Rz. 8
Nach Abs. 3 und 4 genießen ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen, die bereits vor dem 1.1.1995 mit Sozialleistungsträgern Vereinbarungen zur pflegerischen Versorgung unterhalten haben, Bestandsschutz. Kraft gesetzlicher Fiktion gilt daher in diesen Fällen ein Versorgungsvertrag als abgeschlossen (vgl. Abs. 3 Satz 1, Abs. 4). Besitzstandswahrende Vereinbarungen i. S. d. Abs. 3 Satz 1 sind u. a. die Verträge der Krankenkassen mit den Sozialstationen und anderen Pflegediensten über häusliche Pflegehilfe gemäß § 132 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Daneben fallen hierunter ferner Vereinbarungen zwischen der Liga der freien Wohlfahrtspflege und den (überörtlichen) Sozialhilfeträgern über die Erbringung ambulanter oder stationärer Pflege nach dem damaligen BSHG (vgl. BR-Drs. 505/93 S. 137).
Rz. 9
Die im Wege der gesetzlichen Fiktion eines Versorgungsvertrages den Pflegediensten wie auch Pflegeheimen eingeräumte Bestandsschutzgarantie greift allerdings nur, wenn die sich hierauf berufende Pflegeeinrichtung die an sie nach der Legaldefinition des § 71 gestellten gesetzlichen Anforderungen erfüllt und zudem die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung der Versicherten bietet (vgl. Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 72 Abs. 2 Satz 1). Insoweit ist es Aufgabe der Landesverbände der Pflegekassen, unter evtl. Mitwirkung der Träger der Sozialhilfe, die Erfüllung aller gesetzlichen Voraussetzungen im Interesse einer versichertengerechten Versorgung im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Zu diesem Zweck sieht das Gesetz bei Inanspruchnahme der Bestandsschutzgarantie durch Pflegeeinrichtungen ein Prüfverfahren mit unterschiedlichen Fristenregelungen vor:
- Pflegeeinrichtungen, deren bisheriger Versorgungsauftrag die ambulante, teilstationäre Pflege oder Kurzzeitpflege war, hatten gegenüber den Landesverbänden der Pflegekassen bis spätestens 31.3.1995 die Voraussetzungen für den Bestandsschutz nachzuweisen. Lagen die Voraussetzungen für den Bestandsschutz nicht vor, waren Einwände bis zum 30.6.1995 schriftlich mitzuteilen (Abs. 3 Satz 2 und 3). Eine Beanstandung durch die Landesverbände der Pflegekassen zur Verhinderung eines fiktiven Versorgungsvertrages ist nach der – erst nachträglich durch das 1. SGB XI-ÄndG v. 14.6.1996 (BGBl. I S. 830) in das Gesetz aufgenommenen – Regelung des Abs. 3 Satz 1 entbehrlich, wenn die Pflegeeinrichtungen die Anforderungen nach § 72 Abs. 3 Satz 1 offensichtlich nicht erfüllen. Damit wird kraft Gesetzes auf Dauer sichergestellt, dass Einrichtungen, die nach ihrer primären Zweckbestimmung und nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich keine Pflegeheime oder Pflegedienste sind bzw. die hierzu erforderlichen Mindestvoraussetzungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 offenkundig nicht erfüllen, nicht allein aufgrund formaler Versäumnisse Bestandsschutz beanspruchen können.
Gleiches gilt nach Abs. 4 für die Prüfung der vollstationären Pflegeeinrichtungen mit dem Unterschied, dass die Prüfungsunterlagen bis spätestens 30.9.1995 einzureichen und evtl. Einwände gegen den geltend gemachten Bestandsschutz dem Träger der Pflegeeinrichtung bis 30.6.1996 mitzuteilen waren.
Schriftliche Einwände gegen den Bestandsschutz können von den Kassenverbänden nach Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 nur gemeinsam geltend gemacht werden (zum Erfordernis der gemeinsamen Willensbildung vgl. auch die Komm. zu § 72 Rz. 10).
Rz. 10
Die Bestandsschutzvereinbarung muss grundsätzlich mit dem Träger der Pflegeeinrichtung als alleinigem Inhaber des Rechts auf Bestandsschutz abgeschlossen sein. Träger der Pflegeeinrichtung ist die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung nach innen und außen rechtlich verantwortliche natürliche oder juristische Person (vgl. Grünewald, Die Sozialversicherung 1996 S. 29). Demzufolge erlischt auch der Bestandsschutz im Falle des Trägerwechsels (so Thüringer LSG, Urteil v. 29.11.2004, L 6 P 769/01). Die praktische Relevanz der Übergangsregelungen in Abs. 3 und 4 dürfte aber heute nur noch gering sein (vgl. auch BSG, Beschluss v. 25.7.2005, B 3 P 5/05 B).
Rz. 11
Wird von den Landesverbänden der Pflegekassen gegenüber einer Pflegeeinrichtung die Zulassung aufgrund der gesetzlichen Bestandsschutzregelungen verneint, so handelt es sich bei dieser Entscheidung nach der Rechtsprechung – ebenso wie in Fällen der Ablehnung eines Versorgungsvertrages (vgl. hierzu Rz. 4) – um einen Verwaltungsakt (BSG, Urteil v. 6.8.1998, a. a. O.). Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten steht offen. Im Wege der Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann der Träger der Pflegeeinrichtung gegebenenfalls eine gerichtliche Entscheidung darüber herbeiführen, ob die Pflegeeinrichtung die gesetzlichen Voraussetzungen des Bestandsschutzes erfüllt, d. h. ein fiktiver Versorgungsvertrag mit unmittelbarer Verbindlichkeit für die Pflegekassen (vgl. § 72 Abs. 2 Satz 2) besteht.