Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeanspruch. Ruhen bei Gewährung einer ausländischen Invaliditätsrente
Leitsatz (amtlich)
Eine niederländische Rente nach dem WAO ist jedenfalls dann, wenn sie als Teilrente (pro rata temporis) gewährt wird und die Hälfte der Vollrente nicht erreicht, einer Rente wegen EU nicht vergleichbar und führt nicht zum Ruhen von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nach § 142 AFG.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
AFG § 118 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Fassung: 1992-12-18, § 142 Fassung: 1992-12-18, § 138 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 1. Januar 1993.
Der 1935 geborene Kläger, ein Türke, arbeitete von 1963 bis 1969 in den Niederlanden. Danach war er in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. 1988 erlitt er einen Bandscheibenvorfall und bezog bis 6. Juni 1989 Krankengeld (Krg). Auf seinen im Juni 1989 gestellten Antrag bewilligte ihm der niederländische Träger mit Bescheid vom 16. März 1992 und Ergänzungsbescheid vom 19. Mai 1992 nach dem „Wet op de arbeidsongeschiktheidsverzekering” (WAO) eine Rente nach einer „80 bis 100 %igen Erwerbsminderung”. Vollrenten dieses Behinderungsgrades betragen 70 vH des (letzten) Tageslohnes. Die Rente des Klägers, die nur entsprechend dem Anteil der in den Niederlanden zurückgelegten Zeiten zu den Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland (pro rata temporis) errechnet wurde (= 22,93 % der Vollrente), betrug zuletzt 643,89 Gulden netto monatlich.
Nachdem der Kläger von 1989 an Arbeitslosengeld (Alg) und im Anschluß daran Alhi bezogen hatte, wobei die niederländische Rente als Einkommen auf die Alhi bis 31. Dezember 1992 angerechnet worden war, lehnte das Arbeitsamt (ArbA) mit Bescheiden vom 25. März 1993 und 29. Juli 1993 die beantragte Alhi ab 1. Januar 1993 ab, weil der Anspruch aufgrund der niederländischen Rente gemäß § 142 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. September 1993).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 19. Mai 1994 die Beklagte verurteilt, die Bescheide vom 25. März 1993 und 29. Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 1993 aufzuheben und dem Kläger Alhi ab dem 1. Januar 1993 dem Grunde nach zu gewähren. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluß vom 7. Oktober 1996 zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, die niederländische Rente sei zwar nach den §§ 142, 138 AFG auf die Alhi anrechenbar, sie führe jedoch nicht zum Ruhen des Alhi-Anspruchs. Denn sie sei mit der deutschen Erwerbsunfähigkeitsrente nicht vergleichbar. Durch die Beklagte würden unzulässigerweise Kernbegriffe des deutschen Rentenrechts mit Begriffsbestimmungen im niederländischen Recht ausgefüllt. Insoweit sei auch der Ansatz der Beklagten, die niederländische Rente sei jedenfalls dann, wenn sie in der höchsten Stufe, nämlich nach einer Erwerbsminderung von 80 bis 100 %, gewährt werde, der deutschen Erwerbsunfähigkeitsrente vergleichbar, unrichtig. Sowohl für die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit als auch wegen Berufsunfähigkeit sei im Gegensatz zur niederländischen WAO-Leistung nicht eine in Prozenten ausdrückbare Minderung der körperlichen Integrität maßgebend, wie dies beispielsweise in der gesetzlichen Unfallversicherung geschehe. Zwei Lohnersatzleistungen seien nur vergleichbar, wenn die ausländische Lohnersatzleistung in ihrem Kerngehalt den typischen Merkmalen der inländischen Rente entspreche. Dazu gehöre, daß die jeweilige Leistung nach ihrer Konstruktion und Berechnung so angelegt sei, daß sie bei entsprechender Dauer des zugrunde gelegten Erwerbslebens den Lebensunterhalt des Versicherten auch ohne Nebenverdienste sichern könne. Diese Voraussetzung könne zwar die deutsche Erwerbsunfähigkeitsrente, nicht aber die niederländische WAO-Rente erfüllen. Die niederländische Rente werde unabhängig von der Dauer der Versicherungszeiten gewährt, sie richte sich nach dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), dem Lebensalter des Berechtigten und dem zuletzt erzielten Tageslohn. Die WAO-Rente, die keine Wartezeit von 60 Monaten erfordere, setze lediglich Versicherungspflicht im Zeitpunkt des Versicherungsfalls und einjährigen Krg-Bezug wegen Arbeitsunfähigkeit voraus und sei insofern allenfalls mit der bereits 1923 abgeschafften deutschen Krankenrente vergleichbar. Die grundsätzlichen Unterschiede hätten auch ihren Niederschlag in der EWG-VO Nr 1408/71 gefunden.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 142, 134 Abs 4 iVm § 118 Abs 1 Nr 3 AFG. Aus mehreren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) folge, daß es für die Vergleichbarkeit in erster Linie auf den Zweck der Leistung ankomme. Zurückgelegte Versicherungsjahre oder die Berechnung der Leistung seien dem Sinn und Zweck der Leistung untergeordnet. Wenn die niederländische Rente wegen einer Erwerbsminderung von 80 bis 100 % gewährt werde, so sei diese in Prozenten ausgedrückte MdE – und nicht nur eine positive oder negative Beschreibung des Leistungsbildes – geeignet, die Leistungsfähigkeit des Versicherten festzustellen. Hinsichtlich der Berechnung sei die WAO-Rente mit einer deutschen Erwerbsunfähigkeitsrente ebenfalls vergleichbar, denn sie richte sich nach dem Grad der MdE, dem Lebensalter und dem Tagelohn und sei damit nicht von fiktiven oder abstrakten Werten abhängig, sondern vom verbliebenen Leistungsvermögen, abgestellt auf den bisherigen Verdienst. Die niederländische Rente sei auch geeignet, den Lebensunterhalt sicherzustellen. Dies komme durch die begrenzten Hinzuverdienstmöglichkeiten zum Ausdruck, wobei 10 % des zuletzt erzielten Verdienstes (bei der WAO-Rente) und ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bei Erwerbsunfähigkeitsrente) keinen wesentlichen Unterschied darstellten. Beide Renten resultierten aus eigener Versicherung, denn auch bei der niederländischen Rente müsse Versicherungspflicht im Zeitpunkt des Versicherungsfalls gegeben sein. Ebenso werde die WAO-Leistung durch öffentlich-rechtliche Pflichtzugehörigkeit erworben, und es sei nicht ersichtlich, daß sie aufgrund eines Zusatzversorgungssystems gezahlt werde. Im übrigen werde die Auffassung, daß die WAO-Rente, wenn sie im Bereich zwischen 80 und 100 % der MdE liege, einer deutschen Erwerbsunfähigkeitsrente entspreche, auch durch den Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen vertreten (vgl RdSchr Nr 82/1991 vom 30. Dezember 1991, S 15).
Die Beklagte beantragt,
den Beschluß des LSG Baden-Württemberg vom 7. Oktober 1996 und das Urteil des SG Karlsruhe vom 19. Mai 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung begründet.
Das ArbA hatte dem Kläger Alhi ab 1. Januar 1993 mit der Begründung verweigert, ein Anspruch ruhe nach §§ 118 Abs 1 Nr 3, 142 AFG wegen der bezogenen WAO-Rente. Dies ist indes nicht der Fall.
§ 142 AFG, der durch das Gesetz vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044) mit Wirkung ab 1. Januar 1993 eingefügt wurde (Art 1 Nr 44), bestimmt: Soweit der Anspruch auf eine laufende Leistung wegen eines Anspruchs auf eine andere Sozialleistung nicht entsteht, ruht oder entfällt, gilt dies auch wegen eines vergleichbaren Anspruchs, den ein ausländischer Träger zuerkannt hat. Gemäß § 118 Abs 1 Nr 3 AFG ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt ist. Die Ruhensregelung des § 118 Abs 1 AFG gilt über § 134 Abs 4 Satz 1 AFG gleichermaßen für die Alhi, lediglich die Anwendung des § 118 Abs 2 AFG ist nach § 134 Abs 4 Satz 3 AFG ausgeschlossen. Ein ausländischer Träger hat zwar dem Kläger eine Rente nach dem niederländischen WAO zuerkannt. Diese Rente ist jedoch nicht der deutschen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vergleichbar.
Die Vorschrift des § 142 AFG bezweckt, Empfänger ausländischer Leistungen mit Empfängern deutscher Sozialleistungen gleichzustellen, also Besserstellungen zu vermeiden (vgl BSG SozR 3-4100 § 118 Nr 4). Sie ist in Reaktion auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Art 12 Abs 2 EWG-VO 1408/71 geschaffen worden (BT-Drucks 12/3211, S 27 zu Nr 43). Diese Norm bestimmt zwar, daß die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates über die Kürzung, das Ruhen oder den Entzug einer Leistung auch dann anzuwenden sind, wenn es sich um Leistungen handelt, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates erworben wurden. Nach der Rechtsprechung des EuGH regelt diese Bestimmung jedoch nur die Konkurrenz von Ansprüchen, die auf der Anwendung des Gemeinschaftsrechts beruhen. Sie ist dagegen nicht anwendbar, wenn es sich um Ansprüche handelt, die allein nach nationalem Recht begründet sind (BT-Drucks aaO). Letzteres ist bei dem Anspruch des Klägers auf Alhi der Fall.
§ 142 AFG läßt einen „vergleichbaren” ausländischen Leistungsanspruch genügen. Die volle Übereinstimmung ausländischer Leistungen mit deutschen Sozialleistungen hinsichtlich Zugangsvoraussetzungen und Berechnung ist nicht erforderlich. Wann eine Vergleichbarkeit der ausländischen Leistung mit deutschen Sozialleistungen gegeben ist, hängt von den Bezugstatbeständen für die notwendige Gegenüberstellung ab (vgl BSGE 68, 184, 187 = SozR 3-2400 § 18a Nr 2 mwN). Ob ein Anspruch, den ein ausländischer Träger zuerkannt hat, einer der in § 118 AFG genannten Sozialleistungen vergleichbar ist, beurteilt sich von dem geschilderten Zweck des § 142 AFG her anhand der in § 118 AFG genannten deutschen Sozialleistungen und der Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, wegen Bezugs der anderen Sozialleistungen das Ruhen anzuordnen.
Der Zweck des § 118 AFG geht dahin, zwei gleichzeitige Leistungen mit Lohnersatzfunktion aus öffentlichen Kassen zu verhindern (vgl BSG SozR 4100 § 118 Nr 9 mwN). Das Ruhen des Alg bzw der Alhi wegen des Bezugs einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 118 Abs 1 Nr 3 AFG) ist vom Gesetzgeber 1969 in erster Linie damit begründet worden, daß auch die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit dazu bestimmt sei, die Kosten des Lebensunterhalts zu decken, und ihrer Berechnung der gleiche Vomhundertsatz wie bei einer Altersrente zugrunde liege (BT-Drucks V/2291 S 82 zu § 108 Nr 2).
Wird auf den damit angesprochenen Aspekt der grundsätzlich „vollen Versorgung” abgestellt, mag eine Rente nach einer „80 bis 100 %igen Erwerbsminderung”, also nach dem höchsten Behinderungsgrad nach dem WAO, in Höhe von 70 vH des Lohnes, den der Versicherte zuletzt erhalten hat, mit einer deutschen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vergleichbar sein. Die Berechnung entspricht zwar nicht dem deutschen Rentenrecht (vgl Weber/Leienbach, Soziale Sicherung in Europa, 1989, Sozialleistungen in der Niederlande, S 119 ff). Dies ist aber auch nicht erforderlich; es dürfte genügen, daß diese WAO-Rente mit 70 vH des Tageslohnes in der Höhe in etwa anderen Lohnersatzleistungen entspricht, die wie das Übergangsgeld (Übg) oder das Unterhaltsgeld (Uhg) oder inzwischen auch das Krg nach § 118 AFG zum Ruhen von Alg bzw Alhi führen. Soweit das LSG auch WAO-Renten für geringere Behinderungsgrade in die Betrachtung einbezogen hat, ist ihm nicht zu folgen; denn es geht nur darum, ob WAO-Renten nach einer „80 bis 100 %igen Erwerbsminderung”, wie sie der Kläger bezieht, einer Leistung des § 118 AFG vergleichbar sind.
Ob eine solche Rente einer deutschen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wegen des Umfangs der Versorgung vergleichbar ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, auch nicht, ob das LSG dahingehend verstanden werden will, daß es sich bei der WAO-Rente nicht einmal um eine Versicherungsleistung handelt. Denn der Kläger erhält keine WAO-Vollrente wegen 80 bis 100 %iger Erwerbsminderung, sondern wie das LSG ausdrücklich festgestellt hat, eine Teilrente pro rata temporis, also nur entsprechend dem Anteil der in den Niederlanden zurückgelegten Zeiten seines gesamten versicherten Arbeitslebens. Deckt die auf der Grundlage aller Versicherungszeiten errechnete Vollrente den Lebensunterhalt ab, zeigt schon die Institution der Teilrente, daß diese dazu nicht in der Lage ist und auch nicht sein will, weil der Lebensunterhalt im übrigen von den anderen zuständigen Versicherungsträgern gedeckt werden soll (vgl dazu Schuler, Das internationale Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1988, S 563 ff – zur Teilrentenberechnung nach dem pro rata temporis-Verfahren). Es kann dahingestellt bleiben, wann höhere Teilrenten mit einer deutschen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vergleichbar wären. Jedenfalls sind Teilrenten, die die Hälfte der Vollrente nicht erreichen, hinsichtlich der Versorgung nicht vergleichbar und damit auch nicht die Rente, die der Kläger erhält. Denn sie beträgt nur 22,93 % der Vollrente.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des 7. Senats (BSG SozR 3-4100 § 118 Nr 4 sowie nicht veröffentlichtes Urteil vom 3. November 1976 – 7 RAr 115/75). Soweit danach der 7. Senat entschieden hat, daß eine italienische Altersrente (auch als pro rata temporis-Leistung) einer deutschen Altersrente „ähnlich” sei, hat er sein Ergebnis auf die Regelung des § 118 Abs 1 Nr 4 AFG gestützt. Die Rechtsprechung hatte also nicht die hier einschlägige Regelung des § 118 Abs 1 Nr 3 AFG iVm § 142 AFG zum Gegenstand. Anders als bei der Erwerbsunfähigkeitsrente wird die in § 118 Abs 1 Nr 4 AFG genannte Altersrente bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gewährt und werden „ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art” einbezogen. Es handelt sich also um unterschiedliche Regelungen.
Der Gesetzgeber des AFG 1969 hat die Vorschrift des § 118 Abs 1 Nr 3 AFG auch damit begründet, daß Bezieher einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit – von seltenen Ausnahmen abgesehen – der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen (BT-Drucks V/2291 S 82). Es kann dahinstehen, ob dieser Gesichtspunkt, der das Ruhen des Alg bzw der Alhi bei einer deutschen pro rata temporis-Leistung wegen Erwerbsunfähigkeit (Teilrentenberechnung mit Zurechnungszeit) rechtfertigen dürfte, für sich das Ruhen wegen einer ausländischen Leistung begründen könnte. Denn das käme jedenfalls nur dann in Betracht, wenn auch die Zuerkennung der ausländischen Leistung die Annahme rechtfertigen würde, daß der Bezieher in der Regel der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht. Diese Annahme könnte jedoch wohl nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Zugangsvoraussetzung der ausländischen Rente dem deutschen Begriff der Erwerbsunfähigkeit annähernd gleich wäre. Nach den vom LSG zum niederländischen Recht getroffenen Feststellungen, die von der Beklagten nicht angegriffen worden sind und – weil es sich insoweit um nicht revisibles Recht handelt (vgl § 162 SGG) – unverändert der Entscheidung über die Revision zugrunde zu legen sind (stRspr – vgl BSGE 68, 184, 187 = SozR 3-2400 § 18a Nr 2 mwN), ist dies nicht der Fall. Das LSG geht nämlich davon aus, daß nach niederländischem Recht die Erwerbsminderung nach Art der deutschen Unfallversicherung beurteilt wird, was mit dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit nach deutschem Recht in der Tat nicht übereinstimmt, selbst wenn die MdE 100 % beträgt. Das mag im übrigen erklären, weshalb der deutsche Rentenversicherungsträger den Rentenantrag des Klägers abgelehnt hat und die diesbezügliche Klage ohne Erfolg geblieben ist.
Die vom Kläger bezogene WAO-Rente ist auch nicht mit anderen in § 118 Abs 1 AFG genannten Leistungen vergleichbar, deren Zuerkennung zum Ruhen des Alhi-Anspruchs führt. Der Zugang zur WAO-Leistung ist offensichtlich nicht vom Alter abhängig, also nicht einer Altersrente vergleichbar (Nr 4). Wegen der Teilversorgung entfällt auch die Vergleichbarkeit mit Krg (Nr 2). Ein anderes Ergebnis ist auch nicht dem zwischenstaatlichen Recht zu entnehmen.
Schließlich scheidet auch eine analoge Anwendung des § 118 Abs 3 AFG hier aus. Diese Regelung, die durch das Änderungsgesetz vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044) eingefügt worden ist, stellt die Invalidenrente, Bergmannsinvalidenrente oder Invalidenrente für Behinderte nach Art 2 des Renten-Überleitungsgesetzes der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch gleich, wenn der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Erwerbsunfähigkeit festgestellt hat. Hat der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung weder Erwerbsunfähigkeit noch Berufsunfähigkeit festgestellt, ruht der Anspruch auf Alg bzw Alhi abweichend von Satz 1 zu dem Teil, um den der für das Alg bzw die Alhi des Arbeitslosen nach § 111 Abs 1 AFG maßgebliche Vomhundertsatz den Satz von 100 unterschreitet. Für sog „Teilversorgungen” sieht also das Gesetz eine Leistungsanrechnung in bestimmten Grenzen vor. Es kann hier offenbleiben, inwieweit diese Regelung über ihren Wortlaut hinaus auf andere Teil-Leistungen, die mit einem Anspruch auf Alg zusammentreffen, anwendbar ist. Jedenfalls für den Bereich der Alhi findet sich eine Anrechnungsvorschrift bereits in § 138 Abs 1 Nr 1 AFG. Danach ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung das Einkommen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit § 115 AFG nichts anderes bestimmt. Nach § 138 Abs 2 AFG sind Einkommen iS der Vorschriften über die Alhi alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können. Unter das anzurechnende Einkommen fällt auch die niederländische WAO-Rente des Klägers. Im Hinblick auf die Anrechenbarkeit dieser Rente nach § 138 iVm § 142 AFG besteht jedenfalls für den Bereich der Alhi kein Bedarf für eine erweiternde Auslegung der Anrechnungsvorschrift des § 118 Abs 3 Satz 2 AFG.
Gehen die Angriffe der Revision hiernach weitgehend fehl, führt die Revision dennoch zur Zurückverweisung der Sache an das LSG, weil sich aus den getroffenen Feststellungen nicht ergibt, daß der Kläger alle Anspruchsvoraussetzungen für Alhi erfüllt. Einer solchen Prüfung ist der Senat nicht deshalb enthoben, weil das ArbA den Antrag wegen Ruhens abgelehnt hat. Hieraus folgt nämlich nicht, daß die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Die Arbeitsämter sind in den Fällen des § 118 AFG nicht gehalten, die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Eine solche Prüfung erweist sich als überflüssig, wenn der Antrag wegen des Ruhens abzulehnen ist. Kommt ein Gericht zu dem Ergebnis, daß entgegen der Annahme des ArbA ein Ruhensfall nicht vorliegt, muß es daher von Amts wegen prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind (BSGE 70, 51, 56 = SozR 3-4100 § 118 Nr 3). Dies ist hier nicht geschehen, und es liegt hier auch nicht klar zutage, daß dem Kläger jedenfalls Alhi zu bewilligen ist.
So ist bereits offen, ob der Kläger in der Zeit ab 1. Januar 1993 Sozialhilfeleistungen bezogen hat. Soweit in diesem Fall ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte als erfüllt (§ 107 Abs 1 SGB X). Dies kann bedeuten, daß dem Kläger, auch wenn sämtliche Anspruchsvoraussetzungen ab 1. Januar 1993 erfüllt sind, Alhi nicht zusteht. Auch wenn jedenfalls nach den Leistungsakten der Beklagten, auf die das LSG Bezug genommen hat, keine ernsthaften Zweifel an der Verfügbarkeit des Klägers iS des § 103 Abs 1 AFG bestehen dürften, ist zumindest das Tatbestandsmerkmal der Bedürftigkeit iS des § 137 AFG zu prüfen. Denn aus den Leistungsakten der Beklagten ergibt sich, daß bei dem Kläger – abgesehen von der WAO-Rente, deren aktuelle Höhe ab 1. Januar 1993 das LSG ebenfalls nicht festgestellt hat – Renten-Einkommen seiner Ehefrau zu berücksichtigen ist, soweit es den Freibetrag nicht übersteigt (§ 138 Abs 1 Nr 2 AFG).
Das LSG wird deshalb im Rahmen der Zurückverweisung die noch fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen und außerdem über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1172905 |
BSGE 80, 295 |
BSGE, 295 |
NZS 1998, 251 |
SozR 3-4100 § 142, Nr.1 |
SozSi 1997, 439 |
SozSi 1997, 440 |
SozSi 1998, 278 |