Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Arzneimittelregress. Anfang 2004 ausgefertigter Prüfbescheid. Prüfungsausschuss in Besetzung nach alter Rechtslage bis 31.12.2003. keine Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Einlegung. Rechtsbehelf durch Telefax-Schreiben. Rechtsanwalt. wirksame Ausgangskontrolle
Orientierungssatz
1. Anfang 2004 ausgefertigte Prüfungsbescheide sind nicht nichtig, wenn der Prüfungsausschuss mangels Neubildung gemäß der zum 1.1.2004 in Kraft getretenen Regelung des § 106 Abs 4 SGB 5 nF seinerzeit nicht handlungsfähig war (vgl BSG vom 28.4.2004 - B 6 KA 8/03 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 5). Denn insoweit greift ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 40 Abs 2 Nrn 1 bis 5 SGB 10 nicht ein und der Umstand, dass die Bescheide noch von dem nach der Rechtslage bis zum 31.12.2003 gebildeten Prüfungsausschuss ausgefertigt worden sind, stellt auch keinen Fehler dar, der iS des § 40 Abs 1 SGB 10 "offensichtlich" ist.
2. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs ist auch durch Telefax-Schreiben zulässig. Der Absender ist dabei nicht verpflichtet ein Original brieflich nachzureichen oder telefonisch beim Adressaten anzufragen, ob das Telefax angekommen ist.
3. Ein Rechtsanwalt, der sich zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze eines Telefaxgerätes bedient, muss für eine wirksame Ausgangskontrolle sorgen. Dieser Verpflichtung genügt er, wenn er seinen Mitarbeitern die Weisung erteilt, dass sie einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken lassen müssen, der die ordnungsgemäße Übermittlung - oder eine Störung des Gerätes - anzeigt (vgl BGH vom 16.9.1993 - V ZB 33/93 = NJW 1993, 3140).
Nachgehend
Tenor
1. |
|
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25.10.2006 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.09.2004 verpflichtet, die Widersprüche des Klägers gegen die Prüfungsbescheide vom 12.01.2004 betreffend die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln des Klägers in den Quartalen 1/2000 bis 4/2001 sowie 1/2002 in der Sache zu bescheiden. |
2. |
|
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. |
3. |
|
Die Revision wird nicht zugelassen. |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Sache über die Rechtmäßigkeit von Arzneimittelregressen für die Quartale 1/2000 bis 1/2002 in Höhe von insgesamt 151.340,03 €; vorrangig ist die Frage, ob dem Kläger gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.
Der Kläger ist seit 1996 als Facharzt für Chirurgie mit dem Schwerpunkt "Gefäßchirurgie" zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen; er führt die Zusatzbezeichnung "Phlebologie". Auf Antrag der Beigeladenen beschloss der Prüfungsausschuss in seiner Sitzung am 13.08.2003 bezüglich der streitgegenständlichen Quartale: "Im Wege der Schätzung werden die veranlassten prüfrelevanten Verordnungskosten der zur Prüfung anstehenden Quartale für Arznei- und Verbandmittel im Durchschnitt pro Fall um den den gewichteten Vergleichswert der Fachgruppe - plus eines zugestandenen Mehraufwandes von 50 % - übersteigenden Betrag abzüglich Apothekenrabatt und Patientenanteile in Regress genommen." Der Regressbetrag betrug für die Quartale 1/2000 bis 4/2001 insgesamt 137.921,73 € und für das Quartal 1/2002 13.418,30 €.
Zum 01.01.2004 wurde durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190) die Zusammensetzung der Prüfgremien anders als bisher geregelt (§ 106 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - n. F.) und ihre Organisation erstmals gesetzlich normiert (§ 106 Abs. 4 a SGB V n. F.). In Vertretung der wegen Mutterschaftsurlaub verhinderten Vorsitzenden des Prüfungsausschusses fertigte deren Stellvertreter die Prüfungsbescheide aufgrund der Sitzung vom 13.08.2003 unter dem 12.01.2004 aus, die Prüfungsgremien in ihrer neuen Zusammensetzung waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht gebildet worden; auf die Bescheide wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Die Prüfungsbescheide wurden an den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers per Einschreiben versandt und ihm am 13.01.2004 zugestellt. Innerhalb der am 16.02.2004 (Montag) endenden Widerspruchsfrist verzeichnete der Beklagte keinen Rechtsmitteleingang. Nachfolgend belastete deshalb die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) das Honorarkonto des Klägers, der sich deshalb am 20.04.2004 telefonisch an die Beklagte wandte und angab, weder er noch sein (damaliger) Prozessbevollmächtigter hätten die Bescheide erhalten. Am 21.04.2002 beantragte der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage von Widerspruchsschreiben vom 04.02.2004 und eines "Sendeberichts" seines Telefaxgerätes vom selben Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da gegen beide Bescheide fristgerecht Widersprüche übermittelt worden seien. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16.07.2004 eine Wiedereinsetzung ab und führte aus, der "Sendeber...