Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 1991 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der Kläger ist selbständiger Winzer. Seit 1966 ist er Winzermeister.
Pflichtbeiträge, die vom Kläger für die Zeit von 1959 bis 1961 entrichtet worden waren, hat die Beklagte 1964 erstattet (Bescheid vom 27. Januar 1964). Freiwillige Beiträge hat der Kläger seit 1976 für die Zeit von 1956 bis 1988 mit Ausnahme des Jahres 1983 durchgehend entrichtet bzw nach Art 2 § 51a Abs 2 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) nachentrichtet. Bis zum Jahr 1982 entrichtete der Kläger hohe Beiträge. Seit 1984 entrichtete der Kläger nur noch Mindestbeiträge.
Seinen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit (EU bzw BU) vom 31. März 1988 lehnte die Beklagte ab, den Widerspruch wies sie zurück (Bescheid vom 18. Oktober 1988 und Widerspruchsbescheid vom 20. März 1989). Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 28. August 1990). Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 25. November 1991).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 1991 sowie das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28. August 1990 und den Bescheid vom 18. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 1989 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1. April 1988 zu gewähren,
hilfsweise,
den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet. Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits nicht aus.
Über den Anspruch des Klägers ist nach der Vorschrift der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu entscheiden (§ 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – ≪SGB VI≫).
Der Kläger hat für den Anspruch auf BU-Rente die Wartezeit von 60 Monaten (§ 1246 Abs 1 RVO) und die Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG erfüllt. Hinsichtlich der in § 1246 Abs 2 RVO genannten Anspruchsvoraussetzungen hat das LSG festgestellt, daß der Kläger bisher als Winzermeister tätig ist. Es hat weiter festgestellt, daß der Kläger noch körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen in geschlossenen temperierten Räumen vollschichtig ausüben kann. Mit diesem Leistungsvermögen kann er nach der Feststellung des LSG Tätigkeiten, zB als Bürohilfskraft oder Pförtner verrichten. Diese Feststellungen sind vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und daher für den Senat bindend (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Feststellungen dazu, ob der Kläger seine weiterhin ausgeübte Tätigkeit als Winzermeister noch vollwertig verrichten kann, hat das LSG nicht getroffen. Den Anspruch des Klägers auf Rente wegen BU hat das LSG verneint, weil dieser wegen der geringen Höhe der zuletzt entrichteten freiwilligen Beiträge nicht den Berufsschutz als Winzermeister genieße, sondern wie ein ungelernter Arbeiter auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und damit auch auf die og Tätigkeiten verwiesen werden könne. Diese Entscheidung des LSG verletzt § 1246 Abs 2 RVO.
Das LSG hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bisher die Qualität des bisherigen Berufs und damit den Berufsschutz im Rahmen von § 1246 Abs 2 RVO bei Pflichtversicherten, selbst wenn sie zuletzt freiwillige Beiträge entrichtet hatten, und ausschließlich freiwillig Versicherten unterschiedlich beurteilt hat. Soweit für einen Versicherten überhaupt jemals Pflichtbeiträge wirksam entrichtet worden sind, ist nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich die während der zuletzt entrichteten Pflichtbeiträge verrichtete Beschäftigung für die Bestimmung des Werts des bisherigen Berufs maßgebend (BSG SozR Nrn 92 und 112 zu § 1246 RVO). Bei ausschließlich freiwillig Versicherten, die selbständig tätig sind, war hingegen hierfür nicht allein die Art der verrichteten Tätigkeit maßgebend. Auch die Höhe der entrichteten Beiträge mußte dem Wert dieser Tätigkeit entsprechen. Beiträge in einer der Tätigkeit bzw einer vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung entsprechenden Höhe waren notwendig, um als freiwillig Versicherter einen der ausgeübten Tätigkeit entsprechenden Berufsschutz zu erwerben. Sofern Beiträge bis zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles entrichtet wurden, mußten sie auch bis zu diesem Zeitpunkt in entsprechender Höhe entrichtet werden. Dies hat das BSG zunächst für die bis vor dem 1. Januar 1956 sogenannten Selbstversicherten, die danach ihre Versicherung als freiwillige Versicherung nach Art 2 § 4 ArVNG forgesetzt hatten, entschieden (BSGE 25, 129 = BSG SozR Nr 60 zu § 1246 RVO, Nr 64 aaO und SozR 2200 § 1246 Nr 105; bestätigt durch Beschluß vom 7. Oktober 1987 – 4a BJ 101/87 – nicht veröffentlicht). Der 11. Senat hat die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch angewandt, soweit ein Versicherter ausschließlich Beiträge nach Art 2 § 49a Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz ≪AnVNG≫ (= Art 2 § 51a ArVNG) nachentrichtet hatte (Urteil vom 25. August 1987 – 11 RA 22/86 – = BB 1987, 2375). Diese Rechtsprechung des BSG zur unterschiedlichen Beurteilung von Pflicht- und freiwilligen Beiträgen ist auch verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden (vgl BVerfG, SozR 2200 § 1246 Nr 28 und Nr 156). Das LSG hat diese ständige Rechtsprechung des BSG insoweit zutreffend dargestellt.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, soweit es sich um Beitragszeiten vor dem 1. Januar 1984 handelt. Diese Rechtsprechung kann aber für die ab 1. Januar 1984 entrichteten freiwilligen Beiträge nicht aufrechterhalten werden. Dies ergibt sich aus den mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 (Gesetz vom 22. Dezember 1983 – BGBl I S 1532) zum 1. Januar 1984 geschaffenen Veränderungen in den Anspruchsvoraussetzungen für die Renten wegen BU bzw EU. Seit 1984 setzt der Erwerb des Anspruchs auf Rente wegen BU bzw EU neben der Erfüllung der Wartezeit von 60 Monaten Versicherungszeit die Entrichtung von Pflichtbeiträgen für die Zeit von zumindest drei Jahren aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder Tätigkeit voraus (§ 1246 Abs 1 iVm Abs 2a Nr 1 RVO).
Für Versicherte – wie den Kläger – bei denen die Wartezeit schon am 31. Dezember 1983 erfüllt war, haben freiwillige Beiträge, die ab dem 1. Januar 1984 entrichtet werden, ebenfalls keine Bedeutung mehr für den Erwerb eines Berufsschutzes. Diese freiwilligen Beiträge dienen nur der Erhaltung einer bereits begründeten Anwartschaft (Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG). Wenn die seit dem 1. Januar 1984 entrichteten freiwilligen Beiträge aber keinen anspruchsbegründenden, sondern lediglich anspruchserhaltenden Charakter haben, so kann durch diese Beiträge ein zum 1. Januar 1984 bestehender Anspruch auf Rente nicht verändert werden. Daß heißt, die Höhe der ab 1. Januar 1984 entrichteten freiwilligen Beiträge hat auf einen bereits vorher begründeten Berufsschutz weder positive noch negative Auswirkungen. Auch eine allein auf freiwilligen Beiträgen beruhende Anwartschaft auf Rente wegen BU bzw EU kann durch Beiträge, die seit dem 1. Januar 1984 entrichtet werden, weder positiv iS eines höherwertigen Berufs noch negativ iS eines beruflichen Abstiegs verändert werden.
Im Falle des Klägers bedeutet dies, daß das LSG den bisherigen Beruf des Klägers nach den von diesem bis zum 31. Dezember 1983 entrichteten Beiträgen und der bis dahin während der Beitragsentrichtung verrichteten Tätigkeit beurteilen muß. Soweit der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Beitragslücken hat, sind diese unerheblich; denn bis zum 31. Dezember 1983 bestand für einen freiwillig Versicherten keine Verpflichtung, durchgehend Beiträge zu entrichten. Durch eine Beitragsunterbrechung konnte deshalb ein bestehender Berufsschutz nicht verändert werden. Nur für den Fall, daß er zuletzt vor dem 1. Januar 1984 noch niedrige Beiträge entrichtete, konnte ein vorher bestehender qualifizierter Berufsschutz verlorengehen. Mit dieser Entscheidung weicht der Senat von den og Entscheidungen des 4., des 11. und des 12. Senats zur Bedeutung freiwilliger Beiträge für den Berufsschutz nicht iS des § 42 SGG ab. In diesen Entscheidungen ist die Bedeutung von freiwilligen Beiträgen, die vor dem 1. Januar 1984 entrichtet worden waren, beurteilt worden. Durch die Gesetzesänderung zum 1. Januar 1984 ist aber, wie ausgeführt, für die Bedeutung der danach entrichteten freiwilligen Beiträge eine Rechtsänderung eingetreten.
Da das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht nicht festgestellt hat, in welcher Höhe der Kläger bis 1983 Beiträge tatsächlich entrichtet hat, ist es dem Senat nicht möglich zu beurteilen, welcher Berufsschutz dem Kläger zusteht und ob die vom LSG genannten Tätigkeiten dem Kläger zumutbar sind. Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen entscheidungsreif. Das LSG hat nicht festgestellt, ob der Kläger nicht noch als Winzermeister tätig sein kann, und ob nicht die tatsächlich von ihm ausgeübte Tätigkeit die Annahme von BU ausschließt. Es hat aber angenommen, daß bei einem der Tätigkeit als Winzermeister entsprechenden Berufsschutz des Klägers möglicherweise keine Verweisungstätigkeiten benannt werden können, die dem Kläger zumutbar sind.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen