Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. August 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. September 1998 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Höhe zu erstattender Anwaltskosten für ein isoliertes Widerspruchsverfahren; die Beteiligten streiten über den Gegenstandswert.
Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) stellte mit Bescheid vom 25. August 1997 fest, die Klägerin sei verpflichtet, der BA das dem früheren Arbeitnehmer der Klägerin, – O. (O.), ab 29. August 1998 zu zahlende Arbeitslosengeld (Alg) bzw die Arbeitslosenhilfe und die hierauf entfallenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung für längstens 624 Tage zu erstatten. Umstände, die nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 7 bzw Abs 2 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) den Nichteintritt der Erstattungspflicht rechtfertigten, seien nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar. Die im Anhörungsverfahren geltend gemachten Gründe für eine sozial gerechtfertigte Kündigung seien nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen. Auf den Widerspruch hob die BA den Bescheid in vollem Umfang auf und entschied, die notwendigen und nachgewiesenen Kosten des Widerspruchsverfahrens seien auf Antrag zu erstatten.
Mit der Kostennote vom 31. Oktober 1997 machten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin einen Erstattungsanspruch von 1.207,21 DM geltend. Dabei gingen sie von einer 7,5/10 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 40.389 DM aus. Die BA errechnete einen Gesamterstattungsbetrag von 404,75 DM, der auf einer 7,5/10 Gebühr nach einem Gegenstandswert von 8.000 DM beruhte (Bescheid vom 16. Dezember 1997; Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1998). Zur Begründung hat die BA ausgeführt, der Bescheid vom 25. August 1997 habe keine in Geld oder Geldeswert ausdrückbare Leistung zum Gegenstand gehabt. Er habe keine Aussage über einen zu erstattenden Betrag getroffen. Das sei auch zum Zeitpunkt seines Erlasses gar nicht möglich gewesen, weil eine Erstattungspflicht erst ab 29. August 1998 in Betracht gekommen sei. Es sei nicht auszuschließen gewesen, daß der frühere Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt einen anderen Arbeitsplatz angetreten hätte oder wegen mangelnder Verfügbarkeit aus dem Leistungsbezug ausgeschieden sei. Da Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswertes nicht gegeben seien, sei im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach billigem Ermessen von dem Regelwert von 8.000 DM auszugehen.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die Regelung der BA aufgehoben und sie verurteilt, der Klägerin die Kosten nach einem Gegenstandswert von 42.222,25 DM zu erstatten (Urteil vom 3. September 1998). Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 31. August 2000 zurückgewiesen. Das LSG hat sich der Ansicht des SG angeschlossen, der nicht bezifferte Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) habe einen bezifferbaren wirtschaftlichen Wert. Die Auffangvorschrift des § 8 Abs 2 Satz 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) sei deshalb nicht anzuwenden. Auch ein Grundlagenbescheid, der eine Erstattungspflicht lediglich dem Grunde nach ausspreche, habe – wie Statusbescheide im Bereich des Kassenarztrechts – einen wirtschaftlichen Wert. Ergänzend hat das LSG auf Rechtsprechung hingewiesen, die den Gegenstandswert von Bescheiden über den Grund von Beiträgen nach den zu erwartenden Beiträgen bestimmt (BVerwG NVwZ 1988, 1019). Auch wenn der Grundlagenbescheid keinen konkreten vermögensrechtlichen Anspruch zum Gegenstand habe, sei er doch auf eine geldwerte Leistung gerichtet. Allerdings sei die Klägerin durch einen Grundlagenbescheid weniger belastet als durch einen vollstreckbaren Erstattungsbescheid. Mangels konkreter Anhaltspunkte halte das LSG deshalb einen Abschlag von 20 % für angemessen. Da die BA im Falle O. einen Betrag in Höhe von 54.380,82 DM für die Zeit vom 29. August 1998 bis 29. September 1999 (Beginn des Rentenbezugs) errechnet habe, ergebe sich hier bei einem Abschlag von 20 vH ein Gegenstandswert von 43.231,06 DM. Da dieser Wert höher sei als der vom SG ausgeurteilte, bleibe es bei dem vom SG festgestellten Betrag wegen des Schlechterstellungsverbots. Der Rechtsprechung des BSG sei nicht zu folgen, weil diese „mit der kostenrechtlichen Auslegung des Begriffs der nicht vermögensrechtlichen Gegenstände nicht im Einklang” stehe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO. Sie führt aus, für die Berechnung von Anwaltsgebühren nach § 116 Abs 2 BRAGO seien die allgemeinen Vorschriften maßgebend. Da der Gegenstandswert sich nicht aus den in § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO angeführten Vorschriften ergebe und auch sonst nicht feststehe, sei er nach billigem Ermessen zu bestimmen. Da genügende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung nicht gegeben seien, sei ein Gegenstandswert von 8.000 DM anzunehmen. Dies entspreche der Rechtsprechung des BSG zu Grundlagenbescheiden nach § 128 AFG. Nur soweit tatsächlich Abrechnungsbescheide ergangen seien, sei deren Gegenstandswert außerdem zu berücksichtigen. Daraus ergäbe sich die Unrichtigkeit des rechtlichen Ausgangspunktes des LSG, weil anderenfalls „die tatsächlichen Erstattungsbeträge mehrfach zu berücksichtigen” seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. August 2000 sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. September 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält den Streit um die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheids für eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Der Bescheid beruhe auf vermögensrechtlichen Beziehungen und sei auf eine geldwerte Leistung gerichtet. Durch die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids hätten der Klägerin Einwendungen gegen die Erstattung von Alg nach § 128 AFG abgeschnitten werden können. Darin liege die wirtschaftliche Bedeutung des Grundlagenbescheids für die Klägerin. Gegenteiliges lasse sich aus der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen. Der Umstand, daß Erstattungsbeträge zweifach Gegenstand eines entsprechenden Rechtsstreits seien könnten, beruhe auf dem von der BA eingeschlagenen Verfahren, zunächst einen Grundlagen- und sodann Erstattungsbescheide zu erlassen. Dadurch würden (mindestens) zwei Bescheide Gegenstand rechtlicher Überprüfung. Die Revision verkenne, daß der „Regelgegenstandswert” lediglich bei Fehlen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung maßgebend sei. Selbst bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten gehe eine Schätzung nach billigem Ermessen dem Regelwert vor. Das wirtschaftliche Interesse sei immer in Höhe der möglichen Erstattungsbeträge gegeben. Da sich die Erstattungspflicht in voller Höhe realisiert hätte, sei der Schätzwert für das Widerspruchsverfahren eindeutig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten hat Erfolg, denn die Entscheidung des LSG beruht auf einer Verletzung des § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO. Der Klägerin steht ein über die festgesetzten 404,75 DM hinausgehender Kostenerstattungsanspruch nicht zu.
Soweit ein Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendung zu erstatten (§ 63 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren ≪SGB X≫). Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs 2 SGB X). Über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren bestimmt die Kostenentscheidung (§ 63 Abs 3 Satz 2 SGB X). Die Kostenentscheidung vom 16. Dezember 1997 geht von dieser Notwendigkeit aus, wie die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 1998 klarstellen.
Die erstattungsfähigen Anwaltsgebühren werden in Verfahren aufgrund von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach dem Gegenstandswert berechnet (§ 116 Abs 2 Nr 3 BRAGO). Diese Regelung bezieht sich allerdings unmittelbar nur auf das sozialgerichtliche Verfahren. Außerhalb des gerichtlichen Verfahrens regelt § 118 Abs 1 Nr 1 BRAGO anwaltliche Gebührenansprüche. Danach enthält der Anwalt 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr für das Betreiben des Geschäfts. An diesen Rahmen hat sich die BA bei der Festsetzung gehalten. Weitere Vorschriften über die Bemessung von Anwaltsgebühren für die Tätigkeit in Verwaltungsverfahren enthält das Gesetz nicht. Nach § 2 BRAGO sind auch für das Verwaltungsverfahren die Vorschriften für das gerichtliche Verfahren sinngemäß anzuwenden (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 14. Aufl 1999, § 118 RdNr 21). Dies gilt für die Wertvorschriften um so mehr, als das Verwaltungsverfahren (§ 119 Abs 1 BRAGO) mit dem Grundlagenbescheid einen Gegenstand betraf, der auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Die Anwendung des § 8 Abs 2 BRAGO entspricht mithin einem in § 8 Abs 1 Satz 2 BRAGO in anderem, aber vergleichbaren Zusammenhang enthaltenen Rechtsgedanken (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, aaO § 8 RdNr 13). Da für das Verfahren der Sozialleistungsträger Gebühren nicht erhoben werden (§§ 1, 64 Abs 1 SGB X) und mithin Wertvorschriften nicht vorgesehen sind, ist der Gegenstandswert nach § 8 Abs 2 BRAGO festzusetzen. Der Gegenstandswert ergibt sich aus den in § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGO angeführten Vorschriften der Kostenordnung (KostO), die sich auf privatrechtliche Gegenstände beziehen, auch nicht sinngemäß. Da ferner der Gegenstandswert des Grundlagenbescheids nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Die Vorinstanzen haben in rückschauender Betrachtung die für die Zeit vom 29. August 1998 bis 29. September 1999 in Betracht kommenden Erstattungsleistungen als Anhaltspunkt für eine Schätzung herangezogen und im Hinblick darauf, daß die BA lediglich einen Grundlagen-, nicht aber eine Erstattungsbescheid erlassen hat, in unterschiedlicher Weise Abschläge von dem errechneten Betrag vorgenommen. Demgegenüber ist an der Rechtsprechung des Senats, wonach es bei dem Grundlagenbescheid an hinreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung nach der sich für den Kläger ergebenden Bedeutung der Sache (§ 13 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz ≪GKG≫) fehlt, festzuhalten (Beschlüsse vom 3. März 1998 – 11 RAr 103/96 und 11 RAr 107/96 – unveröffentlicht).
Bei dem Grundlagenbescheid zu § 128 AFG handelt es sich entgegen der Ansicht des LSG nicht um eine Entscheidung über den Grund des Erstattungsanspruchs. Das zeigt gerade der hier zu beurteilende Sachverhalt. Die BA hat den Grundlagenbescheid vom 25. August 1997 zu einem Zeitpunkt erlassen, in dem sie über den Grund des Erstattungsanspruchs noch nicht entscheiden konnte. Eine Erstattung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit an den am 29. August 1940 geborenen O. kamen nämlich erst ab 29. August 1998 in Betracht. Ob O. zu diesem Zeitpunkt noch arbeitslos und verfügbar sein werde, ließ sich – wie der Widerspruchsbescheid zutreffend hervorhebt – zum Zeitpunkt des Erlasses des Grundlagenbescheids noch nicht beurteilen. Soweit der Grundlagenbescheid überhaupt eine Regelung iS des § 31 SGB X enthält, handelt es sich um die Feststellung von positiven oder negativen Elementen eines Erstattungsanspruchs – hier insbesondere der Feststellung, daß die Klägerin nicht dargelegt und nachgewiesen habe, das Arbeitsverhältnis mit O. sei durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden. Ob eine solche Elementenfeststellung rechtskraftfähig ist, erscheint zweifelhaft (BSG SozR 1300 § 63 Nr 8 mwN), kann aber im hier zu beurteilenden Zusammenhang unentschieden bleiben. Da sich die BA mit dem Erlaß von Grundlagenbescheiden der Möglichkeit berühmt, mit diesen Verwaltungsakte zu erlassen, die Bindungswirkung für die noch zu erlassenden Erstattungsbescheide entfalten, haben die Adressaten Anlaß, Grundlagenbescheiden mit Rechtsbehelfen entgegenzutreten. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, daß die „Bedeutung der Sache” iS des hier heranzuziehenden § 13 Abs 1 GKG für die Klägerin bei einer Elementenfeststellung ungleich geringer ist als bei einem Bescheid, der sich auf den Grund einer Zahlungspflicht bezieht. Der Hinweis des LSG auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenstandswert von Beitragsbescheiden dem Grunde nach (NVwZ 1988, 1019) wird deshalb der unterschiedlichen Fallgestaltung nicht gerecht. Da sich der Grundlagenbescheid im wesentlichen nur auf ein (negatives) Element eines späteren Erstattungsanspruchs bezieht (hier: § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG), leuchtet nicht ein, inwiefern mehr als ein Jahr später fällig werdende Leistungen an O. wegen Arbeitslosigkeit einen Anhaltspunkt für die Schätzung des Gegenstandswertes des Grundlagenbescheids abgeben könnten. Es fehlt mithin an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten iS des § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO für eine Schätzung. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Grundlagenbescheid einen nicht vermögensrechtlichen Gegenstand betrifft. Das zeigt insbesondere § 30 KostO, dem § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO nachgebildet ist. Die hier in zwei Halbsätzen geregelten Fallgestaltungen, regelt § 30 KostO in zwei Absätzen (vgl dazu näher: Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert aaO § 8 RdNr 23). Die Merkmale „Ermangelung tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und nicht vermögensrechtliche Anwendungsfälle” betreffen verschiedene Anwendungsfälle und nicht etwa kumulative Voraussetzungen für die Berücksichtigung des subsidiären Gegenstandswerts von 8.000 DM.
Da Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswertes nicht vorliegen und der Grundlagenbescheid der Sache nach lediglich den Tatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG betrifft, besteht kein Anlaß, von dem in § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO vorgesehenen Wert von 8.000 DM abzuweichen.
Bei dieser Rechtslage läßt sich eine höhere Kostenerstattung durch die BA nicht begründen, so daß die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben sind und die Klage abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen