Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Bewertungsmaßstab. keine inhaltliche Änderung durch Beschlüsse des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses. Vergütung von Laborgrundpauschalen. keine Differenzierung nach zugelassenen oder ermächtigten Ärzten
Leitsatz (amtlich)
- Durch Beschlüsse des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses können Bestimmungen des EBM-Ä nicht inhaltlich geändert werden.
- Bei der Vergütung mit den Laborgrundpauschalen Nr 3454 und 3456 EBM-Ä (Fassung bis 31.3.2005) wird nicht nach der Leistungserbringung durch zugelassene oder ermächtigte Ärzte differenziert.
Normenkette
SGB V § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-5; EBM-Ä Kap O; EBM-Ä Nrn. 3454, 3456
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen des Klägers werden die Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 4. November 2003 (S 9 KA 225/00, S 9 KA 33/03 und S 9 KA 39/03) aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 28. November 2000 (Quartal I/2000), 14. Dezember 2000 (Quartal II/2000), 27. Mai 2003 (Quartal III/2002) und 4. Juli 2003 (Quartal IV/2002) und unter teilweiser Aufhebung der Honorarbescheide für diese Quartale verurteilt, dem Kläger für Überweisungsfälle mit Auftragsleistungen des Kapitels O EBM-Ä an Stelle der Laborgrundgebühr nach Nr 3456 EBM-Ä die Laborgrundgebühr nach Nr 3454 EBM-Ä zu vergüten.
Die Beklagte hat im Verfahren B 6 KA 35/04 R die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten in diesem Verfahren nicht zu erstatten.
Die Beklagte hat weiterhin die Kosten der Verfahren B 6 KA 36/04 R und B 6 KA 37/04 R in beiden Rechtszügen zu tragen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Vergütung von Laborleistungen.
Der Kläger ist Arzt für Laboratoriumsmedizin und leitender Arzt der Abteilung für Laboratoriumsdiagnostik im Kreiskrankenhaus L…. Er ist ermächtigt, bestimmte Laborleistungen auf Überweisung von niedergelassenen Laborärzten und anderen ermächtigten Ärzten der Krankenhäuser im M… Kreis zu erbringen. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) vergütete ihm in den Quartalen I und II/2000 sowie III/2002 und IV/2002 für jeden Überweisungsfall mit Auftragsleistungen des Kapitels O des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) eine Laborgrundpauschale gemäß Nr 3456 EBM-Ä.
Mit seinen Widersprüchen gegen die Honorarbescheide für die genannten Quartale machte der Kläger geltend, da er “Arzt für Laboratoriumsmedizin” sei, seien seine Auftragsleistungen nicht mit der Laborgrundpauschale nach Nr 3456 EBM-Ä, sondern mit der höheren nach Nr 3454 EBM-Ä zu vergüten. Nach dieser Leistungsposition beträgt die Laborgrundpauschale ua für Ärzte für Laboratoriumsmedizin für bis zu 6.000 Behandlungsfälle mit Auftragsleistungen des Kapitels O EBM-Ä je 65 Punkte, für den 6.001. bis 12.000. Behandlungsfall je 10 Punkte und für jeden weiteren Behandlungsfall 2 Punkte. Nach Nr 3456 beläuft sich die Grundpauschale “für Ärzte aus nicht in Nr 3454 aufgeführten Arztgruppen” für bis zu 12.000 Behandlungsfälle mit Auftragsleistungen des Kapitels O auf 15 Punkte je Behandlungsfall und für jeden weiteren Behandlungsfall auf 3 Punkte.
Die Beklagte wies die Widersprüche zurück, da mit “Ärzten für Laboratoriumsmedizin” im Sinne der Leistungslegende der Nr 3454 EBM-Ä nur zugelassene Ärzte gemeint seien. Ermächtigte Laborärzte könnten nur die Vergütung mit der Grundpauschale nach Nr 3456 EBM-Ä beanspruchen. Das ergebe sich zumindest aus dem Interpretationsbeschluss Nr 37 des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses vom 29. Juni 1999, der zeitgleich mit der Neufassung des Kapitels O EBM-Ä zum 1. Juli 1999 in Kraft getreten sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die ursprünglich in getrennten Verfahren geführten Klagen abgewiesen, weil ermächtigte Ärzte für Laboratoriumsmedizin nicht die Grundpauschale nach Nr 3454 EBM-Ä für jeden Auftragsfall mit Leistungen des Kapitels O EBM-Ä abrechnen könnten (Urteile vom 4. November 2003).
Mit seinen Sprungrevisionen rügt der Kläger eine Verletzung von § 87 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit der Gebühren-Nr 3454 EBM-Ä sowie von § 120 SGB V und Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) Die Leistungslegende der Nr 3454 EBM-Ä sei eindeutig und einer abweichenden Interpretation nicht zugänglich. Jeder Arzt, der die Gebietsbezeichnung “Arzt für Laboratoriumsmedizin” führe und an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme, sei auch ein “Arzt für Laboratoriumsmedizin” im Sinne der Leistungslegende dieser Gebührenposition. Eine Differenzierung nach dem Teilnahmestatus (Zulassung oder Ermächtigung) sei dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht zu entnehmen und auch in ihrer Systematik nicht angelegt. Deshalb interpretiere der Beschluss Nr 37 des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses die Leistungslegende nicht, sondern gebe ihr einen anderen Inhalt, soweit er festlege, dass ermächtigte Ärzte für Laboratoriumsmedizin lediglich die niedrigere Grundpauschale nach Nr 3456 EBM-Ä je Auftragsfall abrechnen könnten. Dem Arbeitsausschuss des Bewertungsausschusses stehe jedoch nicht die Befugnis zu, der Leistungslegende einer Gebührenposition des EBM-Ä einen anderen Inhalt zu geben. Im Übrigen verstieße eine Differenzierung hinsichtlich der Höhe der Laborgrundpauschale bei Ärzten für Laboratoriumsmedizin nach dem Teilnahmestatus gegen Art 3 Abs 1 GG. Es seien keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich, dass zugelassene Laborärzte höhere Grundpauschalen berechnen könnten als ermächtigte Ärzte.
Der Senat hat mit Beschluss vom 1. Juli 2005 die Revisionsverfahren B 6 KA 35/04 R, B 6 KA 36/04 R und B 6 KA 37/04 R zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 4. November 2003 (S 9 KA 225/00, S 9 KA 33/03 und S 9 KA 39/03) aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 28. November 2000 (Quartal I/2000), 14. Dezember 2000 (Quartal II/2000), 27. Mai 2003 (Quartal III/2002) und 4. Juli 2003 (Quartal IV/2002) und unter teilweiser Aufhebung der Honorarbescheide für diese Quartale zu verpflichten, sein Honorar für diese Quartale unter Anwendung der Gebühren-Nr 3454 EBM-Ä neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.
Auch die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) verteidigt die angefochtenen Urteile. Die Neufassung des Kapitels O EBM-Ä (Laborleistungen) zum 1. Juli 1999 sei – ebenso wie die Einführung der Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 – von dem Grundgedanken getragen gewesen, prinzipiell Ärzten aller Fachgruppen ein möglichst gleiches Einkommen aus vertragsärztlicher Tätigkeit zu gewährleisten. Bei den Laborärzten sei dem durch die – für die Honorierung der spezifischärztlichen Leistungen geschaffene – Laborgrundpauschale Rechnung getragen worden. Auf Grund dieser Zielsetzung könne die höhere Grundpauschale nach Nr 3454 EBM-Ä nur für zugelassene Ärzte und die Sondergruppe der ermächtigten Fachwissenschaftler der Medizin aus den neuen Bundesländern gelten. Hingegen erzielten ermächtigte Ärzte und Institute Einnahmen aus anderen ärztlichen Tätigkeiten. Sie könnten im Hinblick auf die spezielle Ausrichtung der Ermächtigungen sowie wegen des völlig unterschiedlichen Umfangs der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht von Positionen des EBM-Ä profitieren, die nach der Höhe der Bewertungspunktzahl und dem Ausmaß der Abstaffelung allein der Umsatzsicherung niedergelassener Ärzte dienen sollten. Deshalb differenziere der EBM-Ä an zahlreichen Stellen zwischen zugelassenen und ermächtigten Ärzten und bestimme mehrfach, dass alle ermächtigten Ärzte ungeachtet ihrer Fachgruppenzugehörigkeit als eine Arztgruppe anzusehen seien. Diese Differenzierung liege auch der Regelung der Leistungspositionen Nr 3454 und 3456 EBM-Ä zu Grunde. Da im Vorfeld der Laborreform darüber Unklarheit geherrscht habe, sei das vom Normgeber Gewollte durch den Interpretationsbeschluss Nr 37 des Arbeitsausschusses vom 29. Juni 1999 noch vor Inkrafttreten der Laborreform am 1. Juli 1999 klargestellt worden.
Der zu 2. beigeladene AOK-Bundesverband schließt sich dieser Auffassung an.
Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
Entscheidungsgründe
II
Die Revisionen des Klägers haben Erfolg. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die Honorarbescheide der Beklagten, soweit sie angefochten worden sind, rechtswidrig.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars ist § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V (hier anzuwenden in den ab 1. Januar 2000 bzw 1. Januar 2002 geltenden Fassungen des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626, bzw des Gesetzes vom 11. Dezember 2001, BGBl I 3526). Danach steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten – abrechnungsfähigen – Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im HVM zu. Entsprechendes gilt nach § 95 Abs 4 SGB V für ermächtigte Ärzte. Das Nähere zu Inhalt und Umfang der abrechnungsfähigen Leistungen ist im EBM-Ä bestimmt, an dessen Vorgaben die KÄV bei der Ausgestaltung ihrer Honorarverteilung gebunden ist (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 51).
Dem Kläger steht für Auftragsleistungen nach Kapitel O EBM-Ä die Laborgrundpauschale nach Nr 3454 EBM-Ä in der bis zum 31. März 2005 geltenden und hier maßgeblichen Fassung zu. Danach beträgt die “Grundpauschale für Ärzte für Laboratoriumsmedizin … bei Probeneinsendung, je kurativ-ambulanten Behandlungsfall mit Auftragsleistung(en) des Kapitels O” zwischen 65 und 2 Punkten, abgestaffelt je nach Fallzahl. Demgegenüber erfasst die Leistungsposition Nr 3456 EBM-Ä mit einer niedrigeren Laborgrundpauschale, die die Beklagte der Vergütung des Klägers zu Grunde gelegt hat, “Ärzte aus nicht in Nr 3454 aufgeführten Arztgruppen”. Da der Kläger Arzt für Laboratoriumsmedizin ist, zählt er nicht zu den “nicht in Nr 3454 aufgeführten Arztgruppen” im Sinne der Nr 3456 EBM-Ä. Dabei ist ohne Bedeutung, dass er nicht als zugelassener, sondern als ermächtigter Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.
Für die Auslegung der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in erster Linie der Wortlaut der Bestimmungen maßgeblich, und es ist vorrangig Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst, Unklarheiten zu beseitigen. Soweit der Wortlaut einer Vergütungsregelung zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Regelungen erfolgen. Hingegen kommt eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen durch die Gerichte nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber die Bestimmungen in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 mwN). Diese einschränkenden Vorgaben für eine gerichtliche Auslegung der Vergütungstatbestände des EBM-Ä beruhen zum einen auf der vertraglichen Struktur der Vergütungsregelungen und der Art ihres Zustandekommens im Wege der Normsetzung durch Vertrag im Rahmen der funktionalen Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Krankenkassen und die KÄVen (zur Normsetzung des EBM-Ä durch vertragliche Vereinbarung s zuletzt BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 65, mwN). Zum anderen steht dem Bewertungsausschuss als Normgeber bei der Erfüllung des ihm in § 87 Abs 1 SGB V übertragenen Auftrags ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG ≪Kammer≫, Beschluss vom 22. Oktober 2004 – 1 BvR 528/04 ua – SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr 19 = MedR 2005, 285; BSGE 79, 239, 242 = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 49; BSGE 83, 218, 219 f = SozR aaO Nr 21 S 108 f; BSGE 88, 126, 133 f = SozR aaO Nr 29 S 152 f; BSGE 89, 259, 264 = SozR aaO Nr 34 S 192). Dieser ist grundsätzlich auch von der Rechtsprechung zu respektieren, die daher Regelungen des EBM-Ä nur in Ausnahmefällen korrigieren darf (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 86).
Der Wortlaut der Leistungslegende der Nr 3454 EBM-Ä stellt auf die Bezeichnung “Ärzte für Laboratoriumsmedizin” ab. Einen Hinweis auf den Zulassungsstatus (Zulassung oder Ermächtigung) enthält er nicht. Im Vergleich dazu wird in der Leistungsposition Nr 3456 EBM-Ä, nach der eine punktzahlmäßig niedrigere Bewertung zur Anwendung kommt, auf “Ärzte aus nicht in Nr 3454 aufgeführten Arztgruppen” abgehoben. Dazu gehören Ärzte für Laboratoriumsmedizin gerade nicht, da sie in der Bestimmung Nr 3454 EBM-Ä ausdrücklich erwähnt sind, ohne danach zu differenzieren, ob es sich um zugelassene oder ermächtigte Ärzte handelt. Der in Nr 3456 EBM-Ä inzident enthaltene Abrechnungsausschluss der Leistung Nr 3454 EBM-Ä für solche Ärzte, die nicht in der letztgenannten Vorschrift genannt sind, betrifft Ärzte für Laboratoriumsmedizin nicht. Damit werden auch die ermächtigten Ärzte dieser Arztgruppe von der Nr 3454 EBM-Ä erfasst.
Demgegenüber kann der vom SG und der von beigeladenen KÄBV vertretenen Auffassung, die Wendung “Arzt für Laboratoriumsmedizin” in Nr 3454 EBM-Ä sei nicht eindeutig auf alle Ärzte mit dieser Arztbezeichnung bezogen, nicht gefolgt werden. Zutreffend ist zwar, dass der EBM-Ä in der hier maßgeblichen Fassung an verschiedenen Stellen Regelungen über die Abrechnungsbefugnis von ermächtigten Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen in Abgrenzung zu derjenigen von Vertragsärzten enthält. So ist in den Allgemeinen Bestimmungen des Kapitels O EBM-Ä für den ebenfalls zum 1. Juli 1999 eingeführten Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 EBM-Ä (dazu näher Senatsurteil vom 23. Februar 2005 – BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 9) bestimmt, dass “ermächtigte Ärzte, Krankenhäuser … entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu den aufgeführten Arztgruppen zu berücksichtigen” sind. Dieselbe Wendung enthalten ähnliche Regelungen in Abschnitt O I/O II EBM-Ä über die Begrenzung der Gesamtpunktzahl für Laborleistungen als Bezugsobjekt für den Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 EBM-Ä und in Abschnitt O III EBM-Ä für die speziellen Laborleistungen. An anderen Stellen des EBM-Ä werden demgegenüber die ermächtigten Krankenhausärzte unabhängig von ihrer Gebietsbezeichnung als eigene Arztgruppe behandelt (5. Absatz zu Nr 2 EBM-Ä, Ordinationsgebühr nach Nr 1 EBM-Ä). Abgesehen davon, dass im systematischen Zusammenhang mit den Laborleistungen die Zuordnung der ermächtigten Ärzte zu ihrer Arztgruppe normiert ist und deshalb hier eher darauf als auf die Regelungen zu den Nr 1, 2 EBM-Ä abzustellen wäre, kann dann, wenn der EBM-Ä beide Zuordnungen kennt, im Rahmen der Auslegung nicht mehr oder weniger beliebig die eine oder die andere herangezogen werden.
Der hier getroffenen Auslegung der Regelung in Nr 3454 EBM-Ä, dass auch ermächtigte Ärzte für Laboratoriumsmedizin berechtigt sind, diese Leistung abzurechnen, steht der Interpretationsbeschluss Nr 37 des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses vom 29. Juni 1999 (DÄ 1999, A-1983) nicht entgegen. In diesem Beschluss ist unter dem 4. Spiegelstrich bestimmt: “Ermächtigte Ärzte, Krankenhäuser oder Institute können für die ärztliche Leistung bei Probeneinsendungen je kurativambulanten Behandlungsfall mit Auftragsleistung(en) des Kapitels O unabhängig von ihrer Gebietsarztgruppenzuordnung die Leistung nach Nr 3456 berechnen. Eine Berechnung der Leistung nach Nr 3454 für ermächtigte Ärzte, Krankenhäuser oder Institute … ist entsprechend der Leistungslegende nach Nr 3456 nicht möglich”. Der Interpretationsbeschluss schließt damit für eine genau abgrenzbare Gruppe von Ärzten, die an sich vom Wortlaut der Nr 3454 EBM-Ä erfasst werden, die Berechnung dieser Position der Gebührenordnung aus. Das geht über die Veröffentlichung von Anwendungshinweisen, zu der der Arbeitsausschuss berechtigt ist, hinaus. Vielmehr ändert der Beschluss des Arbeitsausschusses der Sache nach den Text der Leistungslegende, indem er aus “Ärzte für …” die “Vertragsärzte für …” oder die “zugelassenen Ärzte für …” macht. Eine solche Berechtigung zur Änderung des Norminhalts im Weg der “Interpretation” steht dem Arbeitsausschuss indessen nicht zu.
Der Bewertungsausschuss hat zur Erfüllung seines Auftrags einer Beseitigung von Unklarheiten, die im Zusammenhang mit den von ihm getroffenen Regelungen gegebenenfalls auftreten, in seinem Beschluss vom 31. August 1995 das Instrumentarium der Interpretationsbeschlüsse des Arbeitsausschusses geschaffen. Jener Beschluss hat folgenden Wortlaut (DÄ 1996, A-851): “Der Arbeitsausschuss des Bewertungsausschusses wird ermächtigt, über Auslegungsfragen zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab verbindlich zu beschließen und insbesondere die Entscheidungen des Bewertungsausschusses zu EBM-Leistungsbeschreibungen zu interpretieren. Die Auslegungsbeschlüsse ergehen einstimmig; sie werden von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung veröffentlicht.”
Ein vom Arbeitsausschuss des Bewertungsausschusses gefasster Interpretationsbeschluss kann der – nach den dargestellten Grundsätzen beschränkten – Auslegungsbefugnis der Gerichte keine verbindlichen Grenzen setzen. Die Regelungskompetenz der Vertragspartner in Gebührenfragen ist nach den Bestimmungen in § 87 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SGB V den von der KÄBV bzw den Verbänden der Krankenkassen bestellten Vertretern im Vertragsorgan Bewertungsausschuss vorbehalten oder wird gegebenenfalls nach § 87 Abs 4 und 5 SGB V vom erweiterten Bewertungsausschuss wahrgenommen. Ein Arbeitsausschuss ist dort ebenso wenig vorgesehen wie eine Subdelegation der Entscheidungsbefugnis auf andere Repräsentanten der Vertragspartner mit nicht näher bestimmter Legitimation (zu den Legitimationsanforderungen s BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 71 ff). Auch die zwischenzeitlich eingeführte verstärkte staatliche Aufsicht über alle Entscheidungen des Bewertungsausschusses (§ 87 Abs 6 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, BGBl I 2190) schließt es aus, die dem Vertragsorgan selbst zukommende Befugnis zur Präzisierung und ggf zur Klarstellung seiner Regelungen auf eine untergeordnete Ebene zu verlagern. Beschlüsse des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses können daher lediglich die Entscheidungen des Bewertungsausschusses vorbereiten und ggf Hinweise auf die Intention des Normgebers bei Erlass von Regelungen des EBM-Ä geben. Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – Interpretationsbeschlüsse zeitgleich mit den EBM-Ä-Regelungen, die sie interpretieren, in Kraft treten. Soweit entstehungsgeschichtliche Argumente überhaupt im Rahmen der Auslegung von Vorschriften des EBM-Ä herangezogen werden können, kommt Interpretationsbeschlüssen des Arbeitsausschusses, die zeitgleich oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit der jeweiligen EBM-Ä Norm, auf die sie sich beziehen, beschlossen und publiziert werden, für die Auslegung der jeweiligen EBM-Ä-Regelungen Bedeutung zu. Damit können die Gerichte bei ihrer eigenen Entscheidung die Ergebnisse des Arbeitsausschusses zwar als Stellungnahmen fachkundiger Personen würdigen und ggf berücksichtigen. Die “Interpretationsbeschlüsse” stellen aber weder authentische Interpretationen durch den Normgeber noch vertragliche Vereinbarungen mit normativer Wirkung dar (zur fehlenden Verbindlichkeit der Interpretationsbeschlüsse s bereits BSG – Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 80/03 R –; BSG SozR 3-2500 § 115b Nr 2 S 5).
Der Arbeitsausschuss hat die Norm der Nr 3454 EBM-Ä in seinem Interpretationsbeschluss Nr 37 nicht erläutert, sondern dem vom Normgeber Bewertungsausschuss beschlossenen Text einen anderen Inhalt gegeben. Eine Änderung des Norminhalts im Weg der “Interpretation” kann jedoch nicht mit bindender Wirkung für die Gerichte durch einen dazu nicht legitimierten Arbeitsausschuss des Normgebers erfolgen.
Der Bewertungsausschuss selbst hat im Übrigen bei der Neugestaltung des zum 1. April 2005 in Kraft getretenen EBM-Ä keine Notwendigkeit für eine Klarstellung für die Zukunft in dem Sinne gesehen, dass die höhere Grundpauschale ausschließlich den Vertragsärzten vorbehalten bleibt. Die Neuregelung führt vielmehr die seit dem 1. Juli 1999 geltende Unterscheidung zwischen “Ärzten für Laboratoriumsmedizin …” und Ärzten “anderer Arztgruppen” ausdrücklich fort. Wäre diese Unterscheidung missverständlich oder interpretationsbedürftig, hätte der Normgeber jedenfalls aus Anlass der Neufassung des EBM-Ä zum 1. April 2005 die Leistungslegende entsprechend dem Beschluss des Arbeitsausschusses vom 29. Juni 1999 ausgestalten müssen, wenn er dies so gewollt hätte. Das ist jedoch nicht geschehen. Dem Leistungsinhalt der Nr 3454 EBM-Ä aF entspricht die neue Nr 12220 EBM-Ä, die den “Fachärzten für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie …” vorbehalten ist. Für die “anderen Arztgruppen” kommt nur die niedrigere Pauschale nach Nr 12225 EBM-Ä für jeden “kurativambulanten Behandlungsfall mit Auftragsleistung(en) des Kapitels 32” zum Ansatz.
Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren B 6 KA 35/04 R folgt aus § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung. Für die zu diesem Verfahren verbundenen Revisionsverfahren B 6 KA 36/04 R und B 6 KA 37/04 R folgt die Kostenentscheidung aus § 197a SGG iVm § 154 VwGO. Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie die Kosten für beide Rechtszüge zu tragen.
Fundstellen