Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs. Bauunternehmen. Subunternehmer. Verpflichtung eines Unternehmens, als Bürge für die Zahlung eines Mindestentgelts an die von einem Nachunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu haften
Normenkette
EG Art. 49
Beteiligte
Wolff & Müller GmbH & Co. KG |
José Filipe Pereira Félix |
Tenor
Artikel 5 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen steht bei Auslegung im Licht des Artikels 49 EG in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der ein Bauunternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers oder eines Nachunternehmers zur Zahlung des Mindestentgelts an einen Arbeitnehmer oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien wie ein Bürge haftet, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat, wenn das Mindestentgelt den Betrag erfasst, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an den Arbeitnehmer auszuzahlen ist (Nettoentgelt), wenn der Entgeltschutz der Arbeitnehmer nicht vorrangiges oder nur nachrangiges Ziel des Gesetzes ist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-60/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Februar 2003, in dem Verfahren
Wolff & Müller GmbH & Co. KG
gegen
José Filipe Pereira Félix,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann und R. Schintgen und der Richterinnen F. Macken und N. Colneric,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Wolff & Müller GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt T. Möller,
- von Herrn Pereira Félix, vertreten durch Rechtsanwältin M. Veiga,
- der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, C. Bergeot-Nunes und O. Christmann als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl und G. Hesse als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia als Bevollmächtigte, Beistand: Rechtsanwalt R. Karpenstein,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 49 EG.
2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Wolff & Müller GmbH & Co. KG (im Folgenden: Wolff & Müller), einem Bauunternehmen, und Herrn Pereira Félix wegen der Haftung dieses Unternehmens als Bürge für die Zahlung des Mindestarbeitsentgelts, das dem Letztgenannten von seinem Arbeitgeber geschuldet wird.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3
Die fünfte Begründungserwägung der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1) lautet:
„Voraussetzung für eine solche Förderung des länderübergreifenden Dienstleistungsverkehrs sind ein fairer Wettbewerb sowie Maßnahmen, die die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer garantieren”.
4
Artikel 1 („Anwendungsbereich”) der Richtlinie 96/71 sieht vor:
„(1) Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.
…
(3) Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:
a)
einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht,
…”
5
Artikel 3 („Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen”) der Richtlinie 96/71 bestimmt in seinem Absatz 1:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,
- durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder
- durch fü...