Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Einigungsstellenspruchs. Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Die Einigungsstelle ist nicht befugt, im Rahmen eines streitigen Spruchs Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu erweitern.
Normenkette
BetrVG §§ 76, 94-95
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 30.11.2011; Aktenzeichen 4 BV 62/11) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 30.11.11 - 4 BV 62/11 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Einigungsstelle vom 25.07.2011 unwirksam ist.
2.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Betriebsrat zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtswirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.
Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) betreibt eine Rehabilitationsklinik in F. und gehört zur N.-Gruppe. Antragsgegner ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.
Nachdem es der Betriebsrat im Jahre 2010 abgelehnt hatte, eine im Konzern bestehende Konzernbetriebsvereinbarung "Mitarbeitergespräche" auch für den Betrieb der Arbeitgeberin in F. zu übernehmen, kam es im Jahre 2011 zu Verhandlungen über eine eigene Betriebsvereinbarung. Diese sollte auf Wunsch der Arbeitgeberin auch das Thema "Personalbeurteilung" umfassen. Die Verhandlungen scheiterten.
Auf Antrag der Arbeitgeberin setzte das Arbeitsgericht Essen mit Beschluss vom 18.04.2011 - 1 BV 27/11 - den Richter am Arbeitsgericht Oberhausen, Herrn Dr. Clemens, als Vorsitzender einer Einigungsstelle "Jahresmitarbeitergespräche und Personalbeurteilung" ein.
Die Einigungsstelle tagte erstmalig am 27.06.2011, ohne dass es zu einer abschließenden Verständigung kam. Der Vorsitzende der Einigungsstelle sagte zu, einen Entwurf einer Betriebsvereinbarung zu erarbeiten; sodann vertagte sich die Einigungsstelle auf den 25.07.2011 (Bl. 46 d. A.).
Unter dem 07.07.2011 übersandte der Einigungsstellenvorsitzende den Betriebspartnern den Entwurf einer Betriebsvereinbarung. In der Begründung zu dem Entwurf heißt es u. a.:
"a)Ich halte es für die Durchführung eines wie auch immer gearteten Beurteilungsverfahrens für wichtig, dass im Vorfeld zu einer Beurteilung eine Stellenbeschreibung oder dergleichen existiert, wie es auch in der Literatur zu diesem Thema gefordert wird:
"Zur Bewertung des Arbeitsergebnisses und des Arbeitsverhaltens wird regelmäßig der IST-Zustand mit einer SOLL-Vorgabe verglichen. Die konkreten Anforderungen der Stelle (SOLL-Vorgabe) werden bestimmt beispielsweise durch Stellenbeschreibungen, Anforderungsprofil, gemeinsam vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer erarbeiteten Zielen, Führungsrichtlinien etc." (Jedzig, DB 1991, 753 [754]).
b)Mir ist derzeit nicht klar, auf welche alternative Weise die mit der Schaffung von Beurteilungsgrundsätzen verfolgte Verobjektierung der Leistung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers ohne eine solche SOLL-Vorgabe in Form einer Stellenbeschreibung oder eines Arbeitsplatzprofils erreicht werden könnte. Dies wird in der Literatur auch so gesehen:
"Eine sachgemäße Beurteilung der Leistungen seiner Arbeitnehmer ist dem Arbeitsgericht nicht verwehrt. Sie setzt jedoch voraus, dass für die Arbeitsplätze Arbeitsplatzbeschreibungen (Stellenbeschreibungen) vorhanden sind, aus denen sich Rechte und Pflichten der Arbeitsaufgabe ergeben" (Fitting, § 94 BetrVG Rn. 31).
c)Sollte die Arbeitgeberseite diese beiden Punkte anders sehen, so möchte ich darum bitten, der Einigungsstelle zu erläutern, wie alternativ (also ohne Stellenbeschreibung) sichergestellt werden kann, dass die jeweiligen Vorgesetzten nicht völlig unterschiedliche Erwartungshaltungen haben und aufgrund welcher Umstände die jeweiligen Mitarbeiter wissen, was jeweils von ihnen erwartet wird."
Die Arbeitgeberin reagierte mit Schreiben ihrer Klinikdirektorin X., die auch Beisitzerin der Einigungsstelle war, und wies mit einem Schreiben vom 19.07.2011 auf Folgendes hin:
"Stellenbeschreibungen sind für Personalbeurteilungen in keiner Weise notwendig. Moderne Unternehmen verzichten mehr und mehr auf Stellenbeschreibungen. In der deutschen Wirtschaft und auch der Gesundheitsbranche liegt die Quote von Unternehmen mit Stellenbeschreibungen deutlich unter 40 Prozent. Diese sind überwiegend bei Großunternehmen zu finden. Die N. G. ist kein Großunternehmen.
Zugleich verweisen wir auf die Besonderheiten des Krankenhausbetriebes. Zum einen unterliegen die stationäre Krankenversorgung und insbesondere Kliniken privater Trägerschaft laufenden Veränderungen und einer hohen Dynamik. Im Rahmen von dynamischen Prozessen unterliegen dementsprechend gerade "Stellen" und "Stellenbeschreibungen" massiven Änderungen. Dies ist nicht vergleichbar z. B. mit Mitarbeitern, die in der Industrie "am Band" jeden Tag die gleichen fünf Handgriffe tätigen.
Zum anderen ergibt sich eine "Stellenbeschreibung" aus der Tätigkeit. So pflegt z. B. der Krankenpfleger den kranken Patienten - unerheblich, auf welcher Station er gerade ei...