0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 17 trat mit der Einführung des SGB IX durch Art. 1 SGB IX zum 1.7.2001 in Kraft. Die Vorschrift regelte bis zum 31.12.2017 die Ausführung von Leistungen. Mit Wirkung zum 1.1.2018 wurde die Vorschrift durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) neu gefasst und in dieser nunmehr Vorgaben für die Begutachtung geregelt.
Dabei wurden die Regelungen zur Begutachtung in § 14 Abs. 5 in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung im Wesentlichen übernommen. Neu eingeführt wurden Vorgaben zur Abstimmung der Rehabilitationsträger bei Trägermehrheit sowie ausdrückliche Anforderungen an das zu erstellende Gutachten.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Norm enthält Vorgaben für die Begutachtung und regelt die Bindungswirkung des erstellten Gutachtens im weiteren Verwaltungsverfahren.
Dem Leistungsberechtigten wird ein Wunsch- und Wahlrecht in Bezug auf den zu beauftragenden Gutachter eingeräumt, § 17 Abs. 1 Satz 2 und 3.
Rz. 3
Wesentliches Anliegen der Norm ist es, im Falle einer Trägermehrheit eine trägerübergreifende Bedarfsfeststellung durchzuführen, deren Ergebnis die erforderlichen umfassenden Feststellungen zu allen in Betracht kommenden Bedarfen enthält und die alle Rehabilitationsträger bindet. Mehrfachbegutachtungen sollen vermieden werden (BT-Drs. 18/9522 S. 237, 238).
2 Rechtspraxis
2.1 Beauftragung des Gutachtens, Wahlrecht des Leistungsberechtigten (Abs. 1)
Rz. 4
Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass der leistende Rehabilitationsträger bei Erforderlichkeit eines Gutachtens für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfes unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen beauftragt.
Leistender Rehabilitationsträger ist der nach § 14 verantwortliche Rehabilitationsträger. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern i. S. v. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB (BSG, Urteil v. 20.10.2005, B 7a AL 50/05 R). Ein Gutachten ist eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung eines Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, nicht jedoch jede Äußerung eines Sachverständigen im Verfahren (BSG, Urteil v. 5.2.2008, B 2 U 8/07 R Rz. 26).
Der Sachverständige muss geeignet sein. Der Sachverständige muss den in § 17 Abs. 2 Satz 1 genannten Anforderungen genügen, also in der Lage sein, eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vorzunehmen. Er soll die von den Rehabilitationsträgern gemeinsam vereinbarten Grundsätze der Bedarfsfeststellung und Begutachtung erfüllen und umsetzen (§ 17 Abs. 2 Satz 2). Es dürfen keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen (§ 17 Abs. 4).
§ 14 Abs. 5 Satz 3 in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung besagte, dass die Benennung der Sachverständigen "unter Berücksichtigung bestehender sozialmedizinischer Dienste" erfolgt. Dieser Passus ist in § 17 Abs. 1 Satz 2 nicht mehr enthalten. In der Gesetzesbegründung finden sich hierzu keine Ausführungen. Daher ist davon auszugehen, dass auch sozialmedizinische Dienste mit der Begutachtung beauftragt werden können. Eigene medizinische Dienste oder Fachdienste der Rehabilitationsträger sind auch nicht von vornherein als befangen gemäß § 21 Abs. 3 SGB X i. V. m. §§ 406, 42 ZPO anzusehen (BT-Drs. 14/5531 S. 8; SG Oldenburg, Beschluss v. 8.6.2006, S 41 AL 139/06 ER, Rz. 2; VG Göttingen, Urteil v. 26.1.2006, A 161/05, Rz. 47).
Rz. 5
Dem Leistungsberechtigten wird in § 17 Abs. 1 Satz 2 ein Wahlrecht in Bezug auf den Sachverständigen eingeräumt. Die Norm bestimmt, dass der leistende Rehabilitationsträger dem Leistungsberechtigten i. d. R. 3 möglichst wohnortnahe Sachverständige, soweit nicht gesetzlich die Begutachtung durch einen sozialmedizinischen Dienst vorgesehen ist, benennt.
Die Gutachter sind genau mit ihrem Namen einschließlich der Berufsbezeichnung und der Anschrift zu benennen. Die Nennung einer Gemeinschaftspraxis mit dem Namen nur einer der Ärzte reicht nicht aus (BSG, Urteil v. 20.7.2010, B 2 U 17/09 R, Rz. 30).
Zusätzlich zu diesem Wahlrecht können auf Antrag der Leistungsberechtigten auch andere geeignete Sachverständige herangezogen werden (BT-Drs. 18/9522 S. 237; BT-Drs. 14/5074 S. 103; Welti, in: HK-SGB IX, § 14 Rz. 43a). Dieses Vorschlagsrecht ist jedoch nicht bindend (BSG, Urteil v. 20.7.2010, B 2 U 17/09 R, Rz. 30).
Das Wahlrecht besteht in entsprechender Anwendung von § 200 Abs. 2 SGB VII auch bei der Einholung von Gutachten durch Rehabilitationsträger im gerichtlichen Verfahren (BSG, Urteil v. 5.2.2008, B 2 U 8/07 R, Rz. 28). Soweit die Begutachtung durch einen sozialmedizinischen Dienst vorgeschrieben ist, greift das Wahlrecht nicht ein (Abs. 1 Satz 2 HS 2). Dies gilt für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier gilt gemäß §§ 275 ff. SGB V, dass ausschließlich die gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen ist (BT-Drs. 18/9522 S. 237).
Dem Leistungsberechtigten ist zweckmäßigerweise eine Äußerungsfrist zu dem Vorschlag zu setzen (Knittel, SGB IX, § 14 Rz. 162; Luik, in: JPK SGB IX, § 14 Rz. 138).
Ist die Benennung mehrerer Gutachter unterbli...