0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 44a wurde durch das Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes v. 21.7.2012 (BGBl. I S. 1601) eingeführt und trat zum 1.8.2012 in Kraft. Durch die Regelung wurde die von den Krankenkassen anhand der Rechtsprechung des BSG v. 12.12.1972 (3 RK 47/70) entwickelte Praxis, Organ- und Gewebespendern ihren Ausfall von Arbeitseinkünften zu erstatten, erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Die Begründung des Gesetzgebers ist in der BT-Drs. 17/9773, S. 38 ff. nachzulesen:
Zitat
Die Neuregelung stellt die bisherige Praxis der Krankenkassen zur Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften von Spendern von Organen oder Geweben auf eine gesetzliche Grundlage und sorgt damit für die erforderliche Rechtssicherheit sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Krankenkassen. Die Regelung ergänzt die in § 27 Abs. 1a getroffene Bestimmung der Leistungsansprüche von Spendern gegenüber den Krankenkassen der Empfänger. Zu den von den Krankenkassen der Empfänger zu tragenden Aufwendungen gehört nach der Rechtsprechung des BSG der Verdienstausfall der Spender, der mit einer infolge der mit der Organ- oder Gewebeentnahme verbundenen Arbeitsunfähigkeit entsteht (BSG, Urteil vom 12.12.1972, Az. 3 RK 47/70).
Rz. 2
Durch Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) v. 16.7.2015 (BGBl. I S. 1211) fasste der Gesetzgeber die Überschrift sowie Satz 1 der Vorschrift mit Wirkung zum 23.7.2015 redaktionell neu. Gemäß der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 641/14) verfolgte der Gesetzgeber das Ziel,
- dass die Lebendspender nicht nur bei einer Spende von Organen/Organteilen oder Geweben, sondern auch bei einer Spende von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen i. S. v. § 9 des Transfusionsgesetzes abgesichert sind und
- dass bei Arbeitsunfähigkeit wegen dieser "Blutspenden" § 44a auch anzuwenden ist.
1 Allgemeines
Rz. 3
§ 44a befasst sich mit dem Krankengeld, das der Lebensspender wegen einer spendenbedingten Arbeitsunfähigkeit beanspruchen kann. Erleidet nämlich ein Lebendspender von
- Körperorganen (z. B. Nieren, Teile der Leber oder andere nicht regenerierungsfähige Organe),
- Körpergeweben (z. B. Muskelgewebe, Knochenmark) oder
- Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (z. B. Blutstammzellspende mittels Aphereseverfahren)
wegen einer spendenbedingten Arbeitsunfähigkeit einen Verdienstausfall, erhält er bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen von der Krankenkasse des konkreten Spendenempfängers Krankengeld nach § 44a. Dadurch soll die finanzielle Absicherung des Lebendspenders verbessert und der Anreiz für eine Spendenbereitschaft erhöht werden. Eingeschlossen sind auch Ausfallzeiten des potenziellen Spenders wegen erforderlicher Vor- oder Nachuntersuchungen – und zwar auch dann, wenn es nicht zur Spende kommt bzw. kam.
Rz. 4
Entsteht ein Verdienstausfall im Zusammenhang mit einer spendenbedingten Untersuchung, ohne dass diese selbst eine Arbeitsunfähigkeit bedingt, ist aus Anlass des ausgefallenen Nettoverdienstes kein Krankengeld zu zahlen. § 27 Abs. 1a Satz 2 verweist nämlich hinsichtlich des Verdienstausfallersatzes auf den Krankengeldanspruch nach § 44a – und § 44a fordert für die Zahlung von Krankengeld ausdrücklich das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit.
Rz. 5
Das bei Arbeitsunfähigkeit zu zahlende Krankengeld nach § 44a wird in der Praxis auch als "Spender-Krankengeld", "Transplantationskrankengeld" oder "Transfusionskrankengeld" bezeichnet. Im weiteren Text dieser Kommentierung wird vereinfacht von Spende bzw. Spender gesprochen und das Wort "Spender-Krankengeld" verwendet.
Rz. 6
Das Spender-Krankengeld wird
- bei Arbeitnehmern in Höhe von 100 % des ausgefallenen regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts bzw.
- bei selbständig Tätigen in Höhe von 100 % des ausgefallenen Bruttoarbeitseinkommens
gezahlt. Damit ist dieses Krankengeld teils erheblich höher als das bei spendenunabhängiger Arbeitsunfähigkeit zu zahlende Krankengeld (vgl. 47 Abs. 1).
Allerdings gibt es eine Einschränkung: Das kalendertägliche Spender-Krankengeld ist in der Höhe auf den für den Kalendertag entfallenden Teil der in der Krankenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze begrenzt (§ 44a Satz 2). In dem Jahr 2024 beträgt somit das höchstmögliche Krankengeld für den Spender 172,50 EUR je Kalendertag (vgl. Rz. 58).
Rz. 7
Der Anspruch auf Zahlung des Spender-Krankengeldes richtet sich ausschließlich gegen die Krankenkasse des Spendenempfängers (Rz. 14 f.). Das Krankengeld des Spenders ist somit eine Nebenleistung der dem Organempfänger zugutekommenden Hauptleistung und wird als Teil der Krankenbehandlung für den Spendenempfänger behandelt. Es ist also egal, ob und bei welcher gesetzlichen Krankenkasse der Spender versichert ist.
Ist der Spendenempfänger privat krankenversichert, ist sein privates Krankenversicherungsunternehmen leistungs- bzw. erstattungspflichtig (vgl. Rz. 81).
Rz. 8
Bei Arbeitnehmern ist das Krankengeld nach § 44a nur zu z...