Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 1999/70/EG. Paragrafen 1 Buchstabe b und 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge. Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses bei Verletzung der Bestimmungen über aufeinanderfolgende befristete Verträge. Möglichkeit einer Ausnahme für mit einer öffentlichen Verwaltung geschlossene Arbeitsverträge
Beteiligte
Azienda Ospedaliera Ospedale San Martino di Genova e Cliniche Universitarie Convenzionate |
Tenor
Die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die bei missbräuchlichem Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse durch einen Arbeitgeber des öffentlichen Sektors ausschließt, dass diese in unbefristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse umgewandelt werden, während eine solche Umwandlung bei Arbeitsverträgen oder -verhältnissen mit einem Arbeitgeber des Privatsektors vorgesehen ist, grundsätzlich nicht entgegensteht, sofern diese Regelung eine andere wirksame Maßnahme enthält, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge durch einen Arbeitgeber des öffentlichen Sektors zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunale di Genova (Italien) mit Entscheidung vom 15. März 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 16. April 2004, in dem Verfahren
Andrea Vassallo
gegen
Azienda Ospedaliera Ospedale San Martino di Genova e Cliniche Universitarie Convenzionate
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters R. Schintgen (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und J. Klučka,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: M. Ferreira,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Vassallo, vertreten durch G. Bellieni und A. Lanata, avvocati,
- der Azienda Ospedaliera Ospedale San Martino di Genova e Cliniche Universitarie Convenzionate, vertreten durch C. Ciminelli, avvocato,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der griechischen Regierung, vertreten durch A. Samoni-Rantou und E. Mamouna sowie M. Apessos und I. Bakopoulos als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. Yerrell und A. Aresu als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. September 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Paragrafen 1 Buchstabe b und 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43) enthalten ist.
2 Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Vassallo und seinem Arbeitgeber, der Azienda Ospedaliera Ospedale San Martino di Genova e Cliniche Universitarie Convenzionate (Krankenanstalt Krankenhaus San Martino in Genua und vertragsgebundene Universitätskliniken, im Folgenden: Krankenanstalt), über die Nichtverlängerung seines Arbeitsvertrags mit der Krankenanstalt.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Die Rahmenvereinbarung soll nach ihrem Paragrafen 1
- „durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern;
- einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert”.
4 Die Rahmenvereinbarung gilt nach ihrem Paragrafen 2 Nummer 1 „für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition”.
5 Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung lautet:
„Um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:
- sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;
- die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse;
- die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge od...