Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. Sparguthaben. stille Abtretung. Untersuchungsgrundsatz. Beweislast
Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Arbeitslose im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung geltend, ein auf seinen Namen lautendes Sparguthaben sei nicht als sein Vermögen zu berücksichtigen, da es an einen Dritten abgetreten sei, kann sich die Arbeitsverwaltung nicht auf die Feststellung beschränken, der Arbeitslose müsse sich am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen. Ob und mit welchem Inhalt die behauptete Abtretung vorgenommen worden ist, ist vielmehr im Einzelnen aufzuklären.
2. Bei rückwirkender Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe und Rückforderung der Leistung trifft zwar den Leistungsträger grundsätzlich die Beweislast für die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides; ergibt sich jedoch nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, dass der Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnende Vorgänge nicht aufklärbar sind, geht dies zu dessen Lasten.
Orientierungssatz
Auch der Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Drittwiderspruchsklage lässt sich kein Rechtsgrundsatz entnehmen, der Arbeitslose müsse sich am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen. Die Publizität eines Treuhandkontos ist keine notwendige Voraussetzung für das Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 ZPO (vgl BGH vom 1.7.1993 - IX ZR 251/92 = NJW 1996, 1543 und vom 8.2.1996 - IX ZR 151/95 = NJW 1993, 2622). Auch der BFH verlangt eine strenge Prüfung eines Treuhandverhältnisses (vgl BFH vom 15.7.1997 - VIII R 56/93 = BFHE 183, 518 unter Bezug auf die Beweisregeln des § 159 Abs 1 AO 1977). Schuldverpflichtungen unter nahen Angehörigen sind zudem nur anzuerkennen, wenn der Vertrag als solcher und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten dem zwischen Dritten Üblichen entsprechen (vgl BFH vom 25.6.2002 - X B 30/01 = BFH/NV 2002, 1303).
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 137 Abs 2; AlhiV § 6 Abs 1; SGB X §§ 20, 45 Abs. 2 S. 3; BGB §§ 117, 808; ZPO § 771; AO § 159 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 159 Abs. 1 S. 1; SGG § 103
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994.
Der Kläger ist Diplombetriebswirt (FH). Er bezog ab 1. Juli 1993 bis zur Erschöpfung des Anspruchs Arbeitslosengeld (Alg), im Anschluss daran ab 30. Juni 1994 Alhi. Bei seinen Anträgen auf Bewilligung bzw Fortzahlung von Alhi verneinte er jeweils Fragen nach dem Vorhandensein von Vermögen.
Im Juni 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach ihren Unterlagen seien für ihn und seine Ehefrau insgesamt drei Freistellungsaufträge erteilt worden, und bat um nähere Angaben. Der Kläger übersandte daraufhin Bestätigungen von drei Geldinstituten über die den Freistellungsaufträgen zugrunde liegenden Konten. Er gab an, die Existenz von Sparbüchern mit Guthaben von 14,61 DM bzw 10,19 DM sei in Vergessenheit geraten. Darüber hinaus vorhandene Sparguthaben von 45.385,40 DM und 12.000 DM seien bereits im Jahre 1993 von seiner Ehefrau und ihm zur Tilgung gemeinsamer Schulden an seinen Bruder J. S. übertragen worden. Dieser habe den Lebensunterhalt seiner (des Klägers) Familie während seiner Hochschulausbildung von 1983 bis 1988 zum Teil darlehensweise finanziert, wobei Schulden in Höhe von insgesamt 72.800 DM aufgelaufen seien. Die letztgenannten Angaben bestätigte der Bruder mit seiner Unterschrift.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 nahm die Beklagte den ursprünglichen Bescheid über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 30. Juni 1994 bis 21. Dezember 1994 zurück und verlangte die Erstattung von 19.308,00 DM (15.012,30 DM zu Unrecht bezogene Alhi, 4.295,70 DM Beiträge zur Krankenversicherung). Zur Begründung führte die Beklagte ua aus, der Kläger habe über Vermögen von 57.410,20 DM verfügt, das nach Abzug eines Freibetrages von 16.000 DM in Höhe von 41.410,20 DM zu berücksichtigen gewesen sei. Er sei deshalb für 25 Wochen nicht bedürftig gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und legte ein von ihm und seinem Bruder unterzeichnetes Schreiben vom 23. Dezember 1988 sowie eine unter dem Datum 5. Juli 1993 unterzeichnete Vereinbarung zwischen Jo. und D. S. bzw J. S. vor. In dem Schreiben vom 23. Dezember 1988 heißt es:
"Vereinbarung zwischen D. S. .. und J. S. .. : Hiermit bestätige ich, von meinem Bruder J. S. in der Zeit von 1983 bis 1988 zur Finanzierung meines Studiums einen Geldbetrag in Höhe von 72.800 DM darlehensweise erhalten zu haben. Dieser Betrag ist ab sofort mit 4 % per anno zu verzinsen. Das Darlehen inklusive Zinsen wird zum 30.6.1993 zur Rückzahlung fällig."
Die Vereinbarung vom 5. Juli 1993 hat ua folgenden Wortlaut:
"Zur Tilgung des von Herrn J. S. an Herrn D. S. gewährten Darlehens ausweislich der Vereinbarung vom 23.12.1988 schließen die Parteien folgende Vereinbarung: Hiermit treten wir, Jo. und D. S., unsere beiden Sparbuchguthaben ... (Sparbuch-Nr. ... und ...) mit einem Habensaldo von 60.000 bzw. 25.380 DM an Herrn J. S. ab. Die beiden genannten Sparbücher werden an Herrn J. S. übergeben."
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 1999 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die Angaben des Klägers seien nicht glaubhaft.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage nach Beweiserhebung abgewiesen (Urteil vom 28. November 2003). Es hat ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Rechtsgrundsätze zur sog verdeckten Treuhand auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art zu übertragen seien. Hierfür spreche, dass da wie dort geltend gemacht werde, die sich aus dem objektiven Schein einer Urkunde ergebende Rechtsinhaberschaft entspreche nicht der tatsächlichen Rechtslage. Zudem sei im vorliegenden Fall die stille Zession nicht mit allen Konsequenzen durchgeführt worden. Entscheidend sei aber, dass der Vortrag des Klägers und seines Bruders gegen jede Lebenserfahrung spreche und insgesamt nicht glaubhaft sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 9. Dezember 2004). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, die Rücknahme - bzw Rückforderungsvoraussetzungen gemäß §§ 45, 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bzw §§ 330, 335 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) seien gegeben. Die Ansicht, die Beklagte habe die Sparguthaben nicht berücksichtigen dürfen, weil sie dem Bruder des Klägers zugestanden hätten, sei unzutreffend. Die Sparkonten seien unstreitig auf den Namen des Klägers und seiner Ehefrau eröffnet worden; diese seien Partner der Darlehensverträge mit der Bank und Gläubiger der Darlehensforderungen gewesen. Die Konten seien auch in der Folgezeit weiterhin ausschließlich auf die Namen des Klägers und seiner Ehefrau geführt worden, sie seien auch nicht als Treuhandkonten gekennzeichnet. Damit sei schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen, die Guthaben bei der Bedürftigkeitsprüfung anderen Personen zuzuordnen. Offen bleiben könne, ob die vom Kläger vorgelegten Vereinbarungen tatsächlich getroffen worden seien. Die Vereinbarung einer verdeckten Vollrechtstreuhand zwischen dem Arbeitslosen und einem Dritten könne nicht bewirken, dass auf den Namen des Arbeitslosen eröffnete Sparkonten bzw darauf verbuchte Guthaben bei der Bewilligung von Alhi als Vermögen des Dritten und nicht als Vermögen des Arbeitslosen behandelt würden. Inhaberschaft bzw Rechtscharakter eines Bankkontos bestimmten sich maßgeblich nach dem erkennbaren Willen desjenigen, der das Konto einrichte; sein dabei nach außen für den Rechtsverkehr nicht erkennbar hervortretender innerer Wille sei rechtlich unerheblich. Es komme nicht auf Einzelheiten der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum Vollstreckungsrecht an; denn es gehe um die Gewährung staatlicher Sozialleistungen, weshalb es nicht angehen könne, den Leistungsträger in gleichem Maße wie einen Gläubiger auf die Hinnahme im Einzelfall undurchschaubarer Rechtsverhältnisse seines Schuldners zu verweisen. Insoweit folge der Senat der Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte, wonach derjenige, der als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeuge, sich daran festhalten lassen müsse. Die rechtswidrige Bewilligung von Alhi beruhe auch darauf, dass der Kläger jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige bzw unvollständige Angaben gemacht habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe auf den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft eines verdeckten Treuhänders abgestellt; zwischen ihm (dem Kläger) und seinem Bruder habe jedoch zu keinem Zeitpunkt ein Treuhandverhältnis bestanden. Trotz fehlender Offenkundigkeit gegenüber dem Bankinstitut sei die Rechtsinhaberschaft an den Sparguthaben im Wege der stillen Zession auf den Bruder übergegangen. Das LSG sei auch fehlerhaft vom Vorliegen einer "Bösgläubigkeit" iS des § 45 SGB X ausgegangen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 9. Dezember 2004 und das Urteil des SG vom 28. November 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Das LSG hat zwar anhand der einschlägigen Vorschriften zu Recht geprüft, ob die Beklagte den ursprünglichen Alhi-Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994 wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers zurücknehmen durfte (dazu nachfolgend unter 1.). Entgegen der Ansicht des LSG ist es bei der Bedürftigkeitsprüfung jedoch nicht schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen, auf den Namen des Klägers bzw seiner Ehefrau geführte Sparguthaben anderen Personen zuzuordnen. Für einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass sich der Arbeitslose im Rahmen des bestehenden Sozialrechtsverhältnisses am von ihm gesetzten Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen müsse und demzufolge die Vereinbarung einer stillen Zession mit einem Dritten unbeachtlich sei, gibt es keine tragfähige rechtliche Grundlage (dazu im Folgenden unter 2.). Da mithin nicht offen bleiben kann, ob und mit welchem Inhalt die behaupteten Vereinbarungen tatsächlich getroffen worden sind, wird das LSG hierzu noch Feststellungen zu treffen haben (dazu unter 3.). Soweit sich danach die ursprüngliche Alhi-Bewilligung als rechtswidrig erweisen sollte, bedarf es weiterer Feststellungen zur Frage, ob ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers einer Rücknahme entgegensteht (dazu 4.).
1. Gegenstand der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) ist der Bescheid vom 10. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 1999, mit dem die Beklagte die ursprüngliche Bewilligung von Alhi für den Zeitraum 30. Juni bis 21. Dezember 1994 auf der Grundlage des § 45 SGB X zurückgenommen und überzahlte Leistungen sowie Beiträge gemäß § 50 SGB X bzw § 335 SGB III zurückgefordert hat. Ob der angefochtene Bescheid zu Recht ergangen ist, hängt zunächst davon ab, ob der Alhi-Bewilligungsbescheid bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum rechtswidrig war (§ 45 Abs 1 SGB X). Maßgebend für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides ist weiter, dass nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist, und dass sich der Begünstigte nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X auf Vertrauen nicht berufen kann, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Frage der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides sowie daran anschließend der Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung gemäß § 45 SGB X ist auch vorgreiflich für die Beantwortung der Fragen nach der Berechtigung der Beklagten zur Rückforderung der erbrachten Leistungen (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X) und Beiträge (vgl § 335 Abs 1 Satz 1 SGB III).
Ob die ursprüngliche Alhi-Bewilligung (teilweise) rechtswidrig war, beurteilt sich danach, ob der Kläger im fraglichen Zeitraum bedürftig gewesen ist oder nicht. Denn war der Kläger in der streitigen Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994 nicht bedürftig, war die Bewilligung von Alhi insoweit von Anfang an rechtswidrig. Das LSG hat hierbei - anders als bei der Anwendung der vorwiegend verfahrensrechtlichen Bestimmungen des SGB X und des SGB III zur Zeit des Erlasses des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides im Jahre 1998 - bei der Prüfung des Anspruchs auf Alhi zu Recht auf die während des Aufhebungszeitraums (1994) geltenden Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) und der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) vom 7. August 1974 (BGBl I 1929) - jeweils mit späteren Änderungen - abgestellt.
Wesentlich ist danach, dass die Bedürftigkeit zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi zählt (§ 134 Abs 1 Nr 3 AFG) und dass ua nach § 137 Abs 2 AFG der Arbeitslose nicht bedürftig iS des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG ist, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder zB das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Hierzu enthält die auf der Grundlage des § 137 Abs 3 AFG ergangene AlhiV in ihren §§ 6 bis 9 nähere Regelungen. Vermögen ist danach zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000 DM übersteigt (vgl § 6 Abs 1 AlhiV). Da der Kläger geltend macht, die ihm im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zugerechneten Sparguthaben seien wegen einer Abtretung an seinen Bruder (Vereinbarung vom 5. Juli 1993) überhaupt nicht mehr sein Vermögen bzw Vermögen seiner Ehefrau gewesen, stellt sich im vorliegenden Fall nicht die Frage nach der Möglichkeit oder der Zumutbarkeit einer Verwertung vorhandenen Vermögens bezogen auf den maßgeblichen Stichtag des Alhi-Beginns (vgl hierzu etwa BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12 oder BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr 8). Vorrangig zu prüfen ist vielmehr, ob im fraglichen Zeitraum vorhandene Sparguthaben dem Kläger bzw der Ehefrau als Vermögen zuzurechnen sind und welche Bedeutung insoweit der behaupteten Abtretung zukommt.
2. Der Senat folgt nicht der Ansicht des LSG, es könne offen bleiben, ob die behauptete Abtretung überhaupt vorgenommen worden sei, da sich der Kläger jedenfalls am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft im Rahmen des bestehenden Sozialrechtsverhältnisses festhalten lassen müsse. Für einen derartigen Grundsatz fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
a) Nach § 137 Abs 2 AFG iVm § 6 AlhiV ist das Vermögen des Arbeitslosen in seiner Gesamtheit angesprochen. Zu berücksichtigen ist also die Gesamtheit der dem Vermögensträger gehörenden Sachen und Rechte in Geld oder Geldeswert (vgl etwa BSGE 41, 187, 188 = SozR 4100 § 137 Nr 1; BSGE 72, 248, 250 = SozR 3-4100 § 137 Nr 4). Zu den vermögenswerten Rechten in diesem Sinne zählt auch der Anspruch auf ein Sparguthaben (vgl BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 5). Der vom LSG festgestellte Sachverhalt bietet auch unter Einbeziehung des Vorbringens des Klägers keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die auf den Kläger und seine Ehefrau geführten Sparguthaben seien mit Verbindlichkeiten - etwa einer Darlehensverpflichtung - belastet. Denn Verbindlichkeiten können auf der Stufe der Feststellung vorhandener Vermögenswerte nur ausnahmsweise dann mindernd berücksichtigt werden, wenn sie unmittelbar auf einem Vermögensgegenstand lasten (BSGE 84, 48, 53 = SozR 3-4220 § 6 Nr 7; vgl auch SozR 3-4220 § 6 Nr 9). Der Kläger behauptet jedoch nicht das Bestehen einer Darlehensschuld, sondern macht geltend, er habe durch die 1993 vollzogene Abtretung die 1988 begründete Darlehensverbindlichkeit getilgt.
b) Allein die vom LSG bindend (vgl § 163 SGG) festgestellte Tatsache, dass die beiden fraglichen Sparbücher im streitigen Zeitraum auf den Namen des Klägers und seiner Ehefrau geführt wurden, schließt es nicht aus, dass das jeweilige Recht am Sparguthaben auf einen Dritten - etwa den Bruder des Klägers - durch Abtretung übergegangen sein kann. Dies folgt aus der rechtlichen Einordnung des Sparvertrages als Darlehensvertrag nach Maßgabe einer Vereinbarung zwischen Kreditinstitut und seinem Kunden (vgl Urteil des Bundesgerichtshofs ≪BGH≫ in BGHZ 64, 278 = NJW 1975, 1507; OLG Düsseldorf MDR 1999, 174). Eine Abtretung des Anspruchs auf Rückzahlung des Darlehens ist formlos möglich. Der Dokumentation der Partner des Darlehensvertrages im Sparbuch kommt lediglich eine Legitimationswirkung bzw eine Beweiswirkung für die materielle Berechtigung zu, sie wirkt sich jedoch nicht auf die materielle Berechtigung als solche aus. Zwar ist die Inhaberschaft an einem Sparbuch als sog qualifiziertes Legitimations- oder hinkendes Inhaberpapier iS des § 808 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von Bedeutung für eigens im Gesetz geregelte Konstellationen, etwa zur Befreiung des Schuldners durch Leistung an den Inhaber (§ 808 Abs 1 Satz 1 BGB) oder zur Verpflichtung zur Leistung nur gegen Aushändigung der Urkunde (§ 808 Abs 2 Satz 1 BGB). Die Legitimationswirkung hat aber im Wesentlichen nur zur Folge, dass in der Regel die Vorlage des Sparbuchs verlangt wird (vgl OLG Düsseldorf BB 1992, 673; zur möglichen Indizwirkung des Besitzes vgl auch BGH NJW 2005, 980); sie stellt als solche kein vermögenswertes Recht im Sinne des Vermögensbegriffs des Rechts der Alhi dar und schließt nicht aus, dass der Anspruch auf Rückzahlung der Spareinlage ohne Änderung der Eintragung im Sparbuch abgetreten wird (vgl Marburger in Staudinger, Komm zum BGB, 2002, § 808 RdNr 47 mwN sowie - zum Schuldnerschutz - Palandt, Komm zum BGB, 65. Aufl, § 407 RdNr 1 ff).
c) Ein Rechtsgrundsatz, der Arbeitslose müsse sich am "Rechtsschein der Kontoinhaberschaft" festhalten lassen, lässt sich nicht etwa der Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 Zivilprozessordnung (ZPO) bzw - wie das LSG offenbar meint - einer Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung in Bezug auf das Recht der Alhi entnehmen. Denn es kommt nach der - auch vom LSG zitierten - Rechtsprechung des BGH für das Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 ZPO in Fällen der Führung eines Treuhandkontos nicht darauf an, dass die Treuhand offengelegt wird. Der BGH führt insoweit aus, der Schuldner sei, wie auch die stille Zession und viele Formen der Sicherungsübereignung belegten, nicht gezwungen, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen; einem Missbrauch zum Nachteil der Vollstreckungsgläubiger könne dadurch begegnet werden, dass an den Nachweis einer Aussonderung von Vermögensgegenständen strenge Anforderungen gestellt würden (BGH NJW 1993, 2622 und NJW 1996, 1543).
Entgegen der Auffassung des LSG lassen sich diese zu § 771 ZPO entwickelten Grundsätze nicht dahingehend relativieren, bei der Gewährung staatlicher Leistungen - wie der Alhi - müsse sich der Leistungsträger nicht wie ein Gläubiger auf die Hinnahme im Einzelfall undurchschaubarer Rechtsverhältnisse seines Schuldners verweisen lassen, weshalb die behaupteten Vereinbarungen rechtlich ohne Bedeutung seien. Denn Vermögen iS des § 137 Abs 2 AFG iVm §§ 6 ff AlhiV setzt voraus, dass ein Recht auf Geld oder Geldeswert zum Bezugszeitpunkt tatsächlich besteht. Ob der Arbeitslose einen als Vermögen zu berücksichtigenden Anspruch auf ein Sparguthaben hat, beurteilt sich allein nach bürgerlichem Recht (vgl BSGE 64, 47, 48 = SozR 4100 § 138 Nr 22). Weder im Gesetz noch in der AlhiV findet sich aber ein Ansatz für die Berücksichtigung im maßgeblichen Zeitraum nicht vorhandenen, also fiktiven Vermögen (vgl auch BSG SozR 4100 § 134 Nr 16; BSGE 64, 47, 51 f = SozR 4100 § 138 Nr 22; Ebsen in Gagel, SGB III, Stand 2003, § 193 RdNr 127 ff).
Die Rechtsansicht des LSG wird im Übrigen nicht durch die in Bezug genommene "insoweit einhellige Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte" gestützt. So hat etwa das Hessische LSG (Urteil vom 9. Mai 2001 - L 6 AL 432/00 - veröffentlicht in juris) zwar älterer Rechtsprechung des BGH (NJW 1971, 559, vgl hierzu auch Canaris NJW 1973, 825, 832) den Grundsatz entnommen, ein verdeckter Treuhänder, der den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeuge, müsse sich hieran auch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung durch Sozialleistungsträger festhalten lassen; das Hessische LSG hat hieraus jedoch nicht gefolgert, es erübrigten sich damit weitere Ermittlungen. Vielmehr ist es unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zum Ergebnis gelangt, das vom dortigen Kläger behauptete verdeckte Treuhandverhältnis sei nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, "wobei die Nichterweislichkeit zu Lasten des Klägers geht, der den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt hat und damit nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins ... als Vermögensinhaber gilt". Dieser Rechtsansicht haben sich andere Landessozialgerichte (etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 16. Januar 2002 - L 12 AL 40/01 - und vom 20. März 2002 - L 1 AL 85/01 -, LSG Saarland, Urteil vom 4. November 2003 - L 6 AL 13/01 -, LSG Brandenburg, Urteil vom 27. Juni 2003 - L 10 AL 4/02 -, oder LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Februar 2004 - L 1 AL 84/03 -, jeweils veröffentlicht in juris) angeschlossen, wobei aber auffällt, dass sie jeweils auf den Grundsatz der Unbeachtlichkeit einer "verdeckten Treuhand" erst nach bzw in Verbindung mit einer eingehenden Prüfung der Umstände des Einzelfalles zurückgegriffen haben. Der angeführten Rechtsprechung kann somit nicht entnommen werden, bei der Bedürftigkeitsprüfung könne die Frage, ob eine stille Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung eines Sparguthabens vorgenommen worden ist oder nicht, ohne nähere Prüfung der Umstände des Einzelfalles offen bleiben.
d) Auch die verwaltungs- und finanzgerichtliche Rechtsprechung hat keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz aufgestellt, wonach ein Treuhandverhältnis oder eine Abtretung ohne Dokumentation nach außen rechtlich unbeachtlich sei. Zwar beziehen sich einzelne Urteile etwa zur Rücknahme der Bewilligung einer Ausbildungsförderung oder von Leistungen der Sozialhilfe auf die bereits erwähnte Rechtsprechung der Landessozialgerichte zur verdeckten Treuhand (vgl VG Aachen, Urteil vom 5. Juli 2005 - 5 K 3571/04 - oder VG Hamburg, Urteil vom 28. Mai 2004 - 8 K 1935/03 -, jeweils veröffentlicht in juris); sie greifen aber erst nach Prüfung der Umstände des Einzelfalles und nach Darlegung von Zweifeln im Rahmen der Beweislastverteilung auf den genannten Grundsatz zurück. Entsprechend ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis tatsächlich besteht, ein strenger Maßstab anzulegen; das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse muss eindeutig erkennbar sein (vgl BFH, Urteil vom 15. Juli 1997 - VIII R 56/93 - BFHE 183, 518 unter Bezugnahme auf die Beweisregel in § 159 Abs 1 Abgabenordnung). Bei der Prüfung von Schuldverpflichtungen unter nahen Angehörigen gilt der Grundsatz, dass ein Vertrag und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten einem Fremdvergleich standhalten, also dem zwischen fremden Dritten Üblichen entsprechen muss (vgl BFH, Urteil vom 5. Februar 1988 - III R 234/84 -; BFH, Beschluss vom 25. Juni 2002 - X B 30/01 -, jeweils veröffentlicht in juris).
3. Das LSG kann mithin die Frage nicht offen lassen, ob das jeweilige Recht an den Sparguthaben entsprechend der Behauptung des Klägers an dessen Bruder wirksam abgetreten worden ist.
a) Das LSG wird zunächst im Rahmen der Amtsermittlung (§ 103 SGG) nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen (vgl BSGE 71, 256, 258 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 7 mwN) tatsächliche Feststellungen zu treffen haben, ob die vom Kläger vorgelegten Vereinbarungen überhaupt getroffen worden sind oder ob es sich um bloße Schutzbehauptungen handelt. Insbesondere ist festzustellen, ob die behauptete Abtretung tatsächlich (zumindest dem äußeren Schein nach) vereinbart worden ist.
Ist eine Abtretung entsprechend der vorgelegten Vereinbarung vom 5. Juli 1993 vorgenommen worden, ist ferner zu prüfen, ob sie dem wirklichen Willen der Beteiligten entsprochen oder ob es sich um ein sog Scheingeschäft iS des § 117 BGB gehandelt hat. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen (vgl BGH NJW 1980, 1572). Dies wäre etwa der Fall, wenn der Kläger und seine Ehefrau scheinbar ihre Sparguthaben an den Bruder des Klägers zur Begleichung einer tatsächlichen oder auch nur einer fiktiven Verbindlichkeit abgetreten hätten, um damit das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigende Vermögen (scheinbar) zu mindern.
Die Fragen, ob die Abtretungsvereinbarung überhaupt vorliegt und - wenn ja - von einem Scheingeschäft auszugehen ist oder nicht, sind anhand aller Umstände des Einzelfalles zu klären (ua Vorlage der Sparbücher, Aufzeigen der Kontenbewegungen, aktuelle Freistellungsaufträge). Dem LSG wird es dabei im Rahmen der Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und nach dem Grundsatz der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung (§§ 103, 128 Abs 1 SGG) obliegen, alle Besonderheiten des vorliegenden Falles - zu denen sich teilweise die Beteiligten im Anschluss an die Beweisaufnahme in erster Instanz schon geäußert haben - in tatsächlicher Hinsicht zu erfassen und zu würdigen.
b) Sollten sich allerdings nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten entscheidungserhebliche Tatsachen nicht mehr feststellen lassen, um abschließend klären zu können, ob eine wirksame Abtretung gegeben ist, stellt sich die Frage der Beweislast. Allgemein gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (vgl BSGE 6, 70, 73; 43, 110, 112 = SozR 2200 § 548 Nr 27). Da im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Rückforderungsbescheids auf der Grundlage des § 45 SGB X iVm § 330 Abs 2 SGB III im Streit steht, trifft grundsätzlich die Beklagte die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides (vgl BSG SozR 4100 § 132 Nr 1, S 11).
Zu beachten ist jedoch, dass eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung dann gerechtfertigt sein kann, wenn in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, dh wenn eine besondere Beweisnähe zum Arbeitslosen vorliegt (vgl bereits in anderem Zusammenhang - Sperrzeit - BSGE 71, 256, 263 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7; seit 1. Januar 2003 gesetzlich geregelt in dem neu eingefügten Satz 2 des § 144 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 ≪BGBl I 4607≫, jetzt § 144 Abs 1 Satz 4 SGB III). Insofern kann an zum Teil bereits zitierte Rechtsprechung der Instanzgerichte (ua LSG Hessen, Urteil vom 9. Mai 2001 - L 6 AL 432/00 -, vgl aber auch etwa Bayerisches LSG, Urteil vom 18. November 2004 - L 11 AL 196/03, oder LSG Brandenburg, Urteil vom 28. August 1997 - L 8 ≪7≫ Ar 41/96 - E-LSG AL-165) angeknüpft werden, die in ähnlichen Fällen stillschweigend oder ausdrücklich von einer Umkehr der Beweislast ausgegangen ist. Eine dem Arbeitslosen anzulastende Beweisnähe kann sich etwa daraus ergeben, dass bei der Antragstellung Angaben zu Sparbüchern bzw zu getroffenen Vereinbarungen unterlassen worden sind mit der Folge der Erschwerung der Aufklärung in späteren Jahren oder dass vollständige Kontenbewegungen nicht zugänglich gemacht werden mit der Folge der Unmöglichkeit einer Plausibilitätsprüfung. Das LSG wird deshalb für den Fall einer nach umfassender Ermittlung verbleibenden Unaufklärbarkeit von Vorgängen, die der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind, von einer Beweislastumkehr ausgehen können.
4. Soweit die Revision das Urteil des LSG auch unter dem Gesichtspunkt angreift, dem Kläger sei keine grobe Fahrlässigkeit iS des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X vorzuhalten und er könne sich deshalb auf schutzwürdiges Vertrauen iS des § 45 Abs 2 SGB X berufen, wird das LSG hierüber auf der Grundlage der noch zu treffenden Feststellungen erneut zu entscheiden haben. Dabei teilt der Senat grundsätzlich die Rechtsansicht des LSG, wonach der Kläger - unabhängig von seiner eigenen Einschätzung der Rechtslage - schon bei den Angaben im Antragsformular auf das Vorhandensein von auf seinen Namen bzw den Namen seines Ehegatten geführten Sparbüchern hinweisen bzw ggf bei der Beklagten nachfragen musste.
5. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens abschließend zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1567078 |
BSGE 2007, 238 |