Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufige Regelung, Voraussetzungen und Grenzen einer –
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen und Grenzen einer „vorläufigen Regelung” gemäß § 69 Abs. 5 BPersVG, durch die Dienstpläne für den Bahnpostbegleitdienst vorläufig angeordnet werden.
Normenkette
BPersVG § 69 Abs. 5, § 75 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 2. Juli 1985 und der Beschluß des Verwaltungsgerichts Stuttgart – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 10. Oktober 1984 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 BPersVG für die vom Beteiligten am 23. Mai 1984 getroffene vorläufige Regelung (uneingeschränkte Inkraftsetzung der Dienstpläne für den Bahnpostbegleitdienst hinsichtlich der Kräftegruppen 20 bis 26, 28 bis 31 und 34 bis 36 für den zeitlichen Geltungsbereich des Sommerfahrplanes 1984 der Deutschen Bundesbahn) nicht vorgelegen haben.
Tatbestand
I.
Im Mai 1984 legte der Amtsvorsteher des Postamtes 2 S., der Beteiligte, dem bei diesem Postamt gebildeten Personalrat, dem Antragsteller, 36 Dienstpläne für den Bahnpostbegleitdienst vor, die diesen Dienst während der Geltungsdauer des Sommerfahrplans 1984 der Deutschen Bundesbahn regeln sollten, und bat um Zustimmung zu diesen Plänen gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Dabei wies er darauf hin, daß die Neugestaltung der Dienstpläne wegen betriebsorganisatorischer Änderungen im Verkehr der Bahnposten des Postleitgebietes 7, wegen der Realisierung von Bemessungsergebnissen, wegen Änderungen in der personellen Besetzung der Bahnposten infolge einer Repräsentanzprüfung im Januar 1984 sowie wegen Maßnahmen zum Fahrplanwechsel aufgrund zentraler Planungen erforderlich sei. Nach den dem Antragsteller übermittelten Unterlagen sollte insbesondere berücksichtigt werden, daß bestimmte zeitgebundene Aufgaben des Bahnpostbegleitdienstes wegen des Versandes mit der Nachtluftpost entfielen und die Postbearbeitung während der Fahrt durch zeitliche Verschiebungen und andere Änderungen eingeschränkt bzw. durch die Inbetriebnahme maschineller Briefverteilungsanlagen in München und Frankfurt am Main in die stationäre Bearbeitung übernommen werden sollte.
Der Antragsteller verweigerte seine Zustimmung rechtzeitig und führte zur Begründung aus, daß die vorgelegten Dienstpläne nicht die in den Arbeitszeitrichtlinien enthaltenen Mindestbedingungen hinsichtlich der Nachtdiensthäufigkeit einhielten. Während nach den Richtlinien die Arbeitskräfte im Durchschnitt einer Dienstplanperiode nicht öfter als einmal in vier Kalendertagen, möglichst jedoch nicht öfter als einmal in drei Kalendertagen, zu Nachtschichten eingeteilt werden sollten, sei in den Dienstplänen im Durchschnitt innerhalb von 2,31 Kalendertagen, bei der Kräftegruppe 27 sogar innerhalb von 1,81 Kalendertagen, eine Nachtschicht vorgesehen. Die Zunahme der Nachtdiensthäufigkeit sei auch darauf zurückzuführen, daß aufgrund von Vorgaben des Bundespostministeriums in 18 Fällen Tagesschichten entfielen.
Der Beteiligte legte die Angelegenheit mit Schreiben vom 18. Mai 1984 der Oberpostdirektion S. zur Behandlung im Stufenverfahren vor. Nachdem auch der Bezirkspersonalrat und später der Hauptpersonalrat die Zustimmung zu den Dienstplänen verweigert hatten, beschloß die Einigungsstelle am 27. September 1984, den Dienstplan für die Kräftegruppe 33 zu billigen und die übrigen Dienstpläne abzulehnen. In einer Entscheidung gleichen Inhalts bezüglich der Dienstpläne für die Geltungsdauer des Winterfahrplans 1984/85 führte sie aus, daß im Durchschnitt keine höhere Nachtdiensthäufigkeit als an 2,7 Tagen bestehen und mittelfristig eine Nachtdiensthäufigkeit von 3,0 erreicht werden sollten.
Am 23. Mai 1984 ordnete der Beteiligte gemäß § 69 Abs. 5 BPersVG an, daß mit Beginn des Sommerfahrplanes am 3. Juni 1984 bis zur endgültigen Entscheidung über die vom Antragsteller erhobenen Einwendungen vorläufig nach den aufgestellten Dienstplänen Dienst zu verrichten sei. Zur Begründung führte er aus, daß aufgrund des bundesweit abgestimmten Fahrplanes der Bundesbahn bei der Post umfangreiche Änderungen in der Betriebsorganisation erforderlich seien, die erhebliche Auswirkungen auf den Bahnpostverkehr und die Dienstplangestaltung des Begleitpersonals hätten. Die am 2. Juni 1984 auslaufenden Dienstpläne für den Winterfahrplan 1983/84 ließen sich allein schon wegen dieser betriebsorganisatorischen Änderungen nicht mehr anwenden. Verwaltungstechnisch gebe es keine andere Möglichkeit, die die Durchführung des Postverkehrs mit Bahnposten ebenso sichern würde. Um die neu vorgegebene Arbeitsmenge bewältigen und die vorgegebene Arbeitsweise ausführen zu können, seien für das Begleitpersonal neue Zeiten des Dienstbeginns und -endes erforderlich. Ohne die vorläufige Dienstplanregelung sei der Postverkehr mit Bahnposten 7 nicht funktionsfähig.
Im August 1984 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,
festzustellen, daß die Einführung der Dienstpläne im Bahnpostbegleitdienst für den Sommerfahrplan 1984 hinsichtlich der Kräftegruppen 20 bis 26, 28 bis 31 und 34 bis 36 unzulässig gewesen sei.
Zur Begründung hat er vorgetragen, daß für diese Regelung die Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 BPersVG nicht vorgelegen hätten. Die Neugestaltung der Dienstpläne für diese Kräftegruppen sei nicht durch von der Deutschen Bundesbahn vorgegebene Fahrplanänderungen, sondern ausschließlich durch Änderungen in der Ablauforganisation bedingt. Dadurch, daß Briefsendungen, die bisher in Bahnpostwagen bearbeitet worden seien, nunmehr schon vor Abgang vorsortiert und in großen Briefabgangsstellen stationär bearbeitet würden, entfielen für die Beschäftigten im Bahnpostbegleitdienst Tätigkeiten, die sie bisher verrichtet hätten. Es gehe somit bei diesen Maßnahmen nicht um die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes, sondern in Wahrheit um die Einsparung von Haushaltsmitteln; diese rechtfertige aber keine vorläufige Regelung. Das gelte insbesondere, wenn die regelmäßig in kurzen Abständen erfolgenden Änderungen der Dienstpläne das Mitbestimmungsrecht des Personalrats gefährdeten. Wegen des Instanzenzuges und der fehlenden Verpflichtung der Verwaltung, die Angelegenheit innerhalb der gesetzlichen Fristen zum Abschluß zu bringen, seien die jeweils geltenden Dienstpläne längst wieder durch neue Pläne ersetzt, ehe die Angelegenheit auch nur den Hauptpersonalrat erreiche.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers gegen diesen Beschluß wurde vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Für die vorläufige Einführung der Dienstpläne hätten die Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 BPersVG vorgelegen. Der nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegende Erlaß der Dienstpläne habe der Natur der Sache nach keinen Aufschub geduldet, da die etwa 270 Beschäftigten des Bahnpostbegleitdienstes des Postamtes 2 S, ohne Dienstpläne nicht in sinnvoller Weise hätten Dienst verrichten können. Die Wahrnehmung der Dienstaufgaben durch die Beschäftigten hätte ohne Dienstpläne nicht gewährleistet werden können. Da die für den Winterfahrplan 1983/84 erlassenen Dienstpläne am 2. Juni 1984 abliefen, hätten für die Zeit des nachfolgenden Sommerfahrplanes keine Dienstpläne bestanden. Die Inkraftsetzung der Dienstpläne habe sich auch dem Inhalt nach im Rahmen dessen gehalten, was als vorläufige Regelung habe getroffen werden können. Die vorläufige Regelung greife nicht über die endgültig beabsichtigte Maßnahme hinaus, da die vorläufig in Kraft gesetzten Dienstpläne in allen Einzelheiten den endgültig beabsichtigten Plänen entsprochen hätten, hinsichtlich derer das Mitbestimmungsverfahren eingeleitet und noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Inkraftsetzung der Dienstpläne habe eine im Stufen- oder ggf. Einigungsverfahren ergehende anderweitige endgültige Entscheidung nicht ausgeschlossen. Sie habe keine Wirkung für die Zukunft gehabt dergestalt, daß nicht jederzeit und unverzüglich andere Dienstpläne an ihre Stelle hätten treten können. Der Vorläufigkeit der Regelung stehe auch nicht entgegen, daß das Stufen- und ggf. Einigungsverfahren voraussichtlich nicht bis zum Auslaufen des Sommerfahrplanes abgeschlossen sein werde. Die Erwägung des Antragstellers, die Dienstpläne der Kräftegruppen 20 bis 26, 28 bis 31 und 34 bis 36 seien lediglich durch Änderungen in der Ablauforganisation bedingt, sei nicht rechtserheblich, da der Beteiligte nicht verpflichtet gewesen sei, die vorläufige Regelung in der Form zu erlassen, wie ihr der Personalrat als endgültiger Maßnahme zustimmen würde. Anderes könne nur dann gelten, wenn die beabsichtigte Maßnahme und die vorläufige Regelung offensichtlich rechtswidrig seien; das sei aber hier nicht der Fall.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die der Entscheidung zugrundeliegende Auslegung des § 69 Abs. 5 BPersVG beanstandet. Er macht geltend, das Beschwerdegericht habe den Begriff der „Unaufschiebbarkeit der Natur der Sache nach” verkannt. Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben, weil die Dienstplanänderungen allein auf interne Festlegungen des Bundespostministeriums zurückzuführen seien. Außerdem lasse § 69 Abs. 5 BPersVG nur solche Regelungen zu, die zur Abwendung schwerer Behinderungen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und ihrer Aufgabenerfüllung getroffen werden müßten. Gebe es im Einzelfall mehrere Maßnahmen, die im Rahmen des § 69 Abs. 5 BPersVG getroffen werden könnten, dürfe nur die Regelung ergehen, die dem laufenden Mitbestimmungs- und Einigungsverfahren am wenigsten vorgreife. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dürfe nur eine Maßnahme durchgeführt werden, die in geringstmöglichem Maße in die Angelegenheiten der Beschäftigten eingreife. Hiernach hätte es nahegelegen und sei es auch möglich gewesen, die am 2. Juni 1984 auslaufenden Dienstpläne befristet zu verlängern. Außerdem sei hiernach eine vorläufige Regelung deshalb nicht zulässig gewesen, weil dadurch vollendete Tatsachen geschaffen worden seien. Bei Bestätigung der Rechtsauffassung des Personalrats im Stufenverfahren könnten die bereits geleisteten Nachtdienste nicht mehr rückgängig gemacht werden. Infolge der relativ kurzen Geltungsdauer der in Kraft gesetzten Dienstpläne habe die endgültige Entscheidung im Mitbestimmungsverfahren von vornherein die Dienstleistung nicht mehr beeinflussen können.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 2. Juli 1985 und des Verwaltungsgerichts Stuttgart – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 10. Oktober 1984 aufzuheben und festzustellen, daß die Einführung der Dienststundenpläne im Bahnpostbegleitdienst für den Sommerfahrplan 1984 in den Kräftegruppen 20 bis 26, 28 bis 31, 34 bis 36 nach § 69 Abs. 5 BPersVG unzulässig gewesen ist.
Der Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß und tritt den Ausführungen der Rechtsbeschwerde entgegen.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er teilt im wesentlichen die Rechtsauffassung des Beteiligten.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen haben den Feststellungsantrag zu Unrecht abgelehnt. Der Beteiligte war nicht berechtigt, die Dienstpläne für den Bahnpostbegleitdienst bezüglich der Kräftegruppen 20 bis 26, 28 bis 31 und 34 bis 36 mit Beginn des Sommerfahrplanes 1984 der Deutschen Bundesbahn uneingeschränkt vorläufig in Kraft zu setzen.
In Übereinstimmung mit dem Beschwerdegericht sieht der Senat die Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 BPersVG für die vom Beteiligten getroffene Regelung insoweit als erfüllt an, als die – gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG der Mitbestimmung des Personalrats unterliegenden – Dienstpläne mit Beginn des Sommerfahrplanes noch nicht verbindlich geworden waren, da ihnen der Antragsteller die Zustimmung mit einer Begründung verweigert hatte, die nicht von vornherein unbeachtlich war, so daß die Dienstpläne nicht gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG als von ihm gebilligt gelten konnten. Der Antragsteller hatte sich zwar mit der Zustimmungsverweigerung nicht jeweils konkret gegen die Regelung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in den einzelnen Dienstplänen gewandt, sondern lediglich allgemein geltend gemacht, daß die ihm vorgelegten Dienstpläne hinsichtlich der Nachtdiensthäufigkeit nicht die in den Arbeitszeitrichtlinien enthaltenen Mindestbedingungen einhielten. Diese Begründung richtete sich aber zugleich gegen die Änderungen in der Abfolge und zeitlichen Lage der Dienstschichten und der verbleibenden Dauer der Ruhezeiten, die durch die beabsichtigte Umgestaltung der Ablauforganisation des Bahnpostbegleitdienstes bewirkt werden sollten. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß sich die Bedenken des Antragstellers damit auf Erwägungen stützten, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der zeitlichen Lage und den Pausenunterbrechungen der täglichen Arbeitszeit und damit mit dem Beginn und dem Ende der täglichen Arbeitszeit sowie mit der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage standen. Die Begründung für die Zustimmungsverweigerung hatte folglich einen konkreten sachlichen Bezug zu dem Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Der Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung steht auch nicht entgegen, daß der Beteiligte bei der Regelung der Dienstpläne an die Anweisungen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen gebunden war und somit den Bedenken des Antragstellers bezüglich der Nachtdiensthäufigkeit von sich aus nicht Rechnung tragen konnte. Der Beteiligte hat dementsprechend zu Recht gemäß § 69 Abs. 3 BPersVG nach Eingang der Stellungnahme des Antragstellers das Stufenverfahren eingeleitet, das schließlich – kurz vor Ablauf des Sommerfahrplanes 1984 der Deutschen Bundesbahn – zu einer Entscheidung der Einigungsstelle geführt hat.
Dem Beschwerdegericht ist auch darin beizupflichten, daß wegen der zeitlichen Dringlichkeit eine vorläufige Regelung gemäß § 69 Abs. 5 BPersVG grundsätzlich erforderlich war. Das Inkrafttreten von Dienstplänen zu Beginn des Sommerfahrplanes 1984 der Deutschen Bundesbahn duldete der Natur der Sache nach keinen Aufschub, da nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts die vorher geltenden Dienstpläne mit Ablauf des Winterfahrplanes 1983/84 außer Kraft traten und die 270 Beschäftigten des Bahnpostbegleitdienstes des Postamtes 2 S. ihre dienstlichen Aufgaben ohne gültige Dienstpläne nicht sachgerecht wahrnehmen konnten. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, daß die Änderungen der Dienstpläne für die Kräftegruppen 20 bis 26, 28 bis 31 und 34 bis 36 nicht auf einer Umgestaltung der Fahrpläne der Deutschen Bundesbahn, sondern auf verwaltungsinternen Festlegungen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen hinsichtlich der Ablauforganisation im Bahnpostbegleitdienst beruhten. Denn dieser Dienst kann nur nach genauen und verbindlichen Dienstplänen geleistet werden, die unter Berücksichtigung zentraler Vorgaben in ihrer Gesamtheit ein in der zeitlichen wie in der Ablaufgestaltung ineinandergreifendes Ganzes bilden. Die Dienstpläne für alle Kräftegruppen im Bereich des Postamtes 2 S. bilden somit eine organisatorische Einheit, die es ausschließt, lediglich die Dienstschichten derjenigen Kräftegruppen nach den neuen Dienstplänen auszurichten, die sich in eine geänderte Fahrplangestaltung der Deutschen Bundesbahn einfügen müssen. Insbesondere erforderte auch die Inbetriebnahme maschineller Briefverteilungsanlagen in München und Frankfurt am Main die Erstellung neuer Dienstpläne, weil sie – unabhängig vom Lauf der Züge – erhebliche Auswirkungen auf die Betriebsorganisation des Bahnpostbegleitdienstes hatte. Im Hinblick auf die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabenerfüllung bei der Postversorgung wäre es somit nicht sinnvoll gewesen, für die in diesem Verfahren angesprochenen Kräftegruppen eine befristete Weitergeltung der Dienstpläne für den Geltungszeitraum des Winterfahrplanes 1983/84 anzuordnen, im übrigen aber die neuen Dienstpläne anzuwenden.
Die Anordnung des Beteiligten widerspricht jedoch dem bei der Anwendung des § 69 Abs. 5 BPersVG zu beachtenden Grundsatz, daß durch die vorläufige Regelung weder rechtlich noch tatsächlich vollendete Tatsachen geschaffen werden dürfen (vgl. schon Beschluß vom 20. Juli 1984 – BVerwG 6 P 16.83 –). Wie der Senat in dem Beschluß vom 19. April 1988 – BVerwG 6 P 33.85 – (PersR 1988, 159) hierzu ausgeführt hat, bezieht sich diese Feststellung nicht auf die tatsächlichen Auswirkungen, die der Vollzug der vorläufigen Regelung auf die Beschäftigten und den Dienstbetrieb in der Dienststelle hat. Sie soll vielmehr zum Ausdruck bringen, daß eine vorläufige Regelung, welche die beabsichtigte und umstrittene Maßnahme praktisch vorwegnimmt, regelmäßig mit dem gebotenen Schutz des Mitbestimmungsrechts des Personalrats nicht in Einklang zu bringen ist. Eine vorläufige Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG darf daher weder dazu führen, daß die gesetzlich vorgeschriebene Mitbestimmung des Personalrats bei der endgültigen Maßnahme tatsächlich verhindert wird, noch dazu, daß hinsichtlich dieser Maßnahme kein Raum mehr für eine im Beteiligungsverfahren zu treffende modifizierte Regelung verbleibt.
Eine nach § 69 Abs. 5 BPersVG getroffene Regelung muß sich daher sachlich wie zeitlich auf das unbedingt Notwendige beschränken und deshalb in aller Regel in der Sache soweit hinter der beabsichtigten endgültigen Maßnahme zurückbleiben, daß eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts möglich bleibt.
Diese Grenzen der Ausgestaltung vorläufiger Regelungen dürfen allerdings ausnahmsweise dann überschritten werden, wenn nicht nur ein unverzügliches Handeln des Dienststellenleiters unabweisbar geboten ist, sondern wenn außerdem die von ihm beabsichtigte Maßnahme der Natur der Sache nach Einschränkungen nicht zuläßt. Da ein solches Vorgehen des Dienststellenleiters die Mitbestimmung des Personalrats faktisch ausschließt, kann es nur dann hingenommen werden, wenn die durch die Beteiligung des Personalrats eintretende Verzögerung zu einer Schädigung überragender Gemeinschaftsgüter oder -interessen führen würde, hinter denen der in der Mitbestimmung liegende Schutz der Beschäftigten ausnahmsweise gänzlich zurücktreten muß. Das ist nicht der Fall. wenn überhaupt eine vorläufige Regelung erforderlich ist, um den geordneten Dienstbetrieb in einer Dienststelle zu gewährleisten. Anderes kann nur dann gelten, wenn die Fähigkeit der betreffenden Dienststelle oder mehrerer Dienststellen, ihre Aufgaben wahrzunehmen, von der vollständigen Durchführung einer bestimmten Maßnahme des Dienststellenleiters abhängt, deren Unterbleiben nicht nur die Funktionsunfähigkeit der Dienststelle nach sich zöge, sondern überragende Gemeinschaftsgüter oder -interessen in Gefahr brächte.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist – wie in dem durch Beschluß vom 19. April 1988 (BVerwG 6 P 33.85) entschiedenen Fall – festzustellen, daß die Erwägungen, aus denen der Beteiligte die umstrittenen Dienstpläne „vorläufig”, aber sachlich und zeitlich unbeschränkt in Kraft gesetzt hat, diese Maßnahme nicht rechtfertigten. Zwar hat der Beteiligte mit der von ihm gegebenen Begründung – nämlich daß sich schon wegen der umfangreichen Änderungen in der Betriebsorganisation des Bahnpostbegleitdienstes die am 2. Juni 1984 auslaufenden Dienstpläne für den Winterfahrplan 1983/84 nicht mehr anwenden ließen und daß es verwaltungstechnisch keine andere Möglichkeit gebe, die die Durchführung des Postverkehrs ebenso sichern würde; um die vorgegebene Arbeitsmenge bewältigen und die vorgeschriebene Bearbeitungsweise ausführen zu können, seien für das Begleitpersonal neue Zeiten des Dienstbeginns und -endes erforderlich; ohne die vorläufige Dienstplanregelung sei der Postverkehr mit Bahnposten im Postleitgebiet 7 nicht funktionsfähig – dargetan, daß überhaupt eine vorläufige Regelung erforderlich war, nicht jedoch, daß sie dergestalt ergehen mußte, daß die Mitbestimmung des Antragstellers praktisch völlig ausgeschaltet wurde. Das letztere hätte vielmehr den Nachweis einer konkreten Gefährdung eines besonderen öffentlichen Interesses an der Postversorgung im Falle einer weniger weit reichenden vorläufigen Regelung vorausgesetzt. Wird er – wie im vorliegenden Fall – nicht geführt oder läßt er sich nicht führen, dann muß der Dienststellenleiter die Einschränkungen seiner Dispositionsfreiheit und Regelungsbefugnis hinnehmen, zu denen die vorschriftsgemäße Wahrnehmung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte durch den Personalrat führen kann. Wäre es anders, könnte der Dienststellenleiter unter Berufung auf seinen Auftrag, für die geordnete und unverzögerliche Aufgabenerfüllung der Dienststelle Sorge zu tragen, die Mitbestimmung des Personalrats und damit den in ihr verkörperten Schutz der Rechte der Beschäftigten durch den „vorläufigen” Vollzug der von ihm beabsichtigten Maßnahmen faktisch weitestgehend unmöglich machen. Das aber wäre mit dem Schutzzweck des Personalvertretungsrechts unvereinbar. Damit, daß der Beteiligte die Dienstpläne „bis zur endgültigen Entscheidung über die vom Antragsteller erhobenen Einwendungen” in Kraft gesetzt hat, hat er lediglich dem Gesetzeswortlaut des § 69 Abs. 5 BPersVG entsprochen. Wie der Ablauf des Mitbestimmungsverfahrens gezeigt hat, konnten sich die Einwendungen des Antragstellers bezüglich der Nachtdiensthäufigkeit bei den umstrittenen Dienstpläne auf die Gestaltung der täglichen Arbeitszeit der Beschäftigten des Bahnpostbegleitdienstes während des Sommerfahrplanes 1984 nicht mehr auswirken. Denn trotz der Beschleunigung des Mitbestimmungsverfahrens ist die Entscheidung der Einigungsstelle, den Dienstplan für die Kräftegruppe 33 zu billigen und die übrigen Dienstpläne wegen zu umfangreicher Nachtdiensthäufigkeit abzulehnen, erst kurz vor Ablauf des Sommerfahrplanes 1984 ergangen.
Nach alledem findet die vom Beteiligten getroffene vorläufige Regelung mit ihrem konkreten, vom Antragsteller abgelehnten Inhalt in § 69 Abs. 5 BPersVG keine Grundlage.
Unterschriften
Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen
Haufe-Index 1210603 |
ZBR 1989, 81 |