Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Kostenerstattung im Rahmen der Berufshilfe für eine selbstbeschaffte berufliche Rehabilitationsmaßnahme, wenn der Unfallversicherungsträger von deren Notwendigkeit erst im nachhinein Kenntnis erlangt.
Stand: 08. Mai 2000
Beteiligte
Unfallkasse Rheinland-Pfalz |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. November 1997 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16. Dezember 1994 wird zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten ihrer selbstbeschafften Umschulungsmaßnahme zur Ergotherapeutin zu erstatten hat.
Die im Jahre 1969 geborene Klägerin wurde vom 1. Oktober 1987 bis 30. September 1990 mit Erfolg zur Krankenschwester ausgebildet. Während dieser Ausbildung traten wiederholt Ekzeme an ihren Händen auf und zwangen sie schließlich zur Aufgabe dieser Tätigkeit. Noch während der Krankenpflegeausbildung beantragte die Klägerin am 30. Januar 1990 beim Arbeitsamt (ArbA) M. Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Dieser Antrag wurde auf ihren Wunsch zunächst nicht weiter verfolgt, um die laufende Krankenpflegeausbildung nicht zu gefährden.
Am 12. November 1990 begann die Klägerin aus eigener Initiative und ohne vorherige Absprache mit dem ArbA eine dreijährige Ausbildung zur Arbeits- und Beschäftigungstherapeutin, die sie im November 1993 erfolgreich abschloß. Seit Februar 1994 ist die Klägerin als Mitarbeiterin in einer ergotherapeutischen Praxis tätig; Hauterscheinungen sind bei ihr nicht mehr aufgetreten.
Nach Beginn der Ausbildung zur Ergotherapeutin wandte sich die Klägerin mit einem Attest ihres Hautarztes vom 27. Dezember 1990 wieder an das ArbA, das den Vorgang im Februar 1991 zuständigkeitshalber an die Beklagte weiterleitete. Diese lehnte nach Ermittlungen die Übernahme der Kosten für die Umschulungsmaßnahme zur Ergotherapeutin durch Bescheid vom 7. Februar 1992 ab. Zwar sei es durch die berufliche Tätigkeit der Klägerin in der Krankenpflege zu einer wesentlichen Verschlimmerung des anlagebedingten endogenen Ekzems gekommen, so daß Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation grundsätzlich anerkannt würden. Die Ausbildung im Beruf der Beschäftigungs- und Arbeitstherapeutin könne jedoch nicht gefördert werden, weil dieser Beruf bei bestehenden Hautkrankheiten ungeeignet sei. Darüber hinaus sei die Förderung einer mehr als zweijährigen Ausbildung nur ausnahmsweise zulässig, wenn andere Berufsausbildungen nicht in Frage kämen, was hier nicht der Fall sei. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1993; Urteil des Sozialgerichts Köln ≪SG≫ vom 16. Dezember 1994).
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, der Klägerin die gesetzlich vorgesehenen Förderungsleistungen für die durchlaufene Umschulung zur Ergotherapeutin zu gewähren (Urteil vom 25. November 1997). Allein die von der Klägerin gewählte dreijährige Umschulung zur Ergotherapeutin sei zu ihrer dauerhaften Wiedereingliederung in das Berufsleben geeignet gewesen. Dem stehe nicht entgegen, daß sie nicht auf dem gesamten Berufsfeld des Umschulungsberufes eine Hautbelastung vermeiden könne, da sie wegen der Vielzahl der möglichen Behandlungsmethoden auf nichthautbelastende Vorgehensweisen ausweichen könne. Zwar müsse der Verletzte in der Regel fähig sein, die durch die Umschulung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem gesamten Berufsfeld uneingeschränkt zu verwerten; auch seien Förderungsmittel nur für Berufe einzusetzen, für die auf dem Arbeitsmarkt ein Bedarf bestehe. Eine Ausnahme gelte aber dann, wenn die übrigen in Betracht kommenden Umschulungsberufe zumindest gleichwertige Wettbewerbsdefizite einschlössen, was hier für die alternativ in Betracht kommenden Berufe (Logopädin und Datenverarbeitungs-Kauffrau) zutreffe, zumal die besonders ausgeprägte Neigung der Klägerin zur Ausübung einer sozialen Berufstätigkeit und ihre Abneigung gegen eine Bürotätigkeit einer Verweisung auf solche Berufe entgegenstünden. Sowohl die fehlenden Umschulungsalternativen als auch die trotz mehrjähriger Berufspraxis als Ergotherapeutin nicht mehr aufgetretenen Ekzeme hätten bei der von der Beklagten zu treffenden Ermessensentscheidung zu einer Ermessensreduzierung auf Null geführt, so daß die Beklagte zur Kostenübernahme der dreijährigen Umschulung zu verurteilen gewesen sei.
Mit ihrer – vom Senat zugelassenen – Revision rügt die Beklagte ua die Verletzung der §§ 537, 556 und 567 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Bei der Gewährung von beruflichen Rehabilitationsleistungen habe sie ein Auswahlermessen, das nur ausgeübt werden könne, wenn sie vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme eine Entscheidung hierüber treffen könne. Ein Kostenerstattungsanspruch des Verletzten für eine solche selbstbeschaffte Leistung bestehe nur, wenn sich die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers über die Art der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme verzögere. Er bestehe jedoch nicht, wenn der Unfallversicherungsträger vor Antritt der Rehabilitationsmaßnahme durch den Verletzten überhaupt nicht die Möglichkeit habe, die Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Maßnahme zu prüfen. Dieser Rechtsgedanke sei den §§ 39, 40 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) sowie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Kostenerstattung im Rahmen der Kfz-Hilfe und bei Arzneimitteln zu entnehmen. Ein Verstoß gegen die §§ 556 und 567 RVO liege vor, weil die „volle Erwerbsfähigkeit” der Klägerin durch die Umschulung zur Ergotherapeutin nicht wiederhergestellt sei und bei der Auswahl der möglichen Umschulungsberufe die Anzahl der dort zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze nicht berücksichtigt werden dürfe. Das LSG habe auch gegen die §§ 103 und 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verstoßen, da es sich bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Neigung auf reine Spekulationen gestützt habe. Zuletzt verletze das Urteil des LSG auch § 5 Abs 4 des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) iVm § 3 Abs 2 der Gesamtvereinbarung über die Beteiligung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) bei der beruflichen Rehabilitation. Denn hiernach habe die BA, die zum Verfahren notwendig hätte beigeladen werden müssen (§ 75 Abs 2 SGG), bzw das zuständige ArbA einen Eingliederungsvorschlag zu unterbreiten, nicht jedoch sie, die Beklagte, so daß ihr nicht vorgehalten werden könne, sie habe keine gleichwertigen Rehabilitationsalternativen aufgezeigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25. November 1997 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Köln vom 16. Dezember 1994 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG hat die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für die selbstbeschaffte Umschulung zur Ergotherapeutin.
Das Verfahren vor dem LSG leidet allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dadurch an einem im Revisionsverfahren fortwirkenden Mangel, weil es die notwendige Beiladung der BA unterlassen hätte. Die Beiladung ist nach der hier allein in Betracht kommenden ersten Alternative des § 75 Abs 2 SGG notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dieser Fall der notwendigen Beiladung setzt nach der Rechtsprechung des BSG die Identität des Streitgegenstandes im Verhältnis zwischen den Beteiligten und dem Dritten voraus (BSGE 71, 237, 238 = SozR 3-2500 § 240 Nr 12 mwN). Diese besteht hier nicht. Die BA ist vor der Einleitung berufsfördernder Rehabilitationsmaßnahmen durch andere Rehabilitationsträger zwar gemäß § 5 Abs 4 RehaAnglG wegen ihrer besonderen Sachkunde zu beteiligen. Ein Rechtsstreit zwischen dem anderen Rehabilitationsträger und dem Versicherten wegen der Erstattung der Kosten für eine Rehabilitationsmaßnahme beschränkt sich jedoch auf das Rechtsverhältnis zwischen diesen Beteiligten und berührt die Rechte der BA, die in dieser Funktion als leistungspflichtig nicht in Betracht kommt, nicht.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil er sich auf Leistungen der beruflichen Rehabilitation bezieht, die vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz) bereits in Anspruch genommen worden waren (§§ 212, 214 Abs 1 Satz 2 SGB VII).
Zwar hat die Klägerin, wie das LSG rechtlich zutreffend festgestellt hat, aufgrund des wahrscheinlichen Zusammenhangs zwischen ihrer versicherten Tätigkeit als Krankenschwester und den bei ihr aufgetretenen Hauterscheinungen (Berufskrankheit gemäß Nr 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ≪BKVO≫) grundsätzlich einen Anspruch auf Berufshilfe, den die Beklagte durch ihren Bescheid vom 7. Februar 1992 bindend anerkannt hat. Nach § 551 Abs 3 Satz 1 RVO iVm §§ 556 Abs 1 Nr 2, 567 RVO ist es Aufgabe der Berufshilfe, den Verletzten mit allen geeigneten Mitteln nach seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern (§ 556 Abs 1 Nr 2 RVO). Dabei werden Leistungen für die berufliche Umschulung und Fortbildung in der Regel nur gewährt, wenn die Maßnahme bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauert, es sei denn, daß der Verletzte nur über eine länger dauernde Maßnahme eingegliedert werden kann (§ 567 Abs 3 Satz 2 RVO).
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzungen für die Gewährung der umstrittenen Rehabilitationsmaßnahme hier gegeben sind. Denn der Klägerin steht jedenfalls ein Kostenerstattungsanspruch bezüglich der Umschulungsmaßnahme zur Ergotherapeutin nicht zu. In der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie in anderen Sozialversicherungsbereichen – jedenfalls auf dem Gebiet der Rehabilitation – das Sachleistungsprinzip, dh der Unfallversicherungsträger hat die zur Heilbehandlung bzw beruflichen Wiedereingliederung erforderlichen Maßnahmen grundsätzlich als Sachleistung bzw Naturalleistung zu gewähren; ein unmittelbarer Kostenerstattungsanspruch gegen den Unfallversicherungsträger für eine selbstbeschaffte Rehabilitationsleistung ist in der Regel nicht gegeben (vgl BSG Beschluß vom 24. Januar 1992 – 2 BU 173/91 –; BSGE 48, 172, 173 = SozR 2200 § 567 Nr 2 ≪zur Berufshilfe≫; BSG SozR 3-2200 § 557 Nr 1; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 566 f; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 567 Anm 4). Das Sachleistungsprinzip für die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zur Heilbehandlung und Rehabilitation wird nunmehr durch § 26 Abs 4 Satz 2 SGB VII eigens normiert; Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn dies im SGB VII ausdrücklich vorgesehen ist.
Eine Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen zur Heilbehandlung und Rehabilitation findet allein unter den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 13 Abs 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) statt. Weitere Ausnahmen vom Sachleistungsprinzip, welche die Rechtsprechung des BSG zum vor Inkrafttreten des SGB V geltenden Recht zuließ (s BSG SozR 3-2200 § 557 Nr 1), läßt der insoweit eindeutige Gesetzeswortlaut nicht zu (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15). Bereits vor Inkrafttreten dieser unmittelbar nur für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschrift wurde in diesem vom Sachleistungsprinzip geprägten Sozialversicherungszweig ausnahmsweise ein Anspruch auf Erstattung der Kosten selbstbeschaffter Leistungen zuerkannt, wenn der Sozialversicherungsträger die Leistungen zu Unrecht verweigert hatte oder aus anderen Gründen eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (vgl BSG SozR 3-2200 § 557 Nr 1 mwN). Dies galt entsprechend für alle Sozialversicherungszweige, soweit in ihnen – wie auch in der gesetzlichen Unfallversicherung – Sozialleistungen als Sachleistungen zu erbringen waren (BSG aaO). Demgemäß hat der Senat den § 13 Abs 2 bzw (nach der Neufassung durch Art 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992) Abs 3 SGB V analog für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung angewandt, da hier eine Regelungslücke hinsichtlich der Kostenerstattung besteht, die diese Vorschrift sachgerecht ausfüllt (SozR 3-2200 § 557 Nr 1; sa Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl, § 26 RdNr 8; Kater/Leube, SGB VII, § 26 RdNrn 14 f; Schmitt, SGB VII, § 26 RdNr 14). Für eine weitere Ausdehnung des Kostenerstattungsanspruchs ist kein Raum.
Die Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 13 Abs 3 SGB V sind nicht gegeben. Danach kommt eine Kostenerstattung in der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich einer selbstbeschafften Leistung nur dann in Betracht, wenn der Unfallversicherungsträger (1.) eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn er (2.) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zusätzlich muß ein Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung begründenden Umstand (bei der Alternative 1.: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Alternative 2.: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) bestehen (vgl BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15). Im vorliegenden Fall kommt als Anspruchsgrundlage der Klägerin allein die zweite Alternative des § 13 Abs 3 SGB V in Betracht, denn bei der hier in Frage stehenden Berufshilfemaßnahme handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Sach- bzw Dienstleistung iS der ersten Alternative. Es sind insbesondere keine Gründe ersichtlich, die das Beantragen und Abwarten einer Entscheidung der Beklagten für die Klägerin als unzumutbar hätten erscheinen lassen. Ein solches Abwarten wäre aber besonders deshalb erforderlich gewesen, weil die Beschaffung eingehender – dem Versicherten regelmäßig nicht zur Verfügung stehender – Kenntnisse der verschiedenen für eine Umschulung in Erwägung zu ziehenden Berufsfelder notwendig war, um eine sinnvolle Auswahl hinsichtlich der möglichen Berufshilfemaßnahmen treffen zu können
Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach der zweiten Alternative des § 13 Abs 3 SGB V sind jedoch ebenfalls nicht gegeben. Danach ist es erforderlich, daß der Unfallversicherungsträger rechtzeitig von der Notwendigkeit einer solchen Maßnahme erfährt und somit auch rechtzeitig seine Zuständigkeit und die Geeignetheit in Betracht kommender Maßnahmen vor deren Beginn prüfen kann. Erfährt der Unfallversicherungsträger hingegen erst im nachhinein hiervon, so kann er das ihm zustehende Auswahlermessen allenfalls noch theoretisch ausüben, wobei besonders die Prüfung der persönlichen Neigung und ggf auch Eignung des Versicherten regelmäßig äußerst problematisch sein wird. Dem Unfallversicherungsträger muß vielmehr für die anzustellenden Ermittlungen und Erwägungen eine angemessene Zeitspanne eingeräumt werden, während der eine Beeinflussung durch vom Versicherten selbst unternommene Schritte hinsichtlich einer von ihm selbst ohne Absprache mit dem Leistungsträger gewählten und organisierten Rehabilitationsmaßnahme – etwa durch Absolvierung eines wesentlichen Teils einer Ausbildung – unterbleibt. Anderenfalls besteht die erhebliche Gefahr, daß der Versicherte anderweitigen, besser geeigneten Rehabilitationsvorschlägen nicht mehr mit der erforderlichen Offenheit gegenübersteht, weil er sich durch den Antritt der selbstorganisierten Maßnahme innerlich bereits fest daran gebunden hat und nicht mehr geneigt ist, sich mit einem anderen Berufsfeld auseinanderzusetzen und sich dort im Bewußtsein, Geld und Mühe für die begonnene selbstgewählte Ausbildung umsonst aufgewandt zu haben, neu einzuarbeiten. Aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich, daß im Regelfall vom Versicherten erwartet werden muß, sich rechtzeitig an den zuständigen Rehabilitationsträger bzw bei Ungewißheit an das ArbA zu wenden und dessen Entscheidung abzuwarten. Dieses Erfordernis ist auch dem hier analog anwendbaren § 13 Abs 3 SGB V zu entnehmen. Der dort geforderte notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und dem Nachteil des Versicherten (vorläufige Kostentragung) kann nur dann gegeben sein, wenn die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers getroffen worden ist, bevor der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte erst einige Zeit nach Antritt der umstrittenen Ausbildung zur Ergotherapeutin durch die Klägerin von der bei ihr möglicherweise bestehenden Berufskrankheit und der Notwendigkeit für Maßnahmen der Berufshilfe erfahren. Eine rechtzeitige Prüfung der Geeignetheit der selbstgewählten Maßnahme war ihr daher in keiner Weise mehr vor deren Antritt möglich. Auch dem ArbA, dessen Kenntnis und Verwaltungshandeln gegebenenfalls der Beklagten zuzurechnen wäre, war eine solche Prüfung und Entscheidung nicht mehr möglich, weil sich die Klägerin auch dort erst nach Antritt der Ausbildung, deren Förderung als Rehabilitationsmaßnahme sie begehrt, gemeldet hat, nachdem sie ihren Rehabilitationsantrag zunächst aus persönlichen Gründen hatte zurückstellen lassen.
Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, wann ein Unfallversicherungsträger im obigen Sinne rechtzeitig von der Notwendigkeit für berufliche Rehabilitationsmaßnahmen bei einem Versicherten erfahren hat, denn im vorliegenden Rechtsstreit haben die Beklagte bzw auch das ArbA vor Beginn der Ausbildung jedenfalls aus allein von der Klägerin zu vertretenden Gründen keinerlei Kenntnis von deren gegenwärtigem ernsthaften Willen zur notwendigen beruflichen Neuorientierung erlangt. Die Klägerin hatte bereits im Januar 1990 die Möglichkeit, ein entsprechendes Begehren zumindest an das ArbA, das dieses dann an den Unfallversicherungsträger weitergeleitet hätte, zu richten und auch aufrechtzuerhalten, statt es – wie geschehen – aus persönlichen Gründen zurückstellen zu lassen. Insbesondere war es ihr im Herbst 1990, vor Beginn der Umschulungsmaßnahme, durchaus noch möglich, sich erneut an das ArbA zu wenden, was indessen nicht geschehen ist; ein Hinderungsgrund hierfür ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen und von der Klägerin selbst auch nicht vorgetragen. Die Klägerin hat somit dem zuständigen Unfallversicherungsträger – und auch dem zuständigen ArbA – nicht die Möglichkeit eröffnet, die Notwendigkeit und Geeignetheit einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme für sie in der gebotenen Weise zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß der Klägerin nach der Beratungsniederschrift des ArbA vom 30. Mai 1990, die sich bei den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten befindet, die von dort geäußerten Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit einer Umschulung zur Ergotherapeutin bei bestehender Hautkrankheit bekannt waren.
Mit seiner Rechtsauffassung weicht der Senat nicht von der Entscheidung des 9b-Senats des BSG vom 28. März 1990 (BSGE 66, 275 = SozR 3-4100 § 56 Nr 1) ab. In dem dort entschiedenen Fall ist dem Versicherten zwar im Rahmen des Arbeitsförderungsrechts die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte, erst im Monat nach deren Antritt beantragte Umschulungsmaßnahme zuerkannt worden. Vom vorliegenden Sachverhalt unterscheidet er sich aber insoweit wesentlich, als der Versicherungsträger die Förderung nicht wegen einer verspäteten Antragstellung, sondern wegen der fehlenden Rehabilitationsbedürftigkeit und Ungeeignetheit des Umschulungsberufs abgelehnt hatte. Der 9b-Senat hat es offengelassen, ob und in welchem Sinne der Kläger im dortigen Verfahren den Rehabilitationsantrag „verspätet” gestellt hat, weil der Versicherungsträger nicht – worauf er sich aber offenbar berufen hatte – dadurch gehindert gewesen sei, den Gesamtplan zu erstellen, sondern weil er zu Unrecht die Rehabilitationsbedürftigkeit verneint habe. Auch von der Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 31. Januar 1980 (BSGE 49, 263 = SozR 2200 § 1237a Nr 10), auf die sich die Klägerin zur Stützung ihres geltend gemachten Erstattungsanspruchs berufen hat, weicht der Senat nicht ab. Dort wird der Rechtssatz aufgestellt, das Begehren auf geldliche Förderung einer Umschulung werde nicht dadurch gegenstandslos, daß diese noch vor Erteilung des ablehnenden Bescheides begonnen habe, wenn der Antrag bereits vorher gestellt worden sei. Da im vorliegenden Fall ein konkreter, zu bearbeitender Förderungsantrag infolge des von der Klägerin herbeigeführten Ruhenlassens ihres im Januar 1990 beim ArbA gestellten Antrages nicht vorlag, fehlt es gerade an dieser vom 11. Senat für erforderlich erklärten Anspruchsvoraussetzung. Im übrigen befassen sich beide Entscheidungen nicht mit der jedenfalls für die Gebiete der gesetzlichen Krankenversicherung direkt und der gesetzlichen Unfallversicherung analog anzuwendenden Anspruchsgrundlage für Kostenerstattungsforderungen wegen selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs 3 SGB V).
Mangels eines Anspruchs der Klägerin auf Kostenerstattung war daher auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen
DB 2000, 575 |
NZS 2000, 466 |
SozSi 2000, 436 |