Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachforderung von Beiträgen gemäß § 393a Abs 2 RVO
Leitsatz (amtlich)
Eine Zahlstelle von Versorgungsbezügen, die es vor 1989 schuldhaft unterlassen hatte, von solchen Bezügen KVdR-Beiträge einzubehalten (§ 393a Abs 2 RVO aF), wurde dadurch nicht selbst Schuldnerin der Beiträge gegenüber der Krankenkasse; ob sie dieser deswegen schadensersatzpflichtig war, bleibt offen.
Orientierungssatz
Zur Nachforderung von Beiträgen gemäß § 393a Abs 2 RVO:
Ein schuldhaftes jedenfalls von einer Zahlstelle mitverschuldetes Unterlassen des rechtzeitigen Beitragseinbehalts hat zur Folge, daß die Zahlstelle seither die Beiträge für den fraglichen Zeitraum nicht mehr einbehalten durfte, daß andererseits aber auch die Krankenkasse nicht berechtigt war, die an sich dem Einbehalt unterliegenden Beiträge beim Versorgungsempfänger einzuziehen. Denn diese Berechtigung war ihr in § 393a Abs 2 S 6 RVO ausdrücklich nur für den Fall zuerkannt worden, daß die Einbehaltung der Beiträge "ohne Verschulden der Zahlstelle" unterblieben war. Dieser Fall lag hier nicht vor. Damit wurde der Versorgungsempfänger von seiner Beitragsverpflichtung frei (vgl dazu im einzelnen BSG vom 23.5.1989 12 RK 30/88 = SozR 2200 § 393a Nr 2).
Normenkette
RVO § 393a Abs 2 S 6 Fassung: 1981-12-01; SGB 5 § 256 Abs 1 S 1 Fassung: 1988-12-20; SGB 5 § 256 Abs 2 S 1 Fassung: 1988-12-20
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Ersatzkasse von der klagenden Versorgungskasse Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) fordern kann, die die Klägerin vor dem 1. Januar 1989 von den Versorgungsbezügen des Beigeladenen einzubehalten unterlassen hat.
Die Klägerin, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, zahlt Versorgungsbezüge an Ruhestandsbeamte ihrer Mitgliedsgemeinden, darunter an den Beigeladenen. Dieser bezieht daneben seit 1979 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit und ist deswegen Pflichtmitglied der Beklagten. Im Oktober 1982 wurde die Klägerin - als Zahlstelle von Versorgungsbezügen für mehr als 30 krankenversicherungspflichtige Rentner (große Zahlstelle) - von der Beklagten davon unterrichtet, daß der Beigeladene ab 1. Januar 1983 von seinen Versorgungsbezügen Beiträge nach einem Beitragssatz von 5,95 % zu zahlen habe. Ende Januar 1983 bat die Beklagte außerdem um Mitteilung, ob und an welche ihrer Geschäftsstellen die Klägerin Beiträge für den Beigeladenen abführe. Diese erwiderte im Februar 1983, der fragliche Beitrag zur KVdR werde von ihr ab 1. April 1983 einbehalten, und (auf Rückfrage) im Juli 1983, die Abführung erfolge "in allen Fällen" an die Geschäftsstelle Köln-Deutz der Beklagten. Erst im Oktober 1983 räumte die Klägerin ein, daß sie bisher für den Beigeladenen noch keine KVdR-Beiträge abgeführt habe. Dies geschah vielmehr erst ab 1. Januar 1984.
Die Beklagte hat vom Beigeladenen die auf dessen Versorgungsbezüge entfallenden Beiträge für die Zeiten vom 1. Januar bis 31. März 1983 und vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1983 angefordert und erhalten, für die Zeit vom 1. April bis 30. September 1983 hat sie auf dessen Widerspruch hin von einem Beitragseinzug bei ihm Abstand genommen. Wegen der auf diesen Zeitraum entfallenden Beiträge in Höhe von 971,91 DM hat sie mit Bescheid vom 21. März 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1984 die Klägerin in Anspruch genommen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und antragsgemäß festgestellt, daß diese gegen die Klägerin aus der Versicherung des Beigeladenen keinen Anspruch habe. Es war der Auffassung, zwischen der Beklagten und der Klägerin bestehe kein Über- und Unterordnungsverhältnis; ein Verwaltungsakt habe daher nicht ergehen dürfen. Hinsichtlich des Feststellungsantrags sei die Klage deswegen begründet, weil die Klägerin nicht Schuldnerin der Beiträge sei. Voraussetzung dafür wäre gewesen, daß sich die Beklagte zuvor nicht nur im Verwaltungswege, sondern auch vor Gericht um Zahlung der Beiträge durch den Beigeladenen bemüht hätte. Die Beklagte habe aber bereits während des Verwaltungsverfahrens ihre Bemühungen um die Beitragsteile eingestellt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage abgewiesen: Entgegen der Meinung des SG habe die Beklagte der Klägerin gegenüber einen Verwaltungsakt erlassen dürfen. Zwischen ihr und der Klägerin liege eine dem Verhältnis zwischen Einzugsstelle und Arbeitgeber vergleichbare Rechtsbeziehung vor; dabei sei unerheblich, daß es sich bei der Klägerin zufällig um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handele. Die Bescheide der Beklagten seien auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die rechtzeitige Einbehaltung der auf die Versorgungsbezüge des Beigeladenen entfallenden Beiträge sei nicht ohne Verschulden der Klägerin unterblieben. Damit scheide gemäß § 393a Abs 2 Satz 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Beitragseinzug durch die Beklagte beim versicherten Beigeladenen aus. Zugleich ergebe sich daraus im Umkehrschluß zwingend die Zahlungspflicht der Klägerin, und zwar ohne daß die Beklagte sich zuvor um den Beitragseinzug beim Versicherten habe bemühen müssen. Dafür spreche auch die Parallelregelung in § 395 Abs 2 RVO, nach welcher der Arbeitgeber, der für versicherungspflichtig Beschäftigte Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung schuldhaft nicht rechtzeitig abgeführt habe, auch die Arbeitnehmeranteile tragen müsse, ohne vom Arbeitnehmer Ersatz verlangen zu können.
Gegen das Urteil des LSG hat die Klägerin die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und sie wie folgt begründet: Das LSG habe § 393a Abs 2 RVO und § 31 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) verletzt. Entgegen der Ansicht des LSG treffe die Klägerin und die sonstigen Zahlstellen keine Beitragslast, sondern nur eine Abführungspflicht, wobei der Versicherte Schuldner der Beiträge bleibe. Aus diesem Grunde sei der vom LSG vorgenommene Umkehrschluß aus § 393a Abs 2 Satz 6 RVO unzulässig, wonach bei schuldhafter Nichteinbehaltung der Beiträge aus Versorgungsbezügen die Zahlstelle zahlungspflichtig werde. Vielmehr könne die Zahlstelle nur im Wege des Schadensersatzes haften. Daraus ergebe sich aber auch, daß die Krankenkasse aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht verpflichtet sei, zunächst den Beitragsanspruch gegen den Versicherten durchzusetzen. Da das hier noch nicht geschehen sei, bestehe keine Haftung der Klägerin. Diese Lösung entspreche auch der Billigkeit, da anders der Beigeladene beitragsfreien Versicherungsschutz erlange. § 395 Abs 2 RVO regele keine vergleichbare Fallgestaltung. Im übrigen hätte die Heranziehung der Klägerin zum Schadensersatz nicht durch Verwaltungsakt erfolgen dürfen, da zwischen ihr und der Beklagten insoweit kein Über- und Unterordnungsverhältnis bestehe.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1987 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Revision der Klägerin.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. § 393a Abs 2 RVO enthalte hinsichtlich der hier streitigen Frage eine Regelungslücke. Diese sei unter Berücksichtigung der in § 395 Abs 2 RVO getroffenen Regelung durch einen Umkehrschluß aus § 393a Abs 2 Satz 6 RVO zu schließen. Eine sich aus diesen Vorschriften ergebende Zahlungspflicht der Klägerin berechtige aber die Beklagte auch zur Geltendmachung des Beitragsanspruchs im Wege eines Verwaltungsakts.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Wie schon das SG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, war der Bescheid der Beklagten vom 21. März 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1984 aufzuheben, weil der Beklagten gegen die Klägerin keine Beitragsansprüche zustehen.
Auf den vorliegenden Fall ist noch § 393a Abs 2 RVO idF des Art 2 Nr 15 den Rentenanpassungsgesetzes 1982 vom 1. Dezember 1981 (BGBl I 1205) anzuwenden. Diese Vorschrift galt seit 1. Januar 1983 und ist erst mit Wirkung vom 1. Januar 1989 durch § 256 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB 5) ersetzt worden (Art 5 Nr 2, Art 79 Abs 1 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988 - BGBl I 2477). Nach Satz 1 des § 393a Abs 2 RVO aF hatte grundsätzlich die zuständige Krankenkasse die Beiträge der bei ihr pflichtversicherten Rentner von deren - seit 1983 beitragspflichtigen - Versorgungsbezügen einzuziehen. Nach Satz 2 galt eine Ausnahme für solche Zahlstellen von Versorgungsbezügen, die - wie die Klägerin - regelmäßig an mehr als 30 beitragspflichtige Versicherte Versorgungsbezüge auszahlten (große Zahlstellen). Diese hatten die Beiträge für krankenversicherungspflichtige Rentner von deren Versorgungsbezügen "einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu entrichten"; dazu hatte die zuständige Krankenkasse außer dem Versicherten auch der Zahlstelle die Höhe der "nach Versorgungsbezügen ... zu zahlenden Beiträge" mitzuteilen (Satz 1). Waren bei monatlicher Zahlweise der Versorgungsbezüge für einen Monat keine Beiträge einbehalten worden, durfte nach Satz 5 der Vorschrift die Einbehaltung nur bei der Zahlung für den nächsten Monat nachgeholt werden. Nach Satz 6 hatte die zuständige Krankenkasse die Beiträge vom Versicherten einzuziehen, wenn deren Einbehaltung ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben war. Nicht ausdrücklich geregelt war der Fall, daß die Zahlstelle die Einbehaltung der Beiträge schuldhaft unterlassen hatte.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Klägerin war von ihrer Pflicht zur Einbehaltung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen des Beigeladenen rechtzeitig unterrichtet worden. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hatte ihr nämlich die Beklagte im Oktober 1982 mitgeteilt, daß der Beigeladene ab 1. Januar 1983 mit seinen Versorgungsbezügen beitragspflichtig werde und daß sie, die Klägerin, die entsprechenden Beiträge einzubehalten habe. Damit war die Beklagte ihrer in § 393a Abs 2 Satz 1 RVO festgelegten Mitteilungspflicht der Klägerin gegenüber nachgekommen. Trotz mehrmaliger Erinnerungen hat diese jedoch die Einbehaltung von Beiträgen bis zum 31. Dezember 1983 unterlassen. Zudem hat sie die Beklagte bis Oktober 1983 von ihrer Untätigkeit nicht in Kenntnis gesetzt, vielmehr ihr mit Schreiben vom Februar und Juli 1983 die unzutreffende Auskunft erteilt, die Beiträge würden laufend einbehalten und an die zuständige Geschäftsstelle der Beklagten abgeführt. Die Klägerin hat auch nicht die ihr in § 393a Abs 2 Satz 5 RVO eingeräumte Möglichkeit genutzt, die unterbliebenen Abzüge für die einzelnen Kalendermonate wenigstens bei der nächsten Zahlung von Versorgungsbezügen - hier also bei den Zahlungen für den jeweils folgenden Kalendermonat - nachzuholen. Damit hat sie gegen die ihr als Zahlstelle nach Sätzen 2 und 5 des § 393a Abs 2 RVO obliegenden Pflichten verstoßen. Dieser Verstoß begründete auch ein "Verschulden" der Klägerin iS des § 393a Abs 2 Satz 6 RVO, zumindest in Gestalt eines Mitverschuldens. Bereits ein solches Mitverschulden schloß aber die Anwendung des § 393a Abs 2 Satz 6 RVO aus, da die dort getroffene Regelung nur in dem Fall gelten sollte, daß die Einbehaltung von (weiteren) Beiträgen "ohne Verschulden", dh auch ohne Mitverschulden der Zahlstelle, unterblieben war.
Das schuldhafte, jedenfalls von der Klägerin mitverschuldete Unterlassen des rechtzeitigen Beitragseinbehalts hatte zur Folge, daß die Klägerin seither die Beiträge für den fraglichen Zeitraum nicht mehr einbehalten durfte, daß andererseits aber auch die Beklagte nicht berechtigt war, die an sich dem Einbehalt unterliegenden Beiträge beim Versorgungsempfänger einzuziehen. Denn diese Berechtigung war ihr in § 393a Abs 2 Satz 6 RVO ausdrücklich nur für den Fall zuerkannt worden, daß die Einbehaltung der Beiträge "ohne Verschulden der Zahlstelle" unterblieben war. Dieser Fall lag hier nicht vor. Damit wurde der Beigeladene von seiner Beitragsverpflichtung frei (vgl dazu im einzelnen das am 23. Mai 1989 ergangene, zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats 12 RK 30/88).
Entgegen der Ansicht des LSG ist auch die Klägerin nicht Schuldnerin der streitigen Beiträge geworden. Ihre Rechtsstellung gegenüber der Beklagten entsprach nicht der eines Arbeitgebers gegenüber der Einzugsstelle, woran das LSG offenbar mit der Bezugnahme auf § 121 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) = § 1399 Abs 3 RVO gedacht hat. Zwar hatte der Gesetzgeber die Befugnisse einer Zahlstelle von Versorgungsbezügen gegenüber dem Empfänger der Bezüge, wenn sie davon KVdR-Beiträge entgegen § 393a Abs 2 Satz 2 RVO nicht einbehalten hatte, ähnlich denen des Arbeitgebers geregelt, der Beitragsanteile des Arbeitnehmers nicht vom Lohn einbehalten hatte. Ebenso wie dieser die unterbliebenen Abzüge nur bei der nächsten Lohnzahlung nachholen durfte, wenn nicht die Beiträge ohne sein Verschulden verspätet entrichtet worden waren (§ 395 Abs 2 RVO), durfte auch die Zahlstelle, wie ausgeführt, die in einem Monat nicht einbehaltenen Beiträge nur bei der nächsten Zahlung der Versorgungsbezüge einbehalten (§ 393a Abs 2 Satz 5 RVO). Weitere, dh für einen längeren Zeitraum als einen Monat nicht einbehaltene Beiträge brauchte der Versorgungsempfänger nur nachzuzahlen, wenn die Einbehaltung ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben war; dabei bestand seine Nachzahlungspflicht nicht gegenüber der Zahlstelle, sondern gegenüber seiner Krankenkasse (§ 393a Abs 2 Satz 6 RVO).
Im Gegensatz zu diesen Bestimmungen, die das Verhältnis der Zahlstelle bzw der Krankenkasse gegenüber dem beitragspflichtigen Versorgungsempfänger regelten und sich dabei offensichtlich an die Vorschriften anlehnten, die für die Beziehungen des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer galten, entsprach aber die gesetzliche Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen der einbehaltungspflichtigen Zahlstelle und der Krankenkasse, an die die Beiträge zu entrichten waren, nicht der zwischen Arbeitgeber und Krankenkasse. Während nämlich der Arbeitgeber gegenüber der Krankenkasse selbst Schuldner der nach dem Arbeitsentgelt bemessenen Beiträge war - er hatte die von ihm und dem Arbeitnehmer nach § 381 Abs 1 RVO je zur Hälfte zu tragenden Beiträge bei der Krankenkasse "einzuzahlen" (§ 393 Abs 1 Satz 1 RVO; für die Zeit ab 1. Januar 1989 vgl § 253 SGB 5 und § 28e Abs 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -SGB 4-) -, bestand für die Zahlstelle von Versorgungsbezügen keine entsprechende "Zahlungspflicht" (§ 393 Abs 3 RVO) gegenüber der Krankenkasse. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß - anders als den Arbeitgeber, der den halben Beitragsanteil aus eigenen Mitteln zu leisten hatte - die Zahlstelle keine eigene Beitragslast traf. Sie mußte lediglich den Beitrag, den der Versicherte von den Versorgungsbezügen zu tragen hatte und der sich, ähnlich wie der Beitragsanteil des Arbeitnehmers, nach der Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes der zuständigen Krankenkasse bzw nach der Hälfte des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes des Landesverbandes der betreffenden Krankenkasse bemaß (§ 385 Abs 2a RVO), für die Krankenkasse einbehalten und an sie entrichten. Auch insofern war sie jedoch nicht selbst Beitragsschuldnerin. Beitragsschuldner war vielmehr in den Grenzen, die sich aus § 393a Abs 2 RVO ergaben, allein der versicherte Versorgungsempfänger, der die nach § 180 Abs 5 und Abs 6 RVO zu bemessenden Beiträge, also auch die Beiträge von den Versorgungsbezügen (§ 180 Abs 5 und Abs 6 jeweils Nr 2 RVO), nach § 381 Abs 2 Satz 1 RVO zu tragen hatte.
Daß derjenige, der die Beiträge "zu tragen" hat, sie grundsätzlich auch "zu zahlen" hat, bestimmt seit dem 1. Januar 1989 ausdrücklich § 252 SGB 5. Nichts anderes hat aber, obwohl noch nicht ausdrücklich bestimmt, auch schon vorher gegolten. Wenn und soweit dieser Grundsatz eine Ausnahme erfahren soll, muß dies gesetzlich bestimmt sein (so jetzt ebenfalls § 252 SGB 5). Für den Arbeitnehmer und die Zahlung seines Beitragsanteils durch den Arbeitgeber war und ist eine solche Ausnahme gesetzlich vorgesehen (§ 393 Abs 1 RVO, § 253 SGB 5, § 28e Abs 1 SGB 4). Für die Zahlstelle von Versorgungsbezügen war und ist dies dagegen nicht geschehen. Sie hatte und hat den Beitrag des Versicherten lediglich für die Krankenkasse einzubehalten und an sie zu entrichten bzw zu zahlen. Anders als der Arbeitgeber, den eine solche Einbehaltungspflicht nicht trifft und bei dem sie wegen seiner eigenen Zahlungspflicht auch entbehrlich ist (ihm hat der Gesetzgeber nur ein Recht zur Abwälzung des von ihm gezahlten Arbeitnehmerbeitragsanteils gegeben, §§ 394, 395 RVO, § 253 SGB 5, § 28g SGB 4), brauchte und braucht die Zahlstelle grundsätzlich nur solche Beiträge an die Krankenkasse abzuführen, die sie einzubehalten hatte und auch einbehalten hat. Ihre Rechtsstellung ähnelt damit, was ihr Verhältnis zur Krankenkasse betrifft, in gewisser Weise der der Krankenkasse als Einzugsstelle von Beiträgen zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung (vgl für die Zeit bis Ende 1988 §§ 1399 f, 1433 ff RVO bzw §§ 121 f, 155 ff AVG und §§ 176 ff Arbeitsförderungsgesetz). Ähnlich wie der Einzugsstelle hat nämlich der Gesetzgeber auch der Zahlstelle nur den Auftrag erteilt, Beiträge (hier: durch Einbehaltung von Versorgungsbezügen) für die zuständige Krankenkasse einzuziehen und an sie weiterzuleiten (in der Sprache des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-: das aus der Geschäftsbesorgung "Erlangte" an sie herauszugeben, § 667 BGB). Daß die Zahlstelle auch dann, wenn sie Beiträge nicht einbehalten hatte, ebenso wie ein Arbeitgeber zur Zahlung dieser Beiträge an die Krankenkasse verpflichtet sein soll, war und ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Eine eigene Zahlungspflicht der Zahlstelle würde nämlich vor allem dann aktuell werden, wenn eine nachträgliche Einbehaltung der Beiträge vom Versicherten nicht (mehr) möglich ist, etwa weil die Versorgungsbezüge inzwischen weggefallen sind oder Hindernisse iS des § 51 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - entgegenstehen. Daß aber gerade in solchen Fällen die Zahlstelle nicht mehr einbehaltungsberechtigt und demgemäß auch nicht mehr abführungspflichtig ist, vielmehr die Beiträge dann durch die zuständige Krankenkasse vom Versicherten einzuziehen sind, ist jetzt in § 256 Abs 2 Satz 1 iVm § 255 Abs 2 Satz 2 SGB 5 ausdrücklich bestimmt. Das gleiche hat aber nach Ansicht des Senats auch schon nach früherem Recht gegolten, obwohl der Beitragseinzug durch die Krankenkasse damals stärker eingeschränkt war als nach neuem Recht. Trifft mithin in den genannten Fällen eine Zahlungspflicht für die von der Zahlstelle nicht einbehaltenen Beiträge nur den Versicherten, nicht die Zahlstelle (Entsprechendes gilt nach neuem Recht auch für Beiträge, die der Rentenversicherungsträger nicht einbehalten hat), dann folgt daraus, daß der Gesetzgeber die Zahlstelle nicht - wie einen Arbeitgeber - selbst zur Beitragsschuldnerin hat machen wollen.
In Betracht käme hiernach allenfalls ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen die Klägerin wegen schuldhafter Verletzung der dieser im Rahmen ihrer "Indienstnahme" obliegenden Pflichten (vgl insoweit Kierstein/Krückel, Die Krankenversicherung der Rentner, Stand November 1985, Kennzahl 285, Anm 3.2). Über einen derartigen Anspruch war hier aber nicht zu befinden, da die Beklagte diesen jedenfalls nicht im Wege eines Verwaltungsaktes hätte geltend machen können; vielmehr hätte sie einen so gearteten Anspruch nur im Wege einer gegen die Klägerin gerichteten Leistungsklage nach § 54 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verfolgen können (vgl auch BSG in SozR Nr 1 zu § 1436 RVO). Dies ist bisher nicht geschehen.
Eine Entscheidung über einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin war auch nicht etwa deswegen zu treffen, weil das SG festgestellt hat, daß die Beklagte "gegen den Kläger aus der Versicherung des Beigeladenen keinen Anspruch hat". Dieser Feststellung lag der in der mündlichen Verhandlung vor dem SG "rein vorsorglich" gestellte Antrag der Klägerin zugrunde, "festzustellen, daß die Beklagte aus dem Versicherungsverhältnis des Beigeladenen aus der Zeit vom 1. Januar 1983 bis 31. Dezember 1983 keine Ansprüche gegen die Klägerin hat". Dieser Antrag bezog sich - wie auch die Entscheidung des SG - nur auf die mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachte Beitragsforderung, nicht dagegen auf sonstige Ansprüche, insbesondere nicht auf Schadensersatzansprüche. Das SG sollte für den Fall, daß es den Erlaß eines Verwaltungsaktes schon aus formellen Gründen für nicht zulässig hielt, auch über die materielle Frage entscheiden, ob der Beklagten gegen die Klägerin der im Bescheidswege verfolgte Beitragsanspruch zustand. Nur über das Nichtbestehen eines solchen Beitragsanspruchs hat das SG - zutreffend - entschieden.
Da die Beklagte somit letztinstanzlich unterlegen ist, waren ihr gemäß § 193 SGG auch die notwendigen Kosten des Beigeladenen für das Berufungs- und das Revisionsverfahren aufzuerlegen. Hinsichtlich der Erstattung außergerichtlicher Kosten der ersten Instanz bleibt es bei dem Urteil des SG.
Fundstellen
Haufe-Index 1664473 |
BSGE, 100 |