Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech). Betriebliche Voraussetzung. Umwandlung eines VEB in eine GmbH
Leitsatz (amtlich)
- Eine GmbH, die durch Umwandlung vor dem 30.06.1990 aus einem VEB hervorging und dessen Rechtsnachfolgerin ist, unterliegt gleichwohl aufgrund ihrer Rechtsform nicht dem Anwendungsbereich der AVItech.
- Die Umwandlung eines VEB in eine GmbH steht einem Ausscheiden aus einem Versorgungssystem im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG nicht gleich.
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Thüringer LSG (Urteil vom 26.01.2004) |
SG Altenburg (Urteil vom 26.02.2002) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach Nr 1 der Anlage 1 zum AAÜG verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten des Klägers als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.
Der 1946 geborene Kläger war auf Grund eines erfolgreichen Studiums in der Fachrichtung Elektrotechnik von 1967 bis 1970 berechtigt, den Titel eines “Ingenieurökonoms” zu führen. Von 1970 bis 1974 war er als Ingenieurökonom und bis 13. Juni 1990 als Materialbeschaffer im VEB Rationalisierung G.…, tätig. Die Rechtsfähigkeit des Betriebs erlosch am 13. Juni 1990; der Betrieb wurde zu diesem Zeitpunkt von Amts wegen im Register der volkseigenen Wirtschaft gelöscht. Der Kläger war anschließend bis zum 30. September 1990 in einer der vier (privatisierten) Nachfolgegesellschaften, nämlich der T.… GmbH, weiterbeschäftigt.
Auf Grund seiner Beschäftigungen in der DDR war der Kläger in der Sozialpflichtversicherung bzw ab 1. Juli 1990 in der gesetzlichen Sozialversicherung versichert. In die AVItech oder in ein anderes Versorgungssystem war er nicht einbezogen worden.
Seinen Antrag, die Beschäftigungszeiten vom 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeiten zur AVItech sowie die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14. September 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2001). Das SG Altenburg hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, die strittigen Zeiten als Zugehörigkeitszeiten zur AVItech und die dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen (Urteil vom 26. Februar 2002). Das Thüringer LSG hat die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 26. Januar 2004). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger falle nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG, weil er für den streitumfänglichen Zeitraum keine Versorgungszusage erhalten habe und mit ihm auch kein Einzelvertrag mit konkreter Aussicht, bei Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten, abgeschlossen worden sei. Die Beschäftigungszeiten vom 31. März 1980 bis 18. Februar 1983 könnten nicht gemäß § 5 Abs 1 AAÜG als Zugehörigkeitszeiten zur AVItech berücksichtigt werden, denn sein Betrieb sei vor dem Stichtag des 30. Juni 1990, nämlich am 13. Juni 1990, in eine GmbH umgewandelt worden. Auch § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger sei vor dem 30. Juni 1990 nicht in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen und habe demgemäss eine entsprechende Rechtsposition nicht verlieren können.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 1, 5 bis 8 AAÜG. Er trägt vor, er werde vom Anwendungsbereich des AAÜG erfasst, da er am Stichtag des 30. Juni 1990 eine Versorgungsanwartschaft besessen habe. Auch das LSG sei davon ausgegangen, dass er insoweit die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen erfülle. Entgegen der Auffassung des LSG sei auch die betriebliche Voraussetzung gegeben gewesen. Auch die Beklagte räume ein, dass sein ehemaliger Arbeitgeber, der VEB Rationalisierung G.…, ein industrieller Produktionsbetrieb gewesen sei. Die Umwandlung in eine GmbH am 13. Juni 1990 sei unschädlich. Sie sei in Anwendung der “Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften” vom 1. März 1990 erfolgt. Nach deren Regelungen sei der umgewandelte Betrieb Rechtsnachfolger des vorhergehenden VEB geworden. Mit einer solchen Rechtsnachfolge sei der Übergang aller Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen verbunden, und zwar einschließlich der Versorgungsansprüche. Im Übrigen unterfalle er dem AAÜG auch auf Grund des § 1 Abs 1 Satz 2. Wenn das LSG gemeint habe, die Umwandlung in eine GmbH habe “den Verlust des betrieblichen Geltungsbereichs” bedeutet, so sei der Kläger im Sinne der Versorgungsordnung “ausgeschieden”. In einem solchen Fall gelte der Verlust (der Versorgungsanwartschaft) als nicht eingetreten. Im Übrigen sei das angefochtene Urteil auch mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet. Das LSG habe ausdrücklich nur über den Beschäftigungszeitraum vom 31. März 1980 bis 18. Februar 1983 befunden. Demgegenüber habe das SG über den gesamten geltend gemachten Zeitraum vom 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 entschieden. Das Urteil des LSG lasse nicht erkennen, warum die erstinstanzliche Entscheidung für die Zeit vor dem 31. März 1980 bzw nach dem 18. Februar 1983 aufgehoben worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Thüringer LSG vom 26. Januar 2004 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Altenburg vom 26. Februar 2002 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, dass der frühere Betrieb des Klägers, nämlich der VEB Rationalisierung G.…, entgegen seinem Namen nicht ein Rationalisierungs-, sondern industrieller Produktionsbetrieb gewesen sei. Versorgungsrechtlich komme es aber allein auf den Beschäftigungsbetrieb am 30. Juni 1990 an. Seit dem 13. Juni 1990 sei der Kläger nicht in einem VEB, sondern einer GmbH beschäftigt gewesen. Insoweit habe der Senat bereits am 9. April 2002 (B 4 RA 3/02 R) entschieden, dass Betriebe in der Rechtsform einer GmbH nicht vom betrieblichen Geltungsbereich der AVItech erfasst worden seien. Ob der Gesetzgeber der DDR im Rahmen der Privatisierung der volkseigenen Wirtschaft verpflichtet gewesen wäre, versorgungsspezifische Regelungen zu treffen, sei unerheblich; entscheidend sei, dass er derartige Bestimmungen nicht getroffen habe. Soweit bei der Umwandlung des VEB in eine GmbH Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen auf den Nachfolgebetrieb übergegangen seien, möge dies für arbeitsrechtliche Regelungen zutreffen. Das AAÜG regele jedoch, wie in den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR erworbene Ansprüche und Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung überführt würden. Arbeitsrechtliche Regelungen beinhalte dieses Gesetz nicht. Auch in der DDR sei das Arbeitsrecht nicht in Versorgungsordnungen, sondern im Arbeitsgesetzbuch geregelt gewesen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG nicht anwendbar; er habe in der DDR keine Versorgungsberechtigung erworben, die wegen Ausscheidens hätte erlöschen können.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des SG zurückzuweisen. In der Sache strebt er an, die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen.
Das Urteil des LSG verletzt zwar Bundesrecht, auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen erweist sich die angefochtene Entscheidung jedoch im Ergebnis als zutreffend.
Der Kläger hat zulässig und begründet gerügt, dass das Berufungsurteil auf einem Verfahrensmangel beruht. Dessen Entscheidungsgründe decken nicht den Urteilsausspruch.
Gegenstand des Berufungsverfahren war das Urteil des SG vom 26. Februar 2002, in dem das SG die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsaktes im Bescheid vom 14. September 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2001 verpflichtet hat, die Beschäftigungszeiten vom 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat allein die Beklagte Berufung eingelegt. Ihr Berufungsbegehren zielte auf die vollständige Aufhebung des SG-Urteils und Abweisung der Klagen bezüglich des gesamten streitbefangenen und vom SG ausgeurteilten Zeitraums. Nach dem Ausspruch (Tenor) des Berufungsurteils hatte die Berufung der Beklagten in vollem Umfang Erfolg, denn das LSG hat ohne Einschränkungen die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Zu Recht hat der Kläger gerügt, dass die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils diesen Ausspruch nicht tragen und das LSG damit seine Begründungspflicht verletzt hat (§§ 128 Abs 1 Satz 2, 136 Abs 1 Nr 6, 202 SGG iVm § 313 Abs 3 ZPO). Das Berufungsurteil kann auf diesem Mangel beruhen.
Die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils könnten zunächst vermuten lassen, dass das LSG über den gesamten vom SG ausgeurteilten Zeitraum entscheiden wollte. Denn es hat ausgeführt, dass der Kläger “für den streitumfänglichen Zeitraum” keine Versorgungszusage erhalten und mit ihm auch kein Einzelvertrag mit konkreter Aussicht, bei Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten, abgeschlossen worden sei. Allerdings hat es diesen Zeitraum nicht näher konkretisiert. Mit Blick auf den Urteilsausspruch könnte dies darauf hindeuten, dass das LSG über den gesamten vom SG ausgeurteilten Zeitraum vom 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 entscheiden wollte. Berücksichtigt man die sich anschließenden Ausführungen, könnte jedoch der Eindruck entstehen, das LSG habe nur über die Zeit vom “31. März 1980 bis 18. Februar 1983” entschieden.
Ausgehend von der Systematik und Dogmatik des AAÜG ist allerdings zu beachten, dass das LSG seine Aussagen zu dem von ihm zu Grunde gelegten Streitgegenstand jeweils in einem anderen juristischen Zusammenhang gemacht hat. Die Aussage zum nicht näher konkretisierten “streitumfänglichen Zeitraum” findet sich in dem Teil der Entscheidungsgründe, in dem das LSG offensichtlich prüfen wollte, ob der Kläger unter den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG fällt, denn unmittelbar vor diesen Ausführungen zeigt das LSG den nach seiner Auffassung maßgeblichen abstrakten Regelungsinhalt des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG auf. Dessen Voraussetzungen verneint es allein mit dem Hinweis darauf, dass der Kläger keine Versorgungszusage erhalten habe und mit ihm auch kein Einzelvertrag mit einer entsprechenden Vereinbarung geschlossen worden sei. Des Weiteren verneint es an späterer Stelle in den Entscheidungsgründen eine Anwendung des AAÜG auch deshalb, weil es die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 2 aaO (Fall der gesetzlichen Fiktion einer Versorgungsanwartschaft) nicht als erfüllt angesehen hat.
Allein diese Begründungen stützen den Urteilstenor noch nicht. Denn das LSG hätte nach seiner Rechtsansicht auch prüfen müssen, ob der Kläger am 1. August 1991, also bei Inkrafttreten des AAÜG, Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft war, die sich aus einer vom Senat vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG herleitet (hierzu ua: Urteile des Senats vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und 7). Zwar will das LSG in seinen abstrakten Ausführungen zu § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG auf diese Rechtsprechung des Senats wohl Bezug nehmen, indem es unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 9. April 2002 (B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 6) sinngemäß ausführt, dass auch Nichteinbezogene unter den Anwendungsbereich des AAÜG fallen, wenn sie aus bundesrechtlicher Sicht rückschauend einen Anspruch auf eine Versorgungszusage (gemeint: auf Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem) gehabt haben. Ungeachtet dessen, dass der Senat seine erweiternde verfassungskonforme Auslegung nicht nur aus dem Satz 1 des § 1 Abs 1 AAÜG, sondern aus einer Gesamtschau der Sätze 1 und 2 aaO hergeleitet hat, um insbesondere einen ansonsten nicht zu beseitigenden Widerspruch zu Satz 2 aaO auszuräumen, lassen die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils auch nicht andeutungsweise erkennen, warum die Voraussetzungen einer fingierten Versorgungsanwartschaft verneint und warum im Ergebnis das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen worden sind.
Die weiteren Ausführungen des LSG zu § 5 Abs 1 AAÜG sind weder rechtlich noch tatsächlich nachvollziehbar. Wenn bereits das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 AAÜG verneint wird, ist kein Raum für eine Prüfung des § 5 AAÜG. Nur wenn in einem ersten (rechtlichen) Prüfungsschritt bejaht wird, dass der Kläger unter den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG fällt, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem, hier der AVItech, zuzuordnen sind. Im Übrigen ist nicht verständlich, warum das LSG seine (rechtlich fehlerhafte) Prüfung tatsächlich auf die Zeit vom 31. März 1980 bis 18. Februar 1983 begrenzt hat.
Sowohl die Abfolge der vom LSG vorgenommenen rechtlichen Prüfung (zunächst des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG, dann des § 5 Abs 1 aaO und schließlich wieder des § 1 Abs 1 Satz 2 aaO) als auch deren Inhalt zeigen, dass das LSG eine nachvollziehbare Begründung für den Urteilsausspruch nicht gegeben hat.
Obwohl das angefochtenen Berufungsurteil Bundesrecht verletzt, da es auf einem Verfahrensmangel beruht und die Revision des Klägers insoweit begründet ist, war in der Sache zu entscheiden (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG); denn auf Grund der vom LSG getroffenen bindenden Feststellungen erweist sich die Revision letztlich als unbegründet und ist deshalb zurückzuweisen.
Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig in Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 SGG). Die Klagen sind unbegründet. Im Bescheid vom 14. September 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2001 hat die Beklagte zu Recht den Erlass des vom Kläger erstrebten feststellenden Verwaltungsaktes abgelehnt.
In dem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs 5 SGB VI ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (dazu stellv: Urteil des Senats vom 18. Juli 1996, SozR 3-8570 § 8 Nr 2), ist die Beklagte nur dann zu den vom Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt (§ 1 Abs 1 AAÜG). Erst wenn dies zu bejahen ist, ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem, hier der AVItech, zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG).
Gemäß § 1 Abs 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2).
a) Der Kläger war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer erworbenen Versorgungsberechtigung im Sinne des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG.
Einen “Anspruch” auf Versorgung (= Vollrecht) hat er bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht gehabt. Denn schon ein “Versorgungsfall” (Alter, Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Er war zu diesem Zeitpunkt auch nicht Inhaber einer bestehenden Versorgungsanwartschaft. Dies hätte vorausgesetzt, dass er in das System einbezogen gewesen wäre. Diese Voraussetzungen lagen nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht vor.
b) Auch der Tatbestand des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Der Kläger war nach den Feststellungen des LSG zu keinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem einbezogen und vor Eintritt des Leistungsfalls ausgeschieden (Fall einer gesetzlich fingierten Versorgungsanwartschaft). Soweit der Kläger meint, die Umwandlung des bisherigen VEB in eine GmbH im Juni 1990 stehe einem Ausscheiden aus einem Versorgungssystem im Sinne des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG gleich, verkennt er die inhaltliche Bedeutung dieser Norm. Ein Anwendungsfall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Werktätiger auf Grund einer Beschäftigung in der DDR zu irgend einem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte, sondern der Betroffene muss nach den Regeln des Versorgungssystems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später ausgeschieden sein. Nach § 3 Abs 5 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl S 487; nachfolgend: 2. DB) erfolgte die Erteilung einer Versorgungszusage ausschließlich durch Aushändigung eines “Dokumentes über die zusätzliche Altersversorgung”. Ein solches Dokument (regelmäßig in Form einer Versicherungsurkunde) ist dem Kläger nicht ausgehändigt worden. Mangels einer wirksamen vorherigen Einbeziehung konnte der Tatbestand des Ausscheidens im Sinne von § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG von vornherein nicht erfüllt werden.
c) Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft, wie sie sich aus einer vom Senat vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG herleitet.
Bei Personen, die am 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem nicht einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht auf Grund originären Bundesrechts (zB Art 17 Einigungsvertrag) einbezogen wurden, ist zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (hierzu: Urteile des Senats vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und 7).
Ein solcher Anspruch hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl S 844) und der 2. DB von drei Voraussetzungen ab (vgl hierzu ua: Urteile des Senats vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und 6). Generell war dieses System eingerichtet für
- Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, (persönliche Voraussetzung), und
- die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
- in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Es kann dahin stehen, ob der Kläger die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt hat. In keinem Fall war am maßgeblichen Stichtag die betriebliche Voraussetzung verwirklicht.
Nach den Feststellungen des LSG, die der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat und die den Senat deshalb binden (§ 163 SGG), war er am 30. Juni 1990 nicht in einem VEB, sondern in einer GmbH beschäftigt. Ein Betrieb dieser Rechtsform unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der AVItech (Urteil des Senats vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 7).
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob der nach der “Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften” umgewandelte Betrieb Rechtsnachfolger des vorhergehenden VEB geworden ist. Der mit einer solchen Rechtsnachfolge verbundene Übergang ua aller Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen kann niemals auch Ansprüche bzw Anwartschaften aus dem Zusatzversorgungssystem betroffen haben. Denn hierbei handelte es sich nicht um einen arbeitsrechtlichen Anspruch, den der Arbeitgeber (= Betrieb im Sinne des DDR-Arbeitsrechts) zu erfüllen hatte. Anspruchsverpflichteter konnte nur der Versorgungsträger sein.
Anhaltspunkte, es könne sich bei der GmbH um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne des § 1 Abs 2 der 2. DB handeln, liegen nicht vor. Auch der Kläger hat dies nicht geltend gemacht. Ein Anspruch auf Einbeziehung hätte deshalb nur bestehen können, wenn ihm vom Betrieb in einem Einzelvertrag ein Anspruch auf Altersversorgung nach den Vorschriften der AVItech zugesagt worden wäre (§ 1 Abs 3 der 2. DB). Eine solche Zusage hatte der Kläger nicht erhalten.
- Das LSG hat somit im Ergebnis zu Recht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Revision des Klägers ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen