Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung von Überstunden eines angestellten Rechtsanwalts. Unbegründete Zahlungsklage bei unzureichenden Darlegungen des Rechtsanwalts zur objektiven Vergütungserwartung und unschlüssigen Darlegungen zu den geleisteten Überstunden
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die danach erforderliche objektive Vergütungserwartung ist in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben.
2. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es gerade bei Diensten höherer Art nicht, so dass die Vergütungserwartung stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen ist, ohne dass es dabei auf deren persönliche Meinung ankommt. Eine Vergütungserwartung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen.
3. Eine objektive Vergütungserwartung fehlt, wenn insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird. Von diesem Fall kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet.
4. Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt.
5. Für einen schlüssigen Vortrag im Rahmen einer Überstundenklage hat der Arbeitnehmer nicht nur schriftsätzlich vorzutragen, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet hat oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Der Sachvortrag muss auch in sich schlüssig sein, so dass die Darlegungen des Arbeitnehmers, über das gesamte Beschäftigungsverhältnis (zwei Jahre) jeden Tag eine Arbeitspause von exakt 45.00 Minuten gemacht oder bei mehr als der hälftigen Anzahl der Tage stets exakt um 09.00 Uhr begonnen (teilweise einen ganzen Monat stets exakt um diese Zeit) und endlich genau um 20.00 Uhr geendet zu haben, unglaubhaft erscheint und zur Darlegung geleisteter Überstunden nicht ausreicht.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 612 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.01.2017; Aktenzeichen 34 Ca 14718/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.01.2017 - 34 Ca 14718/16 - im Umfang des Teilurteils die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits bei einem Streitwert von 28.845,38 EUR in der II. Instanz.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Vergütung von Überstunden im Zeitraum von April 2014 bis einschließlich Juli 2016 in Höhe von zuletzt 28.845,38 EUR in der zweiten Instanz. Der Kläger ist Rechtsanwalt, die Beklagte eine Rechtsanwaltskanzlei in Form einer Partnerschaftsgesellschaft, die nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Kläger war zunächst als Jurist und Syndicusanwalt bei einer Berliner Bank tätig. Nach seinem Ausscheiden dort kam es aufgrund der jahrzehntelangen freundschaftlichen Beziehung des Klägers zu einer Partnerin der Beklagten zu einem Arbeitsvertragsschluss, dem Arbeitsvertragsverhandlungen zu Vergütungen vorangegangen waren, worin die Beklagte dem Kläger 4.000,00 EUR pro Monat anbot. Der Kläger sollte eine angestellte Anwältin in deren Mutterschutz- und Elternzeiten vertreten.
Die Parteien einigten sich auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag ab 22.04.2014 für ein monatliches Entgelt von 4.200,00 EUR brutto. In § 6 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.04.2014 heißt es:
"Die Kernarbeitszeit beträgt Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 20:00 Uhr"
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Kopie des Vertrages Bl. 7 f. d. A. verwiesen.
In einem "Personalfragebogen'" der DATEV vom 22.05.2014, der von beiden Parteien unterschrieben worden ist, heißt es zur "Wöchentlichen Arbeitszeit" "40,00" und zu Gehalt "4.200,00" (vgl. dazu den Personalfragebogen in Kopie Bl. 137 f. d. A.).
Zu Weihnachten 2014 erhielt der Kläger 2.000,00 EUR brutto "als Weihnachtsgeld", die Beklagte bedankte sich für "den tollen Einsatz" des Klägers. Im Dezember 2015 erhielt der Kläger neben seinen sonstigen Bezügen eine Einmalzahlung in Höhe von 3.500,00 EUR brutto. Ab Februar 2016 wurde das Entgelt des Klägers auf 5.000,00 EUR brutto pro Monat erhöht.
Mit Schreiben vom 30.06.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.07.2016. Im Kündigungsschreiben heißt es:
"Wir danken Ihnen für Ihren Einsatz für uns, den wir stets äußerst zu schätzen wussten."
Die Beklagte stellte im August eine Arbeitsbescheinigung aus, wonach die mit dem Kläger vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden...