Rz. 5
Die Vorschrift begründet einen originären privatrechtlichen Ersatzanspruch des Trägers der Sozialversicherung, der nicht vom Anspruch des Geschädigten abgeleitet wird (BGH, Urteil v. 11.2.2003, VI ZR 34/02; Hauck/Kranig, SGB VII, § 110 Rz. 1; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 110 Rz. 3; Ricke, in: BeckOGK, SGB VII, § 110 Rz. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 110 Rz. 2.3; Hillmann, in: JurisPK-SGB VII, § 110 Rz. 6; Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 110 Rz. 6). In den Fällen einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Schädigung erscheint es wegen der Schwere der Schuld nicht mehr hinnehmbar, die Kosten der Schädigungsfolgen auf die Gesamtheit der in der jeweiligen Solidargemeinschaft zusammengeschlossenen Mitglieder zu verteilen. Das Beitragsvolumen soll durch die Entschädigung von Versicherungsfällen, die durch eine besonders verwerfliche Begehungsweise entstanden sind, nicht belastet werden. Der Anspruch der Sozialversicherungsträger ist zivilrechtlicher Natur, was aus dem Regelungszusammenhang der §§ 104 ff. folgt (absolut h. M.: Krasney, NZS 2004 S. 73 mit Nachweisen zu Rechtsprechung und Literatur in Fn. 145). Er kann nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden, sondern muss ggf. vor den Zivilgerichten eingeklagt werden (BGH, Urteil v. 30.4.1968, VI ZR 32/67; Hillmann, in: JurisPK-SGB VII, § 110 Rz. 6). Prozessual empfiehlt sich eine Streitverkündung gegenüber dem Geschädigten, da dieser seine ebenfalls zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Schädiger geltend macht, soweit er nicht durch dessen Privilegierung gehindert ist.
Rz. 5a
Es war lange umstritten, ob der Regressanspruch des Sozialleistungsträgers nach Abs. 1a ebenfalls zivilrechtlicher Natur ist. Der BGH hat diesen Streit beendet, den Anspruch als öffentlich-rechtlicher Natur eingestuft und den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit angenommen (BGH, Beschluss v. 14.4.2015, VI ZB 50/14). Abs. 1a berechtigt einzig den öffentlich-rechtlich verfassten Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, unter den dort genannten Voraussetzungen, Erstattung von Aufwendungen zu verlangen. Der Anspruch ist mithin als Sonderrecht für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einzustufen (Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 51 Rz. 71; Riedel, Der unfallversicherungsrechtliche Regress des § 110 SGB VII unter besonderer Betrachtung des neu eingeführten Absatzes 1a, S. 121). Der Anspruch besteht zudem allein gegenüber Unternehmern. Dass zwischen dem Unfallversicherungsträger und dem Unternehmer als beitragspflichtigem Zwangsmitglied ein – für den Bereich des öffentlichen Rechts typisches – Über-/Unterordnungsverhältnis besteht, ist in der Rechtsprechung des BSG seit jeher anerkannt (BSG, Urteil v. 27.5.2008, B 2 U 11/07 R Rz. 13 m. w. N.; BGH, a. a. O.).
2.1.1 Anspruchsberechtigte und zum Ersatz Verpflichtete nach Abs. 1
Rz. 6
Anspruchsberechtigte sind neben der Unfallversicherung alle Sozialversicherungsträger, die wegen des Versicherungsfalles im Sinne der Unfallversicherung Leistungen erbracht haben bzw. erbringen. Dazu können gehören:
- der Rentenversicherungsträger (Erwerbsminderungsrente wegen gesundheitlicher Folgen des Versicherungsfalls, soweit sie nach § 93 SGB VI zu zahlen ist. Für die ganz h. M.: Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 110 Rz. 2.5 m. w. N.);
- die Bundesanstalt für Arbeit ist nicht Sozialversicherungsträger i. S. d. § 110 Abs. 1 Satz 1 und daher nicht anspruchsberechtigt. Der BGH hat diese zuvor streitige Fragestellung entschieden (Urteil v. 17.10.2017, VI ZR 477/16); so zutreffend Ricke, in: BeckOGK, SGB VII, § 110 Rz. 6d;
- die Pflegekassen (Pflegeleistungen wegen gesundheitlicher Folgen des Versicherungsfalls, soweit sie die der Unfallversicherung überschreiten).
Rz. 7
Im Übrigen gehen die Leistungen anderer Sozialversicherungsträger denen der Unfallversicherung nach, sodass grundsätzlich weder Leistungen noch daraus resultierende Regresse in Betracht kommen (Ricke, in: Beck OGK, SGB VII, § 110 Rz. 2). Leistet dennoch ein unzuständiger Sozialversicherungsträger (z. B. eine Krankenversicherung), so ist auch dieser regressberechtigt. Sein Erstattungsanspruch nach §§ 103, 105 SGB X gegenüber dem eigentlich Verpflichteten mindert sich dann allerdings entsprechend (Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, SGB VII, § 110 Rz. 7).
Rz. 8
Zum Ersatz des verursachten Schadens verpflichtet sind quasi als Kehrseite ihrer Privilegierung alle, die durch die Regelung der §§ 104 bis 107 begünstigt werden:
- Zum Ersatz verpflichtet sind zunächst alle Schädiger, deren Haftung tatsächlich unter Erfüllung aller Voraussetzungen nach den §§ 104 bis 107 beschränkt ist (Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 110 Rz. 8; Ricke, in: Beck OGK, SGB VII, § 110 Rz. 8). Die bloße Möglichkeit, in der Haftung privilegiert zu sein, reicht insoweit nicht aus (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 110 Rz. 3; Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, SGB VII, § 110 Rz. 8).
- Die nach §§ 104 bis 107 Privilegierten haften den Sozialversicherungsträgern auch dann, wenn die Privilegierung wegen der Entsperrung des Haftungsausschlusses (vgl. die Komm. zu...