Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlungsgrundsatz. Konzern. Unternehmen. Betrieb
Leitsatz (amtlich)
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann ausnahmsweise auch konzernbezogen wirken, wenn die Konzernspitze eine Verteilungskompetenz in Anspruch nimmt und Weisungen oder Regelungen trifft, die konzerndimensional gelten oder umgesetzt werden.
Normenkette
GG Art. 3; BetrVG § 75; BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 10.11.1998; Aktenzeichen 4 Ca 2218/98) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten gegen die am 10.11.1998 verkündeten Urteile des Arbeitsgerichts Aachen – 4 Ca 2212, 2214, 2215, 2216, 2217, 2218/98 – werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 1997 aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.
Die Klägerin und die Kläger sind bei der Beklagten als Zeitungszusteller beschäftigt. Die Beklagte ist eine von vier Zustellungsgesellschaften, die im Jahre 1990 aus dem Unternehmen der Zeitungsverlag Aachen GmbH ausgegliedert wurden. Die Zustellungsgesellschaften befinden sich nach wie vor zu 100 % im Besitz des Mutterunternehmens.
Ursprünglich gab es im Betrieb der Beklagten 223 Zeitungszusteller, ferner als Vollzeitbeschäftigte drei Vertriebshelfer als gewerbliche Arbeitnehmer und vier Vertriebsinspektoren als Angestellte. In einem Vorprozess vor dem Landesarbeitsgericht Köln (6/11 Sa 32/96) war ferner unstreitig, dass die Beklagte ihren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern (Vertriebshelfern und Vertriebsinspektoren) in den Jahren 1990 und 1991 u.a. ein Urlaubsgeld in Höhe von 68 % eines Monatsverdienstes gewährte. Derzeit beschäftigt die Beklagte in Teilzeit noch etwa 180, überwiegend nebenberuflich tätige Zeitungszusteller und in Vollzeit drei Vertriebsinspektoren, die u.a. die Zustelltätigkeit der Zusteller überwachen. Die sog. Vertriebshelfer wurden zum 01.12.1993 in den Zeitungsverlag Aachen „zurückgegliedert” und erhalten dort nach wie vor das Urlaubsgeld in Höhe von 68,2 % in Anlehnung an die Regelung des Manteltarifvertrages für die kaufmännischen Angestellten in den Verlagen von Tageszeitungen (im Folgenden: MTV)
Die Vertriebsinspektoren hatten als kaufmännische Angestellte ab dem 01.01.1984 gem. § 30 Abs. 2 MTV einen Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 68,2 % des vereinbarten Gehalts. In einer Betriebsvereinbarung vom 09.08.1990 (Kopie Bl. 24 ff d.A. 6/1/5 Sa 240/99) heißt es unter Ziffer 9:
„Es besteht Einvernehmen darüber, und die Beteiligten zu 3 – 6 erklären, dass die bei ihnen beschäftigten Vertriebsinspektoren auch in Zukunft so angesehen werden, als wären sie noch dem Tarifvertrag für kaufmännische Angestellte in den Verlagen für Tageszeitungen im Land NRW unterworfen; das gilt auch für zukünftig Beschäftigte in derselben Funktion. Die Beteiligten zu 3 – 6 sichern zu, dass die Vertriebshelfer und Nachlieferungsfahrer die Zusatzleistungen erhalten, auf die sie bis zum 31.12.1989 bei der Beteiligten zu 1 Anspruch hatten.”
Die Klägerin und die Kläger haben geltend gemacht, die Beklagte sei ihnen gegenüber aus Gründen der Gleichbehandlung zur Zahlung des Urlaubsgeldes für das Jahr 1997 wie an die Vertriebsinspektoren verpflichtet.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen mit Urteilen vom 10.11.1998 stattgegeben und erkannt, dass die Beklagte verpflichtet sei, das der Höhe nach unstreitige Urlaubsgeld für 1997 auch an die Klägerin und die Kläger zu zahlen. Wegen seiner Entscheidungsgründe wird auf Bl. 17 ff d.A. 6 Sa 241/99 Bezug genommen.
Gegen die ihr am 18.01.1999 zugestellten Urteile des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 17.02.1999 Berufung eingelegt, die am 12.03.1999 begründet worden ist. Sie trägt nunmehr vor, bei der Zahlung des Urlaubsgeldes an die Vertriebsinspektoren handele es sich nicht um eine freiwillige Leistung, sondern um die Erfüllung einer Rechtspflicht, die sich ursprünglich aus § 30 MTV, sodann aus Ziffer 9 der Betriebsvereinbarung vom 09.08.1990 und schließlich ohnehin aus § 613 a BGB ergeben habe. Diesen Sachverhalt habe das Landesarbeitsgericht Köln in dem zitierten Urteil des Vorprozesses vom 21.03.1996 (6/11 Sa 32/96) nicht berücksichtigt, wie Tatbestand und Entscheidungsgründe der Entscheidung zeigten.
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz lasse sich im Verhältnis zwischen Zustellern und Vertriebsinspektoren auch nicht aus der Behauptung ableiten, bereits im Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten seien die Zusteller unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz benachteiligt worden. Denn auch insoweit sei ausschließlich abzustellen auf einen Vergleich zwischen Zustellern und den Vertriebsinspektoren im Betrieb der Rechtsvorgängerin. Ob möglicherweise die Zusteller benachteiligt worden seien im Vergleich zu anderen gewerblichen Arbeitnehmern, weil solchen gewerblichen Arbeitnehmern Leistunge...