Entscheidungsstichwort (Thema)
Religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates im öffentlichen Schulwesen. religiöse Bekundungen von Lehrern durch Tragen von Kleidungsstücken. Glaubensfreiheit. elterliches Erziehungsrecht. Erfordernis des verhältnismäßigen Ausgleichs. gleichmäßige Anwendung des gesetzlichen Bekundungsverbots. Schutz der Glaubensfreiheit durch die EMRK. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung aus religiösen Gründen
Leitsatz (amtlich)
Das Tragen von Kleidungsstücken durch Lehrer stellt eine in öffentlichen Schulen unzulässige äußere Bekundung im Sinne von § 38 Abs. 2 Satz 1 des Schulgesetzes Baden-Württemberg dar, wenn das Kleidungsstück erkennbar aus dem Rahmen der in der Schule üblichen Bekleidung fällt und der Lehrer Schülern und Eltern die religiöse oder weltanschauliche Motivation für das Tragen des Kleidungsstücks darlegt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 2, 3 S. 1, Art. 4 Abs. 1-2, Art. 6 Abs. 2 S. 1; EMRK Art. 9 Abs. 1-2, Art. 14; SchG BW § 38 Abs. 2; AGG §§ 1, 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 14.03.2008; Aktenzeichen 4 S 516/07) |
VG Stuttgart (Entscheidung vom 07.07.2006; Aktenzeichen 18 K 3562/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. März 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin steht als Grund- und Hauptschullehrerin, seit 1978 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, im Dienst des Beklagten. Sie trat 1984 zum islamischen Glauben über und trägt seit 1995 aus religiösen Gründen im Dienst eine die Haare verdeckende Kopfbedeckung. Auf Nachfrage erläutert sie, dass sie dieses Kleidungsstück aus religiösen Gründen trage. Ihre Klage gegen die Weisung der Schulaufsichtsbehörde, den Dienst als Lehrerin ohne die Kopfbedeckung auszuüben, wies der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf § 38 Abs. 2 Satz 1 des baden-württembergischen Schulgesetzes ab. Danach seien Lehrkräften an öffentlichen Schulen religiöse äußere Bekundungen in der Schule untersagt. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Schulfriedens müssten nicht vorliegen. Darin liege kein Verstoß gegen die Glaubensfreiheit der Lehrer. Denn der Landesgesetzgeber habe die staatliche Neutralitätspflicht wegen der Grundrechtspositionen von Eltern und Schülern auf diese Weise konkretisieren dürfen. Der Beklagte habe glaubhaft vorgetragen, dass das Verbot gleichmäßig und nicht nur zur Verhinderung äußerer Bekundungen des islamischen Glaubens durchgesetzt werde.
1. Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫ = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18; stRspr).
a) Danach kommt den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, ob
– der gesetzliche Begriff der äußeren Bekundung auch das Tragen eines Kleidungsstücks erfasse, dessen Motivation sich erst aufgrund der Erklärungen des Trägers erschließe;
– das gesetzliche Bekundungsverbot gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verstoße, weil es einseitig die positive Glaubensfreiheit zurücksetze, ohne den Umständen des Einzelfalles Bedeutung beizumessen;
– das gesetzliche Bekundungsverbot gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG verstoße, weil es christliche Bekundungen ausnehme und sich einseitig gegen das Tragen islamischer Kopfbedeckungen durch Frauen richte,
keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Diese Fragen sind entweder durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 – (BVerfGE 108, 282 ≪297 ff.≫) und das daran anknüpfende Urteil des Senats vom 24. Juni 2004 – BVerwG 2 C 45.03 – (BVerwGE 121, 140 ≪144 ff.≫ = Buchholz 237.0 § 9 BaWüLBG Nr. 1 S. 4 ff.) geklärt oder lassen sich aufgrund dieser Entscheidungen ohne Weiteres beantworten.
Zu dem Begriff der äußeren Bekundung im Sinne von § 38 Abs. 2 Satz 1 des baden-württembergischen Schulgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 1. April 2004 – SchG BW – (GBl. S. 178) hat der Senat entschieden, hierbei handele es sich um die bewusste, an die Außenwelt gerichtete Kundgabe einer Überzeugung. Zur Bestimmung des Erklärungswerts sei auf eine Deutungsmöglichkeit abzustellen, die für eine nicht unerhebliche Zahl von Betrachtern naheliege. Insbesondere komme es auf die Sicht der Schüler und Eltern an. Die bewusste Wahl einer religiös oder weltanschaulich bestimmten Kleidung falle ohne Weiteres unter den gesetzlichen Verbotstatbestand (Urteil vom 24. Juni 2004 a.a.O. S. 145, 147).
Daraus folgt, dass das Tragen eines Kleidungsstücks durch einen Lehrer auch dann eine äußere Bekundung im Sinne von § 38 Abs. 2 Satz 1 SchG BW darstellt, wenn dem Kleidungsstück offensichtlich eine besondere Bedeutung zukommt, weil es erkennbar aus dem Rahmen der in der Schule üblichen Bekleidung fällt und der Lehrer seine religiöse oder weltanschauliche Motivation für das Tragen des Kleidungsstücks gegenüber Schülern und Eltern offen legt. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Bekundungscharakter ausschließlich aus dem Kleidungsstück selbst ergibt. Nur diese Auslegung des Bekundungsbegriffs entspricht dem Zweck des Bekundungsverbots gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 SchG BW. Wie der Senat im Anschluss an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 (a.a.O.) entschieden hat, besteht dieser Zweck darin, religiös-weltanschauliche Konflikte an öffentlichen Schulen im Ansatz zu verhindern und auf diese Weise die Neutralität des Staates zu verdeutlichen. Diese Zielsetzung verbietet eine Differenzierung zwischen Kleidungsstücken, deren religiöse oder weltanschauliche Motivation offen zutage tritt, und solchen, deren Tragen in der Schule Erklärungsbedarf auslöst, den der Lehrer durch Offenlegung seiner religiösen oder weltanschaulichen Motivation befriedigt. Auch in diesen Fällen ist das Kleidungsstück geeignet, den religiös-weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden.
So liegt der Fall hier: Eine Lehrerin, die wie die Klägerin in der Schule mit einer die Haare verdeckenden Mütze auftritt und mit dieser Kopfbedeckung unterrichtet, wird typischerweise nach den Gründen dieses Verhaltens gefragt. Sobald die Motivation für das Tragen der Kopfbedeckung bekannt ist, unterscheidet diese sich hinsichtlich ihrer Wirkungen nicht von einem Kleidungsstück, dessen religiöser oder weltanschaulicher Charakter offen zutage liegt.
Aufgrund der Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 (a.a.O.) und des Senats vom 24. Juni 2004 (a.a.O.) ist geklärt, dass der Verbotstatbestand gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 SchG BW mit dem Grundrecht der Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vereinbar ist, obwohl das Gesetz religiöse und weltanschauliche äußere Bekundungen von Lehrern in öffentlichen Schulen ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles ausnahmslos untersagt.
Im Hinblick auf derartige Bekundungen sind dem Landesgesetzgeber zwei Möglichkeiten eröffnet, um die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates zu gewährleisten. Er kann sie wegen ihres Konfliktpotentials, d.h. wegen der Möglichkeit einer Beeinträchtigung des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten elterlichen Erziehungsrechts und der negativen Glaubensfreiheit von Schülern, generell untersagen. Er kann sie aber auch dem Grunde nach zulassen und das Einschreiten an ein konkretes Verhalten des Lehrers knüpfen. Die maßgebende Passage der Gründe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 (a.a.O. S. 303) lautet:
“Sollen bereits derartige bloße Möglichkeiten einer Gefährdung oder eines Konflikts aufgrund des Auftretens der Lehrkraft und nicht erst ein konkretes Verhalten, das sich als Versuch einer Beeinflussung oder gar Missionierung der anvertrauten Schulkinder darstellt, als Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten … bewertet werden, so setzt dies, weil damit die Einschränkung des vorbehaltlos gewährten Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einhergeht, eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage voraus, die dies erlaubt.”
Dementsprechend hat der Senat entschieden, dass das Grundrecht der Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beamteten Lehrern keinen Anspruch vermittelt, ihre religiöse oder weltanschauliche Überzeugung durch entsprechende Kleidungsstücke oder Symbole im Bereich der öffentlichen Schule, insbesondere im Unterricht, zum Ausdruck zu bringen. Denn in Anbetracht der möglicherweise gegenläufigen Grundrechtspositionen von Eltern und Schülern steht dem für das Schulwesen zuständigen Landesgesetzgeber ein weitreichendes Gestaltungsermessen zur Wahrung der staatlichen Neutralitätspflicht zu. Er ist berechtigt, den sich aus möglichen Konflikten ergebenden Gefährdungen des Schulfriedens dadurch vorzubeugen, dass er Lehrern das Tragen religiös oder weltanschaulich motivierter Kleidungsstücke oder Symbole in öffentlichen Schulen verbietet, ohne die Möglichkeit eines Ausgleichs der einander widerstreitenden Grundrechtspositionen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorzusehen (Urteile vom 24. Juni 2004 a.a.O. S. 147 f. und vom 26. Juni 2008 – BVerwG 2 C 22.07 – NJW 2008, 3654 Rn. 14 – zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).
Danach kommt es nicht darauf an, ob ein Lehrer ein religiös motiviertes Kleidungsstück vor Inkrafttreten des § 38 Abs. 2 SchG BW in der Schule getragen hat, ohne Konflikte hervorzurufen. Damit steht nicht fest, dass dies künftig so bliebe. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies auch dann gilt, wenn der Verzicht auf das Kleidungsstück bei einem Lehrer eine schwere seelische Not auslösen würde. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht festgestellt, dass die Klägerin in eine solche Notlage kommen könnte.
Schließlich hat der Senat entschieden, dass das Verbot des § 38 Abs. 2 Satz 1 SchG BW alle äußeren Bekundungen unabhängig von dem bekundeten Glauben gleichermaßen erfasst. Dabei hat der Senat den Bedeutungsgehalt des § 38 Abs. 2 Satz 3 SchG BW, wonach die Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1 widerspricht, im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 – 1 BvR 63/68 – BVerfGE 41, 29 ≪52 f.≫). Danach gestattet diese Regelung keine Bevorzugung des christlichen Glaubens. Vielmehr bezeichnet der Begriff des “Christlichen” eine vom Glaubensinhalt losgelöste, aus der Tradition der christlich-abendländischen Kultur hervorgegangene Wertewelt, die erkennbar auch dem Grundgesetz zugrunde liegt und unabhängig von ihrer religiösen Fundierung Geltung beansprucht. Der Auftrag zur Weitergabe christlicher Bildungs- und Kulturwerte verpflichtet oder berechtigt die Schule deshalb keineswegs zur Vermittlung bestimmter Glaubensinhalte, sondern betrifft Werte, denen jeder auf dem Boden des Grundgesetzes stehende Beamte unabhängig von seiner religiösen Überzeugung vorbehaltlos zustimmen kann (Urteil vom 24. Juni 2004 a.a.O. S. 151 f. bzw. 9 f.).
b) Keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt auch der Frage zu, ob § 38 Abs. 2 Satz 1 SchG BW mit Art. 9 und Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – vereinbar ist. In Anbetracht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – EGMR – sieht der Senat keinen weiteren Klärungsbedarf.
Der EGMR hat entschieden, dass das Verbot, beim Unterrichten an öffentlichen Schulen religiöse Symbole zu tragen, eine gemäß Art. 9 Abs. 2 EMRK notwendige Einschränkung der nach Absatz 1 gewährleisteten Religionsfreiheit der Lehrer ist, wenn es wegen der möglichen Beeinträchtigungen der Grundrechte der Schüler und deren Eltern ausgesprochen wird, um die Neutralität des Unterrichts hervorzuheben, und sich als verhältnismäßig erweist. Dabei ist den Konventionsstaaten ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Regelungen können entsprechend den jeweiligen Traditionen und den Erfordernissen zum Schutz der Rechte anderer und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung von Staat zu Staat verschieden sein. Auf dieser Grundlage hat der EGMR das Verbot für eine Lehrerin an einer Schweizer Grundschule, während des Unterrichts ein islamisches Kopftuch zu tragen, ebenso als mit der Religionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 EMRK vereinbar angesehen wie das generelle, d.h. auch für Studentinnen geltende Verbot des islamischen Kopftuchs an türkischen Hochschulen. Darin liege keine Diskriminierung von Frauen, wenn auch Verbotsmaßnahmen gegen Männer vorgesehen seien, die ihre religiöse Überzeugung unter den gleichen Umständen durch das Tragen von Kleidungsstücken bekundeten (EGMR, Entscheidung vom 15. Februar 2001 – 42393/98 – NJW 2001, 2871; Urteil vom 10. November 2005 – 44774/98 – NVwZ 2006, 1389).
Diesen Anforderungen für eine Einschränkung der Religionsfreiheit von Lehrern während ihres Dienstes in öffentlichen Schulen genügt das Bekundungsverbot gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 SchG BW. Es gewährleistet die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates im Bereich des öffentlichen Schulwesens, indem es entsprechende äußere Bekundungen aller Lehrer unabhängig von ihrem Inhalt aus der Schule fernhält, um mögliche Konflikte zwischen Lehrern, Eltern und Schülern von vornherein zu vermeiden.
c) Nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist auch die Frage, ob § 38 Abs. 2 Satz 1 SchG BW gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rats der Europäischen Union vom 27. November 2000 (ABl EG Nr. L 303 S. 16) und die Umsetzungsregelungen gemäß §§ 1, 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 – AGG – (BGBl I S. 1897) verstößt. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung aus religiösen Gründen zur Erfüllung einer wesentlichen beruflichen Anforderung zulässig, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der Angemessenheit fordert nicht, dass Lehrern an öffentlichen Schulen das Tragen religiös oder weltanschaulich motivierter Kleidungsstücke und Symbole nur aufgrund einer Abwägung der Umstände des Einzelfalles, d.h. unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Verhältnisse in der jeweiligen Schule, untersagt werden darf. Ein solcher Bedeutungsgehalt liegt schon deshalb fern, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ministerrat das in manchen Mitgliedstaaten, etwa in Frankreich, als Ausdruck der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates geltende strikte Verbot religiöser Symbole in öffentlichen Schulen abschaffen wollte. Eine unterschiedliche Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Begriffe für die verschiedenen Mitgliedstaaten kommt nicht in Betracht.
d) Die Frage nach den Rechtsfolgen einer bewusst gleichheitswidrigen, weil nur gegen islamische, nicht aber gegen christliche Bekundungen gerichteten Anwendung des gesetzlichen Bekundungsverbots ist nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde.
Denn der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, der Beklagte gehe, von dem Sonderfall einer Grundschule in Baden-Baden abgesehen, gegen alle Lehrkräfte gleichermaßen vor, die eine gesetzwidrige religiöse äußere Bekundung abgäben. Diese Feststellung bindet den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO, weil die Klägerin hiergegen keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben hat (vgl. unter 3.).
Aus dem Umstand, dass an einer Grundschule in Baden-Baden noch drei Ordensschwestern im Ordenshabit Unterricht erteilen, kann nicht der Schluss auf eine einseitig gegen islamische Bekundungen gerichtete, christliche Bekundungen verschonende Verwaltungspraxis des Beklagten gezogen werden. Aus den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich, dass es sich hierbei um einen historisch bedingten atypischen Ausnahmefall handelt. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass die Grundschule auf dem Gelände der Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal aus einer Klosterschule hervorgegangen sei, die im Jahre 1877 vom badischen Staat übernommen wurde. Der Beklagte sei vertraglich verpflichtet, die noch als Lehrerinnen tätigen drei Ordensschwestern an dieser Schule weiter unterrichten zu lassen.
Das von der Klägerin im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bild des Lehrerkollegiums einer öffentlichen Schule in Münstertal/Schwarzwald, auf dem eine Ordensschwester im Ordenshabit abgebildet ist, kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil dem Senat als Revisionsgericht die Ermittlung und Feststellung von Tatsachen verwehrt ist (§ 137 Abs. 1 und 2 VwGO). Zudem wäre das Auftreten der Ordensschwester unbedenklich, wenn sie nur katholischen Religionsunterricht erteilen würde.
2. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass das Berufungsurteil von dem Urteil des Senats vom 24. Juni 2004 (a.a.O.) abweicht. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26; stRspr).
Nach Auffassung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof der tragenden Rechtsauffassung des Senats in dem Urteil vom 24. Juni 2004 (a.a.O.) widersprochen, § 38 Abs. 2 SchG BW fordere eine strikte Gleichbehandlung der verschiedenen Glaubensrichtungen auch in der Durchsetzung des Bekundungsverbots. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil sich der Verwaltungsgerichtshof der unter 1.a) dargestellten Auffassung des Senats zu dem Bedeutungsgehalt des § 38 Abs. 2 Satz 3 SchG BW angeschlossen hat. Hinsichtlich der Frage, welche Rechtsfolgen sich aus einem gleichheitswidrigen Defizit beim Vollzug des gesetzlichen Bekundungsverbots ergeben, kann eine Divergenz schon deshalb nicht vorliegen, weil sich der Senat hierzu in dem Urteil vom 24. April 2004 (a.a.O.) nicht geäußert hat.
3. Schließlich hat die Klägerin nicht dargelegt, dass das Berufungsurteil auf einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht. Die Klägerin rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, weil er den Beklagten nicht befragt habe, ob dieser tatsächlich bereit sei, gegen christlich oder jüdisch motivierte äußere Bekundungen von Lehrern vorzugehen.
Diese Rüge bleibt jedenfalls deshalb erfolglos, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass sie in der Berufungsinstanz auf die von ihr nunmehr für erforderlich gehaltene weitere Sachaufklärung hingewirkt hat. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von Beweisanträgen zu kompensieren (stRspr; vgl. Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222 ≪223≫). Auch hat weder die Klägerin dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Herbert, Groepper, Dr. Heitz
Fundstellen
Haufe-Index 2107953 |
ZTR 2009, 167 |
DÖV 2009, 333 |
VBlBW 2009, 140 |
VR 2009, 214 |
AUR 2009, 104 |
SchuR 2009, 45 |