Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Altersversorgung des Klägers, insbesondere darüber, ob ihm ein Anspruch auf Neuberechnung der Rente sowie auf Weiterzahlung und Dynamisierung einer Leistung aus einem Zusatzversorgungssystem der ehemaligen DDR zusteht.
Der 1922 in Neustrelitz geborene Kläger gehörte etwa 40 Jahre als Kammervirtuose der Deutschen Staatsoper in Berlin an. Seit 1. März 1987 bezieht er eine Altersversorgung. Diese setzte sich zusammen aus einer Altersrente der Sozialpflichtversicherung der DDR in Höhe von 294,– Mark (Bescheid des FDGB vom 17. Januar 1987) sowie aus einer Rente der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (vom 12. Juli 1951, GBl Nr 85 S 675 ≪AVI≫) in Höhe von 800,– Mark (= 60 % des Durchschnitts-Bruttomonatsgehalts vom 1. März 1986 bis 28. Februar 1987 in Höhe von 2.440,– Mark; Bescheid der Staatlichen Versicherungsanstalt der DDR vom 25. März 1987). Mit dem Gesamtzahlbetrag von 1.164,– Mark wurde die Altersversorgung des Klägers ab Juli 1990 auf DM umgestellt (Sozialversicherungsrente: 364,– DM; Zusatzversorgung 800,– DM).
Der gemeinsame Träger der Sozialversicherung verfügte mit Bescheid nach der ersten Rentenanpassungsverordnung (1. RAV vom 14. Dezember 1990, BGBl I S 2867), der Gesamtauszahlbetrag belaufe sich ab 1. Januar 1991 auf 1.164,– DM. Mit Bescheid über die Rentenanpassung nach der zweiten Rentenanpassungsverordnung (2. RAV vom 19. Juni 1991, BGBl I S 1300) bestimmte der Träger der Rentenversicherung, Überleitungsanstalt Sozialversicherung, den Gesamtauszahlbetrag ab 1. Juli 1991 auf 1.272,– DM. Im Bescheid über die „Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts” vom 27. November 1991 stellte die Beklagte fest, die bisher gezahlte Versichertenrente werde künftig als Regelaltersrente geleistet; die neben der Rente gezahlte Leistung aus der Zusatzversorgung sei durch das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1606, 1677, geändert durch das Gesetz zur Änderung des Renten-Überleitungsgesetzes ≪RÜG≫ vom 18. Dezember 1991, BGBl I S 2207; zuletzt geändert durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung ≪Rü-ErgG≫ vom 24. Juni 1993, BGBl I S 1038) in die Rentenversicherung überführt worden. Künftig würden diese Leistungen als einheitliche Leistung der Rentenversicherung gezahlt. Die persönlichen Entgeltpunkte würden in einem maschinellen Verfahren aus den der bisherigen Rente der Sozialpflichtversicherung zugrundeliegenden Daten ermittelt.
Durch Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 1993 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers, mit dem er eine höhere Altersversorgung ab 1. Juli 1990 begehrt hatte, zurück und führte ua aus: Die Umwertung und Anpassung sei im maschinellen Verfahren nach § 307b Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erfolgt, zur gegebenen Zeit werde die Rente neu – individuell – festzustellen sein.
Mit der am 27. Januar 1993 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,
- den Umwertungsbescheid vom 27. November 1991 sowie die Mitteilungen zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 1993 aufzuheben,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Beachtung des Art 143 Abs 1 Grundgesetz umgehend die gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI neu berechnete und jeweils angepaßte Regelaltersrente zu bescheiden und ihm ab 1. Juli 1990 zuzüglich die ursprüngliche, nicht abgeschmolzene Zusatzversorgung in Höhe von 800,– DM weiterzuzahlen.
Mit Urteil vom 23. September 1993 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Der Zahlbetrag für Dezember 1991 sei zutreffend festgestellt. Grundlage des festgestellten Zahlbetrags sei die ausgezahlte Versorgung von Juli 1990. Gemäß §§ 6 und 2 der 1. RAV seien die Sozialversicherungsrenten, die neben einer zusätzlichen Altersversorgung gezahlt worden seien, rückwirkend zum 1. Juli 1990 entsprechend den Vorschriften des Rentenangleichungsgesetzes der DDR vom 28. Juni 1990 (≪RAG≫ GBl I Nr 38 S 495, 1457) anzugleichen und zu erhöhen gewesen, wobei die Zusatzversorgung um den Erhöhungsbetrag zu verringern gewesen sei. Nach §§ 3 und 4 der 2. RAV iVm § 19 RAG sei die Sozialversicherungsrente zum 1. Juli 1991 ohne Abschmelzung der Zusatzversorgung zu erhöhen gewesen. Dieser Zahlbetrag sei von der Beklagten bei der Umwertung der Rente zum 1. Januar 1992 nach § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI zugrunde gelegt worden. Einen Anspruch auf Dynamisierung der Zahlbeträge aus der Zusatzversorgung habe der Kläger nicht. Die Abschmelzung der Zusatzversorgung bei gleichzeitiger Erhöhung der Sozialversicherungsrente sei auch kein Eingriff in die Rechte des Klägers. Die Anpassung des Rentenrechts verstoße weder gegen Art 3 noch gegen Art 14 Grundgesetz (GG). Das in Art 20 Abs 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip gewähre für sich allein keinen subjektiven Anspruch auf eine höhere Rente.
Der Kläger hat die vom SG zugelassene (Sprung-)Revision mit Zustimmung der Beklagten eingelegt. Mit ihr begehrt er insbesondere eine individuell neu berechnete Regelaltersrente sowie – daneben – eine ungekürzte und dynamisierte Zusatzversorgung. Er trägt vor:
Die „Liquidierung” der Zusatzversorgung und die jahrelange Verweigerung einer rechtzeitigen und rechtmäßigen Neuberechnung der Rente verstießen gegen Grund- und Menschenrechte. Er habe einen Anspruch auf die in der DDR rechtsstaatlich erworbenen Ansprüche. Die insoweit ergangenen Bescheide seien nach Art 19 des Einigungsvertrages (vom 31. August 1990, BGBl II S 889 ≪EV≫) bestandskräftig geblieben. § 24 RAG sei durch den EV nicht außer Kraft gesetzt worden. Die dort getroffene Regelung sei nur insoweit verfassungswidrig als sie eine „sanfte” Abschmelzung der Zusatzversorgung zum Gegenstand habe.
Art 3 GG sei verletzt, weil durch die Überführung der Rentenansprüche – entgegen Art 143 Abs 1 und 2 GG – dauerhaft die Bundesrepublik Deutschland in unterschiedliche Rechtsgebiete mit unterschiedlicher Gestaltung und Anwendung der Grundrechte aufgeteilt werde. Die ehemaligen Bürger der DDR würden im Vergleich zu den Bürgern der alten Bundesländer schlechter gestellt. Ihnen werde durch die systemwidrige Abschmelzung der Zusatzversorgung die „zweite Säule” der Alterssicherung genommen, die in der Bundesrepublik Deutschland der Beibehaltung des Lebensstandards im Alter diene. Darüber hinaus würden durch die Nichtberücksichtigung eines Einkommens von über das 1,8fache der Beitragsbemessungsgrenze alle auf ein niedrigeres Versorgungsniveau gesetzt. Die Abschmelzung der Zusatzversorgung verstoße schließlich sowohl gegen Art 14 GG als auch gegen die europäische Menschenrechtskonvention, weil die in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche aus den Zusatzversorgungssystemen liquidiert würden. Dies stehe im Gegensatz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 18. Mai 1990 (= Staatsvertrag, BGBl II S 537) und zum EV. Denn danach seien sämtliche erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung zu überführen gewesen. Die Überführung in ein anderes System berechtige nur zur Änderung von Modalitäten, nicht jedoch könne ein fremdes Rentenversicherungssystem nachträglich übergestülpt werden. Schließlich sei die im EV enthaltene Zahlbetragsgarantie eine Realwertgarantie; sie verpflichte zur Anpassung bei steigenden Lebenshaltungskosten. Sämtliche die Rentenüberführung betreffenden Regelungen verstießen letztlich gegen das Rechtsstaatsgebot; sie seien unbestimmt und in sich widersprüchlich. Zudem könnten sie nicht in einer vertretbaren Art und zumutbaren Frist durchgesetzt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird Bezug genommen auf seine Schriftsätze vom 24. Januar 1994 (Bl 25 ff der Akten) und vom 12. März 1994 (Bl 76 ff der Akten).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid des gemeinsamen Trägers der Sozialversicherung über die Rentenanpassung gemäß der 1. RAV zum 1. Januar 1991, den Bescheid der Überleitungsanstalt Sozialversicherung über die Rentenanpassung gemäß der 2. RAV zum 1. Juli 1991 und den Bescheid der Beklagten vom 27. November 1991, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 1993, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
- ihm unter Beachtung des Art 143 Abs 1 GG umgehend die gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI neu berechnete und jeweils angepaßte Regelaltersrente zu bescheiden und ihm ab 1. Juli 1990 zuzüglich die ursprüngliche, nicht abgeschmolzene Zusatzversorgung in Höhe von 800,– DM weiterzuzahlen und zu dynamisieren,
- hilfsweise, zuzüglich zu der gemäß Ziff 1 bestimmten Regelaltersrente einen zusätzlichen Rentenbetrag in Höhe des Betrages, der sich aus der Differenz der Regelaltersrente und 90 % des angepaßten Nettoverdienstes des letzten Jahres vor Gewährung der Rente ergibt, zumindest in Höhe von 800,– DM, ab 1. Juli 1990 zu zahlen und zu dynamisieren.
Die Beklagte beantragt,
die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 1993 zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Die Überführung der Renten verstoße weder gegen den Staatsvertrag noch werde durch die Nichtanpassung der Zusatzversorgung das RAG verletzt. § 24 Abs 5 RAG sei durch den EV abgelöst worden. Der EV habe lediglich die bereits im Staatsvertrag aufgestellten Grundsätze zur Schließung und Überführung der Systeme bestätigt und dabei einen zeitlichen und rechtlichen Rahmen abgesteckt.
Die vorläufige Berechnung verstoße nicht gegen Art 3 GG. Ein Vergleich zu Berufskollegen der alten Bundesländer könne nicht gezogen werden. Denn mit der vorläufigen pauschalen Umwertung der Bestandsrenten habe der Gesetzgeber lediglich auf die durch die Wiedervereinigung entstandene Situation reagiert. Betroffen seien davon nur die Bürger des Beitrittsgebietes, da sie keinen vollständig geklärten Versicherungsverlauf vorweisen könnten. Die Regelung gelte nur für einen Übergangszeitraum, der benötigt werde, um für etwa 300.000 Personen einen Versicherungsverlauf zu erstellen. Der Kläger habe daher derzeit keinen durchsetzbaren Anspruch auf sofortige Neuberechnung der Rente gemäß § 307b SGB VI.
Die Abschmelzung der Zusatzversorgung verstoße auch nicht gegen das GG. Die SGB VI-Rente werde bei Zusatzversorgungsberechtigten, wie bei allen Versicherten im Beitrittsgebiet berechnet, nämlich ausgehend vom erzielten Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Art 14 GG sei ua deshalb nicht verletzt, weil die Ansprüche aus der Zusatzversorgung vor Inkrafttreten des GG im Beitrittsgebiet am 3. Oktober 1990 entstanden und damit nicht Gegenstand der Eigentumsgarantie seien. Geschützt werde nur die Rechtsposition, die der Kläger bei Inkrafttreten des GG im Beitrittsgebiet gehabt habe. Schließlich werde durch Art 14 GG kein Teilhaberecht auf Lebensstandardsicherung begründet.
Wegen des Vortrags im übrigen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28. Februar 1994 (Bl 56 ff der Akten) verwiesen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage gegen die Bescheide zum 1. Januar und zum 1. Juli 1991 sowie gegen den Bescheid vom 27. November 1991 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 1993 zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht keine höhere Altersversorgung zu.
Soweit der Kläger erstmals im Revisionsverfahren – hilfsweise – begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1990 zusätzlich – zu der individuell zu berechnenden Regelaltersrente nach dem SGB VI – den Differenzbetrag zwischen dieser Altersrente und 90 vH des jeweils angepaßten Nettogehalts des letzten Berufsjahres als Zusatzversorgung zumindest in Höhe von 800,– DM zu zahlen und zu dynamisieren, so stellt dieser Antrag eine im Revisionsverfahren nach § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unzulässige Klageänderung dar. Eine Erweiterung des Klagebegehrens ist auch dann nicht zugelassen, wenn der Klagegrund – wie hier -im wesentlichen unverändert geblieben ist (so Urteil des Senats vom 27. Januar 1993 – 4 RA 40/92 – = BSGE 72, 50 ff = BSG SozR 3-2600 § 307b Nr 1 mwN); das Revisionsgericht darf im übrigen nur prüfen, ob das angefochtene Urteil Bundesrecht verletzt (§ 162 SGG).
Soweit der Kläger nicht eine nach § 307b Abs 5 SGB VI pauschaliert berechnete Regelaltersrente, sondern deren Überprüfung und individuelle Neuberechnung begehren sollte, ist die Klage ebenfalls unzulässig. Denn es fehlt insoweit an einer Vorentscheidung der Beklagten. Im angefochtenen Bescheid vom 27. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 1993 hatte die Beklagte jedenfalls über den besonderen Verfahrensantrag nach den §§ 307 Abs 5 letzter Satz, 307a Abs 8 Satz 5 SGB VI, die dem Kläger erstmals ab 1. Januar 1994 ein Recht auf individuelle Berechnung der Rente einräumen, nicht entschieden.
Eine Rechtsgrundlage ist – im übrigen – für einen Anspruch auf eine höhere Altersversorgung ab Juli 1990 nicht ersichtlich.
Nach § 23 Abs 1 Satz 1 RAG (seit dem 3. Oktober 1990 mit der Maßgabe des EV, Anlage II, Kap VIII Sachgebiet F Abschn III Nr 8) stand dem Kläger vom 1. Juli 1990 bis zur Überführung des Versorgungsanspruchs in die Rentenversicherung der Gesamtbetrag aus Sozialversicherungsrente und Zusatzversorgung aus der AVI zu, der durch die Bescheide des FDGB und der staatlichen Versicherung der DDR verbindlich festgesetzt war. Dieser Gesamtbetrag war in unveränderter Höhe (aber in DM) weiter zu zahlen. Die Summe aus beiden Renten stellte den Gesamtbestand an Rechten und Ansprüchen des Klägers auf Altersversorgung dar, die er in seinem Arbeitsleben in der DDR erworben hatte und die er nach Maßgabe des EV (iVm dem in Ausführung des Art 20 des Staatsvertrages ergangenen RAG) bundesrechtlich erhalten konnte (vgl hierzu BSGE 72, aaO, S 55). Die Bescheide der Leistungsträger waren gemäß Art 19 EV über den 2. Oktober 1990 hinaus wirksam und nach Art 19 Satz 3 EV für die Beteiligten bindend. Demgemäß schrieben die aufgrund von Anlage II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 Buchst f des EV (EV Nr 9f) mit Zustimmung des Bundesrates ordnungsgemäß ergangenen Rechtsverordnungen der Bundesregierung den zuvor rechtmäßig erlangten Anspruch auf den Gesamtauszahlbetrag zunächst unter Erhöhung der Sozialversicherungsrente bei gleichzeitiger Abschmelzung der Zusatzversorgung fort, wie dies auch beim Kläger im Bescheid zum 1. Januar 1991 der Fall war (§§ 2, 6 der 1. RAV). Gemäß §§ 3 und 4 der 2. RAV wurde die Rente aus der Sozialversicherung um 15 vH erhöht; der Gesamtzahlbetrag betrug nach dem Bescheid zum 1. Juli 1991 1.272,– DM. Eine weitere Abschmelzung der Zusatzversorgung fand nicht statt (§ 8 der 2. RAV).
Einen Anspruch auf begrenzte Dynamisierung der Zusatzversorgung ergibt sich – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht aus § 24 Abs 5 RAG. Die in der Vorschrift vorgesehene schonende Abschmelzung der Zusatzversorgungsrenten, die eine Erhöhung des Gesamtauszahlbetrages bei gleichzeitiger teilweiser Erhöhung der zusätzlichen Versorgung zuließ, fand keine Anwendung mehr, und zwar auch nicht für die Zeit bis 31. Dezember 1991. Insoweit verkennt Rokita (SGb 1994 S 1, 8), daß § 24 RAG vom EV nicht übernommen wurde (vgl EV Nr 9 Buchst b Satz 4; BSGE 72, aaO, S 53).
Auch für die Zeit ab 1. Januar 1992 hat der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Rente. Die von der Beklagten zutreffend pauschaliert nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Altersrente entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Sie wird insoweit von dem Kläger nicht beanstandet. Ein Anspruch auf individuelle Berechnung besteht entgegen seiner Auffassung nicht auf Grund von Art 143 Abs 1 GG, weil es sich bei AAÜG und SGB VI um bundesdeutsches und nicht DDR-Recht handelt (vgl hierzu BSGE 72, aaO, S 75).
Die Ansprüche des Klägers auf Sozialversicherungsrente und auf Rente aus der AVI wurden ab Januar 1992 durch einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI ersetzt und nach diesen Vorschriften pauschaliert berechnet. Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 sind nämlich grundsätzlich die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen des DDR-Rechts untergegangen. Die Zusatzversorgungssysteme der DDR (§ 2 Abs 1 AAÜG) waren schon zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführt worden. Ab 1. Januar 1992 sind die Vorschriften des SGB VI an die Stelle der Bestimmungen der DDR getreten (gesetzliche Schuldgrundersetzung/Novation; BSGE 72, aaO, S 57). Sofern die pauschaliert berechnete Rente geringer war – was jedoch bei dem Kläger nicht der Fall ist – als der Gesamtbetrag, der auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rechts dem Betroffenen zustand, war zu der Rente ein aus den allgemeinen Regelungen des SGB VI nicht herleitbarer Anspruch auf eine zusätzliche Leistung der Rentenversicherung hinzugetreten. Dieser Rentenzuschlag war der Höhe nach als bloßer Bestandsschutzbetrag ausgestaltet, dh als variabler, der Abschmelzung unterliegender Differenzbetrag zwischen dem Gesamtzahlbetrag der dem Betroffenen nach dem am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Recht zustand und dem jeweiligen Betrag der Rente nach dem SGB VI (§ 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI; so BSGE 72, aaO, S 56).
Eine Rechtsgrundlage für die begehrte Weiterzahlung und Dynamisierung der Leistung aus der Zusatzversorgung ist demnach nicht ersichtlich. Der Senat hatte bereits im og Urteil (BSGE 72, aaO, S 52 ff), ausgehend von der „Systementscheidung” des Gesetzgebers, grundsätzlich alle in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche durch eine Rente nach dem SGB VI zu ersetzen, ausgeführt, es gebe keine gültige Rechtsnorm, die einer Person, die von den Regelungen des § 307b SGB VI erfaßt werde, Leistungen zuerkenne, die über die Sozialversicherungsrente und den Rentenzuschlag nach dem SGB VI hinausgehe; der Kläger habe insoweit keinen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers; es liege außerhalb der funktionalen Kompetenz der Sozialgerichtsbarkeit,
die Stelle der normsetzenden Instanz einzunehmen oder die Gesetzgebungsorgane zu verurteilen, bestimmte Gesetze zu beschließen. Die Aussage des Senats im og Urteil bezog sich zwar notwendigerweise auf den zu entscheidenden Fall, der einen Rentner betraf, bei dem der Zahlbetrag aus Sozialversicherungs- und Zusatzversorgungsrente über dem Höchstbetrag einer nach dem SGB VI zu berechnenden Rente lag. Sie gilt jedoch generell und grundsätzlich im Hinblick auf die vom Gesetzgeber getroffene „Systementscheidung” auch für Fälle, in denen der Anspruch auf Regelaltersrente gleich hoch oder niedriger ist als die höchstmögliche SGB VI-Rente. Der Kläger verkennt im übrigen in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen einer – zulässigen – richterlichen Rechtsfortbildung, die Gesetze weiterführt und ergänzt, und einer unzulässigen, im Gegensatz zur rechtspolitischen Grundentscheidung und Wertung des Gesetzgebers stehenden Korrektur des Gesetzes (vgl hierzu BVerfGE 54, 277, 299 f).
Mit seinem Vorbringen in der Revision beanstandet der Kläger letztlich im wesentlichen diese „Systementscheidung” des Gesetzgebers. Seiner Auffassung, die Regelung im AAÜG und im SGB VI seien verfassungswidrig, kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Senat hatte bereits im og Urteil (BSGE 72, S 67) festgestellt, daß er die oben definierte „Systementscheidung” jedenfalls derzeit für verfassungsgemäß hält. Der Senat hält an dieser Auffassung nach nochmaliger Überprüfung fest. Er hatte hierzu ua ausgeführt: „Die Gesetzgebungsorgane des Bundes haben einen besonders weiten Entscheidungsspielraum, welche Schritte sie wann unternehmen, um die grundsätzliche Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet zu fördern. Ihnen obliegt es, die Prioritäten zu setzen. Da – entsprechend den von der DDR gesetzten Bedingungen – für den Großteil der im Beitrittsgebiet Erwerbstätigen eine berufsständische oder betriebliche Altersversorgung als sog Zweitsäule derzeit noch nicht besteht, gebietet Art 3 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung des Lebensalters der Bestandsrentner und der rentennahen Jahrgänge wenigstens für die Dauer dieser Situation nicht, deren Altersversorgung, … vor anderen Gleichstellungsproblemen bevorzugt zu lösen … Vor diesem Hintergrund ist derzeit unbedenklich, daß ein zuvor rechtmäßig und durch Arbeitsleistung erworbener Versorgungsanspruch oberhalb der theoretischen SGB VI-Rente durch die Überführung nur nicht vermindert wird. Dies gewährleistet der Rentenzuschlag nach § 307b Abs 3 S 2 SGB VI.” Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem hierzu ergangenen Beschluß vom 7. Juli 1993 – 1 BvR 620/93 –, in dem die Verfassungsbeschwerde gegen das og Urteil des Senats nicht zur Entscheidung angenommen worden war, darauf hingewiesen, auch eine Systemwidrigkeit verstoße für sich allein nicht gegen Art 3 Abs 1 GG; denn nach welchem System der Gesetzgeber eine Materie ordnen wolle, obliege ebenso wie die Zweckmäßigkeit einer Regelung seiner Entscheidung.
Im Rahmen dieser „Systementscheidung” ist auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus sonstigen Gründen erkennbar. Es ist nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht dargetan, daß die Regelungen im AAÜG und im § 307b SGB VI einen bestimmten Personenkreis, dem der Kläger angehört, begünstigen, er jedoch von dieser Begünstigung aus sachwidrigen Gründen ausgeschlossen ist (vgl hierzu BSGE 72, aaO, S 53).
Art 3 GG ist auch nicht etwa deshalb verletzt, weil bei Rentnern der Beitrittsländer grundsätzlich das erzielte Arbeitseinkommen/Arbeitsentgelt höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (beitragspflichtiges Einkommen; 1,8fache des Durchschnittseinkommens) zu berücksichtigen ist. Denn die SGB VI-Rente ist bei Berechtigten mit in der DDR erworbenen Ansprüchen aus Zusatzversorgungssystemen grundsätzlich nach denselben Regeln zu berechnen, wie bei allen anderen Versicherten im Beitrittsgebiet. Insoweit gilt – wie für alle Versicherten im Bundesgebiet –, das die Rentenversicherung prägende leistungsrechtliche Prinzip der Lebensstandardsicherung, dh die Rente soll – bis zur Grenze des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts/Arbeitseinkommens – Spiegelbild der individuellen Lebensarbeitsleistung sein (so BSGE 72, S 62).
Der Kläger kann auch nicht geltend machen, die vom DDR-Gesetzgeber getroffene Entscheidung, die Zusatzversorgungssysteme zu schließen, verstoße gegen Art 14 GG. Entgegen seiner Auffassung erstreckt sich der Schutz der Eigentumsgarantie nicht rückwirkend auf Erwerbstatbestände, die im Gebiet der ehemaligen DDR zurückgelegt worden sind (vgl BVerfG, Beschluß vom 30. Oktober 1993 – 1 BvL 42/92 –). Die – wie das RAG – vor dem 3. Oktober 1990 verkündeten Gesetze können daher auch nicht dem Verantwortungsbereich des dem GG verpflichteten Gesetzgebers zugerechnet werden (vgl hierzu entsprechend BVerfGE 84, 90, 122).
Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes ist auch nicht erkennbar, worin eine Verletzung des Art 14 Abs 1 GG im übrigen liegen soll. Denn unter die Eigentumgsgarantie fällt nach alledem nur der Bestand an subjektiven vermögenswerten Rechten, den – und soweit ihn – der EV als erstes inhaltsbestimmendes Bundesrecht als Eigentum garantiert. Über den im EV als Eigentum garantierten Zahlbetrag – zusammengesetzt aus der dem Kläger für Juli 1990 zustehenden Sozialversicherungsrente und der Zusatzversorgung – hinaus ist jedoch nicht ersichtlich, welche weitere eigentumsgeschützte Position der Kläger unter der Geltung des GG erlangt haben könnte (so BVerfG, Beschluß vom 7. Juli 1993, aaO). Die Auffassung des Klägers, im EV sei nicht der Nominalwert, sondern der Realwert des Zahlbetrags garantiert worden, findet dort keine Stütze (vgl BSGE 72, aaO, S 65, 68). Durch diese Zahlbetragsgarantie war dem Besitzstandsschutz und dem Vertrauensschutz bei der Überführung Rechnung getragen (so BVerfG, Beschluß vom 7. Juli 1993, aaO) und damit eine Schlechterstellung dieses anspruchsberechtigten Personenkreises vermieden worden. Damit war auch berücksichtigt, daß der von dieser Garantie erfaßte Personenkreis nicht mehr in der Lage ist, seine bei der Überführung berücksichtigte Versicherungsbiographie noch günstig zu beeinflussen oder durch eigene Erwerbstätigkeit eine „zweite Säule” für seine Altersversorgung zu schaffen (vgl BSGE 72, aaO, S 68).
Ein Verstoß gegen Art 20 Abs 1 und 3 GG ist nicht dargelegt. Die Ausführungen des Klägers in diesem Zusammenhang sind bereits nicht schlüssig. Anhaltspunkte dafür, daß die Regelung im AAÜG und in § 307b SGB VI nicht hinreichend bestimmt, nicht meßbar, unklar und widersprüchlich sowie nicht durchsetzbar seien, liegen nicht vor. Auch eine Verletzung von Art 2 Abs 1 GG ist nicht erkennbar. Durch die „Systementscheidung” wird der Kläger in seiner existenziellen Sicherung nicht bedroht (vgl hierzu entsprechend BVerfGE 85, 360, 383).
Ein Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention ist ebenfalls weder ersichtlich noch vom Kläger dargetan.
Nach alledem sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig, so daß das SG die Klage zutreffend abgewiesen hat und die Revision des Klägers zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen