Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Januar 1993 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 15. März 1990.
Sie ist gelernte Arzthelferin und war ab 1. August 1977 berufstätig. Vom 18. Februar bis 2. Juni 1987 erhielt die Klägerin Mutterschaftsgeld (Mug) und nach der Geburt ihres ersten Kindes (am 7. April 1987) vom 3. Juni 1987 bis 6. Februar 1988, dem Ende des Arbeitsverhältnisses, Erziehungsgeld (Erzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Anschließend bezog sie bis zum 6. Februar 1989 Landeserziehungsgeld (LErzg) und nach der Geburt des zweiten Kindes (am 10. März 1989) für die Dauer der ersten zwölf Lebensmonate des Kindes wiederum Erzg nach dem BErzGG.
Am 15. März 1990 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Dies lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor Arbeitslosmeldung nicht mindestens 360 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden bzw gleichgestellte Zeiten zurückgelegt habe; gleichzeitig verweigerte sie die Zahlung von Arbeitslosenhilfe (Bescheid vom 11. Mai 1990; Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 1990, zugestellt am 3. Januar 1991).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte auf die am 7. Februar 1991 erhobene Klage unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verurteilt, der Klägerin Alg zu gewähren (Urteil vom 24. April 1991). Die Berufung der Beklagten wurde durch das Landessozialgericht (LSG) unter gleichzeitiger Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zurückgewiesen (Urteil vom 28. Januar 1993). Die Entscheidung ist damit begründet, daß die Klägerin in der Rahmenfrist (§ 104 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫) vom 15. März 1987 bis 14. März 1990 die erforderliche Anwartschaftszeit von 360 Kalendertagen durch nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b und c AFG gleichgestellte Zeiten (Bezug von Mug, Erzg und LErzg) erfüllt habe und damit alle Voraussetzungen für die Gewährung von Alg zu bejahen seien.
Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG aF. Die Vorschrift habe bis 31. Dezember 1991 nur das Erzg, nicht das LErzg erfaßt, wie durch das Zweite Gesetz zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991 bestätigt werde. § 107 Abs 1 Nr 5 Buchst c AFG sei erst durch dieses Gesetz für künftige Fälle dahin geändert worden, daß auch der Bezug von dem Erzg entsprechenden Leistungen der Länder gleichgestellt worden sei, und könne folglich für den Anspruch der Klägerin (noch) keine Anwendung finden. Die Klägerin weise in der Rahmenfrist lediglich 329 Tage anwartschaftsbegründender Zeiten durch den Bezug von Mug und Erzg nach der Geburt des ersten Kindes auf. Der Bezug des Erzg nach der Geburt des zweiten Kindes (ab 10. März 1989) sei nicht anwartschaftsbegründend, da mangels unmittelbaren Anschlusses keine beitragspflichtige Beschäftigung bzw der Bezug einer laufenden Lohnersatzleistung nach dem AFG unterbrochen worden sei; zwischen beiden Erzg-Bezugszeiträumen habe mehr als ein Jahr gelegen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist iS der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), da es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen des LSG fehlt, die es dem Senat ermöglichen, über die Zulässigkeit der Berufung und den Anspruch der Klägerin abschließend zu befinden.
Soweit es die Zulässigkeit der Klage betrifft, die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (BSGE 25, 235, 236 = SozR Nr 3 zu § 28 RVO; BSGE 42, 212, 215 = SozR 1500 § 131 Nr 3), ist der Senat an einer eigenen Entscheidung darüber gehindert, ob die Klagefrist eingehalten ist. Die Entscheidung des LSG, der Klägerin gemäß § 67 Abs 1 SGG wegen Versäumung der Klagefrist (§ 87 Abs 2 SGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist nämlich nach § 67 Abs 4 Satz 2 SGG unanfechtbar und für die Revisionsinstanz auch dann bindend, wenn die Entscheidung über die Wiedereinsetzung im Urteil erfolgt ist (BSGE 13, 61, 62).
Zur Beurteilung der ebenfalls im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigenden Zulässigkeit der Berufung (BSGE 2, 225, 226 f) ermöglichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG demgegenüber keine abschließende Wertung. Die Statthaftigkeit der Berufung richtet sich vorliegend nach §§ 143 bis 150 SGG in der bis 28. Februar 1993 geltenden Fassung (Art 14 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 – BGBl I 50). Nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF war die Berufung ausgeschlossen bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (drei Monaten). Abgesehen davon, daß Feststellungen des LSG zu Prozeßvoraussetzungen das Revisionsgericht ohnedies nicht binden (BSGE 67, 221, 223 = SozR 3-4100 § 117 Nr 3), sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Umfang des streitigen Zeitraums so widersprüchlich, daß sie auch außerhalb der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung für den Senat nicht verbindlich sind (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 139 mwN; BAG NJW 1967, 2226).
Einerseits heißt es im Tatbestand des Urteils, streitig sei die Gewährung von Alg für eine Anspruchsdauer von 260 Tagen, andererseits in den Entscheidungsgründen, die Klägerin habe am 2. April 1990 wiederum Arbeit gefunden. Im Tatbestand des Urteils ist gleichwohl festgestellt, die Klägerin sei (erst) wieder ab 1. April 1991 beschäftigt gewesen. Unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin in der Berufungsinstanz, sie habe sich noch im Januar 1991 beim Arbeitsamt (ArbA) eine Reise als Urlaub genehmigen lassen, liegt zwar die Annahme nahe, daß die Feststellung des LSG zur Wiederaufnahme von Arbeit (schon) am 2. April 1990 auf einem Versehen beruht, zumal in den Entscheidungsgründen außerdem eine Meldung bei der ArbA-Dienststelle Hechingen statt bei der ArbA-Dienststelle Freudenstadt vermerkt ist, und zwar am 15. März 1990 mit Wirkung ab 4. Februar 1990, ohne daß das Datum des 4. Februar 1990 aktenmäßig erklärbar ist; der auf den letzten Tag des Bezugs von LErzg folgende Tag war der 4. Februar 1990 jedenfalls entgegen der Erläuterung hierzu im Urteil des LSG nicht. Der vermutliche Fehler ist jedoch nicht so offensichtlich, daß der Senat unzweifelhaft von einer Wiederaufnahme der Arbeit am 1. April 1991 ausgehen könnte. Sollte die Klägerin andererseits bereits ab 2. April 1990 gearbeitet haben, wäre der in § 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF vorausgesetzte Zeitraum von 13 Wochen (drei Monaten) nicht überschritten; die Zulässigkeit der Berufung hinge dann uU von § 150 SGG aF ab.
Zu Unrecht führt das LSG in seinem Urteil insoweit aus, das SG habe die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 150 Nr 1 SGG aF). Es ist nicht ersichtlich, worauf das LSG diese Annahme stützt; das Urteil des SG enthält nämlich eine Zulassung an keiner Stelle. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung genügt den Anforderungen an eine förmliche Zulassung der Berufung jedenfalls nicht (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 144 RdNr 40 mwN). Die Berufung der Beklagten ist schließlich nicht ungeachtet des möglicherweise eingreifenden Ausschlusses (§ 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF) gemäß § 150 Nr 2 SGG aF zulässig, da die Beklagte vor dem LSG die danach erforderliche Verfahrensrüge nicht erhoben hat. Letztlich bedarf es im Revisionsverfahren keiner Entscheidung über die Berufungsfähigkeit des erstinstanzlichen Urteils; denn die Sache ist ohnedies an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Ob und für welche Zeit die Klägerin einen Anspruch gemäß § 100 AFG besitzt, läßt sich nämlich ebenfalls nicht entscheiden. Im zweitinstanzlichen Urteil wird im Detail nur das Vorliegen der Anwartschaftszeit iS des § 104 AFG (hier idF des Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 15. Oktober 1984 – BGBl I 1277) bejaht; alle sonstigen Voraussetzungen des Alg-Anspruchs sollen nach den Ausführungen des LSG unstreitig erfüllt sein. Allerdings hat das LSG möglicherweise nur die Zeit bis 31. März 1990 gemeint, während es, wie bereits ausgeführt, um Alg bis 1. April 1991 gehen könnte. Es ist damit schon nicht eindeutig, für welchen Zeitraum Arbeitslosigkeit iS des § 101 AFG (idF des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -≪SGB IV≫ vom 23. Dezember 1976 – BGBl I 3845) angenommen wurde; darüber hinaus wären genauere Feststellungen im Hinblick darauf erforderlich gewesen, daß die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Antragsformular zur Gewährung von Alg die Ausübung einer Nebenbeschäftigung bejaht hat. Auch die Formulierung im zweitinstanzlichen Urteil, an der Verfügbarkeit im fraglichen Zeitraum bestehe kein Zweifel, bedürfte genauerer Feststellungen, weil zusätzlich zur Berufstätigkeit zwei Kleinkinder im Alter von drei bzw einem Jahr zu versorgen gewesen wären.
Im Ergebnis zu Recht hat das LSG indes eine Erfüllung der Anwartschaftszeit (§§ 104, 107 AFG) angenommen, wenngleich ihm nicht darin zu folgen ist, daß die Zeit des Bezugs von LErzg anwartschaftsbegründend ist. Sie verlängert damit auch nicht die Dauer des Anspruchs auf Alg (§ 106 AFG idF des Gesetzes zur Anpassung von Eingliederungsleistungen für Aussiedler und Übersiedler ≪Eingliederungsanpassungsgesetz≫ vom 22. Dezember 1989 – BGBl I 2398). Auch ohne Berücksichtigung dieser Zeit hat die Klägerin aber am 15. März 1990 bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen an diesem Tage (vgl BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 8) innerhalb der Rahmenfrist mehr als 360 Kalendertage zurückgelegt, die nach § 107 AFG – idF des Eingliederungsanpassungsgesetzes – beitragspflichtiger Beschäftigung gleichgestellt sind.
Nach § 104 Abs 1 AFG hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat. Dabei geht die Rahmenfrist dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten (Abs 2). Die Rahmenfrist selbst beträgt drei Jahre und reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein (Abs 3). Die für die Klägerin maßgebliche Rahmenfrist umfaßt folglich bei Vorliegen von Arbeitslosigkeit und Verfügbarkeit am 15. März 1990 den Zeitraum vom 15. März 1987 bis 14. März 1990; durch die Arbeitslosmeldung und Antragstellung wäre dann die Rahmenfrist fixiert, innerhalb der die anwartschaftsbegründenden Zeiten liegen müssen.
Das Urteil des LSG enthält keinerlei Feststellungen, daß die Klägerin während dieses Zeitraums gegen Zahlung von Arbeitsentgelt, also beitragspflichtig, beschäftigt war (§ 104 Abs 1 AFG). Die Anwartschaft ist allerdings in jedem Fall über § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b und c AFG durch sonstige Zeiten erfüllt, und zwar durch die Zeit des Bezugs von Mug vom 15. März bis 2. Juni 1987 (80 Kalendertage), die Zeit des Bezugs von ErzG in der Zeit vom 3. Juni 1987 bis 6. Februar 1988 (249 Kalendertage) sowie durch die Zeit des Bezugs von Erzg in der Zeit vom 10. März 1989 bis 9. März 1990 (365 Kalendertage).
Nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b AFG stehen nämlich den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ua gleich die Zeiten des Bezugs von Mug, wenn durch Schwangerschaft oder Mutterschaft eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung oder der Bezug einer laufenden Lohnersatzleistung nach dem AFG unterbrochen worden ist. § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG in der hier geltenden Fassung des Eingliederungsanpassungsgesetzes sah die gleiche Rechtsfolge schon für Zeiten vor, für die der Arbeitslose Erzg bezogen oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen hat, wenn durch die Betreuung und Erziehung des Kindes eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung oder der Bezug einer laufenden Lohnersatzleistung nach dem AFG unterbrochen worden ist. Der Bezug von LErzg, das der Klägerin in Baden-Württemberg nach den Richtlinien des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung vom 10. April 1986 (GABl 541) idF der Ersten Änderung vom 21. Oktober 1988 (GABl 1140) gezahlt wurde, wird von § 107 Satz 1 Nr 5 AFG aF allerdings nicht erfaßt. Die allenfalls einschlägige Regelung der Nr 5 Buchst c bezieht sich nach Wortlaut und historischer Entwicklung nur auf das Erzg (nach dem BErzGG).
Darauf läßt bereits der Umstand schließen, daß Nr 5 Buchst c in § 107 AFG durch das BErzGG vom 6. Dezember 1985 (BGBl I 2154) eingefügt wurde und das BErzGG den Ausdruck „Bundeserziehungsgeld” nicht kennt, der Gesetzgeber bei Verabschiedung des BErzGG im Jahre 1985 andererseits aber in einzelnen Vorschriften Leistungen der Länder ausdrücklich aufgeführt hat. Auf Vorschlag des Bundesrats (vgl BT-Drucks 10/3926 und 10/4039) wurde nämlich in § 8 BErzGG geregelt, daß das Erzg „und vergleichbare Leistungen der Länder” als Einkommen bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt bleiben. Des weiteren wurde mit § 29 BErzGG das Einkommensteuergesetz durch Anfügen einer Nr 67 an dessen § 3 dahin geändert, daß das Erzg nach dem BErzGG „und vergleichbare Regelungen der Länder” steuerfrei sein sollten. Hat aber der Gesetzgeber landesrechtliche Leistungen in bestimmten Normen des BErzGG berücksichtigt, ohne in § 27 BErzGG, mit dem § 107 AFG geändert wurde, eine entsprechende Formulierung zu wählen, so läßt dies nur den Schluß zu, daß in § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG ausschließlich die Leistung des Erzg nach dem BErzGG gemeint war.
Demgemäß wurde der Passus „dem Erzg entsprechende Leistungen der Länder” erst durch Art 5 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991 (BGBl I 2142) mit Wirkung ab 1. Januar 1992 in die Vorschrift des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG aufgenommen. Der Begründung zum Entwurf dieses Gesetzes ist zu entnehmen, daß damit den Zeiten des Bezugs von Erzg Zeiten des Bezugs von LErzg bzw Familiengeld gleichgestellt werden sollten. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung, künftig könne auch der Bezug vergleichbarer Leistungen der Länder einen Anspruch auf Lohnersatzleistungen nach dem AFG begründen (BT-Drucks 12/1125 S 9 f). Entgegen der Ansicht des LSG hat somit der Gesetzgeber keine Klarstellung der ursprünglichen Regelung bezweckt, sondern eine Erweiterung der gleichgestellten Zeiten vorgenommen, allerdings erst mit Wirkung für nach 1991 eintretende Leistungsfälle (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand Dezember 1993, § 107 RdNr 9).
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Bedeutung des Begriffs „Erzg” sei im Endeffekt offen und aus teleologischen Gründen einer weiten Auslegung zugängig. Zum einem würde dies bedeuten, den Willen des Gesetzgebers zu mißachten; zum anderen würde die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Bezeichnung „Erzg” einen Oberbegriff für entsprechende Leistungen auf Bundes- wie auf Landesebene gewählt, zu einer Anwendung des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG führen, die ohne sachliche Rechtfertigung alleine von der Zufälligkeit der jeweiligen Umschreibung auf Landesebene abhinge, und zwar im Vorgriff auf entsprechende Regelungen der Länder. Denn dem Erzg nach dem BErzGG vergleichbare Leistungen der Länder mit der Bezeichnung LErzg gab es vor 1986 – von einem im Jahre 1980 beendeten Modellversuch in Niedersachsen abgesehen – nicht (vgl: Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub und Anrechnung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung/Gutachten des wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Bd 243, 1989, S 69 ff); nach 1985 wurde dann in einzelnen Ländern die Formulierung LErzg aufgegriffen (Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub und Anrechnung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung aaO; Bericht über die in den Jahren 1986 bis 1988 gemachten Erfahrungen mit dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, BT-Drucks 11/8517 S 20 ff). Die Länder Baden-Württemberg (vgl die Richtlinien des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung vom 23. März 1983 – GABl 473), Berlin (vgl die Allgemeine Anweisung zur Gewährung von Familiengeld vom 14. Dezember 1982 – ABl 1676) und Rheinland-Pfalz (vgl Verwaltungsvorschriften des Ministeriums für Soziales und Familie über Familiengeld vom 4. Juni 1984 – MinBl 320) haben vor Inkrafttreten des BErzGG mit Familiengeld titulierte Leistungen erbracht; in Berlin und Rheinland-Pfalz verblieb es sogar nach Inkrafttreten des BErzGG bei dieser Bezeichnung (vgl Berliner Familiengeldrichtlinien vom 21. Oktober 1986 – ABl 1735 – und die Verwaltungsvorschriften über das Familiengeld in Rheinland-Pfalz vom 29. Juli 1986 – MinBl 462). Mit Erzg titulierte Leistungen wurden vor 1986 lediglich auf kommunaler Ebene (vgl hierzu Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub und Anrechnung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung, aaO, S 91 ff), also nicht als Leistungen der Länder gewährt; dies änderte sich erst nach 1985 durch entsprechende Regelungen in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen (vgl hierzu: Richtlinien des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung des Landes Baden-Württemberg vom 10. April 1986 – GABl 541; Bayerisches LErzGG vom 12. Juni 1989 – GVBl 206; Sächsisches LErzGG vom 16. Oktober 1992 – Sächsisches GVBl 467). Daneben gab es allerdings für Baden-Württemberg zusätzlich ähnliche Leistungen „Erziehungszuschlag”) nach dem Programm „Mutter und Kind” (abgedruckt in Wiegand, Komm zum BErzGG, Stand März 1987, Leitziff L 1-6).
Dieser unterschiedlichen Terminologie konnte gesetzestechnisch allein durch Wahl des Begriffes „Erzg” in § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG nicht Rechnung getragen werden; so erklärt es sich auch, daß noch mit dem Gesetz zur Änderung des BErzGG vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1297) eine Ergänzung des § 9 Satz 1 BErzGG um die Worte „und anderer vergleichbarer Leistungen der Länder” erfolgte. Wenn demgegenüber mit § 22 BErzGG ab 1. Januar 1986, dem Inkrafttreten des BErzGG, in § 311 Nr 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) die Worte „oder Erzg nach dem BErzGG” eingefügt wurden, so ergibt sich hieraus nichts anderes. Bei dem Zusatz „nach dem BErzGG” mag es sich um eine überflüssige Klarstellung handeln; keinesfalls läßt er jedoch den Umkehrschluß zu, daß in allen Fällen seines Fehlens Erzg als Oberbegriff für Erzg des Bundes und LErzg verstanden werden könnte. Daß schließlich mit Einführung des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ab 1. Januar 1989 der Zusatz „nach dem BErzGG” in § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht übernommen wurde, um die Erhaltung der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung auch bei Bezug von LErzg zu gewährleisten (vgl Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 1993, § 192 SGB V RdNrn 13 und 1 unter Hinweis auf die gesetzgeberischen Motive), steht der gewonnenen Auslegung des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG nicht entgegen, weil insoweit historische Entwicklung und Systematik zu einem anderen Schluß gelangen lassen. Bei dieser Sachlage verbietet sich mangels planwidriger Lücke auch eine analoge Anwendung des § 107 AFG auf das LErzg.
§ 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b und c AFG erfaßte somit zugunsten der Klägerin nur den Bezug von Mug (vom 15. März bis 2. Juni 1987) und von Erzg (vom 3. Juni 1987 bis 6. Februar 1988 sowie vom 10. März 1989 bis 9. März 1990). In beiden Alternativen ist die Anwendung der Vorschrift allerdings zusätzlich davon abhängig, daß eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bzw der Bezug einer laufenden Lohnersatzleistung nach dem AFG unterbrochen wurde. Auch diese Voraussetzung ist für jeden der drei Bezugszeiträume erfüllt, selbst wenn nicht jeder einzelne dadurch gekennzeichnet ist, daß er sich unmittelbar an eine beitragspflichtige Beschäftigung bzw den Bezug einer laufenden Lohnersatzleistung nach dem AFG anschloß oder gar von derartigen Zeiten dicht umrahmt ist. § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b und c AFG verlangt dies unter Berücksichtigung seiner historischen Entwicklung nach Wortlaut, Systematik und gesetzgeberischer Absicht nicht.
Buchst b der Vorschrift beruht auf einer Änderung durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532), die gleichzeitig Buchst a (Bezug von Krankengeld ≪Krg≫, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld bei bestehender Beitragspflicht nach § 186 AFG) betraf; die Beitragspflicht nach § 186 AFG wurde ihrerseits von der Unterbrechung einer beitragspflichtigen Beschäftigung oder des Bezugs einer laufenden Lohnersatzleistung nach dem AFG abhängig gemacht. In der Begründung des Regierungsentwurfs zur Änderung des § 186 AFG (BT-Drucks 10/335 S 86 zu Art 15 Nr 28) wird zur Auslegung des Begriffes „Unterbrechung” auf die Grundsätze verwiesen, die zum selben Begriff in § 1259 Abs 1 Nrn 1 bis 3 RVO entwickelt worden sind. Danach war und ist anerkannt, daß mehrere unmittelbar aufeinanderfolgende Ausfalltatbestände – jetzt Anrechnungstatbestände (§ 58 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫) – möglich sind und eine Unterbrechung schon anzunehmen ist, wenn der erste Anrechnungszeitraum eine Beschäftigung unterbrochen hat (vgl nur: BSGE 32, 229 ff = SozR Nr 32 zu § 1259 RVO; BSG SozR 2200 § 1259 Nr 23). Wie im Rentenversicherungsrecht wollte also der Terminus der „Unterbrechung” in § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b AFG nur die Bezieher der in Nr 5 Buchst b genannten Leistungen ausscheiden, die als nicht mehr zur Solidargemeinschaft gehörig anzusehen sind; eine strenge zeitliche Unmittelbarkeit läßt sich damit nicht vereinbaren. Gleiches muß dann auch für Nr 5 Buchst c gelten, der die Formulierung des Buchst b zwei Jahre später übernahm.
Daß der in § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b und c AFG geforderte Unterbrechungstatbestand nicht identisch ist mit der Forderung nach Unmittelbarkeit im Anschluß an eine beitragspflichtige Beschäftigung oder eine laufende Lohnersatzleistung, zeigt schließlich auch die Änderung des § 186 AFG durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) mit Wirkung ab 1. Januar 1992. Nunmehr sind für Zeiten des Bezugs von ua Krg nur noch dann Beiträge zu entrichten, wenn der Bezieher dieser Leistung unmittelbar vor deren Beginn in einer die Beitragspflicht nach diesem Gesetz begründenden Beschäftigung gestanden oder eine laufende Lohnersatzleistung nach dem AFG bezogen hat.
Die Auslegung des Begriffs „Unterbrechung” muß sich folglich an den für das Rentenversicherungsrecht entwickelten Grundsätzen orientieren, ohne diese jedoch unbesehen zu übernehmen. In diesem Sinne hat der Senat bereits mit Urteil vom 1. April 1993 (BSGE 72, 177, 181 = SozR 3-4100 § 112 Nr 13) entschieden, daß den anwartschaftsbegründenden Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung iS von § 107 AFG Zeiten des Bezugs von Mug und Erzg auch dann gleichstehen, wenn diese sich unmittelbar aneinander anschließen und nur der gesamte Zeitraum von Lohnersatzleistungen nach dem AFG umrahmt ist. Vorliegend hat die Klägerin nahtlos im Anschluß an eine beitragspflichtige Beschäftigung Mug bezogen, so daß der Bezug von Erzg unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des Senats im Anschluß an den Bezug von Mug zunächst einerseits den Unterbrechungstatbestand gewahrt hat und andererseits selbst gemäß § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG eine anwartschaftsbegründende Zeit darstellt.
Ob es wie im Rentenversicherungsrecht (vgl nur: BSGE 16, 120 ff = SozR Nr 4 zu § 1259 RVO) ausreicht, daß nur die erste gleichgestellte Zeit auf eine beitragspflichtige Beschäftigung folgt, ohne daß der Gesamtzeitraum aller gleichgestellten Zeiten von beitragspflichtigen Beschäftigungen oder dem Bezug von Lohnersatzleistungen nach dem AFG dicht umrahmt ist, bedarf keiner Entscheidung. Die Klägerin meldete sich nämlich nach der letzten gleichgestellten Zeit (Bezug von Erzg bis zum 9. März 1990) in einer den Tatbestand verwirklichenden Weise am vierten Werktag arbeitslos, so daß sich an die Zeit des Bezugs von Erzg bei Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen ohne Unterbrechung der Bezug einer Lohnersatzleistung (Alg) anschlösse. Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen an den Unterbrechungstatbestand selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß zwischen dem ersten und dem zweiten Bezugszeitraum von Erzg ein Jahr und drei Tage verflossen waren. Der Zeitraum ist geprägt von der durch den Bezug von LErzg dokumentierten Betreuung und Erziehung des ersten Kindes sowie die bevorstehende Geburt des zweiten Kindes und muß deshalb nach Sinn und Zweck der Vorschrift als den Unterbrechungstatbestand wahrende Überbrückungszeit zwischen dem ersten und zweiten Bezugszeitraum von Erzg gewertet werden.
Mit der Einführung des Erzg verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Erziehungskraft der Familie und die Anerkennung der Erziehungsleistung durch die Möglichkeit zur Wahl zwischen Familien- und Erwerbstätigkeit zu stärken (BT-Drucks 10/3792 S 1 und 13); § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG konkretisiert dieses Vorhaben für den Bereich der Arbeitsförderung. Absicht war es, eine Beeinträchtigung der sozialen Sicherheit des Erziehenden im Falle der Betreuung und Erziehung eines Kindes zu verhindern (BT-Drucks 10/3792 S 23), ein Anliegen, das in einer Vielzahl von Vorschriften des AFG zum Ausdruck kommt (vgl etwa § 46 Abs 1 Satz 3 Nr 1, § 49 Abs 1 Satz 2, § 59 Abs 1 Satz 5, § 112 Abs 2 Satz 2) und nicht zuletzt auch das Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27. Juli 1992 (BGBl 1398) bestimmt. Insbesondere Art 5 dieses Gesetzes (Anspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem dritten Lebensjahr) verdeutlicht, daß die Wahl, ein Kind bis zu dessen dritten Lebensjahr zu erziehen, noch keine Abkehr von der beruflichen Tätigkeit darstellt. Eine gesellschaftlich geförderte und zu fördende Erziehungsleistung darf dann aber die mit § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG verfolgten Zwecke nicht konterkarieren; die von der Klägerin bereits erworbenen anwartschaftsbegründenden Zeiten des Bezugs von Mug und Erzg dürfen also nicht durch einen dem gleichen Ziel folgenden Bezug von LErzg innerhalb der Rahmenfrist des § 104 Abs 2 und 3 AFG (drei Jahre) verlorengehen.
Wie im Rentenversicherungsrecht Überbrückungszeiten denkbar sind, die einen erforderlichen Unterbrechungstatbestand wahren (vgl nur BSG SozR 2200 § 1259 Nr 94 mwN), muß dies also prinzipiell auch für § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b und c AFG gelten. Entscheidend ist hier gleichwohl nicht der Bezug des LErzg,
sondern der diesem Bezug zugrundeliegende Tatbestand der Betreuung und Erziehung des ersten Kindes durch die Klägerin während der ersten drei Lebensjahre; ohne Bedeutung ist es somit, daß zwischen dem Bezug von LErzg und dem zweiten Erzg-Bezugszeitraum mehr als ein Monat lag (7. Februar bis 9. März 1989). Darüber hinaus müßte dieser Zeitraum auch im Hinblick darauf als anschlußwahrende Überbrückungszeit gewertet werden, daß der Klägerin nach §§ 3 Abs 2, 5 Abs 2 Mutterschutzgesetz eine Beschäftigung nicht zumutbar war. Wollte man die Nichtbeschäftigung der Klägerin während der Schutzfrist zum Anlaß nehmen, den von § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b und c AFG geforderten Unterbrechungstatbestand zu verneinen, würde die Schutzfunktion der Vorschrift in ihr Gegenteil gekehrt.
Nach alldem hat die Klägerin in der Rahmenfrist 694 Kalendertage an gleichgestellten Zeiten aufzuweisen, mithin die Anwartschaftszeit erfüllt, ohne daß die Zeit des Bezugs von LErzg einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt wäre. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG die erforderlichen Feststellungen zur Berufungsfähigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, zur Arbeitslosigkeit und zur Verfügbarkeit zu treffen und über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen