Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit. Vorliegen von Bedürftigkeit. berücksichtigungsfähiges Vermögen. Sparguthaben für die Durchführung einer Habilitation. verdecktes Treuhandvermögen. Beweislastverteilung
Leitsatz (redaktionell)
- Geldanlagen für eine Habilitation dienen weder der Berufsausbildung noch dem Aufbau oder der Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage (vgl. BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 5). Sie stellen daher kein nach § 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AlhiV geschütztes Vermögen für eine “alsbaldige Berufsausbildung” dar.
- Es nicht schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen, bei der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Vorschriften zur Arbeitslosenhilfe auf den Namen des Klägers bzw. seiner Ehefrau geführte Sparguthaben anderen Personen zuzuordnen. Für einen Rechtsgrundsatz, dass verdecktes Treuhandvermögen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung wie Privatvermögen des Treuhänders zu behandeln sei, gibt es keine tragfähige rechtliche Grundlage. Insbesondere kann weder dem Gesetz noch der Alhi-Verordnung entnommen werden, auch nicht vorhandenes, also fiktives Vermögen sei zu berücksichtigen.
- Bei rückwirkender Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung und Rückforderung der Leistung trifft zwar grundsätzlich den Leistungsträger die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides; eine nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten verbleibende Unaufklärbarkeit von Vorgängen, die der Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnen sind, geht aber zu dessen Lasten.
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 137 Abs. 2; SGB III § 193; AlhiV § 6 Abs. 1, 3 S. 2 Nr. 3; SGB X §§ 45, 48; ZPO § 771
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juni 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von jetzt noch 55.030,45 DM(28.136,62 €).
Die Klägerin bezog seit dem 5. September 1996 Alhi in Höhe von zunächst 451,20 DM wöchentlich. In den zu Grunde liegenden Alhi-Anträgen hatte die Klägerin jeweils die Fragen zu vorhandenem Vermögen verneint.
Nach Kenntniserlangung von Freistellungsaufträgen forderte die Beklagte die Klägerin wiederholt zur Aufklärung auf und hörte sie anschließend mit Schreiben vom 22. Dezember 1999 sowie vom 16. Februar 2000 dazu an, dass eventuell Alhi sowie Sozialversicherungsbeiträge zu Unrecht gewährt worden seien.
Mit Bescheid vom 25. April 2000 hob die Beklagte sodann die Bewilligungsbescheide vom 28. August 1997, 30. Juni 1998 und 13. August 1998 auf und verlangte die Erstattung von 92.500,77 DM.
Während des anschließenden Widerspruchsverfahrens teilte das Bundesamt für Finanzen auf Anfrage der Beklagten Freistellungsaufträge zu Gunsten der Klägerin für das Meldejahr 1997 in Höhe von 6.100 DM und für das Meldejahr 1998 in Höhe von 2.904 DM mit. Die ebenfalls befragte S.-Bank gab am 21. März 2001 an, dass sich auf dort geführten Konten der Klägerin in der Zeit vom 5. September 1996 bis 17. November 1999 Guthaben zwischen anfangs 89.924,64 DM und zuletzt 340,29 DM befunden hätten.
Daraufhin erließ die Beklagte am 8. Mai 2001 einen Änderungsbescheid und hob die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 5. September 1996 bis 10. September 1997 sowie ausgehend von Vermögenszuwächsen jeweils zum Jahresende 1997 und 1998 für die Zeit vom 31. Dezember 1997 bis 30. Juni 1998 und vom 31. Dezember 1998 bis 14. April 1999auf und machte Erstattungsansprüche in Höhe von noch 58.138,43 DM geltend (41.300,69 DM Alhi und 16.837,74 DM Sozialversicherungsbeiträge). Dagegen legte die Klägerin erneut Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2001 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. April 2000 und den Änderungsbescheid vom 8. Mai 2001 zurück. Sie begründete das im Wesentlichen damit, dass die Klägerin über von ihr verschwiegenes Vermögen verfügt und daher mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Leistungen gehabt habe.
Während des Klageverfahrens nahm die Beklagte in der Folge der Rechtsprechung zum Doppelverwertungsverbot mit Bescheid vom 5. Juli 2002 die Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zeiträume vom 14. August 1997 bis 10. September 1997 und vom 24. Juni 1998 bis 30. Juni 1998 zurück und reduzierte die Erstattungsansprüche auf insgesamt 55.030,45 DM (39.098,33 DM Alhi und 15.932,12 DM Sozialversicherungsbeiträge).
Die weiter gehende Klage und Berufung, zu deren Begründung die Klägerin ua sinngemäß vorgebracht hatte, sie habe kein eigenes Vermögen gehabt, sondern nur Mittel, die ihr Vater zweckgebunden für ihre Habilitation bzw zum Erwerb einer für ihn gedachten Eigentumswohnung zur Verfügung gestellt habe, blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Frankfurt am Main vom 26. September 2002 und Urteil des Hessischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 13. Juni 2005). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt:
Die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 5. Juni 1996 bis zum 13. August 1997 sei von Anfang an rechtswidrig und aufzuheben gewesen, weil die Klägerin wegen eines ihr zur Verfügung stehenden Sparguthabens von 89.924,64 DM, das sie bei der Antragstellung grob fahrlässig verschwiegen habe, nicht bedürftig gewesen sei. Es habe sich um verwertbares Vermögen gehandelt, wobei offen bleiben könne, ob das Sparguthaben für die Habilitation der Klägerin bestimmt gewesen sei. Denn das habe jedenfalls nicht zur Unzumutbarkeit der Verwertung geführt, weil es sich im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei einer Habilitation um keine Berufsausbildung handele und eine Habilitation wegen der von der Klägerin durch ein abgeschlossenes Hochschulstudium und ihre Promotion schon erworbenen beruflichen Qualifikation und nach den weiteren Umständen nicht dem Aufbau oder der Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage gedient habe. Die Klägerin könne auch nicht damit gehört werden, dass sie das ihr von ihrem Vater überwiesene Geld als sein Vermögen betrachtet habe bzw damit für ihn eine Wohnung beim Bundesvermögensamt habe erwerben sollen. Damit mache die Klägerin zwar geltend, das Vermögen auf ihrem Konto treuhänderisch für ihren Vater verwaltet zu haben. Jedoch sei ein "verdecktes" Treuhandkonto in ständiger Rechtsprechung der LSG wie ein Privatkonto des Treuhänders zu behandeln. An einer Offenkundigkeit der Treuhänderschaft habe es hier gefehlt, weil allein die Klägerin Inhaberin der Konten bei der S.-Bank gewesen sei und darüber habe verfügen können. Für die vorgetragene Absicht, für den Vater eine Wohnung zu erwerben, ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen zudem nur ein Zeitraum von 1994 bis 1995, der nicht der streitgegenständliche sei. Davon abgesehen sei mangels schriftlicher Vereinbarung über die behauptete Transaktion auch in diesem Punkt nicht der Nachweis geführt, dass die Klägerin nur über das Vermögen ihres Vaters verfügt habe. Für den Zeitraum vom 31. Dezember 1997 bis 23. Juni 1998 und für den Zeitraum vom 31. Dezember 1998 bis 14. April 1999 sei die Aufhebung der Bewilligung von Alhi deshalb zu Recht erfolgt, weil jeweils die ursprünglich rechtmäßige Bewilligung nachträglich dadurch rechtswidrig geworden sei, dass die Klägerin nicht mehr bedürftig gewesen sei. Denn in ihren Vermögensverhältnissen sei nach der jeweiligen Bewilligungsverfügung eine wesentliche Änderung eingetreten. Laut Auskunft der S.-Bank seien ihr zum 31. Dezember 1997 und zum 31. Dezember 1998 erhebliche Vermögenswerte von jeweils mindestens 40.000 DM nachträglich zugeflossen. Der ihr bekannten Verpflichtung, der Beklagten solche Änderungen der Verhältnisse mitzuteilen, sei die Klägerin nicht nachgekommen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Geldbeträge auf einem "verdeckten" Treuhandkonto als Vermögen des Treuhänders - hier der Klägerin - zu behandeln seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei die Publizität eines Treuhandkontos nicht zwingend erforderlich. Die Klägerin sei nach ihrem Vortrag auch als Treuhänderin anzusehen, weil der fragliche Geldbetrag von ihrem Vater ursprünglich dazu gedacht gewesen sei, der Klägerin die Habilitation zu finanzieren. Zeitweise habe der Vater für sich den Erwerb einer Eigentumswohnung in F. erwogen, den die Klägerin habe abwickeln sollen. Das Geld habe sich deshalb auf ihrem Konto befunden, ohne Zustimmung des Vaters sei die Klägerin gleichwohl nicht verfügungsberechtigt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juni 2005 sowie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2000 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 8. Mai 2001 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2001 sowie den Änderungsbescheid vom 5. Juli 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Revision für unbegründet und trägt ergänzend vor, bereits im Verwaltungsverfahren habe der Vater angegeben, die Geldbeträge der Klägerin unter einer Auflage geschenkt zu haben. Ausgehend von der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Berücksichtigungsfähigkeit von Zinseinkünften aus einer mit Auflagen verbundenen Schenkung sei das zugewendete Geld bereits aus diesem Grund als Vermögen der Klägerin einzustufen. Auch richte sich nach der Rechtsprechung des BGH die Inhaberschaft an einem Sparguthaben nach dem erkennbaren Willen des die Kontoführung beantragenden Kunden. Zu späteren Änderungen der Kontoberechtigung sei eine Abtretung erforderlich, die zwar nicht zu ihrer Wirksamkeit, wohl aber zur vollen Entfaltung des Schuldnerschutzes einer Offenlegung durch Abtretungsanzeige oder Aushändigung einer Urkunde bedürfe (§§ 409, 410 ff Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Nichts anderes könne gelten, wenn es sich um eine treuhänderische Abtretung handele.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zulässig. Die Revisionsbegründung wendet sich gegen die getroffene Vorentscheidung, die vorübergehend auf dem Konto der Klägerin befindlichen Geldbeträge im Rahmen der Alhi rechtlich als eigenes Vermögen der Klägerin zu bewerten, weil es sich bei den vom Vater ursprünglich zur Finanzierung der Habilitation, zeitweise zum Erwerb einer Eigentumswohnung überlassenen Geldbeträgen um Treuhandvermögen gehandelt habe, das unabhängig von der Offenkundigkeit vor den Zugriffen Dritter geschützt sei. Damit ist iS von § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hinreichend deutlich geworden, dass und mit welcher Begründung sich die Revision auf alle Teile des angefochtenen Urteils (hierzu BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 12 mwN) unter Einschluss der Zeiten ab 31. Dezember 1997 und 31. Dezember 1998 erstreckt, nämlich insgesamt wegen der unterschiedslosen Gleichstellung von verdecktem Treuhandvermögen mit Privatvermögen.
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG auch begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Einen Rechtssatz dergestalt, dass der Arbeitslose, der als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt, sich daran im Rahmen der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung festhalten lassen muss, gibt es nicht. Mangels ausreichender Feststellungen zur Vertragsgestaltung im Einzelfall kann deshalb keine abschließende Entscheidung in der Sache ergehen.
1.1. Für den Zeitraum vom 5. September (nicht: Juni) 1996 bis 13. August 1997 richtet sich die Aufhebung der Alhi-Bewilligung nach § 45 Abs 1 und Abs 2 Satz 3 Nr 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III); Rechtsgrundlage für die daran anschließende Rückforderung der überzahlten Leistungen ist § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X, für die Erstattung der Beiträge § 335 Abs 1 Satz 1 und Abs 5 SGB III. Gemeinsame Voraussetzung und vorgreiflich ist, dass die Bescheide über die Bewilligung der Alhi als begünstigende Verwaltungsakte von Anfang an rechtswidrig waren und die begünstigte Klägerin sich auf ein Vertrauen in den Fortbestand der Bewilligungen deshalb nicht berufen kann, weil diese auf Angaben beruhen, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Die Rechtmäßigkeit der Alhi-Bewilligung für den Zeitraum ab 5. September 1996 beurteilt sich nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV). Anspruch auf Alhi hat nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG (idF des 7. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985, BGBl I 2484), wer ua bedürftig ist. Hierzu bestimmt § 137 Abs 2 AFG (idF des 5. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979, BGBl I 1189) ua, dass der Arbeitslose nicht bedürftig ist, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist.
Einzelheiten zur Berücksichtigung von Vermögen regeln die §§ 6 bis 9 AlhiV (idF des Arbeitslosenhilfe-Reformgesetzes vom 24. Juni 1996, BGBI I 878). Nach § 6 Abs 1 AlhiV ist (soweit hier von Bedeutung) Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung zumutbar ist und der Wert des zumutbar verwertbaren Vermögens 8.000 DM übersteigt. Vorausgesetzt ist in jedem Fall ein dem Arbeitslosen zuzuordnendes Vermögen.
Nach der im angefochtenen Urteil angeführten Rechtsprechung lässt es danach zwar keinen Rechtsfehler erkennen, dass das LSG Geld für eine Habilitation nicht als für eine "Berufsausbildung" bestimmtes Vermögen iS des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV mit der Folge der Unzumutbarkeit der Verwertung angesehen hat (vgl BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 5). Angesichts der von der Revision nicht angegriffenen und daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellung, dass die Klägerin auf Grund ihrer schon erworbenen beruflichen Qualifikation und nach den weiteren Umständen des Einzelfalls der Habilitation nicht mehr bedurfte, um sich eine angemessene Lebensgrundlage aufzubauen oder zu sichern, begegnet es zudem keinen Bedenken, dass das LSG auch unter diesem Gesichtspunkt eine Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung iS des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV verneint hat (vgl BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 5).
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das LSG die von der Klägerin behaupteten Bemühungen um einen Wohnungserwerb zu Gunsten des Vaters nach den vorgelegten Unterlagen den außerhalb des streitigen Zeitraums gelegenen Jahren 1994 und 1995 zugeordnet hat.
Entgegen der Annahme des LSG kann aber nicht offen bleiben, ob und ggf mit welchem Inhalt die zu Beginn des Alhi-Bezugs vorhandenen Bankguthaben bei der S.-Bank in Höhe von 89.924,64 DM (per 5. September 1996) Gegenstand von Treuhandvereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrem Vater waren. Denn für den vom LSG im Anschluss an die zitierte "ständige Rechtsprechung der LSG" (insbesondere Urteil des Hessischen LSG vom 9. Mai 2001 - L 6 AL 432/00 - veröffentlicht in juris) angewendeten Rechtssatz, dass im Rahmen des bestehenden Sozialrechtsverhältnisses die Vermögensinhaberschaft von dem vom Arbeitslosen gesetzten Rechtsschein abhängt, gibt es keine Rechtsgrundlage. Dies hat der Senat in seiner Parallelentscheidung vom heutigen Tag (B 11a AL 7/05 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR) anhand einer - behaupteten - stillen Zession des Anspruchs auf ein Sparguthaben verdeutlicht. Für das hier - behauptete - verdeckte Treuhandverhältnis gilt dies in gleicher Weise. Ein Treuhandvertrag ist - unbeschadet seiner vielfältig möglichen Erscheinungsformen im Rechtsleben - anders als eine Abtretung zwar dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (vgl BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R - veröffentlicht in juris, im Anschluss an BFHE 188, 254). Während der abtretende Arbeitslose mithin einen Anspruch verliert, erwirbt der arbeitslose Treuhänder je nach Ausgestaltung bis hin zum Vollrecht (vgl Bassenge in Palandt, BGB, Komm, 65. Aufl, § 903 RdNr 33) ein Vermögensrecht hinzu. Er ist aber zugleich mit einer schuldrechtlichen (Herausgabe-) Verpflichtung belastet, die, wenn sie nicht unmittelbar auf einem Vermögensgegenstand lastet (BSGE 84, 48 = SozR 3-4220 § 6 Nr 7; BSG SozR 3-4220 § 6 Nr 9), grundsätzlich erst bei der Frage der Verwertbarkeit oder Zumutbarkeit Berücksichtigung finden kann (BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr 8; BSG SozR 3-4220 § 6 Nr 9; BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12).
Diese Unterschiede ändern nichts daran, dass im Rahmen der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung das Vermögen des Arbeitslosen in seiner Gesamtheit angesprochen ist. Dazu gehört beispielsweise auch das jeweilige Recht an einem Sparguthaben (vgl BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 5), was nicht ausschließt, dass dieses abgetreten werden oder Gegenstand treuhänderischer Vereinbarungen sein kann. Ob der Arbeitslose einen als Vermögen zu berücksichtigenden Anspruch hat oder einer berücksichtigungsfähigen Verpflichtung ausgesetzt ist, beurteilt sich jedoch nach bürgerlichem Recht. Bei Bankkonten hat es zwar Auswirkungen im Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Kontoinhaber als dem Gläubiger der Guthabenforderungen, ob dieser der Bank gegenüber offen gelegt hat, dass er das Konto als Treuhänder einrichtet und führt (BGHZ 61, 72; BGH NJW 1991, 101). Wird ein Treuhandverhältnis zB dadurch offen gelegt, dass ein Bankkonto als sog Anderkonto eingerichtet und geführt wird, kann das demjenigen, zu dessen Gunsten das Konto angelegt ist, die Durchsetzung seiner Rechte im Falle eines Zugriffs von Gläubigern des Treuhänders erleichtern (vgl BGH NJW 1971, 559, 560 zu 2.c. der Gründe). Jedoch entscheiden allein die Publizität eines Treuhandkontos oder ihr Fehlen nicht darüber, als wessen Vermögen das Kontoguthaben zu behandeln ist. Ein Rechtsgrundsatz diesen Inhaltes kann der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 Zivilprozessordnung (ZPO) bei verdeckten Treuhandverhältnissen nicht entnommen werden (BGH, Urteil vom 1. Juli 1993 - IX ZR 251/92 = NJW 1993, 2622 und BGH NJW 1996, 1543). Für eine Relativierung der nach bürgerlichem Recht zu beurteilenden Vermögensverhältnisse im Zusammenhang mit der Gewährung staatlicher Leistungen besteht kein Anhalt. Weder im Gesetz noch in der AlhiV ist ein Ansatz für die Berücksichtigung von fiktivem Vermögen zu finden. Die Entscheidung des Hessischen LSG (Urteil vom 9. Mai 2001 - L 6 AL 432/00 - veröffentlicht in juris), auf die sich die von der Vorinstanz zitierte "ständige Rechtsprechung der LSG" wesentlich zurückführen lässt, hat auf den Grundsatz der Unbeachtlichkeit einer verdeckten Treuhand zB erst nach bzw in Verbindung mit einer eingehenden Prüfung der Umstände des Einzelfalls zurückgegriffen. Ebenso wenig hat die verwaltungs- und finanzgerichtliche Rechtsprechung einen allgemeinen Grundsatz der Unbeachtlichkeit verdeckter Treuhandverhältnisse aufgestellt. So verlangt der Bundesfinanzhof (BFH) eine strenge Prüfung des Treuhandverhältnisses (BFHE 183, 518 unter Bezug auf die Beweisregel des § 159 Abs 1 Abgabenordnung ≪AO≫). Schuldverpflichtungen unter nahen Angehörigen sind zudem nur anzuerkennen, wenn der Vertrag als solcher und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten dem zwischen Dritten Üblichen entsprechen (BFH, Beschluss vom 25. Juni 2002 - X B 30/01 - veröffentlicht in juris). Dies hat der Senat in seiner Parallelentscheidung vom heutigen Tag (B 11a AL 7/05 R) ausführlich begründet, worauf zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
1.2. Die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidungen über die streitbefangenen Zeiträume vom 31. Dezember 1997 bis 23. Juni 1998 sowie vom 31. Dezember 1998 bis 14. April 1999 beurteilt sich nach den Voraussetzungen für eine Aufhebung nach Maßgabe des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III wegen einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse. Da sich hinsichtlich der Maßstäbe der Bedürftigkeitsprüfung durch das Inkrafttreten der Vorschriften des SGB III im fraglichen Zeitraum keine Änderungen ergeben haben, gelten die obigen Ausführungen insoweit entsprechend. Zusätzlich ist hier aber zu berücksichtigen, dass ein Anhalt für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nur besteht, wenn die zum Ende des Jahres 1997 und 1998 ausgewiesenen Vermögenszuwächse nicht lediglich das buchungstechnische Ergebnis einer auf verschiedene Konten verteilten Anlage der vom Vater in den Jahren zuvor zugewendeten Gelder darstellen.
2. Das LSG wird bei der erneuten Entscheidung anhand aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln haben (§ 103 SGG), ob und ggf mit welchem Inhalt es in Bezug auf die Kontenguthaben, die für die Prüfung der Bedürftigkeit relevant sind, eine Treuhandvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Vater gegeben hat, und - falls ja - ob diese Abrede dem wirklichen Willen der Beteiligten entsprach oder etwa ein sog Scheingeschäft nach § 117 BGB darstellte mit dem Ziel, nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorzurufen, nicht aber die damit verbundenen Rechtsfolgen eintreten lassen zu wollen (BGH NJW 1980, 1572).
Um zu klären, ob das Guthaben auf einem angeblichen Treuhandkonto als (nicht) zum Vermögen des Kontoinhabers gehörendes Treugut anzusehen ist, sind insbesondere Feststellungen zu Herkunft und Verwendungszweck der auf dieses Konto eingezahlten Gelder erforderlich (vgl BGH, Urteil vom 1. Juli 1993 - IX ZR 251/92 = NJW 1993, 2622 zu II.2.b der Gründe). Soweit sich die Klägerin weiterhin darauf beruft, Geld von ihrem Vater zweckgebunden erhalten zu haben, wird eine unentgeltliche Zuwendung des Vaters, mithin eine Schenkung (§ 516 Abs 1 BGB), zu überprüfen sein. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht zu ermitteln haben, ob aus Anlass der beabsichtigten Habilitation ggf eine Schenkung unter Auflage, eine Zweck- (hierzu BSGE 88, 258 = SozR 3-4300 § 193 Nr 3) oder eine Hoffnungsschenkung gewollt war. In allen Fällen geht zwar das Zugewendete in das Vermögen des Beschenkten über, welches aber bei Nichterfüllung der Auflage bzw Zweckverfehlung mit Herausgabe- oder Rückforderungsansprüchen belastet sein kann (hierzu Staudinger/Wimmer-Leonhardt, BGB, Komm, Bd Schenkungsrecht, § 525 RdNr 8 ff, 18, 46; § 527 RdNr 1 ff, 13). Da es sich um Angelegenheiten aus der Sphäre der Klägerin handelt, liegt es nahe, sie zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen heranzuziehen (ua weitere Nachweise über die Herkunft der Geldbeträge und ihren Verwendungszweck, Präzisierung der Konten und Kontenbewegungen).
Sollten sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) entscheidungserhebliche Tatsachen nicht feststellen lassen, kommt es auf die objektive Beweislast an, die im Rahmen der §§ 45, 48 SGB X grundsätzlich die Beklagte für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligungsbescheide bzw der wesentlichen Änderung trägt (vgl BSG SozR 4100 § 132 Nr 1, S 11; auch BSG SozR 3870 § 4 Nr 3). Allerdings hat der Senat in seiner Parallelentscheidung vom heutigen Tag (B 11a AL 7/05 R) im Einzelnen dargelegt und begründet, dass eine Umkehr der Beweislast gerechtfertigt sein kann, wenn in der Sphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind. Auf der besonderen Beweisnähe beruht beispielsweise im Steuerrecht die Regelung, dass Treugut regelmäßig dem Treuhänder zuzurechnen ist, wenn er die Rechtsinhaberschaft auf Verlangen nicht nachweisen kann (§ 159 Abs 1 Satz 1 AO, vgl Tipke/Kruse, AO, Komm, § 159 RdNr 2). Hier kann sich eine der Klägerin anzulastende Beweisnähe zB daraus ergeben, dass sie durch ihre (unterlassenen) Angaben bei der jeweiligen Antragstellung eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht hat.
3. Bei der erneuten Entscheidung wird das LSG gemäß § 193 SGG auch darüber zu befinden haben, ob und in welchem Umfang Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten sind.
Fundstellen