Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbegriff des § 23 KSchG. Nachwirkender Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG
Leitsatz (amtlich)
Zum Entbindungsbegriff des § 9 MuSchG
Leitsatz (redaktionell)
Eine Fehlgeburt löst nicht den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG aus.
Normenkette
MuSchG § 9; KSchG § 23 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 09. April 2003 – 6 Ca 483/02 – wird auf ihre Kosten
bei einem Berufungsstreitwert von 8.309,00 Euro zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch über die Frage, ob die Kündigungen der Beklagten vom 06. und 16. September 2002 das Arbeitsverhältnis aufgelöst haben.
Die Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 15. Mai 2001, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (…) seit dem 01. Juni 2001 als Office-Managerin zu einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von zuletzt EUR 2.769,50 EUR beschäftigt.
Am 16. Juli 2002 wurde die Klägerin arbeitsunfähig krank. Ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung vom 25. Juli 2002 befand sie sich zu diesem Zeitpunkt in der siebten Schwangerschaftswoche. Eine mit Schreiben vom 23. Juli 2002 ausgesprochene Kündigung zog die Beklagte wegen dieser Schwangerschaft zurück.
Nachdem die Klägerin am 22. August 2002 eine Fehlgeburt erlitten und die Beklagte hiervon durch ein auf den 03. September 2002 datiertes Telefaxschreiben der Klägerin erfahren hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 06. September 2002 (…) zum 15. Oktober 2002 und nach Zurückweisung der Klägerin durch Schreiben vom 13. September 2002 (…) erneut mit Schreiben vom 16. September 2002 (…) zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Die Beklagte gehört als Konzernunternehmen zum Konzern der „A.-Gruppe”, einer weltweit operierenden Schifffahrtsgruppe, bei der ca. 160 Mitarbeiter beschäftigt sind und die ein einheitlich umfassendes Know-how bei Bereederung, Schiffsmanagement und Befrachtung bietet. Bei der Beklagten selbst, die auf die Emission von Schiffsbeteiligungen spezialisiert ist, sind regelmäßig und waren auch z. Zt. der Kündigung der Klägerin nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt; zur Zeit des Zugangs der Kündigungen waren neben der Klägerin und dem Prokuristen nur noch zwei weitere Arbeitnehmerinnen, Frau B. und Frau M., bei der Beklagten selbst tätig. Weitere von der Klägerin genannte Mitarbeiter (Herr C., Herr B., Frau Sch. und Frau Be) standen unstreitig in Vertragsverhältnissen mit anderen Unternehmen der „A.-Gruppe”.
Die Klägerin hat behauptet, das Kündigungsschutzgesetz sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Nach ihrer Auffassung sind als „im Betrieb der Beklagten” beschäftigte Mitarbeiter für die Frage der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hinzuzurechnen die von ihr genannten Mitarbeiter Herr C., Herr B., Frau Sch. und Frau Be, da es sich insoweit um einen einheitlichen Betrieb handele. Die Struktur eines Gemeinschaftsbetriebes sei auf Grund einer einheitlichen Leitungsorganisation gegeben. Die Gruppe sei wirtschaftlich miteinander verknüpft. Unternehmerische Entscheidungen müssten mit „A.” abgestimmt werden.
Die Klägerin hat, soweit für das Berufungsverfahren erheblich, beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 06. September 2002 sowie 16. September 2002 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung finde. Soweit die Klägerin die Existenz eines gemeinsamen Betriebes behaupte, genüge sie ihrer Darlegungslast nicht. Die Klägerin habe für einen einheitlichen Leitungsapparat im Hinblick auf personelle Fragen keinerlei Indizien vorgetragen. Es handele sich um eine rein unternehmerische Zusammenarbeit der Unternehmen der „A.-Gruppe”.
Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird in Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Es wird insoweit auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 09. April 2003 – 6 Ca 483/02 – Bezug genommen (…).
Das Arbeitsgericht hat, soweit die in Streit stehenden Kündigungen betroffen sind, die Klage abgewiesen. Es hat insbesondere die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes verneint. Für die Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (…) verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Die Klägerin hat gegen das ihr am 24. Juni 2003 zugestellte Urteil am 24. Juli 2003 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung am 25. September begründet.
Die Klägerin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Unwirksamkeit der Kündigungen vom 06. und 16. September 2002, hält die Kündigungen für sozial ungerechtfertigt und gegen §§ 138, 242 BGB verstoßend, da sie unmittelbar nach Bekanntwerden einer Fehlgeburt ausgesprochen wurden und stützt die Rechtsunwirksamkeit nunmehr ergänzend auf § 9 MuSchG. Die U...