Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfrageverfahren. Widerruf der Zustimmungserklärung nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB 4 auch noch nach Zugang dieser bei der DRV Bund möglich
Leitsatz (amtlich)
Der Beschäftigte kann seine in einem Statusfeststellungsverfahren erklärte Zustimmung, dass die Sozialversicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund eintreten soll, grundsätzlich auch noch nach Zugang der Zustimmungserklärung bei diesem Träger widerrufen.
Normenkette
SGB 4 § 7a Abs. 6 S. 1 Nrn. 1-2, S. 2, Abs. 7 S. 1; BGB § 130 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3, § 183 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. September 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Beschäftigung versicherungspflichtig war.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH ein interdisziplinäres Therapiezentrum. Der Beigeladene zu 1. ist Diplom-Krankenhausbetriebswirt und war vom 1.12.2006 bis 31.12.2008 auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags als Fremdgeschäftsführer der Klägerin tätig. Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer führte die Klägerin für den Beigeladenen zu 1. nicht ab.
Am 20.12.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten (Deutsche Rentenversicherung Bund) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1. Auf einem Formblatt der Beklagten stimmte der Beigeladene zu 1. mit Erklärung vom 1.3.2007 (Eingang 12.3.2007) einem späteren Beginn der Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe eines entsprechenden Bescheides zu. Einen in der Folgezeit ergangenen, die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. bejahenden Bescheid der Einzugsstelle hob das SG Freiburg auf, weil diese für eine Statusfeststellung nicht zuständig gewesen sei (Urteil vom 22.1.2009). Daraufhin stellte die Beklagte mit - an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1. gerichteten inhaltlich gleichlautenden - Bescheiden vom 30.3.2010 fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. seit 1.12.2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Während des von der Klägerin eingeleiteten Widerspruchsverfahrens erklärte der Beigeladene zu 1. gegenüber der Beklagten in einem am 6.7.2010 bei dieser eingegangenen Formularvordruck, er stimme einem späteren Beginn der Versicherungspflicht mit Bekanntgabe des Bescheides nicht zu. Mit Bescheiden vom 13.10.2010 änderte die Beklagte ihre früheren Bescheide dahin, dass in der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung, jedoch Versicherungspflicht in der GRV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.1.2011).
Im anschließenden Klageverfahren hat der Beigeladene zu 1. am 15.3.2013 zu Protokoll erklärt, er stimme einem späteren Beginn der Versicherungspflicht nicht zu und halte an der Erklärung vom 6.7.2010 fest. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.3.2013).
Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Der Beigeladene zu 1. sei vom 1.12.2006 bis 31.12.2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses versicherungspflichtig in der GRV, sPV und nach dem Recht der Arbeitsförderung tätig gewesen. Die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwögen (wie näher ausgeführt wird). Die Versicherungspflicht sei mit dem Beginn der Beschäftigung eingetreten. Die Voraussetzungen für einen späteren Versicherungsbeginn lägen nicht vor. Der Beigeladene zu 1. habe seine Zustimmung zum späteren Eintritt der Versicherungspflicht bis zur Bestandskraft des Bescheides der Beklagten nicht aufrechterhalten und seine frühere Zustimmung wirksam widerrufen (Urteil vom 30.9.2014).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 7a SGB IV. Der Widerruf der Zustimmung durch den Beigeladenen zu 1. sei erst nach Bekanntgabe des Bescheides vom 30.3.2010 und damit zu spät erfolgt. Auch hätten sie (die Klägerin) und der Beigeladene zu 1. (vorab) konkludent den Ausschluss eines Widerrufs vereinbart. Das Statusfeststellungsverfahren sei aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung existenzgefährdender Beitragsnachforderungen eingeführt worden. Könnte eine einmal erklärte Zustimmung bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Statusfeststellungsverfahrens widerrufen werden, laufe dies dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zuwider.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. September 2014 und des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2013 aufzuheben sowie unter Änderung der Bescheide der Beklagten vom 30. März 2010 und vom 13. Oktober 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2011 festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2008 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. September 2014 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat revisionsrechtlich beanstandungsfrei ihre Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen.
1. Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung ist ausschließlich der Beginn der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung mit Beginn seiner Tätigkeit am 1.12.2006 (Bescheide vom 30.3.2010, geändert durch die Bescheide vom 13.10.2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2011). Die Klägerin beruft sich auf die Unwirksamkeit des Widerrufs einer nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB IV vom Beigeladenen zu 1. erklärten Zustimmung zu einem späteren Beginn der Versicherungspflicht. Dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. wegen hier von der Beklagten angenommener Beschäftigung versicherungspflichtig war, zieht die Klägerin nach der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren dagegen selbst nicht mehr in Zweifel und macht insoweit auch nicht iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts geltend.
2. Das LSG hat beanstandungsfrei entschieden, dass die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV, in der sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung mit Aufnahme der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. als Geschäftsführer der Klägerin am 1.12.2006 begann. Schon die erste Voraussetzung der mehreren Tatbestandserfordernisse für einen späteren Eintritt der Versicherungspflicht nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB IV liegt nicht vor. Es fehlt die dafür nötige Zustimmung des Beschäftigten. Der Beigeladene zu 1. hat seine zunächst im März 2007 erteilte Zustimmung durch seine gegenteilige Erklärung vom 5.7.2010 (eingegangen bei der Beklagten am 6.7.2010) wirksam widerrufen. Dieser Widerruf war auch noch nach Zugang der Zustimmungserklärung bei der Beklagten möglich.
Die Zustimmungserklärung des Beschäftigten ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die die allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts zur Wirksamkeit von Willenserklärungen eingeschränkt Anwendung finden und daher einen Widerruf nicht von vornherein ausschließen (dazu im Folgenden a); bei der Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem ein Widerruf noch erfolgen kann, ist allerdings der § 7a Abs 6 S 1 SGB IV zugrunde liegende Sinn und Zweck mit zu berücksichtigen (dazu b). Unter diesem Blickwinkel standen dem Widerruf der Zustimmungserklärung des Beigeladenen zu 1. schutzwürdige Belange anderer Beteiligter nicht entgegen (dazu c).
a) Der Widerruf der Zustimmung nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB IV durch den Beigeladenen zu 1. war grundsätzlich auch noch möglich, nachdem die Zustimmungserklärung bei der Beklagten (am 12.3.2007) eingegangen war.
Die Zustimmung nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB IV ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Da das SGB keine eigene Regelung über das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Bereich des öffentlichen Rechts enthält, sind die Vorschriften des BGB für die Beurteilung der Wirksamkeit solcher Willenserklärungen nach der Rechtsprechung des BSG entsprechend heranzuziehen, dies allerdings mit Modifikationen, die der Eigenart des Sozialrechts gerecht werden müssen (vgl BSGE 60, 79, 82 = SozR 4100 § 100 Nr 11 S 29). Dies gilt auch für die Zustimmungserklärung nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB IV (vgl ebenso: Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Einzelkommentierung März 2011, § 7a SGB IV RdNr 16; Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand 7/08, K § 7a, RdNr 41; Seewald in Kasseler Kommentar, Stand Einzelkommentierung Oktober 2009, § 7a SGB IV RdNr 21). Nach den Vorschriften des BGB verhält es sich so, dass eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam wird, in welchem sie ihm zugeht (§ 130 Abs 1 S 1 BGB), es sei denn, sie wird vorher oder gleichzeitig widerrufen (§ 130 Abs 1 S 2 BGB). Dies gilt auch dann, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist (§ 130 Abs 3 BGB). Zu einem späteren Zeitpunkt, dh nach dem Zugang der Willenserklärung, ist nach den Vorschriften des BGB regelmäßig nur noch eine Anfechtung bei Irrtum, Täuschung und Drohung (§§ 119 ff BGB) möglich.
Übertrüge man diese Grundsätze hier unmittelbar, wäre die Erklärung des Beigeladenen zu 1. mit Datum vom 1.3.2007 über die Zustimmung zu einem späteren Versicherungsbeginn mit Eingang bei der Beklagten am 12.3.2007 wirksam geworden. Ein Widerruf des Beigeladenen zu 1. vorher oder gleichzeitig mit dem Zugang seiner Zustimmung vom 1.3.2007 erfolgte nicht (§ 130 Abs 1 S 2 BGB). Auch hat er keine Anfechtung der Willenserklärung bei Irrtum, Täuschung und Drohung erklärt.
Die Zustimmungserklärung nach § 7a Abs 6 S 1 SGB IV konnte jedoch - über die Vorschrift des § 130 BGB hinaus - vom Beigeladenen zu 1. auch noch nach deren Zugang bei der Beklagten am 12.3.2007 widerrufen werden. Mit Rücksicht auf die dargestellte Rechtsprechung des BSG zur ggf gebotenen Modifikation des Rechts der Willenserklärungen nach dem bürgerlichen Recht im Sozialrecht ist vorliegend zu beachten, dass im Unterschied zur Interessenlage bei Rechtsgeschäften des Zivilrechts eine divergierende Interessenlage im Verhältnis des einzelnen Betroffenen (hier des Beigeladenen zu 1.) zum Sozialleistungsträger (hier die Beklagte als zuständige Behörde für ein Statusfeststellungsverfahren) typischerweise nicht besteht. Im Sozialrecht besteht in der Regel kein schutzwürdiges Interesse des Sozialleistungsträgers am Fortbestehen einer Entscheidung des Bürgers nach den insoweit strengen Vorschriften des § 130 BGB (so zum Widerruf bzw zur Rücknahme eines Arbeitslosengeldantrags vgl BSGE 60, 79, 82 f = SozR 4100 § 100 Nr 11 S 30; BSG Urteil vom 16.9.1998 - B 11 AL 17/98 R - Juris RdNr 21; zur Rücknahme eines Antrags auf Beitragserstattung vgl BSGE 68, 144, 147 = SozR 3-1200 § 53 Nr 1 S 4 f). In ähnlicher Weise war auch die Zustimmungserklärung des Beigeladenen zu 1. nach den Regelungen des § 7a Abs 6 SGB IV allein gegenüber der Beklagten abzugeben und stellte damit nur die Wahrnehmung eines gewillkürten Gestaltungsrechts des Versicherten im Verhältnis zum Sozialversicherungsträger dar, was - wie dargestellt - für eine grundsätzlich freie Widerrufbarkeit spricht. Dies steht im Einklang damit, dass selbst im Zivilrecht - abweichend von § 130 Abs 1 S 2 BGB - erweiterte Widerrufsmöglichkeiten für einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen vorgesehen sind. So ist nach § 183 S 1 BGB die Einwilligung eines Dritten zu einem fremden Rechtsgeschäft noch bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich, soweit sich nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ein anderes ergibt (zur Berücksichtigung schutzwürdiger Belange der Gegenseite vgl BGH NJW 2015, 2425 ≪Widerruf der Prozessführungsermächtigung während des Rechtsstreits≫; BAG Urteile vom 11.12.2014 - 8 AZR 1010/13 = BAGE 150, 195 und vom 19.2.2015 - 8 AZR 1011/13 - Juris ≪Widerruf einer Einwilligung nach § 22 KunstUrhG≫).
b) Die Möglichkeit des Widerrufs einer einmal erklärten Zustimmung besteht allerdings (auch im Sozialrecht) zeitlich nicht unbegrenzt. Bei der Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem ein Widerruf längstens erfolgen kann, sind insoweit vor allem die in § 7a Abs 6 S 1 SGB IV in Ausgleich gebrachten, besonderen Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen.
Aus § 46 Abs 1 Halbs 2 SGB I, wonach ein Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen jederzeit (allerdings unter Beachtung der Schranken seines Abs 2: keine Belastung anderer Personen oder Leistungsträger oder Umgehung von Rechtsvorschriften) mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann, ist im vorliegenden, das Versicherungsrecht der Sozialversicherung betreffenden Kontext indessen für den vorliegenden Fall unmittelbar nichts herzuleiten. Ein Verzicht nach § 46 Abs 1 SGB I setzt nämlich einen (Sozial-)Leistungsanspruch voraus (vgl nur BSG SozR 3-2600 § 106 Nr 1 S 3 f). Darum geht es vorliegend nicht.
Aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG zu der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt Anträge gegenüber einem Sozialversicherungsträger widerrufen bzw zurückgenommen werden dürfen, ist eine einheitliche Tendenz nicht zu entnehmen, vielmehr kommt es insoweit bereichsspezifisch auf den jeweiligen rechtlichen Kontext an. Den zu verschiedensten Regelungsgegenständen im Sozial- und Sozialversicherungsrecht ergangenen Entscheidungen ist allerdings als Maßstab gemeinsam, dass es dafür auf die Berücksichtigung der besonderen Interessen der jeweils Beteiligten ankommt (vgl ≪erneut≫ für den Antrag auf Arbeitslosengeld BSGE 60, 79 = SozR 4100 § 100 Nr 11 und BSG Urteil vom 16.9.1998 - B 11 AL 17/98 R - Juris; für einen Rentenantrag BSGE 76, 218 = SozR 3-2500 § 50 Nr 3; für einen Antrag auf Erziehungsgeld BSG SozR 3-7833 § 6 Nr 5 und BSG Urteil vom 13.12.2000 - B 14 EG 13/99 R - Juris; für einen Antrag auf Beitragserstattung BSGE 68, 144 = SozR 3-1200 § 53 Nr 1). In gleicher Weise müssen auch bei der Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem ein Widerruf einer einmal erklärten Zustimmung nach § 7a Abs 6 S 1 SGB IV noch erfolgen kann, die der Regelung im Wege der Auslegung zu ermittelnden, ihr zugrundeliegenden Erwägungen in den Blick genommen werden, insbesondere sind die erkennbaren, darin in Ausgleich gebrachten, besonderen Belange aller Beteiligten zu berücksichtigen.
Ausgehend davon ergibt sich im Kontext des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV, dass mit der Einführung eines aufgeschobenen Versicherungsbeginns nach § 7a Abs 6 S 1 SGB IV nach dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Sinn und Zweck der Regelung das Ziel verfolgt wurde, das finanzielle Risiko des Arbeitgebers als Beitragsschuldner (vgl § 28e SGB IV) zu reduzieren. Ein solches Risiko ergibt sich daraus, dass sich eine von den Beteiligten ursprünglich (möglicherweise übereinstimmend) als selbstständig angesehene Tätigkeit nach Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens als versicherungspflichtige Beschäftigung erweist und damit zu erheblichen Beitragsnachforderungen führen kann. Mit der Einführung des § 7a SGB IV durch das "Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit" vom 20.12.1999 (BGBl I 2000, 2) zum 1.1.1999 sollten die Vorschläge des Abschlussberichts der Kommission "Scheinselbständigkeit" (sog Dieterich-Kommission) umgesetzt werden (vgl Entwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eines Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit, BT-Drucks 14/1855 S 6 unter A.). Danach sollte ua "angesichts der großen Unsicherheit bei der Feststellung des Status kleiner Auftragnehmer" das Risiko hoher Beitragsnachzahlungen dadurch abgemildert werden, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht erst mit der Statusentscheidung im Anfrageverfahren entsteht, sofern das Anfrageverfahren unverzüglich eingeleitet wurde (vgl Abschlussbericht der Kommission "Scheinselbständigkeit", NZA 1999, 1260, unter II. 2 d; kritisch zu im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Erwartungen Berchtold, NZS 2014, 885, 889 f).
Neben diesen Arbeitgeberbelangen gingen in die Ausgestaltung des § 7a Abs 6 SGB IV allerdings auch Beschäftigtenbelange mit ein: Zwar wurde mit den Anforderungen an eine zeitgleiche private Absicherung des Beschäftigten gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV die durch den aufgeschobenen Versicherungsbeginn für den Beschäftigten entstehende Versicherungsschutzlücke reduziert. Dennoch können sich fehlende Versicherungszeiten nachteilig auf den Versicherungsschutz Betroffener auswirken, etwa weil ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ggf an der Nichterfüllung der Anwartschaftszeit nach § 137 Abs 1, § 142 SGB III scheitern kann oder durch die Nichtberücksichtigung von Versicherungszeiten die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch fehlen können. Um dem Schutz der Beschäftigten gerecht zu werden, wurde deshalb der spätere Eintritt der Versicherungspflicht von der Zustimmung des Beschäftigten abhängig gemacht (vgl dazu näher Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ≪11. Ausschuss≫, BT-Drucks 14/2046, S 1 unter A., S 2 unter B., S 5 unter II. S 10 ≪BDA, DAG≫ und S 13 ≪Koalitionsfraktionen≫). Allein der Beschäftigte kann danach den Aufschub des Zeitpunkts des Beginns der Versicherungspflicht bewirken, allein er (und nicht der Arbeitgeber) hat damit entsprechend seiner Interessenlage erweiterte Handlungsspielräume in Bezug darauf, ob von dem sozialversicherungsrechtlichen Schutz schon von Beschäftigungsbeginn an Gebrauch gemacht wird, oder ob dieser Schutz vorübergehend (vom Beginn der Beschäftigung bis zum Ergehen einer Verwaltungsentscheidung) nicht in Anspruch genommen werden soll (vgl dazu auch Gesetzentwurf, aaO, BT-Drucks 14/1855 S 6 unter A., 8).
Ausgehend von diesen § 7a Abs 6 S 1 SGB IV zugrunde liegenden Erwägungen liegt es im Interesse des Beschäftigten, über den Fortbestand einer einmal erteilten Zustimmung nach § 7a Abs 6 S 1 SGB IV noch möglichst lange frei disponieren zu können. Je länger der Zeitablauf bis zu einem möglichen Widerruf, umso besser könnte der Beschäftigte nach seiner individuellen Interessenlage einschätzen, ob sich ggf ein - noch in der Sozialversicherung abzusicherndes - soziales Risiko realisiert oder nicht.
Trotz dieser Begünstigung des Beschäftigten sind auch Arbeitgeber im Statusfeststellungsverfahren durch die Regelungen des § 7a Abs 6 SGB IV allerdings nicht schutzlos gestellt. Zu deren Gunsten wirkt sich das oben dargestellte Regelungsziel aus, das Risiko hoher Beitragsnachzahlungen abzumildern. Diesem Ziel dient es, auch dann, wenn Versicherungspflicht (entsprechend den allgemein geltenden Grundsätzen) vom Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen für (versicherungspflichtige) "Beschäftigung" an besteht, Sozialversicherungsbeiträge nicht unter Berücksichtigung der Fälligkeitsregelungen (§ 23 SGB IV) von Beginn der Tätigkeit an zu erheben, sondern erst vom Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung der Beklagten an, "dass eine Beschäftigung vorliegt" (§ 7a Abs 6 S 2 SGB IV). Unbeschadet dessen sieht § 7a Abs 7 S 1 SGB IV die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage des Arbeitgebers gegen Entscheidungen der Beklagten vor und sind nach dem Handels- und Gesellschaftsrecht ohnehin ggf Rückstellungen für Beitragsforderungen vorzunehmen (vgl § 253 Abs 1 S 2 HGB).
c) Ausgehend von den unter b) dargestellten Grundsätzen standen dem Widerruf des Beigeladenen zu 1. durch seine bei der Beklagten am 6.7.2010 eingegangene Erklärung keine schutzwürdigen Interessen der Beteiligten entgegen (dazu aa) und war ein Widerruf des Beigeladenen zu 1. auch aus sonstigen Gründen nicht ausgeschlossen (dazu bb).
aa) Allein die Kenntnis des Arbeitgebers davon, dass der Beschäftigte im Verwaltungsverfahren seine Zustimmung nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB IV zu einem erst späteren Beginn der Versicherungspflicht abgegeben hat, ist nicht geeignet ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand zu begründen.
So gibt es bereits in den Gesetzesmaterialien Hinweise darauf, dass die Abgabe einer Zustimmungserklärung durch den Beschäftigten nicht schon im Stadium des erst eingeleiteten Verwaltungsverfahrens auf Statusfeststellung Rechtswirkungen entfalten kann, sondern dass dafür vielmehr zunächst die Entscheidung der Beklagten über das Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung ergangen sein muss (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ≪11. Ausschuss≫, BT-Drucks 14/2046, S 13 ≪Koalitionsfraktionen≫: Unwirksamkeit von "Zustimmungen, die im Voraus - gleichsam als Blankoscheck" erteilt wurden).
Die Klägerin konnte zudem allein aufgrund der abgegebenen Zustimmungserklärung noch nicht von einem (sicheren) erst späteren Eintritt der Versicherungspflicht mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Statusfeststellung (hier mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 30.3.2010 - vgl näher BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 3/14 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ausgehen. Dem steht entgegen, dass nicht bereits die - wie dargestellt der freien Entscheidung des Beschäftigten unterliegende - Abgabe der Willenserklärung diese Rechtsfolge bewirkt, sondern Umstände hinzukommen müssen, auf deren Vorliegen weder der Beschäftigte noch der Arbeitgeber Einfluss haben: Nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV ist dafür nämlich erforderlich, dass der Beschäftigte für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung der Beklagten zur Statusfeststellung über eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge verfügt, die der Art nach den Leistungen der GKV und der GRV entspricht. Darauf, ob diese letztgenannte Voraussetzung erfüllt ist, können sich verständige Betroffene vernünftigerweise erst nach einer dazu von der sachkundigen Beklagten getroffenen Aussage mit hinreichender Sicherheit verlassen; dazu, dass die Voraussetzung erfüllt ist, fehlt es bislang an einer positiven Feststellung.
Dass die Beklagte - wie die übrigen Sozialversicherungsträger - ein schutzwürdiges Interesse daran hatte, den Beigeladenen zu 1. an seine früher erklärte Zustimmung zu binden, ist nicht ersichtlich. Weder hat sich die Beklagte in den angefochtenen Entscheidungen auf Entsprechendes gestützt noch ist dies im Rechtsstreit so geltend gemacht worden. Unzumutbare Nachteile für die Versichertengemeinschaft (vgl zu diesem Gesichtspunkt BSGE 60, 79, 83 = SozR 4100 § 100 Nr 11 S 30) sind ebenso nicht erkennbar.
bb) Ein Widerruf des Beigeladenen zu 1. war auch aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen. Es fehlen entsprechende Feststellungen des LSG zu tatsächlichen Umständen, aus denen insoweit etwas zu Gunsten der Klägerin zu folgern sein könnte. Darauf bezogene Verfahrensrügen hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht erhoben. Dass sie geltend macht, schon im Vorfeld der Statusfeststellung oder danach sei zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1. konkludent vereinbart worden, Letzterer solle eine Erklärung zum Aufschub der Versicherungspflicht abgeben bzw eine solche Erklärung beibehalten, dh nicht widerrufen, ist schon von daher ohne Belang (vgl §§ 162, 163 SGG). Unabhängig von der Frage, ob eine solche Vereinbarung nicht schon nach § 32 SGB I nichtig wäre, könnte sie zudem allenfalls Rechtswirkungen im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander auslösen, nicht aber auch sozialversicherungsrechtliche Folgen entfalten.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 9480663 |
DStR 2016, 14 |