Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 6. März 1990 bis 31. August 1990.
Der 1930 geborene Kläger meldete sich am 6. März 1990 arbeitslos und beantragte Alg, nachdem er zuvor in der Zeit vom 15. August 1989 bis 28. Februar 1990 als Sachbearbeiter beschäftigt gewesen war. Seit 1. August 1989 bezog er von seiner früheren Arbeitgeberin, der V. - und W. AG in H. , bei der er von 1965 bis 31. Juli 1989 gearbeitet hatte, monatlich eine als Vorruhestandsgeld bezeichnete Leistung in Höhe von zunächst 4.769,-- DM brutto; vorgesehen war eine Erhöhung, wie sie jeweils für die Gehälter der aktiven Arbeitnehmer vorgenommen wurde. Die vertragliche Vereinbarung vom 21. Juni 1989, vom Kläger unterschrieben am 29. Juni 1989, sah die Zahlung dieser Leistung unter anderem bis zum Bezug von Altersruhegeld bzw. Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit vor, längstens jedoch bis zum 65. Lebensjahr. Mit Schreiben vom 21. Juni 1989 war dem Kläger gleichzeitig seinem Wunsch entsprechend die Erlaubnis erteilt, während des Vorruhestandes eine "Nebenbeschäftigung" auszuüben.
Mit Bescheid vom 26. April 1990 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg ab, weil der Anspruch wegen des Bezugs von Vorruhestandsgeld gemäß § 118b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 1990 zurückgewiesen, dem Kläger zugegangen am 6. August 1990.
Auf die am 6. September 1990 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hamburg die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den streitigen Zeitraum Alg zu gewähren, weil Vorruhestandsgeld i.S. des § 118b AFG nur eine nach dem Vorruhestandsgesetz (VRG) relevante Leistung sein könne. Das VRG sei jedoch nach seinem § 14 ab 1. Januar 1989 nur noch anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch auf Zuschuß bereits vor dem 1. Januar 1989 vorgelegen hätten. Nach § 117 Abs. 2 AFG ruhe der Anspruch nicht, da das Arbeitsverhältnis des Klägers von der früheren Arbeitgeberin am 29. Juni 1989 zum 31. Dezember 1989 hätte gekündigt werden können (Urteil vom 15. August 1991). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil § 118b AFG auch auf Vorruhestandsgeld außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des VRG Anwendung finde, so daß der Alg-Anspruch des Klägers während des Bezugs des Vorruhestandsgeldes geruht habe (Urteil vom 27. Februar 1992).
Mit der Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 118b AFG. Er ist der Ansicht, die von seiner früheren Arbeitgeberin gewährte Leistung sei kein Vorruhestandsgeld i.S. des § 118b AFG, da die Vorschrift nur eingreife, wenn die Beklagte im Rahmen des VRG Zuschüsse gewähre. Die Beklagte solle nämlich vor einer doppelten Verpflichtung geschützt werden, also nicht einerseits Zuschüsse zu den dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen und andererseits nach § 100 AFG Alg zahlen. Zuschüsse der Beklagten kämen schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil § 14 VRG eine Anwendung dieses Gesetzes über den 31. Dezember 1988 hinaus nur anordne, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erstmals vor dem 1. Januar 1989 vorgelegen hätten. Zudem enthalte der zwischen ihm und seiner früheren Arbeitgeberin erst am 29. Juni 1989 geschlossene Vertrag nicht die für den Vorruhestand typische Regelung, daß der Arbeitnehmer seine Erwerbstätigkeit beende. Der Vertragstext sei zwar in Inhalt und Form einer echten Vorruhestandsvereinbarung angenähert; im Ergebnis sei er jedoch eine Abfindungsregelung mit Weiterarbeitsgenehmigung. Das LSG habe den Vertrag nicht richtig ausgelegt, da es nicht auf den wirklichen Parteiwillen abgestellt habe (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Es könne nicht Rechtens sein, daß er (der Kläger) einerseits bei ihm von der vormaligen Arbeitgeberin genehmigter - also für die Abfindung unschädlicher - Erwerbstätigkeit zu Beitragsleistungen für die Beklagte herangezogen werde, andererseits aber im Falle von Arbeitslosigkeit auf Dauer vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei; dies verstoße gegen Art 3 Grundgesetz (GG) und verwandele den Versicherungsbeitrag unzulässigerweise in eine Steuer. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen des § 117 AFG für ein Ruhen des Alg-Anspruchs nicht vor.
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie ist der Ansicht, gemäß § 118b AFG ruhe der Alg-Anspruch des Klägers wegen des Bezugs von Vorruhestandsgeld. Voraussetzung sei nicht, daß der Kläger aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist. Daß der Einzelfall hier in seiner konkreten Ausgestaltung nicht der vom Gesetzgeber angenommenen typischen Konstellation entspreche, stehe der Anwendung des § 118b AFG nicht entgegen, weil Typisierungen zur Ordnung von Massenerscheinungen mit dem Sozialstaatsgebot des Art 20 GG vereinbar seien. Gegen die Anwendung des § 118b AFG spreche nicht, daß der Kläger in seiner letzten Beschäftigung (vom 15. August 1989 bis 28. Februar 1990) beitragspflichtig gewesen sei, andererseits aber Alg nicht beziehen könne. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe die Beitragspflicht von Personen, die keinen oder nur einen geringen Nutzen aus dem System der sozialen Sicherheit zögen, als mit der Verfassung vereinbar angesehen, da das Arbeitsförderungsrecht nicht vom Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Beitrag bestimmt sei.
II
Die Revision ist i.S. der Zurückverweisung an das LSG begründet. Insbesondere war die Klage nicht wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig (§ 87 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), was der Senat von Amts wegen zu überprüfen hat (BSGE 3, 293, 297). Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger nämlich entgegen §§ 85 Abs. 3 Satz 1, 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 2 bis 9 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) nicht ordnungsgemäß zugestellt; ausweislich der Leistungsakte wurde er als einfacher Brief statt als Einschreiben am 2. August 1990 abgesandt. Gemäß § 9 Abs. 2 VwZG war dieser Formmangel nicht durch den tatsächlichen Zugang heilbar. Im übrigen hat der Kläger den Bescheid erst am 6. August 1990, einem Montag, erhalten, so daß die Klage am 6. September 1990 selbst dann rechtzeitig erhoben wäre (vgl. § 64 Abs. 2 SGG), wenn eine Zustellung mittels eingeschriebenen Briefes erfolgt wäre (§ 4 Abs. 1 VwZG).
Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 26. April 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 1990 (§ 95 SGG). Ob die Beklagte darin den Antrag des Klägers auf Alg zu Recht abgelehnt hat, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Das gilt schon für die Frage, ob ein Anspruch des Klägers auf Alg nach § 118b AFG - eingeführt mit Wirkung ab 1. Mai 1984 durch das Gesetz zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand vom 13. April 1984 (BGBl. I 601) - geruht hat, wovon das LSG ausgegangen ist.
Nach § 118b AFG ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die der Arbeitslose Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 v.H. des Bruttoarbeitsentgelts i.S. des § 3 Abs. 2 VRG bezieht. Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger von seinem früheren Arbeitgeber seit 1. August 1989 monatlich Leistungen bezogen, die als Vorruhestandsgeld bezeichnet waren. Allein aus dieser Bezeichnung rechtfertigt sich nicht die Annahme des LSG, § 118b AFG sei einschlägig. Das LSG hat zwar, ohne daß dies von der Beklagten mit der Revision angegriffen ist (§ 164 Abs. 2 Satz 3 SGG), im Urteil ausgeführt, der Kläger habe ab 1. August 1989 mit 4.769,-- DM 75% seines letzten monatlichen Bruttogehalts von seiner früheren Arbeitgeberin als Vorruhestandsgeld erhalten. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit der Senat an die darin enthaltene Berechnung nach § 163 SGG gebunden ist. Die Annahme, diese Leistung sei Vorruhestandsgeld, stellt jedenfalls eine rechtliche Wertung dar, die das Revisionsgericht zu überprüfen berechtigt und verpflichtet ist.
Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des LSG, daß die als Vorruhestandsgeld bezeichnete Leistung entsprechend den Anforderungen des § 118b AFG mindestens 65% des Bruttoarbeitsentgelts i.S. des § 3 Abs. 2 VRG erreicht. Danach ist maßgebend das Arbeitsentgelt, das der Kläger vor August 1989 in den letzten abgerechneten, insgesamt 6 Monate umfassenden Lohnabrechnungszeiträumen durchschnittlich erzielt hat, soweit es im jeweiligen Monat die Beitragsbemessungsgrenze des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AFG nicht überschritten hat.
Der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 1 VRG macht bereits hinreichend deutlich, daß Ausgangspunkt für die Bildung des prozentualen Wertes von 65% maximal die monatliche Beitragsbemessungsgrenze des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AFG - hier i.d.F. des am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2343) - ist (vgl. zum mit § 118b AFG wortgleichen § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a und § 3 Abs. 2 VRG: BSG SozR 3-7825 § 3 Nr. 1; Andresen/Barton/Kuhn/Schenke/Weinmann, Vorruhestand, Stand 31. Januar 1991, Teil 5 Rdnrn. 7 ff. und Teil 8 Rdnr. 21; Rudolf Becker, Das neue VRG, 1. Aufl., 1984, S. 24; Pröbsting, VRG, 1984, S. 23; ders, DB 1984, 1777, 1779; von Einem, ZfS 1985, 12, 13; Siegers, NZA 1984, 7, 10). Es bedurfte demnach, da die Leistung der früheren Arbeitgeberin des Klägers 65% der Beitragsbemessungsgrenze (= 6100,-- DM im Jahre 1989; § 3 Sozialversicherungs-Bezugsgrößenverordnung 1989) überstieg, nicht der Feststellung des individuellen Durchschnittsverdienstes. Daß damit bei Verdiensten oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze wie beim Kläger der individuelle Verdienststandard nicht zwingend gewahrt bleibt, entspricht der gesetzgeberischen Absicht. Über § 3 Abs. 2 VRG selbst sollten die Finanzmittel der Beklagten durch Begrenzung der Zuschüsse geschont werden (Pröbsting, DB 1984, 1777, 1779); diese auf die Zuschüsse bezogene Begrenzung greift § 118b AFG auf, weil Vorruhestandsgeld in Höhe von 65% des Bruttoarbeitsentgelts bis zur Beitragsbemessungsgrenze nach Abzug von Steuern und Beiträgen etwa 70% des daraus errechneten Nettoarbeitsentgelts entspricht (BT-Drucks 10/880 S. 15 zu § 2 VRG) und so noch immer ein Standard wie bei ansonsten zu zahlendem Alg erreicht wird.
Zweifelhaft ist jedoch, ob die dem Kläger gezahlten Leistungen Vorruhestandsgeld i.S. des § 118b AFG sind bzw. waren. Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 118b AFG grundsätzlich auf jegliches Vorruhestandsgeld im Rechtssinne anzuwenden, auch soweit es außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des VRG gezahlt wird, wobei es keiner Entscheidung über die Rechtslage beim Vorruhestandsgeld nach Anlage 2 Kapitel VIII Sachgebiet E Abschn III Nr. 5 des Einigungsvertrages bedarf. Diese Auslegung des § 118b AFG ergibt sich bereits aus seiner Entstehungsgeschichte. In das Gesetz eingefügt wurde er durch Art 3 des Gesetzes zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand, dessen Art 1 das VRG beinhaltet, mit dem unter bestimmten Voraussetzungen ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Arbeitgebers auf Zuschüsse zum an den Arbeitnehmer gezahlten arbeitsrechtlichen Vorruhestandsgeld normiert wurde (vgl. hierzu BSG SozR 3-7825 § 5 Nr. 2 m.w.N.).
Gemäß § 14 VRG ist das VRG zwar in der Weise befristet, daß es für die Zeit ab 1. Januar 1989 nur noch anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch auf Zuschüsse (vgl. hierzu BSG SozR 3-7825 § 14 Nr. 1) erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben, was hier nicht der Fall ist; jedoch machen die Ausführungen im Regierungsentwurf (BT-Drucks 10/880 S. 2: "Die Zuschußregelung ist … bis Ende 1988 befristet") deutlich, daß § 14 VRG keine förmliche Befristung für die Anwendung des § 118b AFG darstellt. In der Begründung zu § 118b AFG (BT-Drucks 10/880 S. 19) heißt es demgemäß nur, die Vorschrift bestimme, daß Bezieher von Vorruhestandsgeld i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a des VRG kein Alg erhalten. Diese Personen gehörten nicht zum Kreis der durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer, weil Vorruhestandsgeld nur erhalte, wer aus dem Arbeitsleben ausscheide. Soweit § 118b AFG auf § 3 Abs. 2 VRG Bezug nimmt, betrifft das ausschließlich die Höhe des gezahlten arbeitsrechtlichen Vorruhestandsgeldes, das als private Leistung des Arbeitgebers auch völlig unabhängig von den Voraussetzungen des VRG gezahlt werden konnte und weiterhin gezahlt werden kann.
§ 118b AFG unterliegt auch inhaltlich, d.h. nach seinem materiellen Gehalt, keiner zeitlichen Einschränkung. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung des VRG mit § 118b AFG nicht nur eine isolierte sozialversicherungsrechtliche Regelung im AFG geschaffen, sondern außerdem bei vorbestehender Versicherungspflicht eine fortdauernde Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für Empfänger von Vorruhestandsgeld normiert und diese ersichtlich nicht an die Befristung des Zuschusses gekoppelt. So wird zur gesetzlichen Krankenversicherung (BT-Drucks 10/880 S. 19 zu Art 4 Nr. 1) näher erläutert, daß für die Versicherungspflicht ohne Bedeutung sei, ob die Voraussetzungen für die Zahlung des Zuschusses durch die Bundesanstalt für Arbeit vorlägen. Dies gelte auch für die Fälle, in denen wegen der Befristung der Zuschußregelung kein Zuschuß mehr gezahlt werde. In ähnlicher Weise ist in der Begründung zur Rentenversicherungspflicht formuliert (BT-Drucks 10/880 S. 19 zu Art 4 Nr. 6), die Bezieher von Vorruhestandsgeld sollten unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Zuschußgewährung nach dem VRG erfüllt seien, in der Rentenversicherung versicherungspflichtig bleiben.
Obwohl die Begründung zu § 118b AFG entsprechende Ausführungen nicht enthält, muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber die Situation dieser Vorschrift nicht anders gesehen hat und auch nicht anders sehen wollte, weil § 118b AFG und die Einbeziehung von Vorruhestandsgeldempfängern in die gesetzliche Kranken- bzw. Rentenversicherung notwendigerweise eine Einheit darstellen (im Ergebnis ebenso: Andresen/Barton/Kuhn/Schenke/Weinmann, Vorruhestand, Stand 31. Januar 1991, Teil 16 Rdnrn. 7 ff.; Siegers/Reichling/Müller, Vorruhestand/59er-Regelung, 2. Aufl., 1985, Erläuterung zu § 14 VRG; Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, SGB V, Stand Oktober 1992, § 5 Rdnr. 24; Hauck/Haines, SGB V, Stand November 1992, § 5 Rdnr. 343; Lueg/von Maydell/Ruland, GK-SGB VI, Stand November 1992, § 3 Rdnr. 62; Hungenberg, WzS 1989, 1, 2). Während nämlich bei vorzeitigem freiwilligem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gegen Zahlung eines Vorruhestandsgeldes ein soziales Schutzbedürfnis für eine Einbeziehung in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen zu bejahen ist, fehlt ein solches für die Arbeitslosenversicherung, so daß es einerseits keiner Beitragspflicht und andererseits bei entsprechender Höhe des Vorruhestandsgeldes keiner sonstigen Lohnersatzleistung bedarf; die Vorschriften müssen als sozialversicherungsrechtliches Gesamtkonzept verstanden werden.
Mit Wirkung ab 1. Januar 1989 ist deshalb durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) in § 5 Abs. 3 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) weiterhin eine Pflichtversicherung bei Bezug von Vorruhestandsgeld vorgesehen, ohne daß dem Wortlaut eine Anknüpfung an den zeitlichen Geltungsbereich des VRG zu entnehmen ist. Im Gegenteil wird in § 5 Abs. 3 SGB V nur auf den Bezug von Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 v.H. des Bruttoarbeitsentgelts i.S. des § 3 Abs. 2 VRG und die unmittelbare vorherige Versicherungspflicht abgestellt. Auch hier verweist das Gesetz nur wegen der Höhe des gezahlten Vorruhestandsgeldes auf das VRG.
Schließlich enthält § 3 Nr. 4 des durch das Rentenreformgesetz (RRG) mit Wirkung ab 1. Januar 1992 eingeführten Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) eine Einbindung von Vorruhestandsgeldempfängern in die gesetzliche Rentenversicherung, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren. Nach der Systematik des SGB VI, wonach Sonderregelungen für Sachverhalte, die vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften der vorangehenden Kapitel an nicht mehr oder nur noch übergangsweise eintreten können (§ 228 SGB VI), im 1. Abschnitt des 5. Kapitels, also in §§ 228 ff. SGB VI, aufgeführt sind, müßte § 3 Nr. 4 SGB VI bei Zugrundelegung der Auffassung des Klägers und der erforderlichen einheitlichen sozialversicherungsrechtlichen Betrachtungsweise in diesem Teil des SGB VI zu finden sein, nicht jedoch im 1. Kapitel.
Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht die Anwendung des § 118b AFG auf das arbeitsrechtlich gezahlte Vorruhestandsgeld in den Fällen, in denen der Arbeitgeber keinen Zuschuß von der Beklagten erhält, generell Wortlaut und Teleologie der Vorschrift. Absicht des Gesetzgebers war es (vgl. BT-Drucks 10/880 S. 13), mit dem Gesetz zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit zu schaffen, ihre Arbeitsplätze insbesondere für Jugendliche der geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren auf den Arbeitsmarkt drängten, vorzeitig freizumachen, indem jene zugunsten dieser jüngeren Jahrgänge früher in den Ruhestand eintreten konnten. Dabei ging der Gesetzgeber von folgender Konzeption aus: Der Arbeitgeber zahlt aufgrund eines Tarifvertrags oder einer Einzelvereinbarung die Vorruhestandsleistung an freiwillig ausscheidende ältere Arbeitnehmer; das Gesetz selbst sollte hierauf aufbauend einmal die Voraussetzungen für die Zahlung eines Zuschusses zur privatrechtlichen Leistung des Arbeitgebers an diesen festlegen, zum anderen im Zusammenhang mit der frei zu vereinbarenden tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Vorruhestandsregelung einen Mindestrahmen für die soziale Absicherung der ausgeschiedenen Arbeitnehmer und die Sicherstellung der Wiederbesetzung der Arbeitsplätze schaffen. Immer sollte es der Entscheidung des einzelnen Arbeitnehmers überlassen bleiben, ob er vom angebotenen Vorruhestand Gebrauch machen wollte (BT-Drucks 10/880 S. 13). Angesichts des durch das VRG prognostizierten beschäftigungspolitischen Effektes (BT-Drucks 10/880 S. 1 und 13) - i.S. einer Entlastung des Arbeitsmarktes - ist es für die Anwendung von § 118b AFG unerheblich, ob dem Arbeitgeber für die Vorruhestandsleistung Zuschüsse gewährt werden. Das den 31. Dezember 1988 überdauernde Ziel der Entlastung des Arbeitsmarktes, dem die Regelungen über die Pflichtversicherung als zweiter Strang des Gesamtkonzeptes dienen sollten, würde geradezu in sein Gegenteil gekehrt, wenn diejenigen, denen Vorruhestandsgeld in maßgeblicher Höhe wegen und bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit gezahlt wird, nunmehr bei Arbeitslosmeldung - ob vor dem 1. Januar 1989 oder später - Alg erhalten könnten. Hierbei kann dahinstehen, ob nicht § 118b AFG ohnedies nur klarstellende Funktion hat, weil Vorruheständler schon nach § 101 AFG nicht arbeitslos sein können (vgl. hierzu Brocke, SGb 1984, 501, 504). Sind sie doch vom Handlungsziel her auf Dauer ohne Beschäftigung, während Arbeitslosigkeit i.S. des § 101 AFG eine nur vorübergehende Beschäftigungslosigkeit meint. § 118b AFG hat damit nicht vorrangig, geschweige denn ausschließlich das Ziel, Doppelleistungen der Beklagten zu verhindern.
Nicht jede Leistung des Arbeitgebers, in der nach § 118b AFG i.V.m. § 3 Abs. 2 VRG maßgeblichen Höhe führt indes zum Ruhen des Alg-Anspruchs, wie schon der Umstand zeigt, daß der Gesetzgeber den spezifischen Begriff des Vorruhestandsgeldes zur näheren Kennzeichnung der "Leistungsart" gewählt hat. Wäre alleine die Höhe entscheidend, würden zudem entgegen den vergleichbaren Regelungen der §§ 117, 118 AFG systemwidrige Bedürftigkeitsgesichtspunkte für die Gewährung von Alg bedeutsam werden, so daß sich verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art 3 Abs. 1 GG hieraus ergäben. Dies um so mehr, als § 118b AFG als Norm, die einen grundsätzlich bestehenden Anspruch einschränkt, eng auszulegen ist. Wenngleich der Begriff "Vorruhestandsgeld" insoweit offen ist, als seine Auslegung terminologisch nicht zwingend ein "Sich-zur-Ruhe-Setzen" des Arbeitnehmers verlangt, so geht er doch inhaltlich davon aus, daß der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und deswegen vom Arbeitgeber einen Ausgleich in Form monatlicher Lohnersatzleistungen erhält. Beleg dafür ist die Begründung zu § 118b in der BT-Drucks 10/880 (S 19), wenn dort formuliert ist, daß Vorruhestandsgeld nur erhalte, wer aus dem "Arbeitsleben" ausgeschieden sei. § 118b AFG greift erkennbar auf eine in der gesellschaftlichen Wirklichkeit existierende arbeitsrechtliche Bezeichnung zurück, deren Deutung sich dann auch am üblichen Verständnis ausrichten muß.
Dieses hat ungeachtet einer anderen Formulierung mit gleichem Inhalt seine Ausprägung in § 1 Abs. 1 VRG gefunden. Wie für die Gewährung eines Zuschusses gemäß § 1 Abs. 1 VRG erforderlich ist, daß der Arbeitnehmer seine Erwerbstätigkeit beendet (Faude/Schüren, VRG, 1. Aufl., 1985, § 1 Rdnr. 10; Pröbsting, VRG, 1984, S. 12; Grüner/Dalichau, VRG/Altersteilzeitgesetz, Stand 1. Dezember 1991, Teil B 2, § 1 Anm. III S. 12; Oetker, RdA 1986, 295, 299 f.; Siegers, NZA 1984, 7, 8; Pröbsting, DB 1984, 1777; ders, DOK 1984, 630, 635; von Einem, ZfS 1985, 12, 13), so ist in gleicher Weise sowohl für die Pflichtversicherung in Kranken- und Rentenversicherung als auch für das Ruhen des Alg-Anspruchs nach § 118b AFG essentielle Voraussetzung, daß die Arbeitgeberleistung gezahlt wird, weil der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben auszuscheiden beabsichtigt (im Ergebnis wohl auch von Einem, ZfS 1985, 12, 13). Nur dieser Umstand nämlich begründet eine besondere Schutzbedürftigkeit mit dem Erfordernis der Pflichtversicherung; nur dies rechtfertigt die Annahme des Gesetzgebers zu § 118b AFG, wer Vorruhestandsgeld erhalte, sei ohnedies aus dem "Arbeitsleben" (= Erwerbsleben) ausgeschieden. Alleine die Bezeichnung einer Leistung als Vorruhestandsgeld kann dies nicht bewirken; entscheidend kommt es vielmehr auf den konkreten Inhalt der Parteivereinbarung an. Die besondere sozialversicherungsrechtliche Absicherung unter gleichzeitiger Einschränkung des Alg-Bezugs ist i.S. von § 118b AFG nur dann sanktioniert, wenn das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben die von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzte Grundlage für den Abschluß der Vorruhestandsvereinbarung ist. Umgekehrt bedeutet dies, daß das Einigsein über eine weitere Erwerbstätigkeit des ausscheidenden Arbeitnehmers oder das Einigsein über seine (ersatzweise) Berechtigung zur Arbeitslosmeldung (vgl. zur Schädlichkeit der Arbeitslosmeldung für den Zuschuß nach dem VRG: Pröbsting, VRG, a.a.O.; Siegers, a.a.O.; Oetker, a.a.O.; vgl. auch Faude/Schüren, a.a.O., Einführung Rdnr. 43) der vereinbarten Leistung den Charakter des Vorruhestandsgeldes i.S. des § 118b AFG nimmt. Im übrigen wird gerade durch eine Arbeitslosmeldung der Wille manifestiert, weiterhin erwerbstätig zu sein.
Um Wertungswidersprüche zum VRG zu verhindern, sind folglich dessen Regelungen für die Beurteilung heranzuziehen, wann ein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vorliegt. So relativiert § 6 VRG die Vorschrift des § 1 Abs. 1 VRG dahin, daß geringfügige Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten i.S. des § 8 Viertes Buch des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) unschädlich sein sollen (§ 6 Abs. 1 VRG); gleiches soll nach § 6 Abs. 2 VRG für alle Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten gelten, die der ausgeschiedene Arbeitnehmer schon innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Vorruhestandsleistung ständig neben einer mehr als geringfügigen Beschäftigung ausgeübt hat. Zumindest die in § 6 Abs. 1 VRG enthaltene normative Wertung muß für die Auslegung des Begriffs "Beendigung der Erwerbstätigkeit" nutzbar gemacht werden (Faude/Schüren, a.a.O., § 1 Rdnr. 10; Oetker, a.a.O., S. 299 f.; vgl. auch die Überlegungen bei Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand August 1992, Erläuterungen zu § 118b), so daß die Einigkeit der Vertragsparteien über die Aufnahme derartiger beschränkter Tätigkeiten trotz Vorruhestands der Annahme der Zahlung eines Vorruhestandsgeldes i.S. des § 118b AFG nicht im Wege stände. Ob dies auch für § 6 Abs. 2 VRG gelten kann, läßt der Senat offen, weil dessen Voraussetzungen hier nicht vorliegen.
Die Auslegung des Begriffs "Vorruhestandsgeld" muß einer weiteren normativen Vorgabe Rechnung tragen. Wegen der Freiwilligkeit der vom Arbeitnehmer zugunsten des Vorruhestandes gefällten Entscheidung ist ihm auch die Befugnis zuzugestehen, diese zu einem späteren Zeitpunkt zu revidieren, also den Entschluß zu fassen, entweder wieder eine mehr als geringfügige Erwerbstätigkeit aufnehmen oder sich arbeitslos zu melden (Faude/Schüren, a.a.O., Einführung Rdnr. 167; Pröbsting, VRG, S. 12; ders, DOK 1984, 630, 635; Oetker, RdA 1986, 295, 299). Tut er dies und hat der Arbeitgeber bereits mit oder bei der Vorruhestandsvereinbarung für diesen Fall gleichwohl die Umbesinnung des Arbeitnehmers durch Übernahme der Verpflichtung zur gleichbleibenden Fortzahlung der Leistung gebilligt, so verliert die Leistung ihren Charakter als Vorruhestandsgeld und bietet weder eine Grundlage für eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-bzw Rentenversicherung noch für ein Ruhen des Alg-Anspruchs gemäß § 118b AFG. Gleiches gilt, falls der Arbeitgeber in Kenntnis der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers über der Geringfügigkeitsgrenze oder seiner Arbeitslosmeldung bewußt und gewollt "Vorruhestandsgeld" weiterzahlt. Ein unwirksamer Verzicht i.S. von § 46 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) ist hierin nicht zu sehen, weil das Vorruhestandsgeld als privatrechtliche Leistung des Arbeitgebers keine Sozialleistung i.S. des § 11 SGB I und der Arbeitgeber somit kein Leistungsträger ist.
Anders ist die Rechtslage, wenn der Ruheständler ein Beschäftigungsverhältnis im bezeichneten Umfang wiederaufnimmt bzw. sich arbeitslos meldet, ohne daß der Arbeitgeber diese Entscheidung mitträgt. Unabhängig davon, ob bzw. inwieweit der Arbeitgeber für diesen Fall arbeitsrechtlich einen Anspruch auf Rückzahlung des Vorruhestandsgeldes gegen den Arbeitnehmer besitzt, bleibt jedenfalls die gezahlte Leistung Vorruhestandsgeld, da die einmal im Einvernehmen der Parteien getroffene vertragliche Zweckbestimmung rechtlich nicht einseitig geändert werden kann durch Schaffung bestimmter Fakten. Im Rahmen des § 118b AFG vergleichbaren § 118 AFG ist anerkannt, daß das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs nicht ausreicht, um den Alg-Anspruch zum Ruhen zu bringen (BSG SozR 3-4100 § 118 Nr. 3; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand August 1992, § 118 Rdnr. 3; Gagel, AFG, Stand Mai 1991, § 118 Rdnr. 7a; GK-AFG, Stand November 1992, § 118 Rdnrn. 11 ff.); in Umkehrung dieser Situation muß der tatsächliche Bezug von Vorruhestandsgeld bei § 118b AFG selbst dann genügen, wenn der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer einen Erstattungsanspruch hätte. § 118b AFG stellt nämlich nicht auf den rechtmäßigen Erhalt der Leistung ab (so auch zu § 3 SGB VI Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI -, Stand Mai 1992, § 3 Rdnr. 25). Unbilligkeiten müßte an anderer Stelle, etwa im Rahmen des eventuellen Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, Rechnung getragen werden.
Die Lösung der bezeichneten Probleme erfordert im vorliegenden Rechtsstreit eine Auslegung der zwischen dem Kläger und seiner früheren Arbeitgeberin getroffenen Vorruhestandsvereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Feststellung weiterer Tatsachen. Obwohl das Revisionsgericht die Auslegung einer Erklärung, also die Ermittlung ihres rechtlichen Inhalts, anhand der Auslegungsregeln des materiellen Rechts überprüfen darf, ist es bei Notwendigkeit zur Überprüfung konkreter Verhältnisse, unter denen die Erklärung abgegeben worden ist, bzw. dessen, was die Beteiligten tatsächlich gewollt haben, an eigenen Ermittlungen gehindert (zur Problematik insgesamt: Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand Juli 1991, § 162 Rdnrn. 63 und 64; BSGE 52, 47, 52 = SozR 4100 § 117 Nr. 7). Infolgedessen muß das LSG zunächst umfassend feststellen, was die Beteiligten im einzelnen erklärt haben, um eine Überprüfung zu ermöglichen.
Bereits hieran fehlt es vorliegend, weil das LSG weder auf die Vorruhestandsvereinbarung selbst noch auf die Genehmigung der "Nebentätigkeit" im einzelnen eingegangen ist, obwohl der Kläger vorgetragen hat, er und seine Arbeitgeberin seien sich darüber einig gewesen, daß er nicht aus dem Erwerbsleben ausscheide. Soweit das Urteil die Aussage enthält, der Kläger sei vom 15. August 1989 bis 28. Februar 1990 "mit Erlaubnis" seiner ehemaligen Arbeitgeberin beschäftigt gewesen, handelt es sich substantiell um eine rechtliche Wertung ohne die Wiedergabe der zugrundeliegenden Fakten. Offenbar hat das LSG diese rechtliche Wertung der Genehmigung vom 21. Juni 1989 zur Ausübung einer Nebenbeschäftigung entnommen, ohne indes Feststellungen zum Umfang der Beschäftigung zu treffen und zu prüfen, ob es sich insoweit um eine Nebenbeschäftigung i.S. dieser Erlaubnis handelt. Aus der Bezeichnung als Nebenbeschäftigung alleine kann nicht abgeleitet werden, dem Kläger sei eine Beschäftigung nur in gewissem zeitlichem Rahmen erlaubt worden. Anders ausgedrückt: Sollten sich die Vertragsparteien erkennbar einig gewesen sein, daß der Kläger trotz Bezugs der als Vorruhestandsgeld bezeichneten Leistung ohne zeitliche Begrenzung arbeiten durfte, so würde sogar eine falsche Bezeichnung als "Nebenbeschäftigung" nicht schaden. Immerhin bietet der vom LSG festgestellte Sachverhalt gewisse Anhaltspunkte, die gegen ein beabsichtigtes Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben sprechen können, da der Anspruch auf "Vorruhestandsgeld" schon bei Bezug von Berufsunfähigkeitsrente - also gewissermaßen einer "Teilrente" - entfallen soll; allerdings reicht dies allein für eine Entscheidung darüber nicht aus, was die Vertragsparteien gewollt und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte vereinbart haben.
Sollte sich ergeben, daß nach den beschriebenen Kriterien im streitigen Zeitraum Vorruhestandsgeld i.S. des § 118b AFG nicht bezogen worden ist, könnte ein Ruhen des Anspruchs gemäß § 117 Abs. 2 und 3 AFG (hier i.d.F. des insoweit am 1. Juli 1989 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 30. Juni 1989 - BGBl. I 1297) mit der Notwendigkeit der "Kapitalisierung" der Leistung (vgl. BSG SozR 4100 § 118 Nr. 13 und BSG NZA 1985, 438, 439) in Betracht kommen, da es sich bei den von der früheren Arbeitgeberin des Klägers gezahlten Leistungen nicht um Arbeitsentgelt i.S. des § 117 Abs. 1 AFG (vgl. BSGE 52, 47 ff. = SozR 4100 § 117 Nr. 7) bzw. um eine Leistung i.S. des § 117 Abs. 1a AFG handelt und auch § 118 AFG (idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 - BGBl. I 1497) nicht eingreift. Ggf. wird das LSG auch hierzu noch weitere Feststellungen zu treffen haben. Nichts anderes gilt für die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Alg gemäß § 100 Abs. 1 AFG, die das LSG, ausgehend von seiner Rechtsansicht, § 118b AFG führe zum Ruhen des Anspruchs, konsequenterweise nicht erörtert hat, und für die Entscheidung über den Eintritt einer Sperrzeit anläßlich der Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses (zum 28. Februar 1990) gemäß § 119 AFG (hier i.d.F. des insoweit am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 - BGBl. I 2343) i.V.m. § 119a AFG (hier i.d.F. des am 1. Januar 1990 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verlängerung beschäftigungsfördernder Vorschriften vom 22. Dezember 1989 - BGBl. I 2406).
Sollte allerdings § 118b AFG zur Anwendung kommen, wäre es entgegen der Ansicht des Klägers nicht verfassungswidrig, daß er vom Leistungsbezug ausgeschossen ist, obwohl im Rahmen seiner Beschäftigung in der Zeit vom 15. August 1989 bis 28. Februar 1990 Beiträge an die Beklagte entrichtet wurden. Das BSG hat bereits mehrfach in Übereinstimmung mit dem BVerfG darauf hingewiesen, daß gerade die Ordnung der Arbeitslosenversicherung nicht von der Äquivalenz zwischen Beitrags- und Versicherungsleistung beherrscht wird (BVerfGE 51, 115, 124 f. = SozR 4100 § 112 Nr. 10; BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn. 1 und 11). Insoweit hat das BVerfG es gebilligt, daß Arbeitsentgelte solcher Arbeitnehmer der Beitragspflicht unterworfen werden, die wegen des Bezugs anderweitiger Leistungen im Falle der Arbeitslosigkeit regelmäßig überhaupt kein Alg erhalten können (BVerfGE 53, 313 ff. = SozR 4100 § 168 Nr. 12). Ohnedies ist dies eher eine Frage der Rechtmäßigkeit einer Belastung mit Beiträgen - die durch eine derartige Regelung mangels Bestimmung zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben nicht zur Steuer werden (vgl. zur Differenzierung etwa BVerfGE 14, 312, 318 und BVerfGE 75, 108, 148) -, als der des Ausschlusses vom Leistungsbezug. Mit einer Auslegung des Begriffs "Vorruhestandsgeld" im bezeichneten Sinne wird bei Anwendung des § 118b AFG auch sonstigen verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers in vollem Umfang Rechnung getragen. Letztlich führt nämlich § 118b AFG nur dann zum Ruhen eines Anspruchs auf Alg, wenn der Kläger abredewidrig unter Entgegennahme des Vorruhestandsgeldes nicht aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre, obwohl er dies freiwillig bei Abschluß der "Vorruhestandsregelung" erklärt hat, bzw. wenn er entgegen der früheren Vereinbarung ohne Absprache mit dem Arbeitgeber unter weiterem Bezug von Vorruhestandsgeld wieder ins Erwerbsleben eingetreten wäre. Hierin kann weder ein Verstoß gegen Art 14 GG noch gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG gesehen werden, der es nur verbietet, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72, 88).
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.7 RAr 46/92
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen