Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.08.1992) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. August 1992 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Ehemann der Klägerin, bei dem als Schädigungsfolge eine „bewährt inaktive Lungentuberkulose (Lungen-Tbc) mit Rundherden beiderseits” anerkannt war, ist 1984 an Leberversagen gestorben. Ein im selben Jahr gestellter Antrag der Klägerin auf Witwenrente nach § 38 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) blieb im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren in allen Instanzen ohne Erfolg. Die zum Tode führende Leberzirrhose lasse sich mit Wahrscheinlichkeit weder auf die anerkannte Schädigungsfolge Lungen-Tbc noch auf schädigende Einwirkungen während der sowjetischen Kriegsgefangenschaft zurückführen. Daran hielt der Beklagte auch in dem 1988 beantragten Zugunstenverfahren fest (Bescheid vom 19. Juli 1990). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. März 1991), nachdem es den Allgemeinarzt Dr. H … als Zeugen zu der Frage vernommen hatte, ob er dem Beschädigten Tuberkulostatika verordnet habe. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 21. August 1992). Für die zum Tode des Beschädigten führende Leberzirrhose kämen mehrere Ursachen in Betracht (eine Hepatitis oder schädigende Einwirkungen in der Kriegsgefangenschaft, die Lungen-Tbc, deren medikamentöse Behandlung und Alkoholgenuß des Beschädigten). Es lasse sich aber nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, welche dieser Ursachen letztlich zum Leberschaden geführt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verfahrensmängel. Das LSG habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, insbesondere zur Frage der Medikation mit Tuberkulostatika und zum angeblichen Alkoholkonsum des Beschädigten. Das Berufungsgericht habe außerdem verkannt, daß sich der Zusammenhang zwischen schädigenden Einwirkungen der Kriegsgefangenschaft und dem tödlichen Leiden mit Wahrscheinlichkeit aus dem überzeugenden, von Prof. Dr. W … im erstinstanzlichen Verfahren nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstatteten, Gutachten ergebe.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. August 1992 und des Sozialgerichts Koblenz vom 27. März 1991 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. Juli 1990 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Zurücknahme entgegenstehender früherer Bescheide Witwenrente nach § 38 BVG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat gemäß § 126 SGG ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage entschieden. Die ordnungsgemäß geladenen und zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beteiligten waren auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
An die Zulassung der Revision durch das LSG ist der Senat gebunden (§ 160 Abs 3 SGG), obwohl ein Zulassungsgrund nicht ersichtlich ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 21). Das LSG hat die Revision nach „§ 160 Abs 2 SGG” zugelassen. Es hat aber keinen Hinweis gegeben, worin es die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes sieht. Auch der Senat hat keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erkennen können, die bei der Entscheidung dieses Rechtsstreits zu beantworten wäre. Ebensowenig liegt eine Divergenz vor. Auch die Klägerin hat keine grundsätzliche Rechtsfrage und keine Abweichung aufgezeigt.
Die von der Klägerin behaupteten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist unbegründet. Die Klägerin legt nicht dar, weshalb das LSG sich von seinem Rechtsstandpunkt hätte gedrängt fühlen müssen, durch Vernehmung eines Mitpatienten des Beschädigten während einer dreimonatigen Kur im Jahre 1950 die Frage der Medikation mit Tuberkulostatika weiter aufzuklären. Nach Auffassung des LSG ließ sich eine wesentliche Mitverursachung des Leberleidens durch Medikamenteneinnahme nicht feststellen, weil nicht objektivierbar war, in welcher Dosierung der Beschädigte während welchen Zeitraumes welche Medikamente hat zu sich nehmen müssen. Die Klägerin hätte darlegen müssen, zu welchen Ergebnissen die von ihr für notwendig gehaltene Beweisaufnahme in diesen Punkten geführt hätte. Daran fehlt es. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß der Zeuge auch zur Frage der Dosierung und der Einnahmedauer hätte Angaben machen können.
Ohne Verfahrensfehler hat das LSG die Aussage des Zeugen Dr. H … vor dem SG verwertet. Eine neuerliche Vernehmung im Berufungsverfahren war nicht notwendig. Zwar verlangt § 117 SGG, Beweise in mündlicher Verhandlung zu erheben. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit von Beweisaufnahmen fordert aber nicht, daß eine erstinstanzliche Zeugenvernehmung im Berufungsverfahren stets wiederholt wird. Das Berufungsgericht kann Niederschriften über frühere Beweisaufnahmen verwerten. Das gilt jedenfalls, solange es nicht zu anderen Schlüssen kommt als die Vorinstanz, so zB die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will (vgl Kopp, VwGO, 9. Aufl 1992, § 96 Rz 6). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Das LSG hat aus den widersprüchlichen Angaben des Zeugen Dr. H … denselben Schluß gezogen wie das SG: es hat die detaillierten Angaben zur Verordnung von Tuberkulostatika nicht geglaubt.
Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist auch insoweit nicht begründet, als die Klägerin die auf anamnestische Angaben des Beschädigten gestützten Feststellungen des LSG zum Alkoholgenuß angreift. Die Klägerin hätte darlegen müssen, welche Ermittlungen das LSG im einzelnen hätte anstellen müssen. Statt dessen wiederholt die Klägerin lediglich ihre eigene Behauptung, daß der Beschädigte keinen Alkohol getrunken habe.
Soweit die Klägerin geltend macht, das ihr günstige Gutachten von Prof. Dr. W … sei überzeugend und widerlege eindrucksvoll das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M … zum B …, dem das Gericht gefolgt sei, setzt sie an die Stelle der Beweiswürdigung des Gerichts lediglich ihre eigene. Ein Verfahrensfehler wird damit nicht gerügt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen