Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ergänzende Leistungen. Ermessen. Betreuung. Berufsbetreuer. Betreuervergütung. besondere Härte. keine Kostenübernahmepflicht seitens der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
Leitsatz (amtlich)
Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind nicht verpflichtet, Kosten einer Berufsbetreuung als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, als ergänzende Leistung oder als besondere Unterstützung zu übernehmen.
Normenkette
SGB VII § 26 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 S. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 214 Abs. 1 S. 1; SGB IX § 15 Abs. 1, § 55 Abs. 1-2; SGB I § 31; BGB §§ 1896, 1896 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. September 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Betreuung durch einen Berufsbetreuer hat.
Der am 1953 geborene Kläger erlitt am 20.11.1996 einen Arbeitsunfall. Er stürzte in Ausübung einer versicherten Tätigkeit bei der Montage eines Hauses ab. Nach einem mindestens sechs Meter tiefen Sturz durch das noch nicht installierte Treppenhaus schlug er auf dem Betonboden auf. Als Folgen des Arbeitsunfalls hat die Beklagte festgestellt: "Hirnorganisches Psychosyndrom mit anteilmäßiger Antriebsminderung und Affektverflachung, mit verminderter Kritik- und Urteilsfähigkeit, fehlender Krankheitseinsicht und Impulskontrollverlust nach Contusio cerebri. Leichte zentralmotorische Hemiparese links. Anteilmäßige Gangataxie. Knöchern verheilter Speichenköpfchenbruch links. Knöchern verheilte Rippenserienfraktur 2-9 links. Milzriss mit anschließender Milzentfernung. Knöchern verheilter Augenhöhlenbruch links."
Mit Bescheiden vom 14.1.1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 70 vH sowie unter dem 8.11.1999 Rente auf Dauer in derselben Höhe. Mit Bescheid vom 12.12.2002 änderte sie die Verwaltungsakte vom 14.1. und 8.11.1999 ab und gewährte dem Kläger ab 20.5.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 80 vH auf Dauer. Nach einem Rechtsstreit bewilligte sie ihm unter dem 5.9.2006 auch Pflegegeld nach Stufe III in Höhe von 60 vH des Höchstbetrags ab 1.12.2000.
Am 2.11.1998 bestellte das Notariat W. als Vormundschaftsgericht für den Kläger einen Berufsbetreuer. Dessen Aufgabenkreis umfasst die Vertretung des Klägers in der Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge einschließlich Zustimmung zu ärztlichen Behandlungsmaßnahmen, Heim- und Wohnungsangelegenheiten, der Vermögenssorge sowie die Vertretung gegenüber Banken, Behörden, Versicherungen und die Empfangsbefugnis für Post.
Am 6.7.2005 beantragte der Kläger durch den Betreuer bei der Beklagten, die Vergütung des Betreuers für die zurückliegenden Jahre und in Zukunft zu übernehmen. Er bezifferte die bis dahin angefallenen Kosten der Betreuung auf 35 996,51 Euro. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten der Betreuung ab (Bescheid vom 4.4.2007). Ein Anspruch auf Übernahme von Betreuungskosten sei weder aus §§ 547, 563 Reichsversicherungsordnung (RVO) noch aus §§ 557, 558 RVO herzuleiten. Auch aus den Vorschriften des SGB VII ergebe sich ein solcher Anspruch nicht. Insbesondere seien nach § 39 SGB VII nur konkrete Hilfen zu leisten, wie ua Hilfen im Haushalt, Erholungsaufenthalte, Heizkostenbeteiligungen, technische Arbeitshilfen, Assistenz durch Berufshelfer, nicht aber eine rechtliche Betreuung nach §§ 1896 ff BGB oder die Übernahme von deren Kosten.
Der Kläger erhob am 5.4.2007 Widerspruch. Der Berufs-Betreuungs-Dienst des Klägers bezifferte im Oktober 2007 die seit 2.11.1998 angefallenen Kosten der Betreuung. Er schlüsselte diese nach Kalenderjahren auf und forderte Zahlung in Höhe der Festsetzungen, die das Vormundschaftsgericht bis Mai 2007 vorgenommen hatte, insgesamt 41 778,37 Euro. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007).
Der Kläger hat beim SG Stuttgart Klage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Betreuung zu übernehmen. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 4.12.2008 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Kosten für die Betreuung des Klägers "nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 SGB 7" zu erstatten. Diese Kosten gehörten zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt. Es treffe nicht zu, dass § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII die Betreuungskosten beinhalte. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Baden-Württemberg das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 21.9.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kosten der angeordneten Betreuung gehörten nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Unfallversicherung. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht zwingend im Sinne einer besonderen Härte auf die Erstattung der von ihm aufzubringenden Betreuungskosten angewiesen sei (§ 39 Abs 2 SGB VII). Dem Anspruch stehe das in § 26 SGB VII normierte Dienst- und Sachleistungsprinzip entgegen. Der Unfallversicherungsträger habe grundsätzlich Sachleistungen zu erbringen. Geldleistungen seien nur ausnahmsweise vorgesehen, wenn dies gesetzlich angeordnet sei. Deshalb sei die Verurteilung zur Übernahme der Kosten der Betreuung aufzuheben. Die Revision werde ua wegen der abweichenden Rechtsprechung anderer Gerichte zugelassen.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung insbesondere des § 39 SGB VII. Die Auffassung des LSG, die Übernahme der Kosten der angeordneten Betreuung sei nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst, treffe nicht zu. Die Beklagte sei verpflichtet, mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den Gesundheitsschaden durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft zu kompensieren. § 39 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VII ermächtige die Beklagte gerade dazu, "sonstige Leistungen zur Erreichung und zur Sicherstellung des Erfolgs der Leistungen zur medizinischen Reha und Teilhabe" zu übernehmen. Es handele sich um einen Auffangtatbestand für besondere Fälle. Das Sachleistungsprinzip könne in zulässiger Weise durchbrochen werden, wenn dies zur Erreichung des Ziels der Unfallversicherung geboten sei. Er könne sich auch auf den Katalog des § 55 Abs 2 SGB IX stützen, nach dem ua Kosten für Betreuung erstattungsfähig seien. Einen entsprechenden Anspruch hätten mehrere Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bejaht.
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Der Kläger beantragt, |
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das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 21. September 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 4. Dezember 2008 zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Revision des Klägers zurückzuweisen. |
Sie beruft sich auf die angefochtene Entscheidung des LSG.
II. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klagen auf Übernahme der Kosten der berufsmäßigen Betreuung abgewiesen. Der Kläger hat trotz der bestehenden schwerwiegenden Gesundheitsstörungen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.11.1996 unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Übernahme von Kosten seiner rechtlichen Betreuung (§§ 1896 f BGB) durch die Beklagte als zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung.
1. Der Kläger erstrebt die Aufhebung des Urteils des LSG und die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG. Er verfolgt damit sein Anfechtungs- und Leistungsbegehren weiter, um zu erreichen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Kosten der rechtlichen Betreuung für die Vergangenheit zu erstatten und für die Zukunft zu übernehmen.
Richtig wäre es allerdings gewesen, wenn der Kläger sein Begehren mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgt hätte. Zwar haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft sowie auf ergänzende Leistungen (§ 26 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Die Unfallversicherungsträger bestimmen aber im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 26 Abs 5 Satz 1 SGB VII). Dies ist zwar trotz des Wortlauts der Vorschrift streitig (vgl Krasney in Becker ua, Gesetzliche Unfallversicherung - Kommentar, § 39 RdNr 5; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand I/2010, K § 39 RdNr 5), der Senat hat aber bereits entschieden, dass jedenfalls die Entscheidung über Leistungen, über die der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung eine Auswahlentscheidung hinsichtlich deren Art, Höhe und Dauer zu treffen hat, grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers steht (BSG vom 22.3.2011 - B 2 U 12/10 R - SozR 4-5670 § 3 Nr 1, RdNr 20 f). Soweit sich dieses der Beklagten eingeräumte Ermessen nicht aus besonderen Umständen im Sinne einer Ermessensreduzierung zu einem Anspruch auf eine bestimmte Leistung konkretisiert hat, ist die richtige Klageart die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 131 Abs 3 SGG; BSG aaO RdNr 12 mwN). Sie wäre darauf zu richten, die Beklagte zu verpflichten, nach ihrem Ermessen über das Ob und ggf das Wie der Leistung zu entscheiden.
Die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger Leistungen zur Teilhabe oder auf ergänzende Leistungen begehrt, hat jedoch schon aus anderen Gründen keinen Erfolg. Denn der Kläger verfolgt mit diesem Rechtsschutzbegehren einen sekundären Freistellungs- oder Zahlungsanspruch, der notwendig abhängig ist von dem grundsätzlichen Bestehen eines Sachleistungsanspruchs ("Kostenübernahme"; vgl BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 24/09 R - BSGE 107, 91 = SozR 4-2700 § 8 Nr 40, RdNr 16). Ein Freistellungs- und Zahlungsanspruch kann nur entstehen, wenn die Beklagte durch eine Rechtsnorm ermächtigt wäre, eine rechtliche Betreuung als eine Leistung zur Teilhabe in Form der Dienst-, Sach- oder Geldleistung zu erbringen. Dies ist nicht der Fall.
2. Maßgeblich für die Beurteilung des Anspruchs ist das Recht des SGB VII.
Nach § 214 Abs 1 Satz 1 SGB VII gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII, also die §§ 26 bis 55a SGB VII, wenn der Versicherungsfall, für den Leistungen beantragt worden sind, bereits vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten ist, die Entscheidung über die Leistung aber - wie hier - erst aufgrund eines im Jahr 2005 gestellten Antrags zu treffen ist (Harks in jurisPK-SGB VII, § 214 SGB VII RdNr 8). Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs sind daher § 26 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 4, Abs 5 SGB VII iVm § 39 Abs 1 Nr 2 oder Abs 2 SGB VII idF des Art 7 Nr 12 Buchst b des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl I 1046; dazu 3.) oder § 26 Abs 1 Satz 2 SGB VII iVm § 15 SGB IX (dazu 4.). Da aus diesen Rechtsgrundlagen - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten der Betreuung abgeleitet werden kann, scheitert sein Begehren. Denn nach § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I können Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile des SGB im Einzelnen bestimmt sind. Dementsprechend dürfen gemäß § 31 SGB I Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des SGB nur begründet oder festgestellt werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt.
3. Nach § 26 Abs 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Gemäß § 26 Abs 2 Nr 4 SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu den Leistungen zur Teilhabe zu erbringen. Nach § 39 Abs 1 SGB VII umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und die ergänzenden Leistungen neben den in § 44 Abs 1 Nr 2 bis 6 und Abs 2 sowie §§ 53 und 54 SGB IX genannten Leistungen auch die Kraftfahrzeughilfe sowie sonstige Leistungen zur Erreichung und zur Sicherstellung des Erfolges der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe. Nach Abs 2 aaO kann Versicherten oder ihren Angehörigen zum Ausgleich besonderer Härten eine besondere Unterstützung gewährt werden.
Der Kläger hat nach § 39 Abs 1 SGB VII keinen primären Rechtsanspruch auf Sach-, Dienst- oder Geldleistung (§ 11 SGB I) und auch keinen primären Anspruch auf Bewilligung eines Rechts auf solche Leistungen gegen die Beklagte für seine rechtliche Betreuung. Er hat daher auch keinen von der Entstehung des Primäranspruchs notwendig abhängigen sekundären Freistellungs- oder Zahlungsanspruch ("Kostenübernahme"). Die Beklagte ist daher nicht zu verpflichten oder zu verurteilen, den Kläger nach § 39 Abs 1 SGB VII von den Kosten der Berufsbetreuung als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft oder als sonstige Leistung freizustellen oder die entstandenen Kosten zu erstatten (a≫), noch ihm Freistellung oder Zahlung als besondere Unterstützung nach § 39 Abs 2 SGB VII zu gewähren (b≫).
a) Da die Tatbestandsvoraussetzungen aller Alternativen des § 39 Abs 1 SGB VII nicht erfüllt sind, ist die Beklagte nicht zu verpflichten, über die Bewilligung der jeweiligen Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 26 Abs 5 SGB VII) zu entscheiden.
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Nach § 39 Abs 1 SGB VII umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und die ergänzenden Leistungen |
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die in § 44 Abs 1 Nr 2 bis 6 und Abs 2 SGB IX, §§ 53, 54 SGB IX genannten Leistungen (Abs 1 Halbs 1), |
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die Kraftfahrzeughilfe (Nr 1 iVm § 40 SGB VII) und |
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die sonstigen Leistungen zur Erreichung und zur Sicherung des Erfolgs der medizinischen Reha und "zur Teilhabe" (Nr 2). |
Die Leistungen nach § 39 Abs 1 Halbs 1 SGB VII, also solche nach den §§ 44 Abs 1 Nr 2 bis 6, 53 und 54 SGB IX, vermitteln keinen Anspruch auf Bereitstellung eines Betreuers. Sie zielen vielmehr auf Geldleistungen zur Unterhalts- und Beitragssicherung während medizinischer Reha, auf Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie auf Haushalts-, Betriebshilfe, Reise- oder Kinderbetreuungskosten.
Einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe iS des § 39 Abs 1 Nr 1 SGB VII hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Die Beklagte ist als zuständiger Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII auch nicht iS des § 31 SGB I ermächtigt, eine rechtliche Betreuung als sonstige Leistung "zur Erreichung und zur Sicherstellung des Erfolges der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" (Alt 1) oder "zur Teilhabe" (Alt 2) zu erbringen.
Die rechtliche Betreuung dient nicht zur Erreichung oder zur Sicherung des Erfolgs einer Maßnahme der medizinischen Reha (§ 39 Abs 1 Nr 2 Alt 1 SGB VII). Mit der Betreuung kann der Erfolg einer medizinischen Rehabilitation weder gesichert noch erreicht werden (§ 33 SGB VII), weil die Betreuung nicht der Wiederherstellung, Besserung oder Erhaltung des Gesundheitszustands des Versicherten dient (§ 26 Abs 2 Nr 1 SGB VII). Die Betreuung als Einrichtung einer bürgerlich-rechtlichen Vertretung für einzelne Bereiche beeinflusst die Gesundheit des Klägers jedenfalls nicht unmittelbar.
Der Kläger kann Leistungen für eine rechtliche Betreuung auch nicht nach § 39 Abs 1 Nr 2 Alt 2 SGB VII als "sonstige Leistung zur Teilhabe" erhalten. Aufgrund der systematischen Stellung der Vorschrift spricht einiges dafür, den Begriff "Teilhabe" in diesem Regelungszusammenhang nur auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu beziehen, nicht dagegen auf die Teilhabe am Arbeitsleben. Im Folgenden wird aber - zu Gunsten des Klägers - von einem weiten Begriff der Teilhabe ausgegangen, wie er auch in der Literatur vertreten wird (Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand I/2010, K § 39 RdNr 24 f; Dahm in Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII, § 39 RdNr 14; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII § 39 Anm 8.1 f; Padé in jurisPK-SGB VII § 39 RdNr 28; Angermaier in Jung, SGB VII, Stand 4/2009, § 39 RdNr 42; Ricke in KasselerKomm, § 39 SGB VII RdNr 3).
Die Betreuung ist zunächst nicht als ergänzende Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen (§§ 26 Abs 2 Nr 2, 35 SGB VII), denn der betreute Versicherte wird durch die angeordnete Betreuung nicht in die Lage versetzt, in stärkerem Maße als vor deren Anordnung am Arbeitsleben teilzuhaben oder seine Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern (§ 35 SGB VII, §§ 33 f SGB IX).
Die Betreuung ist schließlich nicht geeignet, dem Betreuten eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu sichern (§ 39 Abs 1 Nr 2 Alt 2 SGB VII). Nach der Definition des § 55 SGB IX werden Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu dem Zweck erbracht, behinderten Menschen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, diese Teilhabe zu sichern oder sie unabhängig von Pflege zu machen (vgl Abs 1 aaO). Zur Bestimmung von Art und Umfang solcher Leistungen ist der Katalog des § 55 Abs 2 SGB IX zu beachten (SG München vom 22.10.2003 - S 41 U 325/03). Dieser sieht als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft besondere Hilfen vor, die die behinderten Menschen in die Lage versetzen, sich selbstbestimmt zu verständigen, zu wohnen und andere Beeinträchtigungen auszugleichen, um ein selbständiges Leben in der Gesellschaft führen zu können.
Solches begehrt der Kläger mit der Leistung "Betreuung" nicht. Die Betreuung ist keine Leistung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, denn die Betreuung ist nicht darauf gerichtet, die Eingliederung des Klägers in das gesellschaftliche Leben zu verbessern oder zu sichern. Sie sichert oder ermöglicht ihm insbesondere nicht die Begegnung mit anderen Menschen, den Besuch von Veranstaltungen oder kulturellen Einrichtungen. Die Betreuung ist vielmehr eine rechtsfürsorgerische Einrichtung (vgl BGH vom 2.12.2010 - III ZR 19/10 - FamRZ 2011, 293). Ihrem Wesen nach ist sie eine bürgerlich-rechtlich geregelte gesetzliche Vertretung (vgl BayObLGZ 1998, 44/45). Ausdrücklich besagt der Wortlaut des § 1901 Abs 1 BGB, dass durch die Betreuung die Angelegenheiten des Betreuten in rechtlicher Hinsicht zu besorgen sind. Der Betreuer darf nach § 1896 Abs 2 Satz 2 BGB nicht für Angelegenheiten bestellt werden, die durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Der Betreuer hat solche tatsächlichen Hilfen in erster Linie zu organisieren, nicht jedoch selbst zu leisten (vgl BT-Drucks 13/7158 S 5 f, 33; Schwab in MünchKomm-BGB, 5. Aufl, § 1896 RdNr 47, § 1901 RdNr 6; Bieg in jurisPK-BGB, § 1901 RdNr 5; Wagenitz/Engers, FamRZ 1998, 1273 f).
Soweit andere Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei Auslegung und Anwendung des § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII zu einem anderen Ergebnis gelangt sind, vermag der Senat sich dem nicht anzuschließen. Das SG München (Urteil vom 22.10.2003 - S 41 U 325/03 - BtPrax 2004, 158) hat die Auffassung vertreten, weil in § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten ausdrücklich genannt seien, müssten bei teleologischer Auslegung der Norm erst recht die kostengünstigeren Aufwendungen im Rahmen der Bestellung eines Pflegers erstattungsfähig sein. Aus welchen Gründen eine Betreuung oder Pflegschaft dem Versicherten aber eine vergleichbare Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verschafft, wie die im Gesetz genannten Maßnahmen, zB das "betreute Wohnen" mit anderen Menschen, wird vom SG München nicht erläutert. Zudem sind keine rechtlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Gesetzgeber bei Schaffung der Norm des § 55 Abs 2 SGB IX ein Versehen unterlaufen wäre und die Nichtaufnahme der Kosten der Betreuung in den Katalog des § 55 Abs 2 SGB IX auf eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes hindeuten könnte.
Nach dem SG Gießen (Urteil vom 18.8.2006 - S 1 U 249/04 - FamRZ 2007, 766) sind die Kosten der Betreuung zu übernehmen, wenn die Notwendigkeit der Betreuung kausal auf die Unfallfolgen zurückzuführen sei. § 39 SGB VII zähle nicht enumerativ alle Leistungsbereiche auf, die zu den Teilhabeleistungen gehörten. Durch die Aufzählung sei die Übernahme von Betreuungskosten nicht ausgeschlossen. Das SG erläutert aber nicht, aus welchen Gründen die Betreuung eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein könnte.
Das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 31.8.2004 - L 3 U 172/03) schließlich hat darauf abgestellt, dass § 39 SGB VII keinen abschließenden Leistungskatalog enthalte (vgl Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand I/2010, K § 39 RdNr 23). Die Betreuung sei eine Maßnahme der sozialen Rehabilitation. Deshalb seien die durch die Betreuung entstandenen notwendigen Kosten von der Beklagten zu übernehmen. Zwar ist einzuräumen, dass der Kläger durch die Betreuung in die Lage versetzt wird, als nunmehr gesetzlich vertretenes Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teilzunehmen. Dieser Umstand reicht aber nach Überzeugung des Senats nicht aus, die Voraussetzungen einer Leistung der Teilhabe nach §§ 26 f SGB VII zu erfüllen. Denn die nach diesen Vorschriften vorgesehenen Leistungen zielen auf persönliche Rehabilitation und Integration des verletzten oder behinderten Versicherten sowie auf Hilfen zur Bewältigung des Alltags (§ 26 Abs 2 Nr 3 SGB VII). Dieser Begriff der Teilhabe geht über die bloße Sicherstellung der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers durch Dritte hinaus. Hinzu kommt, dass die bürgerlich-rechtliche Betreuung durch die Vorschriften des BGB und des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) abschließend ausgestaltet wird. Eine Anordnung der Betreuung oder eine Bereitstellung als Sach- und Dienstleistung durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist danach nicht eröffnet.
Nach allem hat der Kläger gegen die Beklagte aus § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Bereitstellung einer Betreuung in Form der Sach-, Dienst- oder Geldleistung (so auch Dahm in jurisPR-SozR 8/2011 Anm 3).
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten über eine besondere Unterstützung nach § 39 Abs 2 SGB VII.
Nach § 39 Abs 2 SGB VII kann die Beklagte den Versicherten oder ihren Angehörigen zum Ausgleich besonderer Härten eine besondere Unterstützung gewähren. Die besondere Unterstützung ist nach der Stellung der Vorschrift im Gesetz entweder selbst eine Leistung zur Teilhabe oder eine solche, die die Leistungen zur Teilhabe hinsichtlich besonderer Bedarfe ergänzt. § 39 Abs 2 SGB VII regelt einen Ergänzungs- und Auffangtatbestand.
Das Tatbestandsmerkmal "besondere Härte" in § 39 Abs 2 SGB VII ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen durch die Gerichte voll nachprüfbar ist. Eine besondere Härte kann bei einem Versicherten vorliegen, bei dem eine besondere, atypische Bedarfssituation entstanden ist, die seinen Bedarf von dem typischen Bedarf anderer Versicherter mit der gleichen Berufskrankheit oder den gleichen Arbeitsunfallfolgen unterscheidet (Römer in Hauck/ Noftz, SGB VII, Stand I/2010, K § 39 RdNr 34). Diese Bedarfssituation kann in einer wirtschaftlichen Notlage bestehen, aber auch andere Bedarfslagen kommen in Betracht. Liegt eine solche Situation vor, kann der Träger als besondere Unterstützung auch eine (Geld-)Leistung gewähren, die in dieser Form im Gesetz nicht vorgesehen ist (zB zinslose Darlehen). Als besondere Unterstützung kann eine Zahlung für besondere, einmalige, durch den Versicherungsfall verursachte Bedarfslagen geleistet werden (vgl Padé in jurisPK-SGB VII § 39 RdNr 54 f). Ob bereits der Rechtscharakter der "besonderen Unterstützung" als Ergänzungs- und Auffangleistung einer Leistungspflicht der Beklagten entgegensteht, wenn - wie hier - die Übernahme ständig wiederkehrender Kosten auf Dauer begehrt wird (so Dahm in jurisPR-SozR 8/2011 Anm 3), kann dahinstehen.
Denn jedenfalls liegt beim Kläger eine solche besondere Härte, dh eine durch den Versicherungsfall bedingte, besonders schwierige persönliche oder wirtschaftliche Lage nicht vor. Hierbei ist auch zu beachten, dass nach der gesetzlichen Ausgestaltung der bürgerlich-rechtlichen Betreuung der Betreute Kosten für eine Betreuung nur ausnahmsweise aus seinem Einkommen und Vermögen aufzubringen hat. Maßgeblich ist hier § 1908i Abs 1 BGB, der auf §§ 1836, 1836c und 1836d BGB verweist. Nach diesen Bestimmungen verursacht die Betreuung im Regelfall keine Kosten, da sie durch eine natürliche Person (§ 1897 BGB), einen Betreuungsverein (§ 1900 Abs 1 BGB) oder eine Betreuungsbehörde (§ 1900 Abs 4 BGB) geführt wird. Ausnahmsweise wird die Betreuung entgeltlich geführt, wenn - wie hier - eine Berufsbetreuung angeordnet ist, denn der Berufsbetreuer hat Anspruch auf Vergütung und Aufwendungsersatz (§ 1908i Abs 1 iVm §§ 1835, 1836 BGB iVm dem VBVG).
Für die danach an einen Berufsbetreuer zu leistenden Zahlungen gilt ein Verfahren, das den Regeln der Prozesskostenhilfe (PKH) nachgebildet ist und teilweise auf diese verweist (§§ 292, 168 FamFG). Ist eine Berufsbetreuung angeordnet, hat der Betreute die Kosten vorrangig aus seinem Einkommen und Vermögen zu begleichen (zur Vergütung von Berufsbetreuern bei nicht mittellosen Betreuten: BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.8.2011 - 1 BvL 10/11). Zu dem einzusetzenden Einkommen gehören ggf auch Ansprüche des Versicherten auf Sozialleistungen, wie zB solche aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Vorliegend hat der Kläger also die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und ggf von anderen Trägern zu erbringende Sozialleistungen einzusetzen. Verbleibt dem Betreuten trotz entsprechender Einkünfte kein Einkommen oder Vermögen, aus dem er die Kosten der Betreuung aufbringen kann, werden für ihn als mittellosen Betreuten die Kosten der Betreuung durch die Staatskasse getragen (§§ 1908i, 1836d BGB, §§ 292 Abs 1, 168 FamFG).
Im Betreuungsrecht steht damit ein eigenständiges Regelungswerk bereit, das mittellosen Personen einerseits die erforderliche Betreuung gewährleistet und sie nicht mit deren Kosten belastet. Damit ist spezifisch für den Bereich der bürgerlich-rechtlichen Betreuung geregelt, dass, wie und durch wen im Bedarfsfall entstehende Betreuungskosten zu tragen sind. Sie werden für mittellose Betreute vergleichbar den Regelungen über die PKH aus der Staatskasse und damit aus allgemeinen Steuermitteln aufgebracht (vgl auch FG Düsseldorf vom 26.11.2010 - 1 K 1914/10 U - Juris RdNr 32 mwN).
Eine besondere Härte gemäß § 39 Abs 2 SGB VII im Sinne einer schwierigen persönlichen oder wirtschaftlichen Situation, die den Kläger bei Mittellosigkeit dauerhaft mit Kosten der Betreuung belasten würde, liegt danach nicht vor. Allein der vom Kläger vorgetragene Umstand, dass eine Leistung der Beklagten ihn in die Lage versetzen könnte, die frei werdenden Mittel für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft einzusetzen, begründet ebenfalls keinen Anspruch, denn bei dieser Betrachtungsweise wäre jede Leistung, die finanzielle Spielräume eröffnet, mittelbar eine solche zur Teilhabe. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Betreuung ergibt sich mithin auch nicht aus § 39 Abs 2 SGB VII.
4. Der Kläger hat schließlich auch nach § 26 Abs 1 Satz 2 SGB VII iVm § 15 SGB IX keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der rechtlichen Betreuung.
Es ist soeben (unter 3.) aufgezeigt worden, dass und aus welchen Gründen ein gesetzlicher Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe nicht besteht. Im Zusammenhang mit § 15 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB IX stellt sich sodann das weitere Problem, dass ein möglicher Anspruch des Klägers auf Sach- und Dienstleistung (zum Sachleistungsprinzip vgl Benz in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand XI/2009, K § 26 RdNr 34a) sich erst nach Ablauf der Frist, in der der Träger die Leistung bereitzustellen hat, in einen Anspruch auf Kostenerstattung umwandeln könnte.
Nach § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX bestünde eine Erstattungspflicht (nur) für die Kosten einer unaufschiebbaren Leistung, die der Träger nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt 1) oder deren Erbringung er in rechtswidriger Weise abgelehnt hat (Alt 2; dazu Benz aaO RdNr 40). Die Leistung "Betreuung" war bei Antragstellung im Juli 2005 aber schon nicht unaufschiebbar, weil sie bereits seit längerer Zeit umgesetzt war. Fraglich ist auch, ob die Beklagte vor dem Beginn der Betreuung überhaupt eine Entscheidung über deren Ob und Wie hat treffen können, was weitere Voraussetzung dafür ist, dass ein Kostenerstattungsanspruch überhaupt entstehen kann (vgl dazu BSG vom 24.2.2000 - B 2 U 12/99 R - SozR 3-2200 § 567 Nr 3).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen