Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats für die Regelung personenbezogener Maßnahmen im Rahmen der unternehmenseinheitlichen Bekleidungsordnung und des Raumklimagesundheitsschutzes. Regelungszuständigkeit des Gesamtbetriebsrats und der örtlichen Betriebsräte bei verschiedenen Mitbestimmungstatbeständen
Leitsatz (amtlich)
1) Der Wunsch des Arbeitgebers, eine unternehmenseinheitliche Bekleidungsordnung zur Schaffung einer einheitlichen Außendarstellung einzuführen, bedarf "aus der Natur der Sache" einer betriebsübergreifenden Regelung, für die nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 1; 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat regelungszuständig ist.
2) Für Angelegenheiten des Raumklimagesundheitsschutzes in Ausfüllung von § 3a Abs. 1 ArbStättenV iVm. ASR A3.5 besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch ohne Vorliegen einer konkreten Gefahr oder Gefährdungslage.
3) Welches betriebsverfassungsrechtliche Organ für eine mitzubestimmende Angelegenheit regelungszuständig ist, ist für jeden Mitbestimmungstatbestand gesondert zu prüfen. Nur innerhalb eines Mitbestimmungstatbestandes gilt der sog. Grundsatz der Zuständigkeitstrennung, der besagt, dass nur ein Organ ausschließlich regelungszuständig sein kann. Eine erweiternde Anwendung dieses Grundsatzes auf Angelegenheiten, die partiell unter mehrere Mitbestimmungstatbestände fallen, ist nicht angezeigt. Der Betriebsrat darf deshalb im Rahmen des Gesundheitsschutzes auch personenbezogene Maßnahmen der Lockerung von Bekleidungsregeln treffen, die vom Gesamtbetriebsrat durch Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt wurden, solange nicht der Kernbereich des Mitbestimmungsrechts des Gesamtbetriebsrats beeinträchtigt wird.
Normenkette
BetrVG § 50 Abs. 1 S. 1, § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 7; ArbSchG § 3 Abs. 1 S. 1; ArbStättenV § 3a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 28.05.2015; Aktenzeichen 21 BV 23/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 3 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28.05.2015 (21 BV 23/15) abgeändert:
Die Anträge der Beteiligten Ziffer 1 und 2 werden zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Anfechtung eines Spruchs der Einigungsstelle.
Aufgrund eines Zuordnungstarifvertrags sind bundesweit die betrieblichen Organisationseinheiten der Beteiligten Ziffer 2 den Betrieben der Beteiligten Ziffer 1 zugeordnet. Auch für den Bereich Stuttgart, der sich über Teile Württembergs und Bayerns bis zum Bodensee erstreckt, wurde ein solcher Gemeinschaftsbetrieb errichtet. Dieser Betrieb besteht aus 62 Filialen der Beteiligten Ziffer 1 und aus 24 Filialen der Beteiligten Ziffer 2. Der Beteiligte Ziffer 3 ist der für diesen Betrieb Stuttgart gebildete Betriebsrat.
Für das Gesamtunternehmen ist ein Gesamtbetriebsrat, der Beteiligte Ziffer 4, gebildet.
Die Beteiligten Ziffer 1 und 4 schlossen mit Wirkung ab 01.01.2006 eine Gesamtbetriebsvereinbarung "Unternehmensbekleidung der P. F. AG" (nachfolgend: GBV) (Bl. 36-42 d. ArbG-Akte), die auch für die gem. Zuordnungstarifvertrag gebildeten Organisationseinheiten und damit auch für die Beteiligte Ziffer 2 gilt. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung enthält unter anderem folgende Regelungen:
"§ 2 Grundsätze
Das äußere Erscheinungsbild der Beschäftigten ist für das Unternehmen P. F. AG von großer Bedeutung. Die Unternehmensbekleidung soll ihre Trägerin oder ihren Träger in ihrer/seiner beruflichen Tätigkeit in der Öffentlichkeit als Angehörige oder Angehörigen der P. F. AG kenntlich machen. Die Führungskräfte der P. F. AG halten im Rahmen ihrer Führungsverantwortung die ihnen unterstellten Beschäftigten an, Unternehmensbekleidung zu bestellen, und stellen sicher, dass während der Arbeitszeit die sortimentsspezifische Bekleidung getragen wird.
§ 3 Träger der Unternehmensbekleidung
(1) Die Beschäftigten der P. F. AG haben Unternehmensbekleidung im Sinne dieser Vereinbarung zu tragen, wenn sie im Kundenkontakt stehen. Der Personenkreis wird in der Anlage 1 geregelt.
...
(3) Die Sortimente werden in einem Katalog veröffentlicht und sind verbindlich.
...
§ 4 Tragevorschrift
(1) Die Unternehmensbekleidung ist komplett - mindestens Hemd/Bluse, Hose/Rock und Krawatte - zu tragen. Ferner ist sie auch im ordentlichen Zustand zu tragen. Dies gilt auch für Accessoires wie z.B. Schals und Tücher. Das Kombinieren mit Artikeln, die nicht im verbindlichen Katalogsortiment gem. § 3 Abs. 3 enthalten sind, ist grundsätzlich nicht gestattet. Die sachgemäße Pflege der Unternehmensbekleidung obliegt den Trägerinnen und Träger der Unternehmensbekleidung.
Protokollnotiz zu § 4 Abs. 1 Satz 1:
Aufgrund außergewöhnlich hoher Raumtemperaturen in der Filiale kann im Einzelfall und im Einvernehmen zwischen den Betriebsparteien die Krawattentragepflicht präzisiert werden. Einigkeit besteht darüber, dass es sich um zeitlich befristete, besondere Einzelfälle handelt. Die Parte...