Leitsatz (amtlich)
Es verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, dass ein Transsexueller, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Transsexuellengesetz erfüllt, zur rechtlichen Absicherung seiner gleichgeschlechtlichen Partnerschaft nur dann eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen kann, wenn er sich zuvor gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 des Transsexuellengesetzes einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat sowie dauernd fortpflanzungsunfähig ist und aufgrund dessen personenstandsrechtlich im empfundenen und gelebten Geschlecht Anerkennung gefunden hat.
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 23.10.2007; Aktenzeichen 1 W 76/07) |
LG Berlin (Beschluss vom 25.01.2007; Aktenzeichen 84 T 442/06) |
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 30.08.2006; Aktenzeichen 70 III 101/06) |
Tenor
1. § 8 Absatz 1 Nummern 3 und 4 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) vom 10. September 1980 (Bundesgesetzblatt I Seite 1654) ist mit Artikel 2 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe der Gründe nicht vereinbar.
2. § 8 Absatz 1 Nummern 3 und 4 des Transsexuellengesetzes ist bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar.
3. Der Beschluss des Kammergerichts vom 23. Oktober 2007 – 1 W 76/07 –, der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. Januar 2007 – 84 T 442/06 – und der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 30. August 2006 – 70 III 101/06 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Rechten aus Artikel 2 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Kammergerichts wird aufgehoben und die Sache an das Kammergericht zurückverwiesen.
4. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob einer Mann-zu-Frau Transsexuellen mit sogenannter „kleiner Lösung” die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einer Frau unter Hinweis auf die Möglichkeit, eine Ehe einzugehen, verweigert werden kann, weil hierfür eine Personenstandsänderung stattgefunden haben muss, die voraussetzt, dass der Transsexuelle fortpflanzungsunfähig ist und sich geschlechtsumwandelnden operativen Eingriffen unterzogen hat.
I.
1. Voraussetzung einer Eheschließung ist die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten. Demgegenüber verlangt § 1 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG), dass Personen, die eine Lebenspartnerschaft eingehen, gleichen Geschlechts sind. In beiden Fällen wird auf das personenstandsrechtliche Geschlecht abgestellt.
2. a) Das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) vom 10. September 1980 (BGBl I S. 1654) in der Fassung vom 17. Juli 2009 (BGBl I S. 1978) sieht zwei Verfahren vor, die Transsexuellen das Leben im empfundenen Geschlecht ermöglichen sollen.
Die sogenannte „kleine Lösung”, erlaubt es, den Vornamen zu ändern, ohne dass zuvor operative geschlechtsanpassende Eingriffe stattgefunden haben müssen. Die Voraussetzungen dafür sind in § 1 TSG niedergelegt, der wie folgt lautet:
Voraussetzungen
(1) Die Vornamen einer Person sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn
- sie sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben,
- mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und
sie
- Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist,
- als Staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat,
- als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Inland hat oder
als Ausländer, dessen Heimatrecht keine diesem Gesetz vergleichbare Regelung kennt,
aa) ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder
bb) eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhält.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will.
Zur Feststellung der in § 1 Abs. 1 TSG aufgeführten Voraussetzungen muss das für die Entscheidung zuständige Amtsgericht (vgl. § 2 Abs. 1 TSG) Gutachten von zwei Sachverständigen einholen, die aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind und unabhängig voneinander tätig werden (vgl. § 4 Abs. 3 TSG).
§ 8 TSG stellt die Voraussetzungen für die sogenannte „große Lösung” auf, die zur personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts führt, und hat folgenden Wortlaut:
Voraussetzungen
(1) Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie
- die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt,
- (weggefallen)
- dauernd fortpflanzungsunfähig ist und
- sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will; dies ist nicht erforderlich, wenn seine Vornamen bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.
Wird dem Antrag nach dem in § 9 TSG vorgeschriebenen Verfahren durch gerichtliche Entscheidung entsprochen, ist der Antragsteller von der Rechtskraft der Entscheidung an gemäß § 10 TSG als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen mit der Folge, dass sich seine vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten grundsätzlich nach dem neuen Geschlecht richten. Allerdings bleibt nach § 11 TSG das Verhältnis des Transsexuellen zu seinen Abkömmlingen und Eltern unberührt. Nach § 9 Abs. 3 TSG in Verbindung mit § 6 TSG kann der Personenstand auf Antrag wieder dem Geburtsgeschlecht angepasst werden.
b) Bei Entstehung des Transsexuellengesetzes war im Gesetzgebungsverfahren unumstritten, dass eine Personenstandsänderung eine operative Geschlechtsangleichung voraussetzt. Zur Begründung führte die Bundesregierung aus, es müsse verhindert werden, dass ein Mann einen Mann heiraten könne, der sich insofern sogar gemäß § 175 StGB strafbar machen könne. Könne sich ein Betroffener der Operation nicht unterziehen, müsse er es bei der „kleinen Lösung” bewenden lassen (BTDrucks 8/2947, S. 12).
Die Voraussetzung der Fortpflanzungsunfähigkeit wurde nicht begründet. Allerdings wurde das Verhältnis Transsexueller zu ihren Kindern diskutiert. Der Bundesrat regte in diesem Zusammenhang mit späterer Zustimmung der Bundesregierung (BTDrucks 8/2947, S. 27 unter 10) an, das in § 11 TSG geregelte Eltern-Kind-Verhältnis uneingeschränkt auf leibliche Kinder der Betroffenen zu beziehen, unabhängig ob sie vor oder nach der personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts geboren wurden. Nach den bisherigen Erfahrungen sei nicht ausgeschlossen, dass Personen, die als fortpflanzungsunfähig gelten, noch Kinder zeugen oder empfangen könnten. Diesen Kindern könne nicht die Möglichkeit genommen werden, ihre Abstammung feststellen zu lassen (BTDrucks 8/2947, S. 23 unter 10).
3. Das Bundesministerium des Innern erarbeitete zum 7. April 2009 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Transsexuellenrechts, der jedoch aufgrund der bereits fortgeschrittenen Legislaturperiode nicht mehr in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde (BTDrucks 16/13157, S. 1). Der Entwurf hielt an der Zweiteilung zwischen „kleiner” und „großer Lösung” fest. Für die zur Personenstandsänderung führende „große Lösung” sollte die dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit und nunmehr statt der bisher in § 8 TSG geforderten Operation eine in körperlicher Hinsicht erfolgte Anpassung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zur Voraussetzung gemacht werden, jedoch nur, soweit die dafür notwendige medizinische Behandlung nicht zu einer Gefahr für das Leben oder zu einer schweren dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigung des Betroffenen führe.
In der Begründung des Gesetzesentwurfs wurde dazu ausgeführt, auf die Voraussetzung der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit könne grundsätzlich nicht verzichtet werden. Die vom Geschlecht abhängige Zuordnung im Zusammenleben der Gesellschaft solle gewahrt werden; insbesondere müsse ausgeschlossen werden, dass rechtlich dem männlichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder gebären und rechtlich dem weiblichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder zeugen. Durch die Voraussetzung der operativen Geschlechtsumwandlung sei es allerdings in der Vergangenheit zu mehr Operationen gekommen, als therapeutisch angezeigt gewesen seien. Daher sollten sich medizinische Eingriffe künftig nach der individuellen Entwicklung und ärztlichen Beurteilung richten.
4. a) In nahezu allen Rechtsordnungen Europas bestehen Möglichkeiten zur rechtlichen Anerkennung Transsexueller in ihrem empfundenen Geschlecht. Sie können danach unterschieden werden, ob sie für die personenstandsrechtliche Anerkennung eine operative Geschlechtsumwandlung verlangen (so Frankreich ≪vgl. Court de Cassation, Assemblée plénière vom 11. Dezember 1992, Bulletin civil Nr. 13≫ und die Türkei ≪Art. 40 türkZGB≫) oder darauf verzichten (so Belgien ≪Art. 62b belgZGB≫, Finnland ≪§ 1 finnTSG≫, Österreich ≪vgl. Österreichischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 3. Dezember 2009 – B 1973/08-13 –, S. 8 ff.≫, Schweden ≪§ 3 schwedTSG≫, Spanien ≪Art. 4 spanTSG≫ und Großbritannien ≪Section 3 Gender Recognition Act 2004≫). Manche Rechtsordnungen verlangen eine optische Angleichung an das empfundene Geschlecht, zum Beispiel durch eine Hormontherapie (so Belgien ≪Art. 62b § 2 Nr. 2 belgZGB≫, Italien ≪Art. 1 italTSG≫ und die Niederlande ≪Art. 28 Abs. 1 B.W.≫, wobei Belgien und die Niederlande wiederum Ausnahmeregelungen für die Fälle vorgesehen haben, in denen im Einzelfall gesundheitliche Risiken bestehen ≪Art. 62b § 1 Abs. 1 belgZGB≫ und ≪Art. 28 Abs. 1 b B.W.≫). Während demnach nur eine kleinere Zahl von Ländern die Durchführung einer operativen Geschlechtsanpassung zur Voraussetzung einer Personenstandsänderung machen, ist die Zahl der Länder größer, die eine Fortpflanzungsunfähigkeit verlangen (Belgien ≪Art. 62b § 2 Nr. 3 belgZGB≫, Finnland ≪§ 1 Nr. 1 finnTSG≫, Niederlande ≪Art. 28 Abs. 1 b B.W.≫, Schweden ≪§ 3 schwedTSG≫, Türkei ≪Art. 40 türkZGB≫). In allen Rechtsordnungen sind Entscheidungen über die Anerkennung des empfundenen Geschlechts auf der Basis von ärztlichen oder psychiatrischen Gutachten zu treffen.
b) In Finnland (§ 1 finnLPartG), Frankreich (PACS, Art. 515 franzZGB), Österreich (EingetragenePartnerschaftsG), der Schweiz (PartnerschaftsG) und im Vereinigten Königreich (Civil Partnership Act 2004) gibt es neben der Ehe ein besonderes familienrechtliches Institut zur rechtlichen Absicherung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Die Bestimmung der Gleichgeschlechtlichkeit richtet sich auch in diesen Ländern nach dem Personenstand.
Demgegenüber haben Belgien (Art. 143 belgZGB), die Niederlande (Art. 1:30 B.W.), Norwegen (Art. 1 norwEheG), Spanien (Art. 9 spanZGB) und Schweden (Art. 1 schwedEheG) die Eingehung der Ehe nicht nur verschiedengeschlechtlichen, sondern auch gleichgeschlechtlichen Partnern eröffnet. Die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts hat in diesen Ländern für einen Transsexuellen keine Auswirkungen auf die Eingehung einer rechtlich abgesicherten Partnerschaft.
5. Seit Inkrafttreten des Transsexuellengesetzes wurden neue Erkenntnisse über die Transsexualität gewonnen (vgl. bereits BVerfGE 115, 1 ≪4 ff.≫). Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden. Ihre sexuelle Orientierung im empfundenen Geschlecht kann, wie bei Nicht-Transsexuellen, hetero- wie homosexuell ausgerichtet sein.
a) Mit der Entwicklung geschlechtsanpassender Operationen in den 1960er Jahren wurde Transsexualität als Leiden am falschen Körper definiert und die Behandlung auf somatische Eingriffe fokussiert (vgl. Becker, in: Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, S. 153 ≪153 ff.≫). Die daraus abgeleitete Auffassung, alle Transsexuelle würden nach einer geschlechtsanpassenden Operation streben, hat sich inzwischen als unrichtig erwiesen (vgl. BVerfGE 115, 1 ≪5≫). Ein Operationswunsch allein wird von Gutachtern nicht mehr als zuverlässiger diagnostischer Indikator angesehen, da der Wunsch nach einer „Geschlechtsumwandlung” auch eine Lösungsschablone für psychotische Störungen, Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern oder für die Ablehnung einer homosexuellen Orientierung sein kann (Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S. 39, 121 f.).
Vielen Transsexuellen verschafft eine geschlechtsanpassende Operation eine erhebliche Erleichterung ihres Leidensdrucks, die manche schon vorher durch Selbstverstümmelung und Selbstkastration zu erreichen versuchen. Jedoch verbleiben zwischen 20 und 30 % der Transsexuellen, die einen Antrag auf Vornamensänderung stellen, in Deutschland dauerhaft in der „kleinen Lösung” ohne Operation (m.w.N. Hartmann/Becker, Störungen der Geschlechtsidentität, 2002, S. 15; Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, ZfS 2001, S. 258 ≪264≫). Der Wunsch und die Durchführung von Operationen sind nach neueren Erkenntnissen nicht kennzeichnend für das Vorliegen von Transsexualität. Für entscheidend wird vielmehr die Stabilität des transsexuellen Wunsches gehalten (vgl. Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, a.a.O., S. 258 ≪260≫; Pichlo, a.a.O., S. 121). Für erforderlich werden deshalb individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (m.w.N. Pichlo, a.a.O., S. 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität – Transidentität, 2006, S. 17; Becker, a.a.O., S. 153 ≪180, 181≫). Mit Blick auf diese Erkenntnisse werden die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG als verfassungsrechtlich problematisch bezeichnet (Becker/Berner/Dannecker/ Richter-Appelt, a.a.O., S. 258 ≪264≫; Grünberger, StAZ 2007, S. 357 ≪360 f.≫).
b) Sowohl bei der Diagnose als auch in der Behandlung kommt dem Leben in der neuen Geschlechterrolle (sogenannter „Alltagstest”) große Bedeutung zu, um zu ermitteln, ob ein Wechsel der Geschlechterrolle bewältigt werden kann. Anschließend wird häufig eine gegengeschlechtliche Hormonbehandlung durchgeführt. Diese ermöglicht eine körperliche Angleichung an das empfundene Geschlecht und schaltet Eigenschaften des Geburtsgeschlechts aus, die von den Betroffenen als belastend empfunden werden, wie zum Beispiel Menstruation, Ejakulation und Bartwuchs (Becker, a.a.O., S. 153 ≪191 f.≫; Eicher, in: Clement/Senf, Transsexualität, Behandlung und Begutachtung, 1996, S. 55 ff.). Die gegengeschlechtliche Hormontherapie ist ein einschneidender Schritt, der mit der Herausbildung weiblicher Brüste oder andererseits der Entwicklung einer tiefen Stimme und möglicherweise dauerhafter Unfruchtbarkeit bereits irreversible körperliche Folgen hat (Pfäfflin, in: Clement/Senf, Transsexualität, Behandlung und Begutachtung, 1996, S. 37) und gesundheitliche Risiken wie zum Beispiel erhöhtes Thrombose-Risiko, Diabetes, chronische Hepatitis und Leberschäden mit sich bringt (vgl. Rauchfleisch, a.a.O., S. 105). Nach gegebenenfalls durchgeführten Operationen, die für die personenstandsrechtliche Anerkennung nach dem Transsexuellengesetz Voraussetzung sind, muss die Hormontherapie lebenslang fortgesetzt werden (Eicher, Transsexualismus, 2. Aufl., 1992, S. 84).
c) Für die personenstandsrechtliche Anerkennung nach dem Transsexuellengesetz sind bei einer Mann-zu-Frau Transsexuellen die Amputation des Penisschaftes und der Hoden sowie die Bildung von Neovulva, Neoklitoris und Neovagina mit der Schaffung eines neuen Harnausgangs erforderlich (vgl. zur medizinischen Technik: Eicher, in: Clement/Senf, a.a.O., S. 61 ff.; Sohn/Schäfer, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, 2008, S. 135 ff.). Bei komplikationsloser Heilung kann die Patientin nach zwei Wochen stationärer Behandlung entlassen werden, wobei mindestens die erste Woche strikte Bettruhe einzuhalten ist. Da die Operation einen erheblichen Eingriff bedeutet, muss der Operateur jeweils Operations- und Narkoserisiken abwägen (vgl. Pichlo, a.a.O., S. 126 f.). Bei ca. 40 % der Patientinnen müssen nach der ersten Operation weitere Korrekturoperationen vorgenommen werden (Sohn/Schäfer, a.a.O., S. 139 f.; Eicher, a.a.O., S. 117 ff.). Unter den betroffenen Mann-zu-Frau Transsexuellen, die körperliche Veränderungen anstreben, gilt als größter Wunsch nach körperlicher Veränderung die Entwicklung einer weiblichen Brust, die allerdings oft schon durch die Hormontherapie entsteht. Während einige Betroffene größte Abneigung gegen ihre männliche Behaarung empfinden, eine Epilation wünschen und ihren Penis als Zeichen der Männlichkeit ablehnen, können andere ihn akzeptieren (Becker, a.a.O., S. 153 ≪191≫).
Bei Frau-zu-Mann Transsexuellen sind für die Personenstandsänderung nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG die operative Entfernung der Gebärmutter, der Eierstöcke und des Eileiters und oftmals eine Brustverkleinerung zur Angleichung an das Erscheinungsbild des männlichen Geschlechts erforderlich. Ein Scheidenverschluss und der Aufbau einer Penisprothese werden als Voraussetzung allerdings nicht verlangt. Für Frau-zu-Mann Transsexuelle, die körperliche Eingriffe anstreben, steht die Entfernung der Brust als sichtbares Zeichen der Weiblichkeit im Vordergrund. An zweiter Stelle steht die Beendigung der Menstruation, die bereits mit einer Hormontherapie erreicht wird, so dass die Entfernung von Uterus und Eierstöcken nur von den wenigsten Betroffenen aus eigener Motivation angestrebt wird. Der Wunsch nach einer Penisprothese ist bei vielen Betroffenen nicht stark ausgeprägt (Becker, a.a.O., S. 190).
d) Die Zahl der Transsexuellen, die nach der Änderung ihres Vornamens oder nach Geschlechtsumwandlung wieder in ihr Geburtsgeschlecht zurückwechseln, ist nur unzureichend bekannt. Der Rollenwechsel zurück gilt jedoch als sehr seltener Ausnahmefall (Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, a.a.O., S. 258 ≪263≫). Nach einer Studie aus dem Jahr 1993 stellten seit Inkrafttreten des Transsexuellengesetzes nur sechs Personen (0,4 % der Personen, die einen Vornamenbeziehungsweise Personenstandswechsel vorgenommen hatten) in Deutschland einen Antrag auf Rückumwandlung beziehungsweise Wiederannahme des alten Vornamens, fünf davon nach vollzogener Vornamensänderung und eine Person nach vollzogener Personenstandsänderung (m.w.N. Hartmann/Becker, a.a.O., S. 96). Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung liegen die Fälle, in denen eine Rückkehr ins Ausgangsgeschlecht durchgeführt wurde, bei deutlich unterhalb einem Prozent aller durchgeführten TSG-Verfahren (Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, a.a.O., S. 258 ≪264≫).
II.
1. Die Beschwerdeführerin wurde 1948 mit männlichen äußeren Geschlechtsmerkmalen geboren und erhielt die Vornamen „R. R.”. Sie empfindet sich jedoch als Angehörige des weiblichen Geschlechts. Als solche ist sie homosexuell orientiert und lebt in einer Partnerschaft mit einer Frau. Sie hat gemäß § 1 TSG ihre Vornamen in „L. I.” geändert und ihren Adelstitel in die weibliche Form umgewandelt („kleine Lösung”). Eine Änderung des Personenstandes gemäß § 8 Abs. 1 TSG („große Lösung”) wurde nicht vorgenommen. Sie wird jedoch hormonell behandelt. In ihrer Geburtsurkunde wird die Beschwerdeführerin dementsprechend als „L. I. Freifrau …, männlichen Geschlechts” bezeichnet.
Mit Antrag vom 8. Dezember 2005 begehrte die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer Partnerin beim Standesamt T. von Berlin die Eintragung einer Lebenspartnerschaft. Mit Bescheid vom 2. Februar 2006 lehnte der Standesbeamte den Antrag ab, weil eine Lebenspartnerschaft nur für zwei Beteiligte des gleichen Geschlechts eingetragen werden könne. Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin am 8. Februar 2006, den Standesbeamten anzuweisen, die Lebensgemeinschaft mit ihrer Partnerin, der Beteiligten zu 2), zu registrieren.
Diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 30. August 2006 zurück. Die Begründung einer Lebenspartnerschaft setze voraus, dass sie von zwei Personen gleichen Geschlechts eingegangen werde. An dieser Voraussetzung fehle es hier. Eine gerichtliche Feststellung nach § 8 Abs. 1 TSG, dass die Beschwerdeführerin als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen sei, könne nicht ohne eine geschlechtsanpassende Operation ergehen. Den Beteiligten stehe nur die Möglichkeit der Eheschließung offen. Hierin liege keine Diskriminierung ihrer Person. Das Gesetz stelle für die Eingehung von Ehe und Lebenspartnerschaft auf das personenstandsrechtlich bestimmte Geschlecht, nicht auf die sexuelle Orientierung der Partner ab. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 25. Januar 2007 zurück. Auch die weitere Beschwerde blieb erfolglos. Das Kammergericht bestätigte mit Beschluss vom 23. Oktober 2007 die Rechtsauffassung der Vorinstanzen.
2. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 28. Dezember 2007 Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Sie habe einen grundrechtlich geschützten Anspruch darauf, mit einem Menschen in einer rechtlich und gesellschaftlich anerkannten Lebensgemeinschaft zu leben. Als empfundene Frau, die eine Frau zur Partnerin habe, wolle sie eine Lebenspartnerschaft begründen. Es sei aufgrund des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Transsexualität inzwischen überholt, bei der personenstandsrechtlichen Einordnung allein auf eine operative Geschlechtsumwandlung abzustellen und nicht auf das empfundene Geschlecht. Dies führe zu verfassungswidrigen Ergebnissen. Für sie als inzwischen 62-Jährige sei die für eine Personenstandsänderung erforderliche geschlechtsanpassende Operation aufgrund ihres Alters mit nicht abzuschätzenden gesundheitlichen Risiken verbunden.
Der Verweis auf die Ehe zur Begründung einer rechtlich gesicherten Partnerschaft sei ihr nicht zumutbar. Die Ehe sei ihrem Wesen nach die Verbindung von Mann und Frau für das gesamte künftige Leben. Da sie sich als Frau empfinde und mit einer Frau eine Partnerschaft eingehen wolle, würde ihr praktisch aufgezwungen, eine gleichgeschlechtliche Ehe einzugehen. Dies würde einerseits das Institut der Ehe beschädigen. Andererseits würde sie bei Eheschließung rechtlich als Mann eingestuft, zugleich aber trage sie wie ihre Lebensgefährtin einen weiblichen Vornamen, der ihrem empfundenen Geschlecht entspreche. Dadurch würde nicht nur der Eindruck erweckt, dass auch gleichgeschlechtliche Partner die Ehe eingehen können. Jedem Dritten würde hiermit auch offenkundig gemacht, dass eine der beiden Frauen transsexuell sei. Ein unauffälliges und diskriminierungsfreies Leben in der neuen Rolle würde unmöglich. Dies verletze sie in ihrem Persönlichkeitsrecht.
3. Unter dem 10. Mai 2010 hat die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie inzwischen die Ehe eingegangen ist. Es sei für sie nicht länger hinnehmbar gewesen, ohne rechtliche Absicherung mit ihrer Partnerin zu leben. Diese habe einen Witwenanspruch erhalten sollen. Das Paar fühle sich dazu verpflichtet, den anderen Partner versorgt zu wissen, ohne zunächst eine Gerichtsentscheidung abzuwarten.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium des Innern namens der Bundesregierung, das Land Berlin, der Lesben- und Schwulenverband Deutschland, die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, der sonntags.club und das Transgender-Netzwerk Berlin Stellung genommen.
1. Das Bundesministerium des Innern hält die Rechtslage für verfassungsgemäß. Die „kleine Lösung” sei eingeführt worden, um den Betroffenen zu ermöglichen, möglichst schnell in der Rolle des anderen Geschlechts auftreten zu können. Außerdem solle den Betroffenen geholfen werden, die keine Operation auf sich nehmen wollen. Die „kleine Lösung” habe jedoch gerade keine Auswirkung auf die personenstandsrechtliche Geschlechtszugehörigkeit, sondern stelle vielmehr ein Zugeständnis an die Betroffenen dar. Die Ehe als Verbindung von Mann und Frau stünde nur Personen unterschiedlichen Geschlechts, die Lebenspartnerschaft dagegen nur Personen gleichen Geschlechts offen. Die rechtliche Zuordnung zu einem Geschlecht könne zwar bei einer Abweichung vom psychisch empfundenen Geschlecht zu Härten führen. Die Ordnungsfunktion des Personenstandsrechts verlange jedoch ein rechtlich klar umschriebenes Kriterium für die Einordnung der Geschlechtszugehörigkeit. Ein kaum feststellbares, nur empfundenes Geschlecht tauge dafür ebenso wenig wie das bloße Aussehen oder das Verhalten eines Menschen. Darum habe der Gesetzgeber die personenstandsrechtliche Anerkennung des neuen Geschlechts an die „große Lösung” geknüpft und ein besonderes Verfahren angeordnet.
Zwar gelte es grundsätzlich, den falschen Anschein zu vermeiden, dass die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Partnern offen stehe. Durch die zur Vermeidung von Härten angebotene „kleine Lösung” ließen sich die Grundsätze der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe und der rechtlich klaren, objektiven Anknüpfung zur Feststellung des rechtlich maßgeblichen Geschlechts jedoch nicht in jedem Fall miteinander vereinbaren. Ein solcher Fall sei beispielsweise gegeben, wenn ein bereits verheirateter Transsexueller einen anderen Vornamen annehmen wolle. Der Grundsatz, den Anschein der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe zu wahren, müsse in einem solchen Fall hinter der klaren Feststellung des Geschlechts zurückstehen.
2. Demgegenüber halten das Land Berlin, der Lesben- und Schwulenverband Deutschland, die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, der sonntags.club und das Transgender-Netzwerk Berlin die Verfassungsbeschwerde für begründet. Sie betonen, die aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage zur personenstandsrechtlichen Anerkennung erforderliche geschlechtsanpassende Operation übe einen starken Druck auf Transsexuelle mit „kleiner Lösung” aus, somatische Maßnahmen vornehmen zu lassen, um die als richtig empfundene Lebenspartnerschaft oder Ehe eingehen zu können, auch wenn körperliche Eingriffe vom medizinischen und psychotherapeutischen Standpunkt her nicht angezeigt seien. Das Transsexuellengesetz stelle somatische Maßnahmen über das im Grundgesetz verankerte Recht auf Selbstbestimmung. Der Zwang zur geschlechtsumwandelnden Operation, um die gewünschte gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingehen zu können, sei unzumutbar. Es könne für eine Mann-zu-Frau Transsexuelle als belastend bis dramatisch erlebt werden, aufgrund ihres Verheiratetenstatus „geoutet” zu werden.
Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts müsse der Gesetzgeber Transsexuellen mit homosexueller Orientierung die Möglichkeit eröffnen, eine rechtlich gesicherte Partnerschaft mit einem Menschen seiner Wahl eingehen zu können. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung des Transsexuellengesetzes Ehen verhindern wollen, bei denen die Ehegatten rechtlich oder auch nur dem Anschein nach dem gleichen Geschlecht angehören. Damit sei nicht zu vereinbaren, dass der Gesetzgeber homosexuelle Transsexuelle ohne Personenstandsänderung in eine Ehe dränge.
Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG gingen von verfehlten Vorstellungen aus. Der Wunsch nach einer Operation sei nicht notwendig Teil der Transsexualität. Auch ginge es bei der Transsexualität nicht um eine „Umwandlung” oder um ein „werden wollen”, sondern darum, rechtliche Anerkennung im bereits als richtig erlebten Geschlecht zu finden.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin nicht deshalb entfallen, weil sie inzwischen die Ehe eingegangen ist.
Die Beeinträchtigung der geschlechtlichen Identität der Beschwerdeführerin durch die rechtliche Nichtanerkennung ihres empfundenen Geschlechts und die ihr damit nicht eröffnete Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen, setzt sich auch nach ihrer Eheschließung fort (vgl. BVerfGE 33, 247 ≪257 f.≫; 69, 161 ≪168≫; 81, 138 ≪140 f.≫). Nachvollziehbar hat die Beschwerdeführerin erklärt, nur deshalb die Ehe eingegangen zu sein, weil sie angesichts ihres Alters und des sich hinziehenden Verfahrens nicht mehr länger habe abwarten können, ihre Partnerschaft rechtlich abzusichern. Ihr und ihrer Partnerin war es insoweit nicht zumutbar, ihr Bedürfnis nach gegenseitiger Absicherung und Versorgung weiter hintanzustellen. Dass die Fachgerichte und das Bundesverfassungsgericht schwierige Fragen oft nicht in kurzer Zeit entscheiden können, darf nicht dazu führen, dass eine Verfassungsbeschwerde wegen des Zeitablaufs und hierbei eintretender Veränderungen als unzulässig verworfen wird (vgl. BVerfGE 81, 138 ≪140≫). Weil der Beschwerdeführerin zur Absicherung ihrer Partnerschaft allein die Ehe offengestanden hat, ist sie zudem dadurch, dass sie in der ehelichen Beziehung zu ihrer Partnerin rechtlich ihrem Geburtsgeschlecht zugeordnet bleibt, weiterhin in ihrem eigenen Identitätsempfinden als Frau betroffen und damit konfrontiert, dass ihre Transsexualität aufgrund der ehelichen Verbindung mit ihrer Partnerin offenkundig geworden ist.
C.
§ 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG ist mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit die dort geregelten Voraussetzungen einen homosexuellen Transsexuellen, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 TSG erfüllt, mittelbar daran hindern, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen.
I.
1. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt mit der engeren persönlichen Lebenssphäre auch den intimen Sexualbereich des Menschen, der die sexuelle Selbstbestimmung und damit auch das Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität sowie der eigenen sexuellen Orientierung umfasst (vgl. BVerfGE 115, 1 ≪14≫; 121, 175 ≪190≫). Es ist wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, dass die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Geschlecht nicht allein nach den äußerlichen Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt seiner Geburt bestimmt werden kann, sondern sie wesentlich auch von seiner psychischen Konstitution und selbstempfundenen Geschlechtlichkeit abhängt (vgl. BVerfGE 115, 1 ≪15≫). Steht bei einem Transsexuellen das eigene Geschlechtsempfinden nachhaltig in Widerspruch zu dem ihm rechtlich nach den äußeren Geschlechtsmerkmalen zugeordneten Geschlecht, gebieten es die Menschenwürde in Verbindung mit dem Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit, dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen Rechnung zu tragen und seine selbstempfundene geschlechtliche Identität rechtlich anzuerkennen, um ihm damit zu ermöglichen, entsprechend dem empfundenen Geschlecht leben zu können, ohne in seiner Intimsphäre durch den Widerspruch zwischen seinem dem empfundenen Geschlecht angepassten Äußeren und seiner rechtlichen Behandlung bloßgestellt zu werden (vgl. BVerfGE 116, 243 ≪264≫). Es obliegt dem Gesetzgeber, die Rechtsordnung so auszugestalten, dass diese Anforderungen erfüllt sind und insbesondere die rechtliche Zuordnung zum nachhaltig empfundenen Geschlecht nicht von unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht wird.
2. Mit diesen Grundsätzen ist es nicht vereinbar, wenn Transsexuelle mit gleichgeschlechtlicher Orientierung, zur rechtlichen Absicherung ihrer Partnerschaft entweder die Ehe eingehen oder sich geschlechtsändernden und die Zeugungsunfähigkeit herbeiführenden operativen Eingriffen aussetzen müssen, um personenstandsrechtlich im empfundenen Geschlecht anerkannt zu werden und damit eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen zu können, die seiner als gleichgeschlechtlich empfundenen Partnerbeziehung entspricht. Die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts darf nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die schwere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit bedingen und mit gesundheitlichen Risiken verbunden sind, wenn diese nach wissenschaftlichem Kenntnisstand keine notwendige Voraussetzung einer dauerhaften und erkennbaren Änderung der Geschlechtszugehörigkeit sind.
a) Zu der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Persönlichkeitsentfaltung gehört das Recht jedes Menschen, mit einer Person seiner Wahl eine dauerhafte Partnerschaft einzugehen und diese in einem der dafür gesetzlich vorgesehenen Institute rechtlich abzusichern (vgl. BVerfGE 115, 1 ≪24≫). Dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG entsprechend ist dies zum einen durch Eingehen der Ehe möglich, die verschiedengeschlechtlichen Paaren offen steht (vgl. BVerfGE 105, 313 ≪344 f.≫). Zum anderen hat der Gesetzgeber für gleichgeschlechtliche Partnerschaften das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft geschaffen. Der Zugang zum jeweiligen Institut bestimmt sich insofern im deutschen Recht derzeit nach der Geschlechterkonstellation der Paare, die sich jeweils miteinander rechtlich verbinden wollen, nicht nach deren sexueller Orientierung, auch wenn die Entscheidung einer Person für eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft regelmäßig mit ihrer sexuellen Orientierung verbunden ist (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪221≫). Dabei ist das personenstandsrechtlich festgestellte Geschlecht der Partner zum Zeitpunkt des Eingehens der rechtlichen Verbindung maßgeblich. Die ausschließlich am rechtlich zugewiesenen Geschlecht ausgerichtete Unterscheidung der beiden vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten für Paare, sich rechtlich zu binden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 115, 1 ≪23≫; 121, 175 ≪195≫). Sie ermöglicht eine objektive und einfache Feststellung der Zugangsvoraussetzungen für Ehe und Lebenspartnerschaft, vermeidet, dass die Partner vor Eingehen der Ehe oder Lebenspartnerschaft Intimes über ihr Geschlechtsempfinden oder ihre sexuellen Neigungen preisgeben müssen, und dient damit dem Schutz der Privatsphäre (vgl. BVerfGE 107, 27 ≪53≫).
b) Dass für die Eröffnung von Ehe oder Lebenspartnerschaft das jeweilige personenstandsrechtliche Geschlecht der Partner ausschlaggebend ist, beeinträchtigt aber dann das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, wenn bei der rechtlichen Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit einer Person allein auf das nach ihren äußeren Geschlechtsmerkmalen bestimmte und nicht auf das von ihr empfundene, durch Gutachten bestätigte Geschlecht abgestellt wird und eine bestehende Diskrepanz zwischen der personenstandsrechtlichen Geschlechtszugehörigkeit und dem empfundenen Geschlecht nicht in einer für den Betroffenen zumutbaren Weise beseitigt werden kann, sodass diesem zur Absicherung seiner Partnerschaft nur ein Institut offen steht, bei dessen Eingehen er nach seinem Empfinden im falschen Geschlecht leben muss.
Dies ist bei einem Transsexuellen mit homosexueller Orientierung der Fall, der zwar die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 TSG erfüllt, sich aber einer die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden und seine Zeugungsunfähigkeit herbeiführenden Operation nicht unterzogen hat, die nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG erforderlich ist, um im selbstempfundenen Geschlecht personenstandsrechtlich anerkannt zu werden. So empfindet sich eine Mann-zu-Frau Transsexuelle mit „kleiner Lösung” wie die Beschwerdeführerin als Frau und hat entsprechend auch ihren Namen und ihr Äußeres dem empfundenen Geschlecht angepasst, wird aber personenstandsrechtlich weiter als Mann behandelt. Wie die Fachgerichte im zugrundeliegenden Fall der geltenden Gesetzeslage entsprechend festgestellt haben, ist es der Beschwerdeführerin deshalb nicht möglich gewesen, zur rechtlichen Absicherung ihrer nach ihrem Empfinden gleichgeschlechtlichen Beziehung zu einer Frau eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen, obwohl dieses Institut vom Gesetzgeber gerade für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen worden ist, um die Ehe als Verbindung von Mann und Frau verschiedengeschlechtlichen Paaren vorzubehalten (vgl. BVerfGE 115, 1 ≪18≫). Will sich eine Mann-zu-Frau Transsexuelle mit ihrer Partnerin rechtlich verbinden, steht sie deshalb vor der Alternative, entweder mit ihrer Partnerin die Ehe einzugehen (aa) oder an sich geschlechtsändernde und zur Zeugungsunfähigkeit führende Operationen vornehmen zu lassen, um die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts zu erreichen und damit die Voraussetzung für die Begründung einer ihrer homosexuellen Beziehung entsprechenden eingetragenen Lebenspartnerschaft zu erfüllen (bb). Beide ihr offen stehenden Möglichkeiten beeinträchtigen ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in unzumutbarer Weise.
aa) Mit dem Verweis auf den Eheschluss als Möglichkeit, seine Partnerschaft rechtlich abzusichern, wird ein Transsexueller mit sogenannter „kleiner Lösung” und gleichgeschlechtlicher Orientierung rechtlich und nach außen erkennbar in eine Geschlechterrolle verwiesen, die seiner selbstempfundenen widerspricht. Zugleich wird seine Transsexualität offenkundig. Dies entspricht nicht dem Gebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG auf Anerkennung der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität eines Menschen und auf Schutz seiner Intimsphäre.
Steht die Ehe wie in einigen europäischen Ländern sowohl verschieden- wie gleichgeschlechtlichen Paaren offen (siehe A. I. 4.), lassen sich aus dem Eingehen einer Ehe keine Rückschlüsse auf die Geschlechtszugehörigkeit oder sexuelle Orientierung der Ehepartner ziehen. Hält die Rechtsordnung dagegen wie in Deutschland neben der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft ein weiteres Institut zur Absicherung einer rechtlich verbindlichen Partnerschaft bereit und grenzt sie die beiden Institute voneinander allein nach dem Geschlechterverhältnis der Partner ab, erfolgt mit der Zuweisung zu dem jeweiligen Institut auch eine Zuschreibung der Geschlechterrollen in der Partnerschaft. So nimmt allein schon die Benennung als Ehegatten oder Lebenspartner Einfluss auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der jeweiligen Partner und ihrer Beziehung. Wird ein Transsexueller mit „kleiner Lösung” und gleichgeschlechtlicher Orientierung darauf verwiesen, zur rechtlichen Absicherung seiner Partnerschaft die Ehe einzugehen, und folgt er dem gezwungenermaßen, weil geschlechtsändernde Operationen bei ihm nicht in Betracht kommen, er aber nicht auf eine rechtliche Bindung mit seinem Partner verzichten möchte, setzt er sich deshalb einer Infragestellung seiner geschlechtlichen Identität wie seiner sexuellen Orientierung aus. Zum einen gerät er in Zwiespalt zwischen dem durch die Eheschließung vermittelten Eindruck seiner Geschlechtszugehörigkeit und seines, dem entgegenstehenden eigenen Geschlechtsempfindens. Zum anderen wird ihm in der Ehe als heterosexueller Verbindung eine Rolle zugeschrieben, die seiner sexuellen Orientierung widerspricht.
Zwar kann der Transsexuelle auch nach Eheschluss seinen nach § 1 TSG geänderten, mit seinem empfundenen Geschlecht in Einklang stehenden Namen behalten (vgl. BVerfGE 115, 1 ff.). Doch gerade dieser Name und sein dem geschlechtlichen Empfinden angepasstes äußeres Erscheinungsbild, das seine Beziehung zu seinem angetrauten Partner als gleichgeschlechtlich offenbart, stellen ihn und seinen Partner wiederum permanent in Widerspruch zu ihrem Status als Verheiratete. Sie erscheinen als Paar, das eigentlich in der Ehe fehl am Platz ist. Offenkundig wird, dass es sich bei einem von ihnen um einen Transsexuellen handeln muss. Aufgrund der Diskrepanz zwischen ihrer ehelichen Verbundenheit und ihrer erkennbar gleichgeschlechtlichen Beziehung müssen beide auch immer wieder damit rechnen, auf ihre Geschlechtszugehörigkeit angesprochen zu werden. Zwar mag es im Alltag vermeidbar sein, sich als Ehegatten zu erkennen zu geben. Es kann den Betroffenen aber verfassungsrechtlich nicht zugemutet werden, den ihnen rechtlich zugewiesenen Status nach außen verheimlichen zu müssen, um mit der von ihnen empfundenen Geschlechterrolle in Einklang zu leben. Der Schutz der Intimsphäre des Transsexuellen und seines Partners vor ungewollten Einblicken durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bleibt damit nicht hinreichend gewahrt (vgl. BVerfGE 88, 87 ≪97 f.≫). Es ist beiden deshalb nicht zumutbar, zur Absicherung ihrer Beziehung auf die Ehe verwiesen zu werden.
bb) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber beim Zugang zu einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auch bei Transsexuellen mit homosexueller Orientierung auf das personenstandsrechtlich festgestellte Geschlecht der Partner abstellt und die personenstandsrechtliche Geschlechtsbestimmung von objektivierbaren Voraussetzungen abhängig macht. Es verstößt jedoch gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, wenn er die personenstandsrechtliche Anerkennung eines Transsexuellen an zu hohe und damit unzumutbare Voraussetzungen knüpft.
(1) Eine eingetragene Lebenspartnerschaft steht nur gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Zu ihnen zählt sich zwar ein homosexueller Transsexueller mit seinem Partner. Solange er aber in seinem empfundenen Geschlecht noch keine personenstandsrechtliche Anerkennung gefunden hat, wird seine Beziehung rechtlich nicht als gleichgeschlechtlich gewertet. Er kann eine seinem Empfinden entsprechende Lebenspartnerschaft nur eingehen, wenn er zuvor die Voraussetzungen erfüllt hat, von denen der Gesetzgeber eine Änderung des Personenstandes abhängig gemacht hat. Das Anknüpfen an das personenstandsrechtlich festgestellte Geschlecht dient der eindeutigen Geschlechtszuordnung der Partner bei der Prüfung, ob ihnen Zugang zur eingetragenen Lebenspartnerschaft zu gewähren ist. Der Gesetzgeber verfolgt ein legitimes Ziel, wenn er mit dem Erfordernis eines personenstandsrechtlichen Nachweises des Geschlechts dafür Sorge tragen will, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft nur Partnern offen steht, die rechtlich als gleichgeschlechtlich anerkannt sind (vgl. BVerfGE 105, 313 ≪351 f.≫).
(2) Der Gesetzgeber kann bei der Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen grundsätzlich von dessen äußeren Geschlechtsmerkmalen zum Zeitpunkt der Geburt ausgehen und die personenstandsrechtliche Anerkennung des im Widerspruch dazu stehenden empfundenen Geschlechts eines Menschen von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen. Da das Geschlecht maßgeblich für die Zuweisung von Rechten und Pflichten sein kann und von ihm familiäre Zuordnungen abhängig sind, ist es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen, ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und einer Änderung des Personenstands nur stattzugeben, wenn dafür tragfähige Gründe vorliegen und ansonsten verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzureichend gewahrt würden. Dabei kann er, um beliebige Personenstandswechsel auszuschließen, einen auf objektivierte Kriterien gestützten Nachweis verlangen, dass die selbstempfundene Geschlechtszugehörigkeit, die dem festgestellten Geschlecht zuwiderläuft, tatsächlich von Dauer und ihre Anerkennung für den Betroffenen von existentieller Bedeutung ist.
Dementsprechend setzt der Gesetzgeber für eine personenstandsrechtliche Änderung des Geschlechts nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 TSG unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 TSG zunächst voraus, dass eine Person, die sich dem anderen als dem festgestellten Geschlecht zugehörig fühlt, durch zwei Gutachten voneinander unabhängiger Sachverständiger, die über einschlägige fachliche Kenntnisse und berufliche Erfahrungen auf dem Gebiet der Transsexualität verfügen, nachweist, mindestens seit drei Jahren unter dem Zwang zu stehen, den Vorstellungen über ihr Geschlecht entsprechend zu leben. Des Weiteren muss mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die personenstandsrechtliche Anerkennung an solche Voraussetzungen zu knüpfen.
(3) Zwar kann der Gesetzgeber näher bestimmen, wie der Nachweis der Stabilität und Irreversibilität des Empfindens und Lebens eines Transsexuellen im anderen Geschlecht zu führen ist. Dabei kann er auch über die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 TSG hinaus seine Anforderungen, zum Beispiel an die medizinische Begleitung des Transsexuellen, an sein Erscheinungsbild oder an die Qualität der Begutachtung, spezifizieren. Der Gesetzgeber stellt aber an den Nachweis der Dauerhaftigkeit des Empfindens und Lebens im anderen Geschlecht zu hohe, dem Betroffenen unzumutbare und insofern mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbare Anforderungen, wenn er in § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG zur personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts von einem Transsexuellen unbedingt und ausnahmslos verlangt, sich Operationen zu unterziehen, die seine Geschlechtsmerkmale verändern und zur Zeugungsunfähigkeit führen (vgl. auch Österreichischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 3. Dezember 2009 – B 1973/08-13 –, S. 8 ff.).
(aa) Um feststellen und nachweisen zu können, ob der transsexuelle Wunsch wirklich stabil und irreversibel ist, bedarf es nach heutigem medizinischen Kenntnisstand (vgl. A. I. 5. a) bis c) eines längeren diagnostisch-therapeutischen Prozesses. Für ein Leben des Betroffenen im anderen Geschlecht ist eine Angleichung seiner äußeren Erscheinung und Anpassung seiner Verhaltensweise an sein empfundenes Geschlecht erforderlich. Dies wird zunächst nur durch entsprechende Kleidung, Aufmachung und Auftretensweise herbeigeführt, um im Alltag zu testen, ob ein dauerhafter Wechsel der Geschlechterrolle psychisch überhaupt bewältigt werden kann. Gelingt dies, unterzieht sich der Transsexuelle zumeist einer dauerhaften hormonellen Behandlung, die körperliche Eigenschaften des Geburtsgeschlechts wie Bartwuchs, Ejakulation oder Menstruation auszuschalten vermag, eine optische Angleichung des Körpers an das empfundene Geschlecht bewirkt und Unfruchtbarkeit mit sich bringen kann. Schließlich kann als weitestgehender Behandlungsschritt ein operativer Eingriff in Betracht kommen, bei dem die äußeren Geschlechtsmerkmale dem empfundenen Geschlecht des Transsexuellen angepasst werden, wodurch auch seine Zeugungsunfähigkeit herbeigeführt wird. Nicht selten hat eine solche Operation zur Folge, dass noch weitere Korrekturoperationen erforderlich werden. Nach geschlechtsändernden Operationen muss lebenslang eine Hormonbehandlung durchgeführt werden.
Eine Operation, mit der die Geschlechtsmerkmale eines Menschen großteils entfernt beziehungsweise so umgeformt werden, dass sie im Aussehen dem empfundenen Geschlecht möglichst weitgehend entsprechen, stellt eine massive Beeinträchtigung der von Art. 2 Abs. 2 GG geschützten körperlichen Unversehrtheit mit erheblichen gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen für den Betroffenen dar. Je nach Gesundheitszustand und Alter können diese Risiken so groß sein, dass medizinischerseits von einer derartigen Operation abzuraten ist. Zwar gehört es bei vielen Transsexuellen zur Therapie, ihnen ihren Leidensdruck zu erleichtern, der aus dem Gefühl herrührt, körperlich im falschen Geschlecht zu leben, und ihnen entsprechend ihrem Wunsch und Drang auch durch operative Eingriffe zu ermöglichen, ihrem empfundenen Geschlecht näherzukommen und sich diesem anzupassen. Es ist jedoch unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten.
Wie das Bundesverfassungsgericht schon in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 1) festgestellt hat, kann angesichts des heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Vorliegen ernsthaft und unumstößlich empfundener Transsexualität allein daran festgestellt werden kann, dass der Betroffene mit allen Mitteln bestrebt ist, seine Geschlechtsorgane und -merkmale als Irrtum der Natur durch operative Geschlechtsumwandlung zu korrigieren. Vielmehr ist die Fachwelt inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass geschlechtsumwandelnde Operationen auch bei einer weitgehend sicheren Diagnose der Transsexualität nicht stets indiziert sind. Ob eine Geschlechtsumwandlung medizinisch vertretbar und anzuraten ist, muss nach medizinischer Diagnose bei jedem Betroffenen individuell festgestellt werden (vgl. BVerfGE 115, 1 ≪21≫). Die Dauerhaftigkeit und Irreversibilität des empfundenen Geschlechts eines Transsexuellen lässt sich nicht am Grad der Anpassung seiner äußeren Geschlechtsmerkmale an das empfundene Geschlecht mittels operativer Eingriffe messen, sondern ist daran festzustellen, wie konsequent der Transsexuelle in seinem empfundenen Geschlecht lebt und sich in ihm angekommen fühlt (vgl. Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, a.a.O., S. 258 ≪260 f.≫). Durchgeführte geschlechtsumwandelnde Operationen sind deshalb zwar ein deutliches Indiz für die Transsexualität einer Person. Werden sie aber zur unbedingten Voraussetzung für die personenstandsrechtliche Anerkennung gemacht, wird von einem Transsexuellen verlangt, sich körperlichen Eingriffen auszusetzen und gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzunehmen, auch wenn dies in seinem Fall nicht indiziert und dazu für die Feststellung der Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität nicht erforderlich ist. Damit setzt der Gesetzgeber an den Nachweis des dauerhaften Vorliegens einer Transsexualität eine übermäßige Anforderung, die den zu schützenden Grundrechten der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht hinreichend Rechnung trägt.
Im Übrigen verlangt der Gesetzgeber auch in anderen Fällen keine Operationen, um eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit einer Person und ihren äußeren Geschlechtsmerkmalen sicherzustellen. So eröffnet § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 TSG Transsexuellen nach geschlechtsverändernden Operationen die Möglichkeit, die personenstandsrechtliche Anerkennung ihres Wunschgeschlechts wieder rückgängig zu machen und in ihr Geburtsgeschlecht zurückzukehren, ohne dass dafür erneute geschlechtsanpassende Operationen zur Voraussetzung gemacht werden. Damit akzeptiert der Gesetzgeber, dass nicht alle Angehörigen einer Geschlechtszugehörigkeit hinsichtlich ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale dem Aussehen dieses Geschlechts vollständig entsprechen.
(bb) Auch mit der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 Nr. 3 TSG eine unzumutbare Voraussetzung für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts eines Transsexuellen gesetzt, soweit für die Dauerhaftigkeit der Fortpflanzungsunfähigkeit operative Eingriffe zur Voraussetzung gemacht werden. Die Realisierung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG wird damit von der Preisgabe des Rechts auf körperliche Unversehrtheit abhängig gemacht, ohne dass Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen, die die hierdurch bei den betroffenen Transsexuellen entstehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 121, 175 ≪202≫).
Die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen steht unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG und ist Bestandteil des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (vgl. BVerfGE 79, 174 ≪201 f.≫). Wird einem Transsexuellen auferlegt, sich zur Erlangung der personenstandsrechtlichen Anerkennung im empfundenen Geschlecht operativen Eingriffen zu unterziehen, die seine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit herbeiführen, bringt ihn dies in die Zwangssituation, entweder dies abzulehnen, damit aber auf seine rechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht verzichten zu müssen, was ihn dazu zwingt, dauerhaft im Widerspruch zu seiner rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit zu leben, oder folgenreiche Operationen hinzunehmen, die nicht nur körperliche Veränderungen und Funktionsverluste für ihn mit sich bringen, sondern auch sein menschliches Selbstverständnis berühren, um auf diesem einzig möglichen Weg zu seiner personenstandsrechtlichen Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu gelangen. Welche Entscheidung der Betroffene auch trifft, er wird stets in wesentlichen Grundrechten, die seine psychische oder körperliche persönliche Integrität betreffen, beeinträchtigt.
Die für diese zwangsläufige und schwere Grundrechtsbeeinträchtigung angeführten Gründe tragen nicht. Allerdings verfolgt der Gesetzgeber ein berechtigtes Anliegen, wenn er mit der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit als Voraussetzung für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts ausschließen will, dass rechtlich dem männlichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder gebären oder rechtlich dem weiblichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder zeugen, weil dies dem Geschlechtsverständnis widerspräche und weitreichende Folgen für die Rechtsordnung hätte (vgl. BTDrucks 8/2947, S. 12).
Es trifft zwar zu, dass solche Möglichkeiten eintreten können, wenn bei der personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts auf die Voraussetzung der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit verzichtet wird. Bei Frau-zu-Mann Transsexuellen wird dies jedoch nur in seltenen Fällen vorkommen, weil sie ganz überwiegend heterosexuell orientiert sind (vgl. Becker, in: Kockott/Fahrner, a.a.O., S. 162). Demgegenüber ist bei Mann-zu-Frau Transsexuellen mit homosexueller Orientierung, wenn die Zeugungsunfähigkeit nicht zur Voraussetzung für ihre personenstandsrechtliche Anerkennung als Frau gemacht wird, nicht auszuschließen, dass sie als dann rechtlich eingestufte Frauen Kinder zeugen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass schon die hormonelle Behandlung, die zur Therapie von Transsexuellen zumeist durchgeführt wird, eine mindestens zeitweilige Zeugungsunfähigkeit bewirkt. Zudem ist angesichts des Entwicklungsstandes der heutigen Fortpflanzungsmedizin selbst bei einem Festhalten an dem Erfordernis der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit nicht mehr auszuschließen, dass eine Mann-zu-Frau Transsexuelle, die sich entsprechenden Operationen unterzogen hat und personenstandsrechtlich als Frau ausgewiesen wird, später mit Hilfe ihres vor der Operation eingefrorenen Spermas ein Kind zeugt, wie ein vor dem Oberlandesgericht Köln entschiedener Fall zeigt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 30. November 2009 – 16 Wx 94/09 –, StAZ 2010, S. 45).
Solche Fälle des Auseinanderfallens von rechtlicher Geschlechtszuordnung und Erzeugerbeziehungsweise Gebärendenrolle, die angesichts der kleinen Gruppe transsexueller Menschen eher selten vorkommen werden, berühren vornehmlich die Zuordnung der geborenen Kinder zu Vater und Mutter. Es ist ein berechtigtes Anliegen, Kinder ihren biologischen Eltern auch rechtlich so zuzuweisen, dass ihre Abstammung nicht im Widerspruch zu ihrer biologischen Zeugung auf zwei rechtliche Mütter oder Väter zurückgeführt wird. Wie § 11 TSG zeigt, ist eine solche klare, den biologischen Umständen entsprechende rechtliche Zuordnung von Kindern zu einem Vater und einer Mutter aber gesetzlich schon vorgesehen. Die Regelung bestimmt, dass das Verhältnis eines nach § 8 TSG rechtlich anerkannten Transsexuellen zu seinen Abkömmlingen unberührt bleibt, bei angenommenen Kindern jedoch nur, soweit diese vor Rechtskraft der Entscheidung über die Anerkennung seines neuen Geschlechts als Kind angenommen worden sind. Nach § 10 in Verbindung mit § 5 Abs. 3 TSG ist deshalb im Geburtseintrag eines leiblichen oder eines vor seiner rechtlichen Anerkennung angenommenen Kindes der Vorname des Transsexuellen einzutragen, der vor seiner Namensänderung nach § 1 TSG rechtlich maßgebend war. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln ist § 11 TSG in Verbindung mit §§ 10 und 5 Abs. 3 TSG dahingehend auszulegen, dass dies unabhängig davon gilt, ob das leibliche Kind vor oder nach der rechtlichen Anerkennung seines Elternteils im empfundenen Geschlecht geboren worden ist (vgl. OLG Köln, a.a.O., S. 46). Damit ist sichergestellt, dass den betroffenen Kindern trotz der rechtlichen Geschlechtsänderung eines Elternteils rechtlich immer ein Vater und eine Mutter zugewiesen bleiben beziehungsweise werden. Wägt man insofern die Gründe, die den Gesetzgeber bewogen haben, die dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit zur Voraussetzung für die rechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht nach § 8 TSG zu machen, mit den schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigungen des Transsexuellen ab, die er dadurch erfährt, dass er nur dann die rechtliche Anerkennung in seinem empfundenen Geschlecht erhält, wenn er sich Operationen unterzieht, die tief in seine körperliche Integrität eingreifen, selbst wenn diese medizinisch nicht indiziert sind und bei Mann-zu-Frau Transsexuellen zudem oft schon aufgrund von Hormonbehandlungen Zeugungsunfähigkeit besteht, dann ist dem Recht des Transsexuellen auf sexuelle Selbstbestimmung unter Wahrung seiner körperlichen Unversehrtheit größeres Gewicht beizumessen. Dies gilt zumal, weil es rechtliche Möglichkeiten gibt sicherzustellen, dass Kinder, deren einer Elternteil ein Transsexueller ist, dennoch rechtlich ihrem Vater und ihrer Mutter zugewiesen werden. Damit erweist sich § 8 Abs. 1 TSG nicht nur bezüglich seiner Nr. 4, sondern auch seiner Nr. 3 als verfassungswidrig.
II.
Die angegriffenen Entscheidungen des Kammergerichts, des Landgerichts und des Amtsgerichts beruhen mittelbar auf der verfassungswidrigen Norm und verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Der Beschluss des Kammergerichts ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Kammergericht zur Entscheidung über die Verfahrenskosten zurückzuverweisen.
D.
Die Verfassungswidrigkeit von § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG führt nicht zur Nichtigkeit, sondern zur Unvereinbarkeit dieser Norm mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Denn der Gesetzgeber hat, wie ausgeführt, die Möglichkeit, in § 8 Abs. 1 TSG für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts eines Transsexuellen spezifiziertere Voraussetzungen zum Nachweis der Ernsthaftigkeit des Bedürfnisses, im anderen Geschlecht zu leben, als in § 1 Abs. 1 TSG aufzustellen oder kann eine Gesamtüberarbeitung des Transsexuellenrechts vornehmen, um einen verfassungsgemäßen Rechtszustand herbeizuführen.
Angesichts der Schwere der Beeinträchtigung, die ein Transsexueller dadurch erfährt, dass sein empfundenes Geschlecht personenstandsrechtlich nicht anerkannt wird, wenn er die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG nicht erfüllt und deshalb ein Transsexueller eine eingetragene Lebenspartnerschaft nicht eingehen kann, die seiner sexuellen Orientierung entspricht, wird § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung für nicht anwendbar erklärt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Die Entscheidung ist mit 6:2 Stimmen ergangen.
Unterschriften
Kirchhof, Hohmann-Dennhardt, Bryde, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Masing, Paulus
Fundstellen