 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 55 sowie BSGE 78, 98, 101 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 36). Diese vom Senat als prozeßunökonomisch bewertete Ausweitung des Streitstoffs würde eintreten, wenn der Streit um die zutreffende Höhe der individuellen Bemessungsgrundlage mit dem – möglicherweise ganz andere Fragen betreffenden – Streit über die Höhe des dem Zahnarzt in jeweiligen Quartal konkret zustehenden Honorars befrachtet würde.
Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren die Auffassung vertreten hat, sie habe hinsichtlich der Bemessungsgrundlage keine verbindliche Regelung getroffen und könne jedenfalls nicht verpflichtet werden, einen neuen Bescheid über die Bemessungsgrundlage als unselbständige Teilregelung der ihr obliegenden Honorarverteilung zu erlassen, trifft das nicht zu. Die Beklagte hat sich in ihrem HVM für eine Begrenzung der Vergütungsansprüche ihrer Mitglieder durch eine individuelle Bemessungsgrenze entschieden und die in Anwendung dieser Regelung für jeden Zahnarzt ermittelten Grenzbeträge in DM durch Bescheid festgesetzt. Auf einen in Anwendung des HVM „richtigen” Bescheid über die für ihn maßgebliche Bemessungsgrenze hat jeder Zahnarzt einen Anspruch, ohne daß von Bedeutung ist, ob die Beklagte bundesrechtlich zu einer Honorarverteilung in zwei Stufen gezwungen ist oder nicht.
Die Beklagte hat die Bemessungsgrundlage für den Kläger auf der Grundlage ihres HVM idF der Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 9. Juli 1994 sowie 11. Januar 1995 festgesetzt. Nach der im Zusammenhang mit § 85 Abs 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫ (Budgetierung der Gesamtvergütung) neu gefaßten Ziff 2 des HVM hat der Vertragszahnarzt für die Leistungsbereiche konservierend-chirurgische Behandlungen (auch im Rahmen der Kieferorthopädie), Parodontosebehandlungen und Kieferbruchbehandlungen Vergütungsansprüche aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit in DM bis zu seiner individuellen Bemessungsgrundlage, vorbehaltlich einer weiteren Vergütung aus dem ggf verbleibenden Rest der Gesamtvergütung. Zur Festlegung der individuellen Bemessungsgrundlage für jeden an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Zahnarzt wird der Mittelwert der Summe der von ihm abgerechneten vergüteten Leistungen dieser Leistungsbereiche aus den Jahren 1991, 1992 und 1993 ermittelt und dieser Wert um 8 % gekürzt. Für Vertragszahnärzte, die keine vollen fünf Jahre niedergelassen sind, gilt als individuelle Bemessungsgrenze das arithmetische Jahresmittel aller Vertragszahnärzte aus dem Jahre 1993 abzüglich 8 vH oder auf Antrag die nach den allgemeinen Regeln berechnete Grenze oder – wenn das günstiger ist – das individuelle Ergebnis des Jahres 1993. Für Erstniederlassungen der Jahre 1991 und später, für die Nichtausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit aus persönlichen Gründen oder wegen des Ruhens der Zulassung für länger als sechs Monate, für Praxisübernahmen, für Gemeinschaftspraxen sowie für die Beschäftigung von Vorbereitungsassistenten und angestellten Zahnärzten gelten Sonderregelungen (Ziff 2.6.1 bis 2.6.6). Schließlich erfolgt die Festlegung der individuellen Bemessungsgrenze im Ausnahmefall, wenn ihre Festsetzung nach den Kriterien des HVM im Einzelfall zu einer besonders schweren Härte führen würde, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen (Ziff 2.6.7). Bis zum Erreichen der individuellen Bemessungsgrenze hat jeder Vertragszahnarzt Anspruch auf Einzelleistungsvergütung nach dem jeweils geltenden Punktwert. Für die Verteilung der danach verbleibenden Gesamtvergütung, die im Anschluß an die Feststellung der kalenderjährlichen Vergütungsansprüche sämtlicher Vertragszahnärzte stattfindet, werden die weitergehenden Vergütungsansprüche anteilig in dem Verhältnis zur verbleibenden Gesamtvergütung erfüllt; verbleibt keine verteilungsfähige Gesamtvergütung, entfallen Vergütungsansprüche für die die Bemessungsgrenze überschreitenden Abrechnungen ganz (Ziff 3.2).
Dieses System der Aufspaltung der Honorarverteilung einerseits in die Vergütung zahnärztlicher Sachleistungen bis zu einer individuellen Bemessungsgrundlage nach festen Punktwerten sowie andererseits in eine abschließende Restvergütung der die Bemessungsgrenze übersteigenden Punkte nach schwankenden Punktwerten ist grundsätzlich zulässig, auch soweit die Bemessungsgrundlage an die Abrechnungsergebnisse des einzelnen Zahnarztes in vergangenen Zeiträumen anknüpft. Die Regelung im HVM ist jedoch mit höherrangigem Recht unvereinbar, soweit sie zur Folge hat, daß Vertragszahnärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl, typischerweise insbesondere Inhaber neu gegründeter Praxen, ihren Umsatz durch eine Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten nicht zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Zahnarztgruppe steigern können.
Der Senat ist nicht gehindert festzustellen, daß der HVM der Beklagten teilweise mit höherrangigem Recht unvereinbar ist, obwohl das Berufungsgericht diese Rechtsfrage anders beurteilt und nur die Beklagte Revision eingelegt hat. Die Beklagte hat sich im Revisionsverfahren dagegen gewehrt, daß das Berufungsgericht sie zur Neubescheidung des Klägers verpflichtet hat. Das LSG hat diese Entscheidung damit begründet, der HVM stehe nur dann mit höherrangigem Recht in Einklang, wenn die Beklagte die Härteregelung in Ziff 2.6.7 des HVM so anwende, daß im Rahmen von Ermessensentscheidungen die dem System der individuellen Bemessungsgrundlage innewohnende Benachteiligung kleinerer Praxen ausgeschlossen werde. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Korrektur der HVM-Regelungen zugunsten kleinerer, umsatzschwächerer Praxen stimmt der erkennende Senat mit dem Berufungsgericht überein. Er ist indessen nicht der Auffassung, daß diesem Gesichtspunkt durch die Anwendung der Härteregelung der Ziff 2.6.7 des HVM hinreichend Rechnung getragen werden kann, sondern hält – wie noch darzulegen ist – insoweit eine Ergänzung des HVM selbst als Grundlage für die Neubescheidung für geboten. Diese abweichende rechtliche Beurteilung stellt die Beklagte indessen nicht notwendig schlechter als das von ihr angefochtene Urteil des Berufungsgerichts, so daß der Gesichtspunkt des Verbots der reformatio in peius zugunsten des Rechtsmittelführers hier nicht betroffen ist.
Der Senat hat bereits mit Urteil vom 3. Dezember 1997 (BSGE 81, 213 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 152) entschieden, daß die KZÄVen berechtigt sind, die gesetzliche Budgetierung der Gesamtvergütungen (§ 85 Abs 3a bis c SGB V idF des Art 1 Nr 43 Buchst f GSG vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2266≫) im Rahmen der Honorarverteilung an die Vertragszahnärzte weiterzugeben und die in einzelnen Leistungsbereichen abrechnungsfähigen Punkte zu begrenzen. Die damals zu beurteilenden HVM-Regelungen stimmten in der Zielsetzung mit den hier maßgeblichen Vorschriften überein. Beiden Verteilungskonzepten liegt die zutreffende Einschätzung zugrunde, daß die im zahnärztlichen Bereich seit Jahrzehnten praktizierte Einzelleistungsvergütung nach festen, gesamtvertraglich vereinbarten Punktwerten in der Regel ohne mengenbegrenzende Komponente nach Einführung der gesetzlichen Begrenzung des Anstiegs der Gesamtvergütungen (auch) für die vertragszahnärztlichen Leistungen nicht unverändert fortgeführt werden konnte. Entweder mußte die Zahl der mit einem garantierten Punktwert abrechenbaren Einzelleistungen begrenzt oder auf feste Punktwerte ganz verzichtet und so ein Punktwertverfall in Kauf genommen werden. Der Senat hat es in seinem Urteil vom 3. Dezember 1997 (aaO) für mit dem aus § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V abzuleitenden Gebot der leistungsproportionalen Verteilung vereinbar gehalten, eine Modifikation beider Elemente der Honorarverteilung vorzunehmen und der Garantie eines festen Punktwerts für ein bestimmtes Kontingent konservierend-chirurgischer Einzelleistungen pro Praxis den Vorrang für eine Honorierung aller abgerechneten Punkte mit einem schwankenden Punktwert zu geben. Für das strukturell ähnlich angelegte Verteilungskonzept im HVM der Beklagten gilt im Ausgangspunkt dieselbe rechtliche Beurteilung.
Der entscheidende Unterschied der von der Beklagten eingeführten Bemessungsgrundlage gegenüber der vom Senat bereits für zulässig erachteten Kontingentgrenze besteht darin, daß hier die DM-Grenze, bis zu der die abgerechneten Punkte mit festem Punktwert zu vergüten sind, auf der Basis der individuellen Abrechnungswerte des einzelnen Zahnarztes aus den Jahren 1991 bis 1993 ermittelt wird. Der maßgebliche Bezugspunkt für die in DM berechnete Bemessungsgrenze ist nicht der durchschnittliche Aufwand pro Fall aller Zahnärzte in vergangenen Abrechnungszeiträumen, sondern der eigene Praxisumsatz des Zahnarztes in der Vergangenheit. Der Zahnarzt, der im Bemessungszeitraum als Folge hoher Fallzahlen und/oder höherer Fallwerte einen hohen Umsatz erreicht hat, erhält diesen Umsatz – vorläufig um 8 vH gekürzt – im Ergebnis als Bemessungsgrundlage und kann 1995 Leistungen bis zu diesem Grenzbetrag zum festen Punktwert abrechnen. Derjenige, der im Bemessungszeitraum einen geringen Praxisumsatz erarbeitet hat, wird daran – abgesehen von der allen Zahnärzten offenstehenden Restvergütung – grundsätzlich festgehalten. Die unterschiedlichen Auswirkungen dieser Form der praxisindividuellen Honorarbegrenzung sind gegenüber derjenigen, die in der Entscheidung vom 3. Dezember 1997 (aaO) zu beurteilen waren, nicht von solchem Gewicht, daß die Anknüpfung an den praxisindividuellen Umsatz in der Vergangenheit mit dem Gebot der leistungsproportionalen Verteilung (§ 85 Abs 4 Satz 3 SGB V) unvereinbar wäre.
Die im HVM angelegte Differenzierung zwischen Vergütungsansprüchen unterhalb und oberhalb der individuellen Bemessungsgrenze soll dazu beitragen, dem einzelnen Zahnarzt durch Zuweisung eines bestimmten Umsatzkontingents eine gewisse Planungs- und Kalkulationssicherheit zu verschaffen. Der Zahnarzt hat die Gewißheit, im laufenden Jahr den – vorsorglich zunächst um 8 vH reduzierten – durchschnittlichen Honorarumsatz der vergangenen drei Jahre für vertragszahnärztliche Leistungen erzielen zu können, soweit er selbst zumindest in vergleichbarem Umfang wie in der Vergangenheit vertragszahnärztliche Leistungen erbringt bzw erbringen kann. Bis zu dieser Umsatzgrenze ist der Zahnarzt bei allenfalls geringfügig schwankendem Behandlungsumfang gegen den Punktwertverfall als Folge einer generellen Mengenausweitung geschützt. Diese relative Kalkulationssicherheit reduziert wiederum Anreize, auf eine begrenzte Gesamtvergütung mit einer medizinisch nicht indizierten Leistungsmengenausweitung zu reagieren. Der einzelne Zahnarzt weiß, daß die von ihm oberhalb des bisherigen Umsatzniveaus seiner Praxis erbrachten Leistungen nur im Rahmen der Restvergütung und damit in der Regel allenfalls zu einem Bruchteil des ansonsten geltenden Punktwerts vergütet werden können.
Eine Verteilungsregelung, die dem einzelnen Zahnarzt einen bestimmten Umsatz zu festen Punktwerten garantieren will, hat zur notwendigen Konsequenz, auch Umsatzsteigerungen durch eine Erhöhung der Zahl der in der einzelnen Praxis behandelten Patienten zu begrenzen. Das System der individuellen Bemessungsgrenze wirkt nicht nur medizinisch möglicherweise nicht indizierten Ausweitungen des Behandlungsumfangs je Fall, also Fallwerterhöhungen, entgegen, sondern schränkt – anders als die dem Urteil vom 3. Dezember 1997 (aaO) zugrundeliegende Regelung – auch die Umsatzsteigerung durch eine Erhöhung der Fallzahlen ein. Diese Wirkung ist erwünscht, soweit Fallzahlsteigerungen nicht auf dem tatsächlichen Gewinn neuer, bisher gar nicht oder von anderen Zahnärzten behandelter Patienten beruhen, sondern vom einzelnen Zahnarzt beeinflußt worden sind, etwa durch Verlängerung von Behandlungen über die Quartalsgrenzen hinweg oder durch medizinisch nicht veranlaßte Wiedereinbestellung von Patienten im neuen Quartal. Von der individuellen Bemessungsgrenze gehen jedoch auch Einschränkungen der Chancen des einzelnen Zahnarztes aus, durch seinen Erfolg, die Attraktivität seiner Behandlung aus der Perspektive der Patienten oder die Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb der Berufskollegen zu verbessern. Diese Anreizverminderung im zahnärztlichen Wettbewerb, der im Idealfall zu einer qualitativen Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung insgesamt führen kann, darf die KZÄV jedoch zur Erreichung der oben beschriebenen Ziele der individuellen Bemessungsgrenze im Rahmen der ihr beim Erlaß des HVM zustehenden Gestaltungsfreiheit grundsätzlich in Kauf nehmen.
Insoweit ist zunächst von Bedeutung, daß sich nach der vertretbaren Einschätzung der Beklagten größere Schwankungen im Leistungsverhalten bei langjährig betriebenen und etablierten Praxen in der Regel nicht ergeben. Patientenzahl und Behandlungsumfang sowie Behandlungsweise des Praxisinhabers bleiben nach Abschluß der Aufbauphase einer Praxis offenbar über einen längeren Zeitraum relativ konstant. Mit der Beklagten ist davon auszugehen, daß deutliche Verschiebungen bei der Zahl der behandelten Patienten eine eher seltene Ausnahme sind und einer kurzfristigen massiven Umsatzsteigerung vielfach schon die räumliche und personelle Ausstattung der Praxis entgegensteht. Insoweit spiegelt der nach Ablauf der Gründungsphase erreichte Umsatz einer Praxis relativ zuverlässig den Umfang wider, in dem der einzelne Zahnarzt die vertragszahnärztliche Versorgung mit sichergestellt hat und in der Zukunft sicherstellen wird. Es ist deshalb gerechtfertigt, den einzelnen Zahnarzt jedenfalls für eine gewisse Zeit und unter den von der KZÄV nicht zu beeinflussenden Vorgaben einer strikt begrenzten Gesamtvergütung an dem selbst gesetzten Umsatzvolumen festzuhalten und Umsatzerhöhungen nur im Rahmen der möglicherweise wirtschaftlich wenig attraktiven Restvergütung zu honorieren. Zudem hat sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung für das Honorarverteilungssystem der individuellen Bemessungsgrenze auch von der Erwägung leiten lassen dürfen, daß Praxen mit zumindest durchschnittlichem Umsatz – jeweils bezogen auf einen einzelnen Vertragszahnarzt – die Belastungen, die sich aus der Begrenzung des Vergütungsanspruchs auf das in der Vergangenheit erarbeitete Umsatzvolumen ergeben können, zu verkraften imstande sind. Im Rahmen einer dem Normgeber erlaubten typisierenden Betrachtungsweise ist der erreichte Praxisumsatz ein entscheidendes Indiz für den Umfang, in dem der einzelne Vertragszahnarzt nach seiner persönlichen Entscheidung und/oder den von ihm vorgefundenen und nicht beeinflußbaren äußeren Bedingungen seiner Tätigkeit – zB der Lage seiner Praxis in einem nicht mehr wachsenden Wohngebiet mit alternder Bevölkerung – tätig sein will bzw tätig sein muß und in der Vergangenheit ohne Gefährdung der Existenz seiner Praxis auch tatsächlich tätig geworden ist.
Eine andere Beurteilung ist jedoch geboten, soweit zahnärztliche Praxen betroffen sind, die im Bemessungszeitraum wegen einer unterdurchschnittlichen Fallzahl den durchschnittlichen Umsatz der maßgeblichen Zahnarztgruppe nicht erreicht haben. Es ist mit dem aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (vgl dazu BSGE 73, 131, 138 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 26; BSGE 75, 187, 191 = SozR 3-2500 § 72 Nr 5 S 9; BSGE 77, 288, 294 = SozR 3-2500 § 85 Nr 11 S 69; BSG vom 9. September 1998 - B 6 KA 55/97 R -) unvereinbar, wenn die mit der individuellen Bemessungsgrenze beabsichtigte Vergütungsbegrenzung solche Praxen faktisch daran hindert, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Zahnarztgruppe zu steigern.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, daß eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG enthält jedoch nicht nur das Verbot sachwidriger Differenzierung, sondern genauso das Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentlicher Unterschiede. Zwei Gruppen, die sich in verschiedener Lage befinden, dürfen nur bei Vorliegen zureichender Gründe gleich behandelt werden (BVerfGE 17, 337, 354), und es ist mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar, Ungleiches gegen ein zwingendes Gebot gleich zu behandeln (BVerfGE 13, 46, 53; 84, 133, 158).
Das dem Gleichheitssatz innewohnende Differenzierungsgebot, das auch Bestandteil des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist, wird verletzt, wenn ein HVM bei der Begrenzung von Vergütungsansprüchen auf die in der Vergangenheit erreichte Umsatzhöhe Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl genauso wie durchschnittlich bzw überdurchschnittlich große Praxen behandelt. Zwischen kleinen Praxen insbesondere in der Gründungsphase und seit längerem bestehenden, etablierten Praxen finden sich hinsichtlich der Bedeutung des in einem bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erreichten Umsatzes Unterschiede von solchem Ausmaß und solchem Gewicht, daß sie einer schematischen Gleichbehandlung entgegenstehen. Während bei etablierten Praxen das über lange Jahre hinweg relativ konstante Umsatzniveau einen zuverlässigen Indikator des von dem einzelnen Vertragszahnarzt gewünschten oder maximal erreichbaren Ausmaßes seiner Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung darstellt, ist dieser Schluß bei kleinen Praxen jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zulässig. Er berücksichtigt insbesondere nicht hinreichend, daß zumindest in neu gegründeten Praxen in aller Regel zunächst relativ wenige Patienten behandelt werden, und typischerweise erst nach einer längeren Aufbauphase ein durchschnittlicher und ggf auch überdurchschnittlicher Umsatz erreichbar ist. Gerade bei Praxen in der Gründungsphase ist der im Bemessungszeitraum erreichte Umsatz vielfach keineswegs das Ergebnis einer bewußten Entscheidung des Praxisinhabers für einen bestimmten – von ihm angestrebten oder als unabänderlich hingenommenen – Umsatz seiner Praxis, sondern unvermeidliches Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer gewünschten größeren Patientenzahl.
Das hat die Vertreterversammlung der Beklagten im Ausgangspunkt offenbar nicht anders beurteilt; denn der HVM bestimmt, daß für Vertragszahnärzte, die keine vollen fünf Jahre niedergelassen sind, als individuelle Bemessungsgrenze entweder das arithmetische Jahresmittel aller Vertragszahnärzte aus dem Jahre 1993 abzüglich 8 % oder die nach den allgemeinen Regeln berechnete Grenze oder sogar das individuelle Ergebnis des Jahres 1993 zugrunde zu legen sind. Dabei hat die Beklagte indessen außer acht gelassen, daß eine neu gegründete Praxis am Ende des mit fünf Jahren veranschlagten Gründungsstadiums zwar möglicherweise eine durchschnittliche Fallzahl erreicht hat, durch die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an die auch in der Anfangsphase erzielten Umsätze jedoch – unter Außerachtlassung der Restvergütung – auf einem Umsatzniveau festgehalten wird, das wesentlich noch von der Aufbauzeit geprägt wird. Dieser systematische Fehler zeigt sich auch im Fall des Klägers. Er kommt weder für 1994 noch für 1995 in den Genuß der Berechnung der Bemessungsgrenze auf der Grundlage der Ausnahmeregelung für Praxisneugründungen, weil seine Praxis in den fünf Jahren von 1989 bis einschließlich 1993 betrieben worden ist. Zwar hat er im Jahre 1995 mit 257.480,28 DM auch die fiktive Bemessungsgrundlage für Erstniederlassungen, nämlich das arithmetische Jahresmittel aller Vertragszahnärzte 1993 abzüglich 8 % (230.253,- DM) überschritten, doch bleibt der auf der Basis seiner Abrechnungswerte von 1991 bis 1993 ermittelte Grenzbetrag mit ca 170.000,- DM wesentlich hinter seinem eigenen Abrechnungsergebnis für 1993 sowie hinter dem Durchschnittsergebnis aller Vertragszahnärzte aus diesem Jahr zurück. Ein durchschnittliches Umsatzniveau hat der Kläger nämlich erst 1993, also im sechsten Jahr seiner Praxistätigkeit erreicht. Daß ihm trotz überdurchschnittlicher Umsätze in den Jahren 1994 und 1995 nach dem HVM nur eine deutlich unterdurchschnittliche Bemessungsgrenze zusteht, läßt erkennen, in welchem Ausmaß die Berechnung der Bemessungsgrenze auf der Grundlage von Abrechnungsergebnissen aus der Gründungsphase Praxisinhaber beeinträchtigt.
Regelungen über die individuelle Bemessungsgrenze können generell kleinere Praxen insbesondere im Aufbaustadium hart treffen und nicht nur in Extremfällen dazu führen, daß die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit solcher Praxen gefährdet ist. Zahnärzten, die sich für die vertragszahnärztliche Tätigkeit entscheiden und eine neue Praxis gründen, ist regelmäßig bewußt, daß in der Anfangszeit das Honorar für vertragszahnärztliche Leistungen vielleicht nur die Praxiskosten und möglicherweise nicht einmal diese in vollem Umfang decken kann. Sie nehmen das typischerweise in der Erwartung in Kauf, mit dem Wachstum der Praxis Überschüsse aus ihrer Tätigkeit erzielen zu können, die die Anfangsverluste wieder ausgleichen und Gewinne ermöglichen. Diese – unternehmerische Tätigkeit kennzeichnende – Kalkulation wird nachhaltig in Frage gestellt, wenn die Möglichkeit zur Steigerung des Umsatzes auch nur auf ein durchschnittliches Niveau normativ begrenzt und die Praxis auf einer Umsatzhöhe festgeschrieben wird, die der Praxisinhaber als auf Dauer wirtschaftlich nicht verkraftbar eingeschätzt hat. Vergütungsbeschränkungen, die an Abrechnungsergebnisse der Vergangenheit anknüpfen, müssen diesem Umstand Rechnung tragen und insbesondere Praxisneugründern ermöglichen, durch echte – nicht künstlich manipulierte – Fallzahlsteigerungen zumindest ein durchschnittliches Umsatzniveau zu erreichen, auf dem sie dann wie alle anderen Vertragszahnärzte im Hinblick auf nicht oder kaum mehr steigende Gesamtvergütungen zeitlich begrenzt festgehalten werden dürfen.
Die schematische Gleichbehandlung aller Vertragszahnärzte trotz der dargestellten Unterschiede im Hinblick auf die Patientenzahl belastet die kleinen Praxen besonders stark. Sie werden an einer Umsatzsteigerung auf das von ihnen angestrebte bzw zumindest auf das durchschnittliche Umsatzniveau gehindert und auf diese Weise in einer betriebswirtschaftlich ungünstigen Umsatz- und Erlössituation festgehalten. Es ist nämlich empirisch nachweisbar, daß bei steigenden Umsätzen der Vertragszahnärzte der Einnahmeüberschuß im Prozent der Gesamteinnahmen steigt (vgl KZBV, Jahrbuch 1996 – Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung –, Tabellen 5.18 und 5.19). Nach diesen Daten verblieb der Gruppe der Vertragszahnärzte im Jahre 1995 in den alten Bundesländern, die zB Gesamteinnahmen zwischen 500.000,- DM und 600.000,- DM (durchschnittlich ca 553.000,- DM) aufwiesen, ein durchschnittlicher Einnahmeüberschuß von ca 131.000,- DM (= 23,8 %). Bei der Gruppe der Zahnärzte mit Gesamteinnahmen von über 1.000.000,- DM ergab sich ein durchschnittlicher Einnahmeüberschuß von 365.000,- DM (= 28,8 %). Gerade auch im Hinblick darauf hat der Senat den Gesetzgeber für berechtigt gehalten, den Punktwert bei Überschreiten der Punktmengengrenzen des § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V in der zwischen dem 1. Januar 1993 und dem 30. Juni 1997 geltenden Fassung des GSG abzusenken (vgl BSGE 80, 223 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 22). Der Umstand einer dauerhaften Festschreibung einer besonders ungünstigen Erlössituation als Folge unterdurchschnittlicher Umsätze muß für alle kleinen Praxen, nicht nur für neu gegründete, berücksichtigt werden. Damit wird auch der Forderung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entsprochen, wonach der Gesetzgeber Vorkehrungen zu treffen hat, daß nicht durch Satzungsregelungen im Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit zum Nachteil von Berufsanfängern und Außenseitern ein Übergewicht von Verbandsorganen oder ein verengtes Standesdenken begünstigt werde (BVerfGE 33, 125, 159, 160). Die Beklagte ist deshalb gehalten, ihren HVM so auszugestalten, daß auch solche Vertragszahnärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl, die nicht mehr als Praxisneugründer angesehen werden können, nicht gehindert werden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen.
Die Regelungen über die Bemessungsgrundlage für solche Vertragszahnärzte, die wegen unterdurchschnittlicher Fallzahlen im Bemessungszeitraum den durchschnittlichen Umsatz der Zahnärzte ihrer Gruppe (noch) nicht erreicht haben, müssen im HVM selbst normiert werden. Es ist nicht ausreichend, der Situation dieser Zahnarztgruppe allein durch Entscheidungen des Vorstands auf der Grundlage der für besonders gelagerte Ausnahmefälle geschaffenen Härteregelung im HVM Rechnung zu tragen. Die Verteilung der Gesamtvergütung unter die Vertrags(zahn)ärzte iS des § 85 Abs 4 Satz 1 SGB V muß auf der Grundlage des von der K(Z)ÄV im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstabs (§ 85 Abs 4 Satz 2 SGB V) erfolgen. Dem als Satzung von der Vertreterversammlung zu beschließenden HVM müssen die wesentlichen Elemente der Honorarverteilung einschließlich der im Hinblick auf besondere Zahnarztgruppen gebotenen Differenzierungen zu entnehmen sein. Wenn wichtige Elemente der Honorarverteilung wie die Gleich- oder Ungleichbehandlung von Anfängerpraxen und etablierten Praxen bzw von Praxen mit geringer Fallzahl und umsatzstarken Praxen, nicht im HVM selbst zumindest in den Grundzügen geregelt sind, führt das zu einer dem Gesetz widersprechenden Verlagerung der Kompetenz für die Honorarverteilung von der Vertreterversammlung auf den Vorstand, dem die Einzelfallentscheidungen obliegen. Zudem wird die Einbeziehung der Krankenkassenverbände in die Honorarverteilung, der das Erfordernis der Benehmensherstellung gemäß § 85 Abs 4 Satz 2 SGB V Rechnung trägt (vgl dazu BSGE 75, 37, 40 = SozR 3-2500 § 85 Nr 7 S 40), auf diese Weise zum Teil unterlaufen. An Einzelfallentscheidungen auf der Grundlage einer generellen Ausnahme- bzw Härteregelung im HVM sind die Krankenkassenverbände nicht beteiligt.
Angesichts der Vielfalt der im Rahmen der Festsetzung praxisindividueller Bemessungsgrenzen denkbaren Konstellationen kann allerdings auf eine mehr oder weniger allgemein gehaltene General- bzw Härteregelung nicht verzichtet werden. Dem Satzungsgeber ist es kraft Natur der Sache unmöglich, bei Erlaß des HVM alle möglichen besonderen Situationen vorherzusehen und entsprechend zu normieren. Deshalb ist es sachgerecht, daß der HVM in Ziff 2.6.7 ausdrücklich vorsieht, daß in Ausnahmefällen, insbesondere wenn die Festlegung der Bemessungsgrenze nach den allgemeinen Kriterien im Einzelfall zu einer besonders schweren Härte führen würde, die Ermittlung der Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen hat. Diese Generalklausel kann zB zur Anwendung kommen, wenn sich überraschend Änderungen der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region ergeben, etwa einer von wenigen Vertragszahnärzten in einer Stadt kurzfristig aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschieden ist. Die von diesem Zahnarzt bisher behandelten Patienten müssen dann innerhalb kurzer Zeit auf andere Zahnarztpraxen ausweichen, was zwangsläufig zu einer von diesen Praxen nur eingeschränkt steuerbaren Erhöhung der Zahl der dort behandelten Patienten führen wird (vgl Senatsurteile B 6 KA 65/97 R und 66/97 R vom heutigen Tag). Vergleichbares gilt für die Änderung der Behandlungsausrichtung einer zahnärztlichen Praxis im Vergleich zum Bemessungszeitraum, etwa wenn sich ein bisher allgemein zahnärztlich tätiger Vertragszahnarzt auf oral-chirurgische Behandlungen konzentriert und deshalb höhere Fallwerte erreicht. Indessen rechnet der Umstand, daß Zahnarztpraxen insbesondere in der Gründungsphase regelmäßig unterdurchschnittlich viele Patienten behandeln und den landesdurchschnittlichen Umsatz aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit erst nach einem von Praxis zu Praxis verschieden langen Zeitraum des Aufbaus erreichen, zu den allgemein bekannten und typischen Gegebenheiten der vertragszahnärztlichen Versorgung. Die in diesem Fall sachgerechte Berechnung der Bemessungsgrenze muß deshalb ihrer Grundstruktur nach im HVM selbst vorgeschrieben werden. Das sieht die Beklagte im Ausgangspunkt nicht anders, wie sich aus der Tatsache ergibt, daß sie die Berechnung der individuellen Bemessungsgrundlage für solche Vertragszahnärzte, die ihre Tätigkeit erst zwischen 1991 und 1993 aufgenommen haben, im HVM selbst geregelt hat. Für diejenigen Zahnärzte, die zwar im Bemessungszeitraum in allen Quartalen Leistungen gegenüber der Beklagten abgerechnet haben, aufgrund ihrer Fallzahlen im Mittelwert der Jahre 1991 bis 1993 den landesdurchschnittlichen Umsatz aber (noch) nicht erreicht haben, hat die Beklagte ihren HVM um eine entsprechende Regelung zu ergänzen und auf dieser Grundlage über die Höhe der Bemessungsgrundlage des Klägers im Jahr 1995 neu zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen